Protokoll der Sitzung vom 03.02.2016

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Brünler hatte gerade das Wort für die Fraktion DIE LINKE. Als Nächstes ergreift die AfD-Fraktion das Wort auch in dieser Runde. Bitte, Frau Kollegin Grimm.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Colditz, ich danke Ihnen für Ihre Ausführungen. Die gleiche Situation wie im Erzgebirge haben wir in der Lausitz und im Zittauer Gebirge. Da macht man in den Gesprächen mit den Unternehmen die gleichen Erfahrungen.

Unser Fazit: Statt das Mindestlohngesetz wie versprochen praxistauglich anzuwenden, hat das Bundesarbeitsministerium ohne Zustimmung des Bundestages mit dieser Rechtsverordnung eine erhebliche Bürokratielast für die Unternehmen verursacht. Die Dokumentation der Arbeitszeit ist sehr zeitaufwendig. Das Mindestlohngesetz muss dringend in vielen Branchen durch flexible Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten angepasst werden.

Nun zum Ausblick: Alle zwei Jahre soll durch eine Kommission dieser Mindestlohn neu entschieden werden. Man sollte hier aber auch an die nicht tariflich gebundenen Unternehmen denken. Unserer Ansicht nach sollte sich die Politik nicht weiter in die unternehmerischen Entscheidungen des Mittelstands einmischen. Vielmehr erwartet der Mittelstand von der Politik die Senkung der EEG-Umlage im Handwerk, die Senkung der Lohnnebenkosten im Handwerk und in den Dienstleistungsunternehmen, den Abbau von Bürokratie im Zusammenhang mit dem Mindestlohn, vor allem für kleine Mittelständler, Ehrenämtler in Vereinen und für soziale und kulturelle Einrichtungen, denn diese haben darunter zu leiden. Dringend notwendig sind flexible Arbeitszeitkonten, um eine bessere Harmonisierung mit dem Mindestlohngesetz herzustellen. Es müssen für die Unternehmer wieder überschaubare Haftungsrisiken geschaffen werden. Wenn es eine Aufzeichnungspflicht gibt, dann bitte schön für alle, auch für die Wissenschaft und die Universitäten. Die wissenschaftlichen Mitarbeiter hatte ich vorhin schon angesprochen.

Die Politik muss hier noch ihre Hausaufgaben machen und sollte die Unternehmen nicht ständig weiter belasten. Eine Arbeitgeberentlastung ist in Zukunft dringend erforderlich.

(Beifall bei der AfD)

Frau Grimm sprach für die AfD. Möchte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort in dieser Runde ergreifen?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein, Herr Präsident!)

Das ist nicht der Fall. Dann eröffnen wir gleich die dritte Rednerrunde, und zwar erneut mit dem Redner der CDU, mit Kollegen Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich würde auf einige Punkte aus der Diskussion eingehen, denn wir wollen eine lebendige Debatte haben und die Argumente austauschen.

Ich möchte zuerst zur AfD kommen.

Wenn festgestellt wird, dass in der Bauwirtschaft und in der Landwirtschaft Arbeitsplätze weggefallen sind, dann muss das nicht unbedingt etwas mit dem Mindestlohn zu tun haben. Wenn wir uns die Bauwirtschaft anschauen, dann ist das eine Branche, in der es schon seit 1996 einen flächendeckenden Mindestlohn gab. Damit steht das in keinem Zusammenhang. Auch bei der Landwirtschaft wird das Argument nicht zählen, denn in der Landwirtschaft gibt es bekanntermaßen noch die Ausnahmebedingungen über die Tarifverträge, weshalb man nicht 8,50 Euro zahlen muss. Insofern sind die Beispiele leider nicht passend.

(Beifall des Abg. Peter Wilhelm Patt, CDU)

Sie stellen die Frage: Wie unterscheidet ein Schausteller, ob er arbeitet oder in der Freizeit ist? Ich stelle mir das persönlich nicht ganz so schwer vor. Wenn mir mein Arbeitgeber sagt, ich solle um zehn in der Schießbude sein, dann ist das Arbeit. Wenn ich nicht in der Schießbude, sondern zu Hause in meinem Wohnwagen bin, dann ist das Freizeit. Ich finde, es ist gar nicht so kompliziert festzustellen, ob man arbeitet oder nicht.

Kommen wir zu der Dokumentationspflicht. Sie haben natürlich recht, wenn Sie sagen, dass man aufpassen muss, damit man es nicht übertreibt. Das ist auch unsere Meinung. Wir glauben, dass da auch noch mehr entbürokratisiert werden kann. Mir ist zum Beispiel nicht eingängig, wieso der Sohn eines Arbeitgebers keine Aufzeichnungen über seine Arbeitszeit machen muss, der Bruder aber schon. Wenn man hier von nahen Familienangehörigen spricht, dann gehört für mich der Bruder auch dazu. Das ist ein Beispiel.

