Protokoll der Sitzung vom 13.11.2014

Darum gehen auch die momentan bereitgestellten Liquiditätsinstrumente wie Kurzarbeitergeld und HermesBürgschaften im Kern an der Problemlage vorbei, selbst wenn sie kurzfristige Linderung versprechen. Man kann es drehen und wenden, wie man will – nicht unerhebliche Teile auch und gerade des sächsischen Mittelstandes sind unverschuldet in die Mühlen der Weltpolitik geraten.

Unser Antrag verlangt von der Staatsregierung, endlich eine Bestandsaufnahme und Prognose zum konkreten Schadensausmaß für die sächsische Wirtschaft zu erstellen und ein darauf basierendes Maßnahmenkonzept zu erarbeiten.

Wir fordern die Staatsregierung darüber hinaus auf, sich offensiv für eine angemessene finanzielle Kompensationsleistung des Bundes gegenüber den Betroffenen einzusetzen und diesbezüglich hier im Landtag Bericht zu erstatten.

Wie bereits gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen, über Sinn und Unsinn von Sanktionen lässt sich trefflich streiten – über unsere Verantwortung für Arbeitsplätze in Sachsen nicht.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Holger Mann, SPD)

Vielen Dank, Herr Brünler. Für die CDU-Fraktion Herr Abg. Heidan. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Linksfraktion thematisiert heute mit diesem Antrag die Folgen der gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen für sächsische Unternehmen und fordert eine Analyse der Folgen, eine Darstellung gegenüber der Bundesregierung, durch den Ministerpräsidenten eingeleitete Schritte sowie die fortlaufende Unterrichtung des Landtags und der Öffentlichkeit über die Entwicklung der Sanktionen und deren Folgen.

Unser Ministerpräsident Tillich hat sich frühzeitig an Bundeswirtschaftsminister Gabriel gewandt, vor allem kleinen und mittleren Unternehmen unter die Arme zu greifen. Das geschah bereits am 06.08. – Sie können gern die Meldung unter „MRD Figaro“ nachlesen. Dort betonte unser Ministerpräsident Stanislaw Tillich, dass gerade ostdeutsche Firmen besonders betroffen sind, da sie stärker als westdeutsche Unternehmen Wirtschaftsbeziehungen nach Russland unterhielten.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Was folgt daraus?)

Warten Sie doch einmal! – Herr Gebhardt ist leider nicht anwesend – wahrscheinlich ist die Diskussion um Ihren Antrag deshalb nicht so interessant –; aber Sie, Herr Gebhardt, haben am 17.09., also über einen Monat später, in der Leipziger Internetzeitung Folgendes gefordert – ich zitiere wörtlich: „Ich erwarte vom sächsischen Ministerpräsidenten, dass er sein vornehmes Schweigen beendet und in Berlin Druck für Sachsens mittelständische Wirt

schaft macht.“ Weiter heißt es: „Herr Tillich sollte daher umgehend die Schädigung der sächsischen Wirtschaft durch die Russland-Sanktionen zur Chefsache machen.“

Es ist sicherlich uns allen wichtig, dass wir die Firmen unterstützen. Aber an dieser Stelle muss auch darauf hingewiesen werden, warum es die Sanktionen überhaupt gibt. Die Ukraine ist ein Land, das der EU beitreten möchte, von der EU unterstützt wird und den Schutzschirm der NATO ein Stück weit in Anspruch nimmt. Dann ist es wohl rechtens, dieses Land auch auf diese Weise politisch zu unterstützen.

Wollen Sie mit Ihrem Antrag das Vorgehen Russlands rechtfertigen und deshalb die Sanktionen infrage stellen? Dass man mit Sanktionen nie gute Beziehungen aufbaut, wissen wir. Deshalb ist es wichtig, sich auch darüber noch einmal zu verständigen.

Meine Damen und Herren von den LINKEN, das einzig Positive, was ich Ihrem heutigen Antrag entnehmen kann, ist, dass wir über das Thema hier im Haus noch einmal debattieren und die Unternehmen auffordern können, sich an die entsprechenden Einrichtungen, die der Freistaat bereithält – ich komme noch darauf zu sprechen –, zu wenden und Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Natürlich soll nicht verschwiegen werden, dass vor allen Dingen sächsische Unternehmen der Land- und Ernährungswirtschaft von den Sanktionen betroffen sind. Der Anteil Russlands am Export Sachsens liegt mit 4,3 % höher als der Anteil Russlands am Export Gesamtdeutschlands, der nur 3,3 % erreicht.

Russland ist auch für die sächsische Metall- und Elektroindustrie ein bedeutender Markt. Jedes zweite deutsche Metall- und Elektrounternehmen unterhält Wirtschaftsbeziehungen zu Russland. In Sachsen sind die Beziehungen zu Russland traditionell noch stärker ausgeprägt.

Der Ukraine-Konflikt belastet die Entwicklung der sächsischen Metall- und Elektroindustrie zunehmend. Aber nicht nur die Sanktionen, sondern auch die Rubelabwertung ist als maßgebliche Ursache zu nennen; Letztere verteuerte die Ausfuhren um 17 %.

