Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Integration ist die zentrale Herausforderung der nächsten Jahre.
In den letzten Monaten waren Unterbringung, Versorgung und natürlich die Beschleunigung der Asylverfahren das bestimmende Thema. Das war auch wichtig. Aber in den kommenden Monaten wird das Thema Integration mehr und mehr in den Mittelpunkt unserer Aufmerksamkeit gelangen müssen. Klar, Integration ist kein Selbstläufer. Wir müssen die Integration entschieden angehen. Zum Glück fangen wir nicht bei null an. Denn mit Staatsministerin Petra Köpping hat bereits ein Kabinettsmitglied an dieser Stelle wichtige Grundlagen geschaffen.
Die zentrale Herausforderung, die wir jetzt haben, ist, in Sachsen eine ganzheitliche Integrationsstrategie zu entwickeln. Denn das Motto „Nur Sprachkurse, aber keine Arbeit“ schafft keine Integration. Das Motto „Nur
Arbeit, aber keine Sprache“ schafft auch keine Integration. Es gibt eben nicht ein bisschen Integration. Es gibt nur integriert oder nicht integriert. Das bedeutet, wir müssen entschieden handeln, denn wir wollen die Integration.
Mit diesem Antrag wollen wir als Koalition die Integration auf dem Arbeitsmarkt und auf dem Ausbildungsmarkt voranbringen. Drei wichtige Dinge kennzeichnen aus meiner Sicht die Situation:
Erstens: Unter den Menschen, die jetzt neu zu uns kommen, sind viele junge Menschen; über 50 % sind unter 25.
Zweitens: Es ist zwar schwierig, das zu erheben, aber die Zahlen des BAMF sagen uns, dass doch eine ganze Reihe von Leuten unter diesen Menschen sind, die bereits mit beruflichen Erfahrungen und Qualifikationen zu uns kommen. Im Jahr 2015 hatten 13 % der vom BAMF Erfassten einen Hochschulabschluss, 17,5 % haben das Gymnasium, 30 % Haupt- und Realschulen und 24 % zumindest die Grundschule besucht. Das ist nicht alles adäquat, aber es ist nicht so, dass alle mit null hier ankommen.
Der dritte Fakt, der die Situation beschreibt, ist eine Offenheit vieler sächsischer Unternehmerinnen und Unternehmer, die sich bereit erklären, an dieser Stelle zu helfen, nicht nur aus Altruismus, sondern sie brauchen die Fachkräfte.
Wir wollen also nun diese Situation nutzen, um das Beste für die Flüchtlinge und für die ganze Gesellschaft in Sachsen zu erreichen. Das bedeutet, wir müssen jene, die bereits für den Arbeitsmarkt vorbereitet sind, schnell und gut in diesen integrieren. Dazu ist es notwendig, die Potenziale der neuen Arbeitskräfte so schnell wie möglich zu heben und diese mit den Interessen der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber zusammenzubringen. Das bedeutet auch schnellere Anerkennungsverfahren. Es geht eben um das ganz konkrete Vermitteln zwischen dem Bedarf auf der einen Seite und dem Flüchtling, der etwas kann, auf der anderen Seite.
Darüber hinaus geht es darum, bei jenen, die noch nicht für den Arbeitsmarkt bereit sind, als Allererstes dafür zu werben, dass der Weg zu einem guten Arbeitsplatz in Deutschland über Ausbildung führt. Deshalb war es richtig, so wie wir es auch in Punkt II formuliert haben, für Flüchtlinge in Ausbildung einen sicheren Aufenthaltstitel zu ermöglichen, damit diese Leute hier sicher sein können und damit auch die Attraktivität von Ausbildung erhöht wird.
Was wir darüber hinaus machen müssen – wir haben über das Angebot der Unternehmerinnen und Unternehmer gesprochen – ist, dass wir diese ausgestreckte Hand der sächsischen Wirtschaft ergreifen und sie gut über die Beschäftigungsmöglichkeiten informieren. Es gibt bereits viele gute Beispiele.
Ich habe in meinem Wahlkreis einen Handwerker, der vor eineinhalb Jahren zu den Menschen gehörte, die gesagt haben: Oh Gott, ich weiß nicht so richtig, ich finde diese Politik, dass wir Flüchtlinge in unserem Land aufnehmen,
eigentlich nicht so gut. Er war Skeptiker. Heute hat er einen jungen Mann bei sich eingestellt, aber er war sich nicht sicher, ob dieser überhaupt will oder kann, und vor allem überlegte er, wie seine Kollegen und Kunden reagieren würden. Doch aus dieser ganz konkreten Erfahrung ist aus einem Skeptiker ein Befürworter geworden. Aber er sagt auch: Liebe Politik, kümmert euch darum, dass ihr mir dabei helft, dass ihr mir bürokratische Hürden aus dem Weg räumt, dass ihr mir dabei helft, diesen jungen Menschen auch noch weiter auszubilden.
