Jedoch die vielfach eingeforderte Härte des Rechtsstaates, von der ich heute auch wieder gehört habe, verkommt immer mehr zu einer Phrase, und das ist meines Erachtens zu nicht mehr als einem Mantra der Hilflosigkeit geworden. Denn die permanente Proklamation steht in einem indirekt proportionalen Verhältnis zur tatsächlichen Durchsetzung dieser Härte. Der Rechtsstaat ist nicht am Wanken, aber er lässt sich zunehmend von Gewalttätern und Verfassungsfeinden immer mehr auf der Nase herumtanzen. Gleichzeitig sehen wir eine Radikalisierung in unserer Bevölkerung. Statt dieser Radikalisierung und diesen Teilen der Bevölkerung auch noch Argumente zu
liefern, erwarte ich – das sage ich auch deutlich in Richtung der Konservativen – von jedem aufrichtigen Demokraten ein Eintreten gegen menschenverachtende Positionen, sei es der Werteverfall, den wir mittlerweile hinsichtlich der Forderung nach Schusswaffengebrauch an der Grenze erleben, oder der Spuk, den wir mittlerweile tagtäglich auf Sachsens Straßen sehen.
Wir müssen endlich wieder in die Lage kommen, das staatliche Gewaltmonopol jederzeit durchsetzen zu können. Ich sage ganz ehrlich in Richtung der CDU: Ich wusste am Wochenende nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Da legen die GRÜNEN Ideen zur Frage, wie man die Durchsetzung des Rechtsstates in Sachsen befördern kann, vor. Der Fraktionsvorsitzende der CDU geißelt das als Law-and-Order-Politik. Wo leben wir denn, wenn jetzt die Durchsetzung rechtsstaatlicher Strukturen und des staatlichen Gewaltmonopols schon Law-and-Order
Ganz ehrlich, wenn Sie das so sehen, dann machen Sie es doch mal! Law-and-Order-Politik gehörte doch über Jahrzehnte zu den Spezialitäten der CDU. Von daher verstehe ich diesen Vorwurf nicht, kann es mir nur noch so erklären, dass die konservative Sicherheitserzählung offensichtlich mittlerweile unter einer Art partieller Amnesie leidet.
Ja, vielleicht braucht es keine grünen Träume hinsichtlich der Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit, aber vielleicht braucht es einfach einmal einen gewissen Realismus in dieser Frage bei der CDU.
Mit Berndt Merbitz hat ein Ihnen sehr nahestehender Polizeipräsident vor progromartigen Stimmungen, die wir in Sachsen haben, gewarnt. Ich sage es an dieser Stelle ganz deutlich: Der Mann hat recht. Überall sprießen Bürgerwehren wie Giftpilze aus dem Boden, und hier geht es eben nicht um eine aufmerksame Nachbarschaftsgruppierung, sondern um Gruppierungen, die sich organisieren, teilweise bewaffnen und nicht selten von strammen Neonazis unterstützt werden.
An dieser Stelle danke ich dem Justizminister, der hierzu klare Worte gefunden hat. Hier laufen wir auf ein Pulverfass zu, wobei tatsächlich nur noch ein Funke fehlt. Die Durchsetzung des Gewaltmonopols ist eine staatliche Aufgabe, und das muss regelmäßig auch deutlich und klargemacht werden. Dafür braucht es eine starke, gut ausgestattete Polizei. Ich erneuere es hier wieder: Wenn wir vor vier Monaten den sofortigen Stopp des Stellenabbaus bei der Polizei verkündet bekommen haben und bis heute wenig passiert ist, sage ich ganz deutlich: Herr Minister, machen Sie Ihre Hausaufgaben! Der Rechtsstaat wird es Ihnen danken.
Bewaffnung der Bevölkerung. Mehr Waffen in einer Gesellschaft führen nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu weniger Sicherheit.
Es gibt einen unübersehbaren Zusammenhang zwischen dem Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung, der zunehmenden Radikalisierung und dem Drang der Sachsen nach Waffen. Die waffenrechtlichen Erlaubnisse schießen durch die Decke, und wer jetzt sagt, das liege an der guten Werbung der Schützenvereine, der soll mir einmal die Entwicklung bei den kleinen Waffenscheinen erklären.
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Es braucht keine irrigen Debatten über die Renaissance des starken Staates, der im Gewand des Obrigkeitsstaates daherkommt. Es braucht starke rechtsstaatliche Strukturen, die Gewalt und Verbrechen verfolgen, sanktionieren und das Gewaltmonopol des Staates jederzeit durchsetzen.
Wir können das auch gern als Kurzintervention machen. Herr Lippmann, Sie kennen offenbar die Statistiken nicht und damit die Zusammenhänge zwischen Bewaffnung und Kriminalitätsrate in Europa. Sie sollten da einmal ein wenig nachlesen. Die am stärksten bewaffneten Bevölkerungen sind in Europa Finnland und die Schweiz, und die haben interessanterweise die niedrigste Kriminalitätsrate.
Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Dr. Petry, das ist Unsinn. Das ist wirklicher Unsinn. Lesen Sie dazu einmal die einschlägigen kriminologischen Feststellungen hinsichtlich der im Umlauf befindlichen Waffen in einer Gesellschaft und dem Kriminalitätspotenzial. Das widerspricht diametral dem, was Sie gesagt haben. Jetzt so zu tun – das höre ich
aus Ihren Überlegungen –, man müsse nur ausreichend Waffen in der Bevölkerung verteilen und dann hätten wir eine sichere Gesellschaft, ist zu kurz gesprungen und ist Quatsch, zeigt aber eindeutig, in welche Richtung Sie hier wollen.
Die ganze Apologetik, die die AfD beim Waffenrecht an den Tag legt, ist nichts weiter als das Ziel, der Bürger solle sich gefälligst bewaffnen, weil der Staat versagt. Das ist eine Rhetorik, die es zurückzuweisen gilt.
Das geht nicht. – Jetzt gehen wir weiter in der Rednerreihe. Das Wort hat in der zweiten Runde, die jetzt durch die einbringende Fraktion eröffnet wird, Herr Stange für die Fraktion DIE LINKE.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Petry, wissen Sie, mit dem Nachlesen haben Sie recht. In der Schweiz – das sollten Sie noch einmal genau nachlesen – handelt es sich um ein Heer, bei dem, wenn ich mich nicht irre, die Kollegen Soldaten ihre Waffen zu Hause haben. Das ist eine ganz einfache Erklärung für die Zahl. Also nicht nur Zahlen lesen, sich irgendetwas denken, sondern vielleicht einen Kommentar dazu lesen, Hintergrundmaterial herbeiziehen, dann wird es einfacher.
Bei Finnland würde ich scherzhaft sagen: Die wohnen so weit voneinander entfernt, da wundert es mich überhaupt nicht, dass die Kriminalität relativ gering ausfällt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Hartmann, Sie haben in gewisser Weise recht mit unserem Debattentitel. Nur, wenn ich mir jetzt vorstelle, dass wir alles, was wir im Grunde unter dem Titel subsumieren müssen, auch noch in den Titel geschrieben hätten, hätte eine Seite nicht ausgereicht, um es Ihnen nahezubringen. Deshalb kann ich nur sagen: Hängen Sie sich nicht an dem Titel auf. Hören Sie auf das, was wir Ihnen jetzt sagen.
Fakt ist, meine sehr geehrten Damen und Herren – Herr Hütter, da haben Sie nicht ganz unrecht und Herr Lipp
mann ebenfalls: Wir haben es in Sachsen mit einem deutlichen Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Politik und in den demokratischen Rechtsstaat samt seiner Institutionen zu tun. Das müssen wir uns erst einmal vergewissern, bevor wir hier mit dem Klamauk weitermachen. Das ist, glaube ich, die Grundlage dessen, womit wir uns befassen müssen. Ausdruck dessen ist eine massive Zunahme der politischen und fremdenfeindlichen Gewalttaten und die Infragestellung des Gewaltmonopols.
Darauf hat der Innenminister in der Beantwortung einer Kleinen Anfrage durchaus sehr zutreffend geantwortet. Ich darf aus der Drucksache 6/971 zitieren. Dort führt die Staatsregierung aus: „Die Sächsische Staatsregierung versteht unter einer Bürgerwehr einen Zusammenschluss von Bürgern zum Selbstschutz vor Kriminalität, der ohne rechtliche Grundlage agiert und gegen den Grundsatz des staatlichen Gewaltmonopols verstößt.“
Dem muss ich nichts mehr hinzufügen. Ich weiß nicht, woher Sie Ihr Vertrauen in Bürgerwehren nehmen. Ich kann es mir denken, wenn ich weiß, wo Sie hier in diesem Haus sitzen. Dann kann ich sehr wohl eins und eins zusammenzählen und weiß, dass Sie eine intensive Nähe zu Bürgerwehren pflegen.
Wir haben es drittens in diesem Land zu tun – – Mein Kollege Fritzsche und ich waren am Montag zu Gast in einer Bürgerversammlung in Markranstädt und haben dort erlebt, wie sich dieses Misstrauen gegen Staat und staatliche Institutionen bis auf die kommunale Ebene Bahn bricht. Aber wir können da nicht stehenbleiben, sondern wir müssen uns fragen, woher das kommt. Die Beantwortung kann nicht nur in mehr Polizei und nicht nur in „da sind haufenweise Flüchtlinge unterwegs“ liegen. Die liegt tiefer. Denn nicht die Flüchtlinge sind die Ursache für dieses Zurückweichen des Rechtsstaates. Nicht die Flüchtlinge sind die Ursache dafür, dass wir es mit wachsender Gewalt, mit einem massiven Misstrauen in den Staat zu tun haben. Die Zuwanderung ist der Anlass, der Auslöser. Die Ursachen sind andere.
Die Ursachen bestehen seit Jahren. Ich muss dazu auch sagen, dass die AfD und auch Teile der Konservativen, meine Damen und Herren, diese Stimmung über Jahre mitbefeuert haben. Das darf man an dieser Stelle nicht aus dem Blick verlieren.
Meine Damen und Herren! Die Ursachen sind folgende: ein öffentliches Sichtbarwerden des Versagens des Staates vor allem im Bereich der Sicherheit, aber auch in anderen. Ich darf folgende aufrufen: die Lehrer, die Schulen, die Kitas, die Ärzte, die bauliche Infrastruktur. Überall gibt es Fehlstellen, an denen der Staat in den letzten Jahren konsequent versagt hat. Das spüren die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land.