Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

(Beifall bei der CDU, der SPD und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Für die Linksfraktion Herr Abg. Stange, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach wie vor erschließt sich mir nicht wirklich der Sinn des vorliegenden Antrags. Kollege Hartmann hat darauf hingewiesen, dass man das auch im Ausschuss hätte machen können. Jetzt einmal ganz ehrlich und Hand aufs Herz: Eine Kleine Anfrage hätte es auch getan. Das war in den vorangegangenen Legislaturperioden zu diesem Thema durchaus üblich, zumal Sie nichts weiter erfahren wollen als das, was in Kleinen Anfragen erfragt werden kann, soll und muss.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Wird!)

Mehr wollen Sie nicht erfahren. Damit, mit diesem Klimbim – entschuldigen Sie diesen Ausdruck –, belästigen Sie das Plenum des Hohen Hauses.

(André Barth, AfD: Wie euer eigener Antrag!)

Sie fordern die Staatsregierung nicht auf, ein Programm aufzulegen, für das Sie auch keinen Plan haben. Sie wollen bloß einmal fragen: Wie viel könnte es denn kosten? Gab es denn ein paar Verletzte? Mein Gott! Das ist AfD-Politik. Prost Mahlzeit! Da können wir uns noch auf etwas einstellen. Es sind ja noch ein paar Jahre hin, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den LINKEN – Zuruf des Abg. Uwe Wurlitzer, AfD)

Gleichzeitig schimmert durch die Buchstaben dieses Antrages sehr wohl etwas durch, das man als Law-andorder-Populismus bezeichnen muss.

(Oh!-Rufe bei der AfD)

Sie deuten ja an, dass Sie gern den flächendeckenden Einsatz der Taser in Sachsen durchsetzen würden. Zu diesem Thema muss man sich verständigen.

Ich sage: Ich halte es für falsch, Elektroschockpistolen – um es gleich von vornherein klarzustellen – als nicht tödliche Waffen zu bezeichnen. Dazu will ich eingangs auf die – wenn ich mich nicht irre – 2008 herausgekommene Studie der Menschenrechtsorganisation Amnesty International verweisen. Diese hatte damals insgesamt 334 Personen aufgeführt, die in den Vereinigten Staaten im Zusammenhang mit dem Einsatz von Tasern ums Leben gekommen sind. Zwar gibt es von den Produktionsfirmen zahlreiche Gegengutachten, die dieses Ergebnis angeblich widerlegen.

Der Umstand jedoch, dass Unternehmen, die Elektroschockpistolen verkaufen und herstellen, mittlerweile zu Schmerzensgeldzahlungen für Hinterbliebene verurteilt wurden, deutet zumindest in die Richtung, dass ein Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Tasern und dem Ableben der Opfer nicht zweifelsfrei ausgeräumt werden konnte. Selbst eine der Produktionsfirmen bezeichnet ihre Elektroschockpistolen mittlerweile nicht mehr als nicht tödliche Waffen, sondern – das ist besonders perfide, das ist schwarzer Humor – als – man höre und staune – weniger tödliche Waffen. Das ist eine tolle Wortschöpfung. Das ist wie nicht ganz schwanger, vollschwanger oder halbschwanger. Das ist ein Unsinn sondergleichen.

Der heutige Innenminister Ulbig wäre wohl angesichts der zahlreichen Studien zu gesundheitlichen Folgen des Einsatzes von Elektroschockwaffen weniger geneigt – das werden wir ja sehen; am 08.04., wenn ich mich nicht irre, ist Antwortfrist, Herr Staatsminister –, die Antwort seines Vorgängers Buttolo zu Frage 1 aus der Kleinen Anfrage meines Kollegen Klaus Bartl zur Drucksache 4/11191 so zu wiederholen. Ich darf zitieren: „Die bisherigen Einsätze des Tasers haben keine dauerhaften gesundheitlichen Auswirkungen für die Betroffenen. Grundsätzlich“ – jetzt kommt es – „ist eine Gesundheitsgefahr weitestgehend ausgeschlossen.“ Also ist sie nicht ausgeschlossen, um es kurz zu sagen.