Das zeigt, wenn wir die Sache entschieden angehen und – wie Herr Heidan dankenswerterweise auch dargestellt hat – den nötigen Atem besitzen, denn das geht nicht von heute auf morgen, dann steckt in der Flüchtlingssituation für uns eine Chance. Deutschland ist nach Japan das zweitälteste Land der Welt, und Sachsen ist innerhalb Deutschlands das demografisch älteste Bundesland. Wir können Zuwanderung gebrauchen. Wir können diese Chance, die darin steckt, heben, wenn wir die Integrationsherausforderungen besonders angehen. Das ist ohne Frage schwierig, aber es geht bei der Integration nicht darum, ob es schwierig oder leicht ist, sondern es geht darum, ob es richtig oder falsch ist. Doch die Integration ist richtig, und deshalb gehen wir sie entschieden an.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Heidan, ich hatte mich auf großes Entertainment Ihrerseits vorbereitet, wie wir das von Ihnen gewöhnt sind, und bin jetzt schier baff und bedanke mich ganz herzlich für Ihre nachdenkliche Rede. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Sie genau dies vor einem halben oder vor einem Dreivierteljahr schon in diesem Hohen Hause hier erzählt hätten. Aber ich freue mich sehr, dass das heute hier passiert ist.
Kein Thema prägt seit über zwei Jahren die politische Debatte so intensiv und oft auch lautstark wie das Thema Flüchtlinge. Wir versichern uns immer wieder der Notwendigkeit von Integration. Ich möchte an dieser Stelle eines betonen: Hier laufen die Diskussionen häufig durcheinander, denn Flucht und Migration sind zwei verschiedene Dinge. Für Geflüchtete ist nicht Integration das allererste Ziel, sondern die Gewährung von Schutz für Leib und Leben. Aber gut, dann lassen Sie uns über Integration, also Ankommen und Teilhaben an unserer Gesellschaft, reden.
Herr Heidan, da haben Sie recht, ein Weg ist zweifellos die Teilhabe an Berufsausbildung und am Arbeitsmarkt. Meine Fraktion hat das bereits im November 2015 zum Thema einer Aktuellen Debatte gemacht. Sie erinnern sich hoffentlich. 14 Tage später formulierten die Koalitionsfraktionen einen Antrag genau dazu. Es ist schön zu
sehen, dass die Ideen der Linksfraktion zumindest ein Zucken in den Koalitionsreihen bewirken. Ob aus dem Antrag nun tatsächlich politisches Handeln folgen wird, werden wir sehen. Mich beschleichen da in der Tat Zweifel. Warum? Aus Gründen.
Seit über zwei Jahren ist die Zahl Asylsuchender aufgrund weltweiter Kriege und Krisen deutlich gestiegen. Das wissen wir alle. Selbstverständlich besteht auch in Sachsen nun endlich bei der Berufsausbildung jugendlicher Asylsuchender Handlungsbedarf. Bis jetzt gibt es in Sachsen keinen Asyl suchenden Azubi, obwohl, wie Sie auch betont haben, Kammern und Unternehmer ihre Bereitschaft signalisiert haben. Meiner Meinung nach muss das jetzt endlich einmal losgehen, Kolleginnen und Kollegen.
Doch was macht die Große Koalition? – Sie ersucht die Staatsregierung zu berichten und zu prüfen. Ich frage mich in der Tat, was sie in den letzten zwei Jahren genau an diesem Punkt gemacht haben.
Nun liegt uns endlich ein Antrag vor, spät, aber immerhin. Dafür scheint er mir aber auch noch merkwürdig unvorbereitet. Da wird im Punkt I. 1 nach den Voraussetzungen und gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür, dass Asylbewerber, Geduldete und Asylberechtigte eine Ausbildung oder eine Arbeit aufnehmen können, gefragt. Es ist nicht Ihr Amt, dass Sie die Gesetzeslage abfragen wollen. Ich habe in besagter Aktuellen Debatte auf Maßnahmen zur Lockerung des Zugangs zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende gedrängt und auch darauf hingewiesen, dass mit der Asylrechtsverschärfung Ende Oktober 2015 einige der gelockerten Regelungen gleich wieder kassiert wurden. Die Rechtslage ist klar. Ein Tipp von mir: Sie finden kurz zusammengefasst die komplette Rechtslage im Jahreswirtschaftsbericht. Der Knackpunkt an dieser Stelle ist, genau das zu ändern. Da wäre ein Vorschlag der Staatsregierung hilfreich.
