Protokoll der Sitzung vom 04.02.2016

Bei der Betrachtung des Istzustands in der Ausbildung muss festgehalten werden, dass die Qualifikation der Asylbewerber in den allermeisten Fällen diesen Standards nicht entspricht.

(Staatsminister Martin Dulig: Also müssen wir qualifizieren!)

Über 80 % der Erwerbslosen aus diesen Ländern haben keine abgeschlossene Berufsausbildung. Im Vergleich dazu liegt dieser Anteil für die erwerbslosen Deutschen bei 43 %. Angesichts dieser Zahl wird deutlich, dass die meisten erwerbslosen Ausländer die Berufsausbildung erst durchlaufen müssen, bevor sie für die oben genannten Berufe als Fachkraft überhaupt in Betracht kommen.

Dieser Prozess kann auch nicht dadurch beschleunigt werden, dass Ausbildungszeiten verkürzt oder Qualifikationsniveaus abgesenkt werden, wie es einst von Innenminister Thomas de Maizière vorgeschlagen und von unserem Ministerpräsidenten beim Neujahrsempfang der VSW teils aufgegriffen wurde. Das hilft den Ausländern und der sächsischen Wirtschaft nicht weiter. Für derart ausgebildete Arbeitskräfte gibt es nämlich keinen Bedarf.

Es ist absurd, zu glauben, dass derartige Maßnahmen überhaupt einen Nutzen hätten. Viele Unternehmen haben ihren guten Ruf mit Qualität aufgebaut. Wenn man dieses Image allerdings zerstören will, ist die Verringerung der Qualifikation sicherlich ein geeignetes Mittel.

Angesichts der geringen Anzahl offener Stellen und der vergleichsweise hohen Zahl der einheimischen Erwerbslosen und des niedrigen Qualifikationsniveaus der meisten erwerbslosen Ausländer ist schon jetzt absehbar, dass Letztere zu einem großen Teil für lange Zeit auf die Sozialsysteme angewiesen sein werden.

(Staatsminister Martin Dulig: Wenn wir nicht integrieren!)

Bereits jetzt sind für den Zeitraum bis 2017 für Unterbringung, Verpflegung, Integrations- und Sprachkurse rund 50 Milliarden Euro veranschlagt. Die erfolgreiche Integration am Arbeitsmarkt wird schwierig. Sie wird auch nur bei einem Teil gelingen. Vor allem wird sie viel Zeit und viel Geld kosten.

Um den bestehenden Fachkräftebedarf zu decken, sollten wir daher zwingend prüfen, welche Möglichkeiten und Anreizsysteme notwendig sind, um die bereits ausgebildeten einheimischen Arbeitssuchenden möglichst schnell und erfolgreich in den Arbeitsmarkt einzubringen.

Ergänzend hierzu ist zu untersuchen, in welchen Bereichen trotzdem ein Bedarf besteht, der mit qualifizierten oder zu qualifizierenden Ausländern gedeckt werden kann. Insoweit ist dem Antrag durchaus zuzustimmen.

Der hohe Zeit- und Kostenaufwand zeigt jedoch, dass eine Zuwanderung ohne jegliche Regeln nicht die richtige Antwort auf den bei uns partiell bestehenden Fachkräftemangel ist. Zudem ist, wie aufgezeigt war, auch keine schnelle Entlastung der Sozialsysteme zu erwarten. Die Integration der Asylbewerber durch Teilhabe am Arbeitsmarkt ist in diesem Zusammenhang nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Natürlich müssen wir diesen Weg trotzdem so weit wie möglich gehen, allein schon deshalb, um zumindest fachliche und handwerkliche Fähigkeiten für den Wiederaufbau in den Herkunftsländern zu vermitteln.

(Zuruf von der CDU: Ach!)

Allerdings warne ich davor, die Ausbildung der Zuwanderer als Rettung des deutschen Arbeitsmarktes zu mystifizieren.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die Regierungskoalition hat durch ihre Politik der bedingungslosen Öffnung der Grenzen eine Lage geschaffen, die mit hohen Belastungen für die deutsche Gesellschaft verbunden ist. Die hohen Belastungen der heutigen Zuwanderungswelle treffen die deutsche Gesellschaft jedoch jetzt und in den nächsten Jahren. Dass in fünf bis zehn Jahren auch ein Nutzen erkennbar sein wird, ist nicht mehr als eine vage Hoffnung.

Schlussendlich beantragen wir eine punktweise Abstimmung des Antrages, weil wir nicht mit allen im Antrag genannten Punkten konform gehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE erhält Frau Abg. Zais das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Beger von der AfD, vielleicht ist es an der Zeit, dass sich die AfD endlich einmal mit den Chancen befasst, die sich aus der Zuwanderung tatsächlich für Deutschland ergeben. Vielleicht sollten Sie einfach einmal Ihren Verstand ein bisschen öffnen.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Oh! Danke schön!)

Ich weiß, dass es schwerfällt, das Thema Arbeitsmarktintegration unter dem Aspekt der Chancen auch für Sachsen und die sächsische Bevölkerung zu betrachten.