Die Ausfuhren sind im ersten Halbjahr 2014 deutschlandweit um 17 bis 18 % zurückgegangen, insbesondere im Elektro- und im Automobilbereich.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Sie wollen zustimmen? Habe ich das richtig verstanden?)

Der deutliche Abwärtstrend der Exporte nach Russland im Juni hat einen noch größeren Einbruch gebracht, nämlich um 43 % gegenüber dem Vorjahr. Es ist wahrscheinlich mit weiteren Auswirkungen zu rechnen.

In der derzeitigen Situation sind aber auch Angebote vorhanden. Das müssen wir deutlich nach außen, an die sächsischen Unternehmen kommunizieren. Bewährte Instrumente, zum Beispiel das Bürgschaftsprogramm und das Beratungszentrum zur Konsolidierung, stehen bei der SAB zur Verfügung.

Für die Unternehmen, die von den Sanktionen betroffen sind, stehen die Fördermöglichkeiten des Bundes – Exportkreditgarantien, Hermes-Bürgschaften, Investitionsgarantien, zinssubventionierte Liquiditätshilfepro

gramme, Darlehen der KfW – ebenso zur Verfügung wie das konjunkturelle Kurzarbeitergeld, das übrigens schon in Anspruch genommen wird.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Den Unternehmen brechen die Umsätze weg, Herr Kollege!)

Auch die bekannten und bewährten Förderprogramme des Freistaates Sachsen – Beratungshilfe, Bürgschaftsprogramme für Liquiditätshilfen und Betriebsmitteldarlehen, Rettungs- und Umstrukturierungsdarlehen für Unternehmen in Schwierigkeiten – können die Firmen in Anspruch nehmen. Das sollten auch Sie in Ihrer Verantwortung als LINKEN-Politiker den Unternehmen so kundtun.

Institutionen wie die Sächsische Aufbaubank und die Bürgschaftsbank – ich habe gestern extra noch einen Anruf getätigt – sind mit ihren Unterstützungsmöglichkeiten ebenfalls vor Ort. Sprechen Sie sie an! Nehmen Sie die Möglichkeiten wahr, die der Freistaat zur Verfügung stellt!

Natürlich kann keine Bank die finanziellen Verluste ausgleichen; das leuchtet wahrscheinlich jedem ein. Aber die Beihilfeprogramme können durchaus in Anspruch genommen werden. Wir sind gerüstet.

Was Sie als LINKEN-Fraktion sicherlich noch tun können: Reden Sie mit Herrn Putin, damit er mehr Demokratieverständnis aufbringt – dann wären die Sanktionen nicht mehr notwendig – und unsere sächsischen Unternehmen wieder liefern können. Das ist Ihre Verpflichtung aus längst vergangenen Tagen.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das rote Telefon nach Moskau? – Heiterkeit)

Für die SPD-Fraktion Herr Abg. Vieweg. Sie haben das Wort, Herr Vieweg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In der Tat: Der Konflikt in der Ostukraine erfüllt mich – ich denke, das geht allen hier im Hohen Haus so – mit großer Sorge. Vor dem Hintergrund des Jubiläums „25 Jahre Mauerfall“ sage ich auch: Wir sollten versuchen, Russland besser zu verstehen, ohne dabei die völkerrechtswidrigen Aktivitäten in irgendeiner Weise zu tolerieren. Für uns zählt das Minsker Abkommen. Aus diesem Grund hat sich die Bundesregierung, hat sich Deutschland von Anfang an für eine europäische Lösung – gemeinsam mit allen Mitgliedsstaaten – eingesetzt.

Die Sanktionen – Kollege Heidan hat es angesprochen – betreffen im Wesentlichen vier Bereiche: Rüstungsgüter, mehrfach verwendbare Güter – ganz wichtig –, Hochtechnologie für die Erdölförderung, Finanztransaktionen

von Banken und Rüstungsfirmen. Russland hat mit Agrarsanktionen geantwortet.

Ja, sächsische Unternehmerinnen und Unternehmer haben Sorge um die Zukunft der wirtschaftlichen Beziehungen zu ihren Wirtschaftspartnern in Russland. Diese Sorgen müssen wir ernst nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Aus meiner Sicht spielen aber – auch das hat Kollege Heidan angesprochen – noch andere Kriterien eine Rolle, Kriterien, die mindestens genauso zu berücksichtigen sind: einerseits die schon angesprochene Rubelabwertung, andererseits die angeheizte Inflation und die damit in Verbindung stehende, schon länger andauernde wirtschaftliche Krise in Russland.

Für uns als Sachsen ist Russland der sechstwichtigste Handelspartner. Wir müssen und wir werden – wir tun das bereits – jedem einzelnen Unternehmen, das betroffen ist, helfen. Kollege Heidan hat die Exportgarantien und die Hermes-Bürgschaften bereits genannt. Wir nutzen aber auch das Instrument der Kurzarbeit. Das gilt für unsere Betriebe im Kammerbezirk Chemnitz genauso. Wir unterbreiten auch Angebote in der Außenwirtschaftsförderung.