Aber wenn Sie dann gleichzeitig sagen, dass die wissenschaftlichen Mitarbeiter auch die Arbeitszeit dokumentieren müssten, dann ist das das ganze Gegenteil von dem, was Sie vorher gesagt haben. Sie können nicht sagen, dass Sie entbürokratisieren wollen, dann aber die Dokumentationspflicht für wissenschaftliche Mitarbeiter einfordern. Das passt für mich nicht richtig zusammen.

Dann gibt es Punkte, die mit dem Mindestlohn relativ wenig zu tun haben. Da gebe ich Ihnen recht. Ich bin auch

dafür, dass die EEG-Umlage gesenkt wird. Aber das hat mit dem Mindestlohn nichts zu tun.

Kommen wir zu den GRÜNEN.

Bekanntermaßen war zu der Zeit, in der der Mindestlohn eingeführt worden ist, die CDU in einer Koalition mit der FDP. Es ist wie bei jeder anderen Koalition auch: Wenn man sich nicht einigt, dann enthält man sich im Bundesrat. Nichts anderes hat der Freistaat Sachsen gemacht.

Wenn Sie unser Bundestagswahlprogramm oder das Parteiprogramm in Sachsen lesen, dann steht dort nichts vom Mindestlohn, aber etwas von einer Lohnuntergrenze. Nun können Sie einmal raten, wo der Unterschied zwischen einer Lohnuntergrenze und dem Mindestlohn ist. Er ist nicht sehr groß, und es gibt auch keinen Unterschied. Es ist das Gleiche.

Ich möchte besonders in Richtung der GRÜNEN etwas sagen: Als es eine rot-grüne Bundesregierung gab, haben Sie in dem Bereich nichts, überhaupt nichts gemacht. Die branchenspezifischen Mindestlöhne im Baugewerbe, in der Pflege, bei den Dachdeckern etc. sind nie eingeführt worden, als die GRÜNEN mitregiert haben. Mindestlöhne sind seit 1996 eingeführt worden. Zu dieser Zeit haben CDU/CSU und FDP und danach in der Großen Koalition jeweils unter einem Kanzler oder einer Kanzlerin der Union regiert. Sie sollten sich jetzt nicht als große Vorkämpfer in diesem Bereich darstellen.

(Beifall bei der CDU)

Auch bei dem Thema Flüchtlinge sind wir uns relativ schnell einig. Ich möchte nicht, dass eine deutsche Putzfrau entlassen wird, indem man sagt: Ich stelle jetzt lieber eine Putzfrau, die aus Syrien kommt, ein, die 6 Euro nimmt. Das will von uns niemand haben.

Ich glaube, dass die Öffnungsmöglichkeiten, die es beim Mindestlohn gibt, ausreichend sind. So wie ein Arbeitgeber für einen Langzeitarbeitslosen nicht sofort 8,50 Euro zahlen muss, muss er das auch nicht für einen Flüchtling tun. Die derzeitigen Regelungen und auch die Lohnzuschüsse sind aus meiner Sicht ausreichend. Diese Möglichkeiten sollte man nutzen, und dann stellt sich diese Frage nicht, ob der Mindestlohn für Flüchtlinge abgesenkt werden muss.

Zu den LINKEN: Ich finde es schön, dass Klaus Tischendorf die Low Pay Commission in England angesprochen hat. Genau das ist das Modell, das wir übernommen haben. Wir sagen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollen sich unter Hinzuziehung der Wissenschaft verständigen. Das ist das Ziel.

Das heißt aber auch, dass sich die Politik mit Vorschlägen zur Höhe des Mindestlohnes ein wenig zurückhalten sollte. Das sollten die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände aushandeln.

Der Mindestlohn ist im Übrigen auch kein Regellohn, sondern er ist eine untere Haltelinie. Deswegen ist die Frage nach der Rente anders zu bewerten. Ich wünsche

mir auch, dass jemand, der sein Leben lang gearbeitet hat, eine anständige Rente erhält. Aber das müssen wir über andere Instrumente bewerkstelligen, –

Die Redezeit geht zu Ende!

– zum Beispiel über die Rente nach Mindesteinkommen. Aber man sollte auch das vom Mindestlohn trennen, weil der Mindestlohn kein Regellohn sein kann, sondern immer nur eine untere Haltelinie.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war in dieser dritten Runde Herr Kollege Krauß. Gibt es Redebedarf bei der einbringenden SPD-Fraktion? – Das kann ich nicht erkennen. Gibt es in dieser dritten Rederunde weiteren Redebedarf aus den Fraktionen heraus? – Das sehe ich nicht. Wir könnten eine vierte Runde eröffnen; vor allem mit Blick auf die Redezeit der CDU-Fraktion wäre das durchaus möglich. – Das ist auch nicht beabsichtigt.