Wie Vorfälle und Studien aus den USA und Kanada zeigen, führt die Einführung von Elektroschockpistolen nicht automatisch zu einer Reduzierung des Schusswaffengebrauchs, also zu weniger Einsatz von Waffen. Vielmehr verführen die weniger tödlichen Waffen offenbar dazu, diese Waffen häufiger und bereitwilliger einzusetzen und den Einsatz beispielsweise einfacher körperlicher Gewalt wegen des eigenen Verletzungsrisikos zurückzufahren. Dies sollte keinesfalls Schule machen, wenn im Gegenzug Todesopfer zu befürchten sein könnten, Herr Staatsminister.

Auch lässt die derzeitige und in absehbarer Zukunft voraussehbare Aus- und Weiterbildungssituation weitere konkrete Kritikpunkte bezüglich des Einsatzes von

Elektroschockpistolen schier greifbar werden. Die Beamten müssen vor dem Einsatz abschätzen, ob eine Wirkung erzielt und welche das sein wird. Das geschieht – Kollege Hartmann hat dazu schon einiges gesagt – auch anhand der Dicke der Kleidung. Komme ich mit der Waffe dort hindurch oder nicht? Können die Nadeln in die Haut eindringen? Liegt bei der Person, gegen die der Taser eingesetzt wird, möglicherweise ein gesundheitliches Risiko wie Schwangerschaft oder Herzerkrankung vor?

So hat die Staatsregierung auf eine Kleine Anfrage unter anderem auch geantwortet – ich darf zitieren –: „In der Verwaltungsvorschrift,“ – ich darf die jetzt nicht buchstabieren, das hört sich komisch an – „der auch Erkenntnisse aus einschlägiger Fachliteratur zugrunde liegen, ist unter anderem festgelegt, dass das Elektroimpulsgerät Taser nicht gegen erkennbar schwangere Frauen und Personen, bei denen Hinweise auf eine Herzschädigung vorliegen, eingesetzt werden darf.“

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei einer Schwangerschaft kann ich mir noch vorstellen, dass man die von außen erkennen kann. Aber Herzerkrankungen von außen zu erkennen, ist ein Ding, bei dem wir bei einem Bier miteinander klären sollten, wie so etwas durch einen Polizeibeamten im normalen Dienst geleistet werden kann. Das halte ich für ziemlich abwegig. Das steht aber nach Auskunft der Staatsregierung so in einer Verwaltungsvorschrift.

Mittlerweile warnen selbst die Hersteller davor, Elektroschockpistolen auf den Brustbereich abzufeuern, weil es zu Herzstillständen kommen kann. Stattdessen soll in den Bauchbereich geschossen werden.

(Carsten Hütter, AfD: Es passiert ja bei einem scharfen Schuss viel weniger!)

In der Regel trainieren Polizisten, auf den größten Körperteil zu schießen. Allerdings mussten Verantwortliche aus Großbritannien einräumen, dass die Beamten in unmittelbaren Gefahrensituationen vermehrt auf die Brustgegend geschossen hatten. Es ist also nicht anzunehmen, dass in solchen Situationen noch bewusst nicht auf die Brust gezielt wird. Auch die ganz praktische Handhabung mit Schuss und Nachladen birgt in einer Einsatzreichweite von bis zu 10 Metern einen gravierenden Nachteil bei der Gefahrenabwehr im Vergleich zu einer Schusswaffe.

Bei einem eventuellen Einsatz des Tasers müssen weitere Sachverhalte beachtet werden. Zum Beispiel muss ausgeschlossen werden, dass die Nadeln und Widerhaken Augen und Arterien verletzen und bei der Entfernung der Widerhaken keine weiteren und schwerwiegenden Verletzungen eintreten.

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD)

Der Taser könnte also nur in einem stark reduzierten Umfang und bei bestimmten Situationen sicher und wirkungsvoll eingesetzt werden, zum Beispiel bei gewaltbereiten Personen mit suizidaler Absicht oder einer relativ

langen Vorlaufzeit bis zum Einsatz. Wenn überhaupt, ist er lediglich für Spezialeinheiten geeignet.

Der plastisch gewordene hohe Ausbildungsaufwand zum sicheren Einsatz des Tasers lässt sich beim gegenwärtigen Personalnotstand der sächsischen Polizei kaum gewährleisten. Es ist gegenwärtig noch nicht einmal möglich, dass die Polizeibeamten ausreichend Schießtraining mit den normalen Pistolen durchführen. Diese Schießtrainings an den Standardwaffen sollten allerdings Priorität haben, auch deshalb, weil der Ausbildungsaufwand bei der Wachpolizei der gleiche bliebe – auch das, meine Damen und Herren, ganz kurz mal ins Gedächtnis gerufen – und deshalb absolut ungeeignet ist. Zu guter Letzt: Auch die Kosten sind kein Argument, um ihn einzuführen.