(André Barth, AfD: Es gibt aber doch Risiken! Nicht nur Chancen!)

Der vorliegende Antrag, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Fraktionen der CDU und der SPD, atmet nach Auffassung der GRÜNEN Hilflosigkeit und steht mit Blick auf die Integration von Asylbewerbern, Geduldeten und Asylberechtigten, wie es dort formuliert ist, in Berufsausbildung und Arbeitsmarkt – zumindest, wenn man nach dem Duktus des Antrages geht – für Unwissenheit und Konzeptlosigkeit. Das ist das erste Fazit.

Da wir, die Fraktion GRÜNE hier im Sächsischen Landtag, ein erhebliches Interesse daran haben, dass dieser Zustand von Unwissenheit und Konzeptlosigkeit beendet wird, werden wir dem Antrag zustimmen.

(Frank Heidan, CDU: Das war aber eine gute Begründung!)

So viel vielleicht erst einmal als generelle Vorbemerkung.

Zu Abschnitt I, dem Berichtsteil. Kollegin NeuhausWartenberg hat das schon sehr gut dargestellt, ich kann das deshalb auch weglassen. Im Punkt 1 Berichtsteil soll die Staatsregierung darüber berichten, unter welchen Voraussetzungen und Rahmenbedingungen die genannten Gruppen eine Erwerbstätigkeit oder eine Berufsausbildung in Sachsen aufnehmen können. Das heißt, es geht um den Status quo bei den gesetzlichen Grundlagen. Da sage ich: Hm, na hallo! Ja, es stimmt, die gesetzlichen Grundlagen, was die Arbeitsmarktzugänge anbelangt, sind tatsächlich kompliziert. Aber ich hätte gedacht, dass die Staatsregierung diese Vorarbeit bereits geleistet hat. Der Fachkräftemangel ist doch seit vielen Jahren ein Thema. Die Integration von Asylsuchenden in Bildung und Arbeit steht auch nicht erst seit diesem Antrag, der im Dezember 2015 geschrieben wurde, auf der Tagesordnung.

Was macht man denn, wenn man sich über die gesetzlichen Grundlagen von Arbeitsmarktzugängen und Bildungszugängen ein Bild verschaffen will? Man geht ins Netz. Aber das scheint irgendwie auch ein bisschen schwierig zu sein. Ich habe das natürlich gemacht, als ich mir diesen Antrag angesehen habe, und bin auch relativ schnell fündig geworden, weil, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU und der SPD, unser gemeinsamer Sächsischer Ausländerbeauftragter einfach gehandelt und im Dezember ein Faktenblatt Arbeitsmarkt eingestellt hat. Das nutze ich recht gut, wenn mich zum Beispiel Leute fragen: Das und das ist mein Fall, kannst Du mir einen Tipp geben, an wen kann ich mich wenden? usw.

Es wäre für unsere Fraktion zu teuer gewesen, das in bunt für alle Mitglieder Ihrer Fraktion auszudrucken. Aber ich empfehle den entsprechenden Link. Dort findet man sehr gute Hinweise zu den gesetzlichen Grundlagen. Man sieht natürlich auch, dass es tatsächlich eine erhebliche Vielzahl an rechtlichen Regelungen gibt. Man sieht auch, welche Fülle von beteiligten Stellen und möglichen Ansprechpartnern es bei diesem Thema gibt. Wir haben das Asylgesetz. Wir haben das Aufenthaltsgesetz ohne und mit SGB-II-Berechtigungen. Wir haben die Beschäftigungsverordnung, die zum Beispiel die Mitwirkung der Bundesagentur für Arbeit regelt.

Jeder Einzelfall – und das ist tatsächlich das Problem – ist genau zu prüfen, denn auch der jeweilige aufenthaltsrechtliche oder ein möglicher familiärer Status oder dessen Veränderungen spielen eine Rolle.

Wir haben diese komplizierte Situation als Ergebnis nicht nur der Verschärfung asylrechtlicher Grundlagen oder des Fehlens eines Einwanderungsgesetzes, sondern auch als Ergebnis der jahrzehntelangen Abschottung des deutschen Arbeitsmarktes. Als Beispiel sei hier nur das Stichwort Vorrangprüfung genannt.

Gegenüber der Bundesregierung sollten Sie sich, verehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen, deshalb nicht nur für diese kleine Passage der weiteren Projektförderung einsetzen, sondern sie sollten Nägel mit Köpfen machen und tatsächlich für eine grundsätzliche Veränderung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Integration kämpfen.

Da gibt es ein paar klare Forderungen. Das sind unsere grünen Essentials. Wenn Sie das machen, würden wir Sie dabei im Bund gern unterstützen. Es geht natürlich um Vereinfachung des komplizierten Regelwerkes. Es geht um Modernisierung, Anpassung an die heutige Zeit und natürlich in erheblichem Umfang um Bürokratieabbau, insbesondere was die Regelungen der Zuständigkeiten anbelangt.