Sehen wir uns den Punkt I. 2 an. Es geht hier zweifelsfrei in dem Antrag um Asylsuchende. Darin sind wir uns einig. Was soll dann die Frage nach ausländischen Jugendlichen in Berufsausbildung und in Punkt I. 3 nach Hinderungsgründen für eine Ausbildungsaufnahme für jugendliche Migranten? Ausländische Jugendliche in Berufsausbildung sind nach derzeitigem Stand keine Asylsuchenden, sondern zuallererst Jugendliche aus EUStaaten. Diese sind damit noch lange nicht Migrantinnen und Migranten, also Einwanderer – ein einziges Begriffswirrwarr meiner Meinung nach, das nicht eben von Kenntnisreichtum zeugt.
Dann wollen Sie in Punkt II jetzt im Februar 2016 prüfen lassen, welcher Handlungsbedarf für eine berufliche Qualifikation für Asylberechtigte und Asylsuchende besteht!
Ich erläutere es gerne noch einmal. Schon im Januar 2015, also vor über einem Jahr – auch das haben Sie vorhin gesagt –, wandte sich die Handwerkskammer Leipzig mit einer Ausbildungsofferte – die Handwerkskammern Chemnitz und Dresden haben sich angeschlos
sen – an die Politik, und im Oktober 2015 veröffentlichten die IHKs – auch das ist heute schon genannt worden – auf einer Pressekonferenz eine Studie, die die Bereitschaft von sächsischen Unternehmen abfragte, Asylsuchende auszubilden oder einzustellen. Die Mehrheit der Unternehmen hat genau dazu Ja gesagt. Was brauchen Sie denn noch? – Tausende Asylsuchende wollen eine Ausbildung machen oder arbeiten, die Kammern und die Unternehmen wollen das anbieten, und Sie fragen nach einem Handlungsbedarf.
Sie wollen von der Staatsregierung prüfen lassen – ich zitiere –, „…wie bei der Aufnahme einer Berufsausbildung organisatorische und formale Voraussetzungen mindestens für die Vorbereitung, die Dauer der Ausbildung und eine befristete anschließende Weiterbeschäftigung im Unternehmen gesichert werden können“. Sie greifen da das 3+2-Modell der Handwerkskammern auf, das stimmt, die das offenbar bundesweit fordern, wie ich der „Welt“ vom Juni 2015 entnehmen kann. Welchen Handlungsbedarf, der bei der Staatsregierung liegt, haben die Kammern dann gleich noch mit genannt und hinterher geschoben. So muss sich die Staatsregierung auf Bundesebene für Bleiberechtsregelungen für Auszubildende einsetzen.
In einem Antrag meiner Fraktion vom Oktober 2015 heißt es: Die Staatsregierung wird ersucht, im Bundesrat sowie gegenüber der Bundesregierung sich dafür einzusetzen, erstens, kurzfristige Lösungen für eine schnelle Bewilligung von Aufenthaltstiteln für Geflüchtete zu schaffen, um das 3+2-Modell umsetzen zu können, und zweitens, dauerhaft die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine Ausbildungsaufnahme, einen erfolgreichen Abschluss und den Einstieg in den Beruf von Geflüchteten zu ermöglichen.
Ich bin mir sehr bewusst, dass hier richtig dicke Bretter gebohrt werden müssen; denn kurz gesagt, soll nicht das Bleiberecht die Ausbildung ermöglichen, sondern der Ausbildungsvertrag das Bleiberecht herbeiführen. Zum anderen ist auch richtig, die Kostenträgerschaft für die Sprachausbildung zu klären. So fordern auch wir ein Förderprogramm, das den Erwerb der deutschen Sprache bis zum europäischen Referenzniveau B 1 ermöglicht. Dafür kann die Staatsregierung selbst sorgen. In der Begründung Ihres Antrages schreiben Sie ja selbst, dass Sprache der Schlüssel zu Integration und Teilhabe ist. Ja, dann machen Sie es doch!