Insgesamt bleibt zu konstatieren, dass sich dieser Antrag nach unserer Auffassung einreiht unter das Motto: Parlamentsarbeit vorgetäuscht, aber dann doch nichts geliefert. Wir lehnen den Antrag ab.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Pallas, bitte, für die SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Von der AfD-Fraktion liegt ein reiner Berichtsantrag zum Einsatz von Elektroimpulsgeräten, den sogenannten Tasern, bei der sächsischen Polizei vor. Die Antworten, welche Sie von der Staatsregierung wollen – das haben wir jetzt schon gehört –, könnten Sie genauso und einfacher auf der Grundlage einer Kleinen Anfrage bekommen, oder wir hätten, um wirklich fachlich zu diskutieren, das Ganze besser im Innenausschuss machen sollen.

Aber gut, diese Qualität parlamentarischer Arbeit kennen wir von Ihnen, es überrascht nicht. Dennoch nutze ich die Gelegenheit gern, um hier über die Ausrüstung der sächsischen Polizei zu sprechen. Die Qualität polizeilicher Arbeit steht und fällt – das wissen Sie – mit dem richtigen Personal und dem Sachmittelansatz. Über das Personal haben wir gestern in epischer Breite bereits in der Aktuellen Debatte gesprochen. Zur Sachausstattung gehören auch die Ausrüstung, Hilfsmittel und Waffen für die Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Dienstzweigen.

Es ist, um das einmal festzuhalten, die originäre Aufgabe des zuständigen Fachministeriums, der Polizeiführung und der Berufsvertretungen, die Ausrüstung und die Hilfsmittel permanent darauf zu überprüfen, ob sie dem Stand der Technik entsprechen, ob neue Möglichkeiten bestehen bzw. die Ausrüstung von Zeit zu Zeit zu modernisieren ist. Genau das macht das Innenministerium, genau das macht die Polizeiführung, und genau das machen die Berufsvertretungen. Ich verweise an der Stelle auf eine gemeinsame Fachtagung des SMI und der Gewerkschaft der Polizei, die letztes Jahr stattgefunden hat,

in der man sich in großer Breite zu den unterschiedlichsten Bereichen von polizeilicher Ausrüstung ausgetauscht hat.

So sind im Laufe der Zeit beispielsweise Reizstoffsprühgeräte eingeführt worden; erst mit CNCS-Gas, dann mit Pfefferspray, wie wir es heute kennen, als Hilfsmittel der körperlichen Gewalt. Vor einigen Jahren wurde zu dem bis dahin bekannten Kunststoffknüppel der Winkelschlagstock eingeführt. Das sind alles Ergebnisse dieser Prozesse, die eingeübt sind und funktionieren.

Auch die Regierungskoalition hat sich bereits in dieser Wahlperiode mit der Ausrüstung beschäftigt. Auf das Anti-Terror-Paket hat Kollege Hartmann hingewiesen. Im Zuge der letzten Haushaltsberatungen haben wir dafür gesorgt, dass Mittel für ballistische Unterziehwesten eingestellt werden, damit diese flächendeckend erneuert bzw. ausgegeben und erstmalig auch die Stichschutzeinschübe für die ballistischen Westen – im Gegensatz zu früher – dienstlich geliefert werden.

Bereits seit längerer Zeit ist weltweit bei verschiedenen Polizeien die Einführung sogenannter Taser im Gespräch, so auch in Deutschland. Von Anfang an waren und sind diese Geräte unter Fachleuten hoch umstritten. Die Hauptgründe sind Unsicherheiten im Einsatz, Einschränkungen in der Wirkung und die daraus resultierenden notwendigen regelmäßigen Fortbildungen bzw. überhaupt Schulungen an dem Gerät. Vor allem sind diese Taser nicht harmlos, nur weil sie bei sachgemäßer Anwendung weniger tödlich als Schusswaffen sind.