Setzen Sie sich im Bund endlich für ein Einwanderungsgesetz ein. Schaffen Sie die Vorrangprüfung ab. Sie ist völlig überflüssig und schon lange nicht mehr zeitgemäß. Setzen Sie sich ein für ein längeres Bleiberecht, wenn es um die Arbeitsaufnahme, das Studium oder die Berufsausbildung geht. Was das Letztere anbelangt, haben wir

positive Signale. Ich bin Frau Nahles im Bund außerordentlich dankbar, was das aktive Handeln anbelangt.

Schwarz, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, sehe ich bei der abzufragenden Datenbasis zum Stand der beruflichen Ausbildung. Das nimmt einen relativ großen Umfang in Ihrem Antrag ein.

Auf meine diesbezüglichen Anfragen, die sich nur auf das Jahr 2015, und zwar von Januar bis Oktober, bezogen, antwortete mir der Innenminister – ich war auch erstaunt, warum mir der Innenminister antwortet –: „Der Staatsregierung liegen zum Fragegegenstand keine belastbaren Erkenntnisse vor. Eine statistische Erfassung der beantragten und erteilten Arbeitserlaubnisse für die Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung durch die zuständige Ausländerbehörde erfolgt nicht.“ Weiter heißt es: „Es müssten Tausende von Akten bei der Ausländerbehörde einzeln überprüft und ausgewertet werden, was ohne Einschränkung der Funktionsfähigkeit der Behörde nicht leistbar wäre.“ Und Sie, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, wollen in Ihrem Antrag tatsächlich eine Datenbasis, die bis ins Jahr 2002 zurückreicht. Dient Ihr Antrag dazu – das habe ich mich streckenweise gefragt –, die Behörde an den Rand des Zusammenbruchs zu bringen? Das ist schon erstaunlich.

(Frank Heidan, CDU: Das machen Sie schon mit Ihren Kleinen Anfragen, Frau Zais!)

Ebenso wenig liegen übrigens Daten darüber vor, wie viele Asylsuchende etc. Anträge gestellt haben.

Es ist natürlich wichtig, über solches Wissen zu verfügen. Ich denke aber, es ist Aufgabe der Staatsregierung, das zur Verfügung zu stellen.

In dem vorliegenden Antrag geht es um Basics, um Selbstverständlichkeiten. Aber wenn es das ist, was wir in Sachsen bei diesem Thema schaffen, gut, dann werden wir uns nicht verweigern und dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir gehen in die nächste Runde. Wird von der CDU-Fraktion noch das Wort gewünscht? – Bitte, Herr Kiesewetter.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten bereits im Novemberplenum die Gelegenheit, uns dezidiert mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Gleichwohl ist der Antrag aktueller denn je.

Für diejenigen, die ein Bleiberecht haben, gilt es, die Integration aktiv zu gestalten; denn eine erfolgreiche Integration – das ist bereits in mehreren Beiträgen hier angeklungen – ist natürlich auch im Hinblick auf den demografischen Wandel eine Chance.

Zur Lage auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere zur Zahl der offenen Stellen haben wir bereits einiges in der ersten Runde gehört. Ich möchte gleichwohl noch einmal klarstellen, dass in den Kammerbezirken 1 200 Stellen in

der letzten Zeit nicht besetzt werden konnten. Näher möchte ich darauf nicht eingehen.

Was ist mir wichtig? Im Verlauf der letzten eineinhalb Jahre hat der Bundesgesetzgeber zahlreiche Änderungen im Ausländerrecht auch im Hinblick auf den Zugang von Asylbewerbern und Flüchtlingen am Arbeitsmarkt vorgenommen. Die nächsten Änderungen sind durch das am 28. Januar dieses Jahres beschlossene Asylpaket II bereits absehbar. Es wird ein zwischen Bund und Ländern abgestimmtes Integrationskonzept für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive bis Ende März auf den Weg gebracht.

Folglich bedarf es einer kontinuierlichen Anpassung der bestehenden Regelsysteme und der Infrastruktur, vor allem in den Bereichen Sprachförderung, Integrationskurse, Bildung, Ausbildung, Studium und Arbeitsmarkt. Ebenso bedarf es bei der Umsetzung dieser Aufgaben und bei der Steuerung einer entsprechend validen Datengrundlage, die zur Verfügung stehen muss. Genau da setzt der Antrag an.

Die Länder sind gehalten, das, was der Bund an Maßnahmen und Regelwerk auf den Weg bringt, auszugestalten, zu begleiten und entsprechend umzusetzen. Die zentrale Frage ist: Wie steuern wir diese anspruchsvolle und langfristige Aufgabe ressortübergreifend und nachhaltig? Wie richten wir unsere bestehenden Strukturen so aus, dass die Aufgaben auf möglichst kurzen und unbürokratischen Wegen und ohne Schnittstellenverluste umgesetzt werden können?

Es bedarf dazu eines Handlungskonzeptes im Freistaat Sachsen für diese Aufgaben. Dessen Erarbeitung befindet sich bereits in einer finalen Phase.