Der Antrag der AfD hilft keineswegs, den UkraineKonflikt zu lösen. Noch weniger hilft er der sächsischen Wirtschaft. Deswegen lehnen wir ihn ab.
Die SPD-Fraktion war gerade von Herrn Kollegen Baum vertreten. Jetzt spricht Herr Dr. Lippold für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema RusslandSanktionen, das die AfD-Fraktion wieder einmal auf die Tagesordnung gebracht hat, ist ein durchaus komplexes Thema internationaler Politik. Nur bei Ihnen ist es wieder einmal ganz einfach. Hier wie anderswo halten Sie sich nicht lange mit Überlegungen zur Verhältnismäßigkeit und zu Abwägungen auf. So sehen Sie offenbar auch als sauber abgewogen an, wenn auf der einen Seite die Grundprinzipien des Völkerrechts stehen, etwa die UNCharta mit ihren gegenseitigen Verpflichtungen zum allgemeinen Gewaltverbot, zur Achtung der territorialen Integrität und Souveränität, und auf der anderen Seite die Milch- und Gemüsepreise und einzelne Verbote für DualUse-Güter. Die Fähigkeit zur Abwägung ist Ihnen nicht nur in dieser Debatte verloren gegangen.
Wie weit diese erschreckende Verschiebung des Koordinatensystems in Ihrem Weltbild geht, wurde aus Ihren Reihen vor wenigen Tagen offenbart. Wenn Grundsätze wie das Verhältnismäßigkeitsprinzip oder die Methode der Güterabwägung in Ihrem Weltbild auch nur irgendeine Bedeutung hätten, so wären Ihnen Ihre unerträglichen Schlussfolgerungen aus den Bestimmungen in den §§ 11 bis 13 des Gesetzes über den unmittelbaren Zwang bei der Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes noch nicht einmal in den Kopf, geschweige denn über die Lippen gekommen. Ginge es Ihnen beim Thema Russland-Sanktionen wirklich um die Auswirkungen auf die Wirtschaft, dann hätten Sie auch vor den Warnungen der Wirtschaft vor gravierenden Folgen von Grenzschließungen nicht die Ohren verschließen können.
Damit nicht genug. Auch Ihr Nationalismus steht in einem seltsamen Missverhältnis zu Ihren unkritischen Haltungen gegenüber Putins imperialer Politik, die schlimmste Erinnerungen weckt. Was wir im Falle Lisa soeben erlebt haben, ist klar ein Kapitel aus dem Lehrbuch der politisch-ideologischen Diversion. Dass dabei ein zu dieser Zeit noch links verorteter Stadtrat eine besondere Rolle spielte, macht die Sache auch nicht gerade besser.
Aber zurück zu den Sanktionen. Auch wir würden die Überwindung der bestehenden Sanktionen sowie der russischen Gegenembargomaßnahmen natürlich begrüßen, jedoch eben nicht als voraussetzungslosen Schritt, wie in Ihrem Antrag gefordert, sondern als sichtbaren Beleg endlich erreichter erheblicher Fortschritte bei der Kooperation zur Verbesserung der Lage in der Ukraine und bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen.
Es muss jetzt darum gehen, die Voraussetzungen für die Aufhebung der EU-Sanktionen zu schaffen, meine Damen und Herren. Da besteht durchaus Aussicht auf Erfolg. Es hat sich gezeigt: Wenn Russland bei der Bewältigung internationaler Krisen in die Pflicht genommen wird, dann können Schritt für Schritt auch Grundlagen dafür geschaffen werden, dass die Zusammenarbeit wieder enger werden kann. So konnten die Sanktionen gegen den Iran auch deshalb aufgehoben werden, weil sich Russland
Ein Erfolg bei der schrittweisen gegenseitigen Aufhebung von Sanktionsmaßnahmen wird allerdings nicht Ergebnis Ihrer Forderungen nach voraussetzungsloser Abschaffung sein, meine Damen und Herren von der AfD.