Ich möchte das Konzept, wie in Punkt III beschrieben, sehen, und zwar wie angekündigt, im ersten Halbjahr 2016. Die Staatsregierung wird ersucht – ich zitiere –: „unter Einbeziehung der Fachkräfteallianz und unter Berücksichtigung der Fachkräftestrategie innerhalb des ersten Halbjahres 2016 ein Konzept vorzulegen, das Initiativen und Angebote der Wirtschaft aufgreift und mit dem die Berufsausbildung von Asylberechtigten sowie Asylbewerbern mit guter Bleibeperspektive strukturiert, flankierende Maßnahmen wie Sprachausbildung, Aufenthaltsfinanzierung u. a. aufgezeigt und Nutzungsmöglich
Meine Damen und Herren! Das sieht mir nicht nach einem Konzept aus, sondern nach einer Bestandsaufnahme. Nachdem dann aufgegriffen, strukturiert, aufgezeigt und dargelegt wurde, wird dann auch etwas entschieden, frage ich mich? Nachdem auch das erste Halbjahr 2016 verstrichen sein wird, geben Sie mir und den Menschen da draußen, den Asylsuchenden und den Kammern sowie den Unternehmern eine Garantie, dass es im Herbst 2016 los geht oder fahren wir weiter im Bummelzug, während die Zeit und die Realität uns überholen. Ich fordere ein Konzept, beginnend ab dem kommenden Lehrjahr, dafür, dass Asyl suchende Jugendliche in Sachsen in Ausbildung kommen, vor der Sommerpause bitte beschlossen, damit es im nächsten Ausbildungsjahr los geht.
Laut heutiger Ausgabe der „DNN“ – das muss ich jetzt nachschieben – hat die SPD tatsächlich in das Asylpaket II hineinverhandelt, dass Asyl suchende Jugendliche, die sich in Ausbildung befinden, zukünftig nicht abgeschoben werden dürfen. Ich finde, das ist ein erster und ganz, ganz wichtiger Schritt.
Trotz aller Defizite Ihres Antrages, die ich genannt habe, stimmen wir Ihrem Antrag zu – in der Hoffnung, dass die Koalition und die Staatsregierung nicht nur weiterhin ankündigen, sondern auch anfangen zu handeln, denn das wäre höchste Zeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vorab ein kurzes Zitat der Bundeskanzlerin, das sich in seinem Umfang auch auf die Lage am Arbeitsmarkt bezieht und das noch gar nicht so alt ist: „Deutschland geht es gut.“ Vielen Bürgern muss diese Aussage schon seit Längerem wie Hohn und Spott vorkommen, insbesondere den Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die immer höhere Abgaben zahlen müssen, aber auch den Unternehmern, die aufgrund der derzeitigen Entwicklungen verunsichert sind. Dies gilt erst recht für die Menschen ohne Arbeit, die von den Regierungsparteien ohnehin kaum noch wahrgenommen werden.
Aber wie sieht die Lage am deutschen Arbeitsmarkt denn wirklich aus? Wir hatten im Jahr 2015 circa 2,8 Millionen Arbeitslose und rund 800 000 Menschen, die im weiteren Sinne arbeitslos waren oder sich nahe am Arbeitslosenstatus befanden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der vorliegende Antrag erwähnt diesen Teil unserer Bevölkerung mit keinem Wort. Wie schaffen wir es, diese Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren, um ihnen eine Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen? Wir sprechen hier von über 3,5 Millionen Menschen, die bereits vor bzw. zu Beginn der Flüchtlingskrise in Deutschland keine oder nicht genügend Arbeit hatten. Diese Menschen können wir in der politischen Wahrnehmung doch nicht einfach außer Acht lassen.
Natürlich hat der Antrag der CDU-Fraktion und der SPDFraktion seine Berechtigung, gerade jetzt, da uns die Folgen einer verfehlten Außen- und Innenpolitik einholen. Wir müssen sehen, welche Asylbewerber wir wie am Arbeitsmarkt eingliedern können. Nur das entlastet unser Sozialsystem.
Eine kurze Vorbemerkung: Ein flächendeckender Fachkräftemangel herrscht in Sachsen nicht. Im Dezember lag nach den offiziellen Angaben der Arbeitsagentur die Arbeitslosenzahl bei rund 163 000, hinzu kommen noch 210 000 Unterbeschäftigte. Dem standen circa 28 000 gemeldete Stellen gegenüber. Zudem haben sich im Zuge steigender Studienabsolventenzahlen auch die Engpässe in einigen Mangelberufen auf Expertenebene etwas entspannt. Der Bedarf an Fachkräften hält sich also in Grenzen.
Es ist aber richtig, dass in gewissen Branchen auch in nicht akademischen Berufen bereits ein Fachkräftemangel herrscht. Der Fachkräftemangel bezieht sich dabei, wie der Begriff schon nahelegt, auf Fachkräfte und Spezialisten. Das sind Personen, die eine mindestens zweijährige Berufsausbildung bzw. eine Techniker- oder Meisterprüfung erfolgreich abgeschlossen haben.