Damit hat die Staatsregierung das Wort. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Dulig.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Der Mindestlohn ist gut für unser Land, er ist ein großer Erfolg.“ Das ist ein Zitat aus meiner Rede, die ich im Januar 2015 gehalten habe, als wir hierüber bei der Einführung des Mindestlohnes schon einmal diskutiert haben.

Sie erinnern sich vielleicht an die Diskussion zur Einführung des Mindestlohnes vor einem Jahr und was dabei alles angeführt wurde: Jobkiller, Bürokratiemonster, Preistreiber. Was ist davon übrig geblieben?

Deshalb ist es sinnvoll, dass wir mit der heutigen Aktuellen Debatte einmal die Dinge nüchtern nebeneinanderlegen, die damals als Sorgen genannt wurden und das, was tatsächlich eingetreten ist. Zum „Jobkiller“: Dazu gab es fast einen Überbietungswettbewerb verschiedener Forschungsinstitute, zum Beispiel das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit sprach von 570 000 Jobverlusten, das Ifo-Institut von 900 000, das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft sogar von 1,2 Millionen verdrängten Jobs durch den Mindestlohn.

Auch das Wirtschaftsministerium Sachsens, damals noch FDP-geführt, hatte dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Damit stellte das Ifo-Institut Dresden fest: Man rechnet mit einem Arbeitsplatzverlust von 30 000 bis 60 000 Jobs in Sachsen direkt nach Einführung des Mindestlohnes. Das war vor einem Jahr.

Interessant ist: Was sagt das Ifo-Institut heute? Ich zitiere aus dem aktuellen Gutachten zum Stand der heutigen ostdeutschen Wirtschaft: „Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung stieg sogar um 1,5 %. Die deutlich höhere Wachstumsrate der sozialversicherungspflichtigen

Beschäftigung gegenüber der Erwerbstätigkeit dürfte dabei auch auf die Einführung des flächendeckenden Mindestlohnes zurückzuführen sein, da geringfügige Beschäftigungsverhältnisse zum Teil in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung umgewandelt worden sein dürfte.“

Was heißt das für Sachsen? Für Sachsen heißt das: Wir haben zurzeit den niedrigsten Arbeitslosenstand seit 1990. Aktuell sind es 158 548 Arbeitslose – das ist eine Quote von 7,5 % – und dabei einen Anstieg von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung von 38 000 Plätzen. Das ist ein Zuwachs von 2,5 %.

Selbst die Branchen, zu denen es besondere Bedenken gegeben hat, haben höhere Wachstumsraten: zum Beispiel 8,2 % im Gastrogewerbe, 7,1 % bei Land- und Forstwirtschaft, 5,5 % im Gesundheits- und Sozialwesen, 5,3 % im Baugewerbe, also einen Zugewinn an sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung.

Zweiter Vorwurf, der damals gebracht wurde: Der Mindestlohn bringt den Arbeitnehmern erst einmal gar nichts. – Wie bitte? Allein in Sachsen profitieren 250 000 Menschen vom Mindestlohn. Auch die Zahl der Aufstocker – Henning Homann hat darauf hingewiesen, es geht darum, den Menschen die Würde zurückzugeben – ist deutlich zurückgegangen, deutschlandweit sind es minus 60 000.

Fazit: Nach Angaben des IAP-Betriebspanels wurden im Jahr 2014 in 31 % aller sächsischen Betriebe Bruttostundenlöhne unter 8,50 Euro gezahlt. In diesen Bereichen sind die Lohnsteigerungen zwischen 10 und 25 % am größten. Das hat auch zum deutlichen Absinken der Zahl der Aufstocker geführt.

Der dritte Vorwurf betraf die Preistreiberei. Auch hierzu kann ich auf Statistiken verweisen, zum Beispiel auf die des Statistischen Bundesamtes. Diese besagen: Der Mindestlohn trägt zur robusten Konjunktur bei, oder das Konsumklima ist so gut wie seit Jahren nicht mehr. Wir wissen, dass es in bestimmten Bereichen, besonders im Dienstleistungssektor, Preisentwicklung gegeben hat. Nur dort war die Akzeptanz wiederum am höchsten, weil man direkt gesehen hat, dass man durch die Erhöhung des Mindestlohnes denjenigen einen Lohn geben kann, der adäquat ist.

Deshalb war die Aufregung im Friseurgewerbe am Geringsten, zumal sich diese vorher schon auf den Weg gemacht haben, über 8,50 Euro zu zahlen. Von daher ist auch dieser Vorwurf nicht richtig.