Russland befindet sich in einer krisenhaften Lage seiner Wirtschaft und seiner Finanzen. Es lässt sich nicht sauber voneinander trennen, was Effekte von Missmanagement, staatlichem Dirigismus, ungesunder Wirtschaftsstruktur und viel zu geringer Aufmerksamkeit für ein entwicklungsfähiges Segment kleiner und mittelständischer Unternehmen sind und wo Sanktionen über den Umweg der schwierigeren Geldbeschaffung im Bankenbereich wirklich wirksam gewesen sind.
Der Rubel ist massiv abgestürzt. Der Verfall der Rohstoffpreise hat Russland, das nicht nur eine extrem hohe Abhängigkeit von Rohstoffexporten, sondern auch noch vergleichsweise hohe Ölförderkosten hat, eines erheblichen Teils seiner Staatseinnahmen beraubt. Durch diese wirtschaftliche Entwicklung war der Außenhandel mit Russland bereits vor der Krim-Annexion und damit vor den Sanktionen deutlich rückläufig. Das wurde hier schon betont. Insofern würde die Umsetzung Ihrer Forderung, die Sanktionen unverzüglich zu beenden, keinesfalls zu einer Handelsbelebung führen.
Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten Monaten Fortschritte bei der Schaffung der Voraussetzungen für die Aufhebung der Sanktionen sehen werden und folglich auch bei der Aufhebung selbst. Auch Russland wird die Vorteile nutzen, sich als Bestandteil einer miteinander vernetzten Staatengemeinschaft zu verstehen, die sich an gemeinsam definierte Regeln hält.
Das war Herr Dr. Lippold. Er sprach für seine Fraktion, die GRÜNEN. Jetzt könnten wir eine weitere Rederunde eröffnen. – Das wollen wir auch. Bitte, Herr Kollege Urban für die einbringende Fraktion, die AfD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Neben den direkt durch die EU-Sanktionen geschädigten Wirtschaftsbranchen gibt es Branchen, die indirekt unter der Sanktionspolitik leiden müssen. Damit meine ich speziell die Agrar- und die Lebensmittelwirtschaft.
Als Gegenreaktion auf das Wirtschaftsembargo der EU verhängte Russland seinerseits Einfuhrverbote für verschiedene Produkte aus den USA, aus Kanada, aus Australien, aus Norwegen und aus der EU. Besonders betroffen sind Fleisch, Milchprodukte, Obst und Gemüse. Bis zum Beginn der Embargo-Politik der EU galt Russland als der wichtigste und wachstumsstärkste Absatzmarkt für deutsche Agrarprodukte außerhalb der EU.
Die Agrar- und die Lebensmittelwirtschaft sind kein unbedeutender Wirtschaftszweig. Deutschland ist weltweit der drittgrößte Exporteur von Lebensmitteln. Dabei macht der Export in dieser Branche ein Drittel der Gewinne aus. Die größten Wachstumspotenziale der Agrar- und der Lebensmittelwirtschaft liegen ohnehin in den kaufkräftigen Märkten außerhalb der EU und nicht mehr in der EU. In Spitzenzeiten wurden von deutschen Unternehmen jährlich Agrargüter im Wert von 1,92 Milliarden Euro nach Russland exportiert und Lebensmittel im Wert von 1,73 Milliarden Euro. Durch die Einfuhrbeschränkungen für spezielle Produktarten reduzierte sich der Export von Agrargütern nach Russland in den Jahren 2014 und 2015 um 30 % bzw. um 409 Millionen Euro. Der Export von verarbeiteten Lebensmitteln nach Russland ging sogar um 34 % bzw. um 419 Millionen Euro zurück.
Damit ist die Agrar- und die Lebensmittelwirtschaft – auch in Sachsen – der am stärksten von den EU-Sanktionen geschädigte Wirtschaftsbereich. Der Schaden für die Unternehmen entsteht aber nicht nur durch direkte Absatzeinbußen. Die Waren aus dem EU-Binnenmarkt, die vor den Sanktionen nach Russland exportiert werden konnten, erzeugen nun in der EU einen Warenüberschuss und drücken damit auf die Erzeugerpreise.