Die Bundesregierung hat bereits im März reagiert und eine Beratungsstelle eingerichtet. Mit dieser Beratungsstelle wird versucht, jeder Firma, jedem Unternehmen zu helfen. In Sachsen tun wir genau das Gleiche: Die Sächsische Aufbaubank und die Sächsische Bürgschaftsbank sind sensibilisiert. Wir versuchen, jedem einzelnen Unternehmen zu helfen.

Ich komme aus Chemnitz und habe in unserem Kammerbezirk nachgefragt, wie es vor Ort wirklich aussieht. Nico Brünler, du hast vorhin schon versucht, es anzusprechen. Die Zahlen sehen aber aus meiner Sicht etwas anders aus. Wir haben im Kammerbezirk Chemnitz über 90 000 Unternehmen. Die IHK Chemnitz hat jüngst eine Konjunkturumfrage gestartet und genau danach gefragt: Wie wirken sich die Sanktionen auf die Unternehmen im Kammerbezirk Chemnitz aus? – Von den 90 000 Unternehmen sind 2,9 % – 2,9 %! – betroffen. Das betrifft hauptsächlich die Industrie, den Maschinen- und Fahrzeugbau.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Das sind doch sehr wichtige Bereiche!)

Hier aber ein Horrorszenario an die Wand zu malen und den Niedergang der sächsischen Wirtschaft heraufzubeschwören, ist aus meiner Sicht, lieber Kollege Brünler, zumindest grenzwertig.

Ich möchte an dieser Stelle aus dem Bericht der IHK über eine Veranstaltung im Oktober zitieren: „Die sächsische Wirtschaft sollte nicht als Hebel gegenüber Russland gebraucht werden. Die wirtschaftlichen Interessen vieler EU-Mitgliedsstaaten sind weniger auf den russischen Markt gerichtet.“ Das Fazit dieses Berichts: „Die jeweilige Heimatwirtschaft wird wenig oder kaum von den Embargomaßnahmen betroffen.“

Ich sage es noch einmal: Die Zahlen stimmen uns, stimmen mich mit Sorge. Russland ist für Sachsen der sechstwichtigste Handelspartner. Wir brauchen den Zugang zum russischen Markt. Wir brauchen Rohstoffe und Energien und – zu den Dresdnern gesprochen – wir brauchen auch die russischen Touristen in der Stadt. Keine Frage. Eine Akzentverschiebung der russischen Wirtschaft hinein nach China oder in den pazifischen Raum kann nicht in unserem sächsischen Interesse sein. Wir setzen uns für einen Dialog der sächsischen Unternehmen mit der russischen Wirtschaft ein.

Lassen Sie mich zum Schluss zu Ihren drei Punkten aus dem Antrag kommen. Zum Punkt 1, Kollege Brünler. Er ist mit Ihrer Anfrage 6/94 eigentlich aus meiner Sicht erledigt. Die Antwort war ganz eindeutig. Kein einziges sächsisches Unternehmen hat Hilfen beantragt. Null. Kein einziges.

Punkt 2. Ich hatte ausgeführt, dass das Land Sachsen und die Bundesregierung handeln. Es wird sich um jedes einzelne Unternehmen gekümmert. Um auf unsere sächsischen Verhältnisse und die Verhältnisse im Landtag zurückzukommen – wir haben heute Morgen einen neuen Wirtschafts-, Arbeits- und Verkehrsminister vereidigt. Kollege Brünler, ich kann Ihnen versichern, für Martin Dulig ist Transparenz ein ganz, ganz hohes Gut. Für mich ist dies ein klassisches Thema für den Fachausschuss. Ich kann Ihnen versichern, der neue Wirtschafts-, Arbeits- und Verkehrsminister wird Sie über alle Dinge unterrichten, die wichtig sind, wird Ihnen transparent alles im Fachausschuss zeigen, und wenn Sie eigene politische Initiativen verfolgen, wird er sicherlich versuchen, das auch mit Ihnen gemeinsam umzusetzen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ja, die sächsische Wirtschaft und einzelne Unternehmerinnen und Unternehmer sind in Sachsen von der Krise betroffen, keine Frage. Hier ein Horrorszenario an die Wand zu malen ist aus unserer Sicht grenzwertig. Wir handeln bereits, wir reden nicht darüber, und genau aus diesem Grund, weil wir bereits handeln und nicht nur darüber reden, wird meine Fraktion diesen Antrag ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Und nun die AfDFraktion. Herr Abg. Wurlitzer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Die AfD begrüßt die Möglichkeit, im parlamentarischen Rahmen über die Auswirkung der Ukraine-Krise zu debattieren. Ich denke, wir sind uns alle einig, dass die von den EUSanktionen gegenüber Russland betroffenen Unternehmen unterstützt werden müssen. Wir alle haben in den vergangenen Tagen und Wochen verfolgen können und müssen, wie stark die Wirtschaft in Sachsen davon betroffen ist. In einigen Bereichen sind Umsatzeinbußen von bis zu 50 %