Protokoll der Sitzung vom 17.03.2016

Nun sagte der Herr Staatskanzleiminister, „So geht sächsisch“ müsse überarbeitet werden. Wir müssten glaubwürdig und authentisch die vorhandenen Problemlagen nach außen kommunizieren. Wir haben nur ein Problem – darum geht es in dieser Debatte heute –: „So geht sächsisch“ geht nicht mehr, weil „So geht sächsisch“ inhaltsleer ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Wir werden nämlich nur eines erreichen: Wir streiten uns mit den Pegidisten und den sogenannten besorgten Bürgern darüber, wer die Deutungshoheit über das Bild von Sachsen in der Öffentlichkeit hat.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Es werden Ihnen hierbei keine Hochglanzbroschüren helfen und Sie werden auch noch so tolle Videos, die sehr schön anzusehen sind, produzieren können – wir werden damit nur eine Parallelwelt erzeugen. Diese Parallelwelt wird uns allen nicht helfen. Deshalb fordern wir in dem Antrag: Stellen Sie diese Kampagne ein! Verwenden Sie das Geld lieber, um eines zu produzieren, nämlich eine starke Zivilgesellschaft! Denn daran hapert es leider in Sachsen. Dort wäre das Geld sehr gut angelegt.

Unabhängig davon möchte ich noch eines zum Ausdruck bringen: Es ist schon bezeichnend, dass wir für diese Imagekampagne 8 Millionen Euro ausgeben, aber für „Weltoffenes Sachsen“ nicht einmal 2 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Daran müssen wir dringend arbeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Hören wir also auf mit den Parallelwelten – dieser Claim ist tot. Wir sollten ihn jetzt durch zivilgesellschaftliches Handeln ersetzen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion spricht jetzt Herr Abg. Colditz.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Scheel, um es gleich voranzustellen: Die Imagekampagne muss nicht wiederbelebt werden – sie lebt! Sie wird auch weiterleben, auch wenn Sie das nicht wollen.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Sebastian Scheel, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, die kontroverse Diskussion um die Imagekampagne ist nicht neu. Sie erlebt sicherlich angesichts der geschilderten Entwicklungen eine neue Qualität.

Sicherlich muss über die Imagekampagne geredet werden, auch über die Weiterentwicklung und die Profilierung der

Imagekampagne. Aber sie infrage zu stellen – da gebe ich dem Herrn Staatsminister vollauf recht und bin auch dankbar für sein Interview – wäre zu diesem Zeitpunkt ein völlig falsches Signal.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir haben die Diskussion um die Imagekampagne in der Vergangenheit mehrfach geführt, oftmals wenig sachlich, aber immer – gerade aus Sicht der Opposition – ohne einen realen Bezug zum Anliegen und zur inhaltlichen Ausgestaltung dieser Kampagne. Bei aller Kontroverse im Detail muss man sich doch einmal fragen lassen, ob es nicht nachvollziehbar ist oder was dagegen spricht, dass die Attraktivität eines Standorts in die öffentliche Wahrnehmung gerückt wird, noch dazu, wenn sich dieser Standort im Wettbewerb mit anderen Standorten befindet, die übrigens auch für sich Imagekampagnen entwickelt und am Markt etabliert haben.

Das, was Sie als Selbstläufer dargestellt haben, sind keine Selbstläufer. Andere Regionen haben diese Attraktivität möglicherweise auch, aber sie sorgen über Imagekampagnen dafür, dass diese Attraktivität in der öffentlichen Wahrnehmung zum Tragen kommt. Da befinden wir uns mit anderen Regionen ganz einfach in einem Wettbewerb, lieber Herr Scheel.

Meine Damen und Herren! Es geht um nichts anderes als um unser Land. Es geht um unsere Identität, und es geht auch um unser Selbstbewusstsein im Wettbewerb mit anderen nationalen und internationalen Standorten. Es geht nicht nur um den Bereich Tourismus, sondern es geht auch um den Wirtschaftsstandort Sachsen, es geht um den Handels- und Messestandort Sachsen, es geht um den Wissenschaftsstandort Sachsen, und es geht um einen attraktiven, überregional bedeutsamen Kulturstandort Sachsen.

Nun ist es sicherlich richtig – damit komme ich zu Ihrer Argumentation, Herr Scheel –, dass das Image von Sachsen nach dem Lichterleuchten im Erzgebirge, nach Clausnitz und Bautzen national und international gelitten hat.

(Petra Zais, GRÜNE: Heidenau!)

Auch Heidenau, richtig.

Daraus müssen auch zweifellos Konsequenzen abgeleitet und Maßnahmen zur Behebung dieses entstandenen Schadens eingeleitet werden. Dies muss, meine Damen und Herren – das ist Verantwortung der Politik – sachlich, mit dem richtigen Augenmaß, nachhaltig, aber auch ohne Hysterie, sondern mit einer gewissen Nüchternheit geschehen, nicht, um damit das Geschehene zu verharmlosen oder zu relativieren, sondern um Sachsen generell und seinen Menschen objektiv gerecht zu werden.

Aber – auch das darf ich an dieser Stelle einmal sagen – Sachsen ist kein brauner Fleck auf der deutschen Landkarte, so wie das mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung darzustellen versucht wird. Ich meine, die

Menschen, die dieses Land in den letzten 25 Jahren aufgebaut haben, müssen sich in ihrer übergroßen Mehrheit auch angesichts der jüngsten Entwicklungen, die hier stattgefunden haben, nicht verschämt wegducken,

(Beifall bei der CDU)

schon gar nicht in Erinnerung daran, dass vor 25 Jahren in diesem Land, hier in Sachsen, die Grundlagen dafür gelegt wurden, dass es ein friedliches Zusammenleben in Deutschland und Europa jetzt geben kann.