Der gesamte wirtschaftliche Schaden ist deshalb nur schwer zu beziffern, weil weitere Markteinflüsse und entsprechende Wechselwirkungen kaum isoliert betrachtet werden können. Wir wissen aber zum Beispiel von Vertretern der Landwirtschaft, dass das RusslandEmbargo erheblich am Verfall der Milchpreise beteiligt ist. Während deutschen Unternehmen der Zugang zum russischen Markt erschwert ist, drängen Lebensmittelexporteure aus Asien, aus Südamerika und aus Afrika in diesen Markt. Gleichzeitig investiert der russische Staat verstärkt in den Aufbau eigener landwirtschaftlicher Kapazitäten, um seine Importabhängigkeit zu reduzieren. Damit verschlechtern sich auch die mittel- und langfristigen Perspektiven deutscher und sächsischer Hersteller auf dem russischen Markt.
Anstelle des Aufbaus weiterer Hürden durch eine fragwürdige Außenpolitik benötigt die Agrar- und die Lebensmittelwirtschaft politische Unterstützung, um Handelshemmnisse abzubauen oder um zum Beispiel eine vertiefte Zusammenarbeit bei der Durchsetzung von Verbraucherstandards zu erreichen.
Die deutsche Außenpolitik hatte viele Jahre auf das kooperative Konzept „Wandel durch Handel“ gesetzt. Heute betreibt die Bundesregierung aus CDU und SPD eine aggressive Ausgrenzungspolitik gegenüber Russland und setzt diese Politik in der EU gegen besonnene Stimmen aus anderen EU-Ländern durch. Herr Pohle und Herr Baum, ich bin der Meinung, dass unser Antrag gut und richtig ist; denn eine Verlängerung der EU-Sanktionen steht im Sommer wieder zur Debatte. Es ist zu befürchten, dass SPD und CDU wieder die treibende Kraft sein
Die Ausgrenzungspolitik ist fragwürdig begründet. Diese Ausgrenzungspolitik führt nicht zu den angestrebten Ergebnissen – das sehen wir –, und sie schadet der deutschen und der sächsischen Wirtschaft massiv.
Deshalb beantragt die AfD-Fraktion heute im Sächsischen Landtag den Einsatz der Sächsischen Staatsregierung – den ehrlichen Einsatz, der über Worte hinausgeht – für ein Ende der Embargo-Politik gegen Russland.
Für die einbringende AfD-Fraktion sprach Herr Kollege Urban. Gibt es in dieser zweiten Rederunde weitere Redner, die ans Pult treten möchten? – Aus den Fraktionen kann ich das jetzt nicht feststellen. Damit hätte die Staatsregierung das Wort. – Das Wort ergreift Herr Staatsminister Dulig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Trotz der schwierigen politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen halten wir weiterhin den Kontakt zu unseren russischen Partnern. Russland ist ein wichtiger Wirtschaftspartner.
Sächsische Unternehmen haben gute, solide Kontakte nach Russland. Deshalb sind die sächsischen Exporte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2015 deutlich weniger zurückgegangen als die gesamtdeutschen: Sachsen minus 12 %, gesamtdeutsch minus 28 %. Insgesamt haben sich die sächsischen Exporte im selben Zeitraum jedoch positiv entwickelt: plus 12 %. Die sächsische Wirtschaft ist international gut aufgestellt. Sie ist eben nicht von einem Absatzmarkt abhängig.
Unsere Außenwirtschaftsförderung zielt genau darauf. Wir unterstützen Unternehmen dabei, sich in der Außenwirtschaft breit aufzustellen. Trotzdem haben wir Bereiche, in denen die EU-Sanktionen gegenüber Russland direkt und indirekt auch sächsischen Unternehmen schaden. Auch in der Landwirtschaft ist das der Fall. Unsere Milchbauern und Molkereien sind vom Weltmarkt stark abhängig. Die Preise für deren Produkte werden nicht vom Staat festgelegt. Wir brauchen verlässliche und aufnahmefähige Absatzmärkte im In- und Ausland. Gerade für diesen wichtigen Absatzmarkt wäre es wichtig, dass die Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland beendet werden. Hierzu bin ich mir mit meinem Kollegen Thomas Schmidt einig.