Bereits im Jahr 2012 – insofern ist es ein Nachklapp zu dem, was Kollege Stange sagte – hat Amnesty International den 500. Todesfall in den Vereinigten Staaten dokumentiert, der durch den Taser-Einsatz verursacht wurde. Das ist erst knapp 11 Jahre nach Einführung dieser Geräte in den Vereinigten Staaten. Dass es sich bei dem 500. Opfer um einen offensichtlich betrunkenen Mann handelte, der unbewaffnet war, möchte ich nur der Vollständigkeit halber erwähnen.

Deshalb ist es meiner Ansicht nach sachgerecht, dass die Innenministerkonferenz im Jahr 2006 die Einführung der Taser nur für Spezialeinheiten, also Spezialeinsatzkommandos und mobile Einsatzkommandos, empfohlen hat. Aus gutem Grund wurde diese Empfehlung bis heute nicht auf andere Dienstzweige der Polizei ausgeweitet.

Auch in Sachsen habe wir jetzt diese Diskussion, es ist also nichts Neues. Es gibt einzelne Befürworter, viele Skeptiker darunter – so nehme ich es zumindest wahr: Sachministerium, Polizeiführung, und zuletzt war es auch hier im Haus im Rahmen der Anhörung zum Wachpolizeigesetz im Gespräch.

Sie nehmen auf die Forderungen der Deutschen Polizeigewerkschaft Bezug. Worauf Sie aber nicht Bezug nehmen, Herr Wippel, ist, dass Sie in derselben Anhörung einen Sachverständigen hatten, der viele Jahre als Leiter des Spezialeinsatzkommandos in Sachsen tätig war und

gute Gründe dafür geliefert hat, warum der Einsatz des Tasers nicht ausgeweitet werden sollte.

Ich möchte Ihnen aus dem Protokoll der Anhörung zitieren, weil es damit authentisch und deutlich wird: „Der Taser hat auch seine Besonderheiten. Erstens ist er auf eine günstige Schussentfernung von 5 bis 6 Metern beschränkt. Dann wird die Zielgenauigkeit derartig beeinträchtigt, dass man davon ausgeht, dass man dreimal hintereinander schießen sollte. Das wollen wir den Polizeibeamten nicht zumuten, die Distanz des gezielten Schusses im Einzelfall vorher noch zu überdenken. Das sollte man der Beurteilung der Lage durch Spezialeinheiten vorbehalten.“

Meine Damen und Herren! Führen Sie sich bitte vor Augen, dass wir von Geräten sprechen, mit denen man genau einmal diese Kontaktdioden verschießen kann. Die Wirkung verpufft also mit jedem Fehlschuss völlig. Dadurch könnten aber im speziellen Fall wertvolle Sekunden verloren gehen, in denen der Beamte wiederum reagieren muss und möglicherweise zusätzlichen Gefahren ausgesetzt ist. Ein zusätzliches Problem betrifft die Wirkungsweise. Die Dioden sind mit Nadeln versehen, die in die Haut eindringen, damit die Drähte am Körper halten. Nur haben diese eine sehr geringe Eindringtiefe, und in der kalten Jahreszeit hat man vielleicht auch eine dickere Jacke an. So kann es – das ist nicht unrealistisch – passieren, dass die Nadeln in der Bekleidung steckenbleiben und der Täter keine Wirkung verspürt.

(Sebastian Wippel, AfD: Sie haben keine Ahnung, Herr Pallas!)

Auch hier könnte wertvolle Zeit verloren gehen. Auf die Risiken, die für die Betroffenen bestehen, habe ich bereits hingewiesen.

(Zuruf des Abg. Carsten Hütter, AfD)

So kann der Taser-Einsatz eben doch tödlich sein oder aber zumindest schwere Schädigungen, beispielsweise bei schwangeren Frauen oder aber bei Menschen mit einer Herzerkrankung, verursachen.

Ein weiteres Problem existiert bereits in der sächsischen Fachdiskussion: Wenn ein Mensch durch einen TaserEinsatz quasi betäubt ist und fällt, können daraus weitere Verletzungen folgen. Nicht ohne Grund wird in der Verwaltungsvorschrift darauf hingewiesen, dass ein zweiter Beamter bei diesen Einsatzsituationen zwingend dabei sein soll.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Wenn sie angeschossen werden, können sie wohl nicht aus Versehen umfallen? – Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)