Einig sind wir uns aber darin, dass berechtigte Kritik an Russlands Politik gegenüber der Ukraine ausgesprochen werden muss und internationale Spielregeln selbstverständlich eingehalten werden müssen. Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Sanktionen ist die Umsetzung des Minsker Abkommens. Die Bundesregierung führt dazu intensive Gespräche.
Wir haben alle ein Interesse daran – auch die sächsischen Unternehmen –, dass diese Gespräche erfolgreich sind. Stabilität und Rechtsstaatlichkeit sind Grundvoraussetzungen für unternehmerisches Handeln und für den internationalen Handel.
Deshalb kann das außenpolitische Ziel der Stabilisierung im Ukraine-Konflikt nicht hinter wirtschaftliche Interessen zurückgestellt werden. Eine dauerhaft instabile Lage in dieser Region würde uns wirtschaftlich langfristig noch mehr schaden. Selbst wenn die Sanktionen gegenüber Russland morgen abgeschafft werden würden, würde der Hauptgrund für den Rückgang der Exporte nach Russland fortbestehen; denn es ist der niedrige Ölpreis in Verbindung mit einer starken Rohstoffabhängigkeit Russlands.
Aufgrund der tiefen Rezession, in der sich Russland befindet, werden viele Investitionen auf Eis gelegt. Davon sind insbesondere Investitionen in die Modernisierung von Maschinen und Anlagen betroffen. In einzelnen Bereichen wird aber auch in der gegenwärtig schwierigen Lage in Russland weiter investiert. Die Wirtschaftsförderung Sachsens setzt daher ihre außenwirtschaftlichen Aktivitäten in Russland kontinuierlich fort. Dadurch kann das zurzeit bestehende Potenzial genutzt werden. Sobald sich die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ändern, kann auf den bestehenden Kontakten aufgebaut werden.
Auch ich möchte alle bestehenden Kommunikationskanäle nutzen, um die Kontakte nach Russland zu pflegen. Deshalb plant die Staatsregierung, in diesem Jahr mit einer Unternehmerdelegation nach Russland zu reisen.
Der Vertreter der AfD sagte, er wünsche sich, dass sich die Sächsische Staatsregierung wirksam einsetze. Zum einen ist die Wirksamkeit mit einem Beschluss des Landtags noch nicht hergestellt und
zum anderen ist es so, dass das, was die Staatsregierung gemacht hat, etwas ist, das über Worte hinausgeht. Die Staatsregierung hat eine klare Haltung gezeigt, der Ministerpräsident in seinen Reden und Interviews. Ich habe mich öffentlich dazu bekannt. Wir stehen im regen Austausch mit dem Auswärtigen Amt.
Das sind unsere Dinge, die wir konkret tun. Dazu brauchen wir einen Antrag der AfD nun wirklich nicht.
Für die Staatsregierung sprach Herr Staatsminister Dulig. Ich sehe keinen weiteren Redebedarf, aber es gibt natürlich noch das dreiminütige Schlusswort. Das hat jetzt die einbringende AfDFraktion; bitte.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten Argumente dafür, warum die Embargo-Politik gegen Russland der politisch falsche Weg ist, haben mein Kollege und ich in
unseren Redebeiträgen ausführlich beschrieben – was man von Ihnen, liebe Kollegen der anderen Fraktionen, leider nicht sagen kann.
(Beifall bei der AfD – Staatsminister Martin Dulig: Sie haben ein fertig geschriebenes Manuskript; Sie haben nicht zugehört!)
Jeder in diesem Haus weiß, dass Deutschland, dass Sachsen und sächsische Unternehmen viel Zeit und Geld investiert haben, um gute Wirtschaftsbeziehungen zu Russland aufzubauen, aber auch um die Zivilgesellschaft mitzugestalten. Wir sehen doch anhand der Flüchtlingsströme weltweit, wie wichtig eine funktionierende Wirtschaft ist, um den sozialen Frieden aufrechtzuerhalten.