(Beifall bei der CDU)

Auch das – dies darf man nach 25 Jahren auch angesichts dieser aktuellen Entwicklung durchaus einmal darstellen – gehört zum Image von Sachsen in dieser Situation. Nein, es sollen die tagesaktuellen Probleme von Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass nicht relativiert und kleingeredet werden, ganz bestimmt nicht. Im Gegenteil, diese Probleme müssen, wie gesagt, gelöst werden, und sie werden gelöst. Sie können nicht nur durch die Politik gelöst werden, sondern auch und gerade müssen sie durch die Menschen gelöst werden, die in den letzten Jahren und noch weitaus früher dieses Land geprägt und aufgebaut haben – wissenschaftlich, wirtschaftlich, kulturell, sportlich, künstlerisch, also sehr vielgestaltig.

Meine Damen und Herren! Wenn dies auch in Zukunft so sein soll, wenn sich unsere Menschen auch zukünftig gemeinwohlorientiert und weltoffen engagieren sollen, so wie sie das bisher schon getan haben, dann dürfen wir ihnen den Stolz auf das Erreichte und das Selbstbewusstsein nicht nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Gewaltexzesse und Menschenfeindlichkeit zu bekämpfen und zu verabscheuen, aber dennoch stolz auf das eigene Land zu sein und seine positive Entwicklung zu würdigen, das schließt einander nicht aus.

(Beifall bei der CDU)

Im Gegenteil, meine Damen und Herren, hilft ein derartiges nüchternes Selbstbewusstsein, sich auch individuell viel schärfer und konsequenter abzugrenzen von Fehlentwicklungen im Land, aber auch im eigenen Umfeld.

Die Imagekampagne hat von Anfang an zwei Zielorientierungen gehabt, eine nach innen und eine nach außen. Die Wirkung nach innen habe ich eben noch einmal herzuleiten versucht. Aber auch die Außendarstellung ist meines Erachtens in der Grundintention der Kampagne bedeutsamer denn je.

Wir müssen einer Vereinseitigung des Blicks auf Sachsen konsequent entgegentreten, nicht nur, indem wir den Ursachen dieser zunehmend einseitigen, negativen Wahrnehmung entgegenwirken, sondern vor allem auch dadurch, dass wir die helle Seite Sachsens, die bei objektiver Wahrnehmung den größeren Teil der Projektion ausmacht, am Leuchten halten. Schließlich ist das ja auch die Philosophie der Imagekampagne.

Im April letzten Jahres haben wir hier im Parlament schon einmal über Ziel und Ausrichtung der Kampagne diskutiert. Ich kann deshalb an das anknüpfen, was ich damals bereits gesagt habe und was auch bei der Bedeutung der Kampagne nichts verloren hat, nicht nur tagespolitisch, sondern auch zukunftsorientiert. Die Dachmarke wollte von Anfang an die Attraktivität unserer Region im nationalen und internationalen Maßstab verdeutlichen, die Bekanntheit Sachsens, seine Stärken und regionalen Vorzüge vermarkten. Die Kampagne stand von Anfang an auch und gerade für Weltoffenheit, Toleranz und Gastfreundschaft.

Nun hat diese Attraktivität in letzter Zeit, wie gesagt, Blessuren erlitten.

(Zurufe von den LINKEN)

Aber es ist immer noch das Land mit den Vorzügen in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen und mit der Leistungskraft, die es in den zurückliegenden Jahren geprägt hat.

(Zurufe von der CDU und den LINKEN)

Und, meine Damen und Herren, es ist ein Land, das von der übergroßen Mehrheit anders gesehen und gelebt wird, als dies in Gewaltexzessen der letzten Zeit zutage getreten ist. Die Koalition hat sich dazu verständigt, die Bekanntheit Sachsens im positiven Sinne im In- und Ausland weiterzuentwickeln, dabei alle Akteure und Partner von Wirtschaft und Bildung, von Kultur und Wissenschaft einzubinden und typisch sächsische Tugenden wie Pragmatismus, Machermentalität, Innovationsfreude, Herzlichkeit und Weltoffenheit sichtbar werden zu lassen.

Noch vor Kurzem wäre es schwülstig gewesen, solche Werte, wie ich sie eben genannt habe, politisch zu benennen. Angesichts der Bilder, die jetzt von Sachsen national und international entworfen werden und wie sie auch zum Teil Realität geworden sind, macht es Sinn, das andere Sachsen ins Blickfeld zu rücken, nicht, um damit vorhandene Probleme zu leugnen, sondern um authentisch zu verdeutlichen, dass Sachsen anders ist, als dies ein Teil der hier lebenden Menschen zurzeit vermittelt.

Meine Damen und Herren! Auch dies muss gesagt werden: Sachsen ist kein Missionsland, wenn es um Demokratieverständnis und Weltoffenheit geht. Sachsen hat Demokratie und Weltoffenheit gelebt – in der zurückliegenden geschichtlichen Entwicklung, in den letzten 25 Jahren und auch heute durch eine vergleichsweise übergroße Gruppe von Menschen, die sich in diesem Land engagieren. Eine politisch gepflegte Skandalkultur wird demgegenüber dem Engagement dieser Menschen und auch dem Gesamtbild von Sachsen nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Nicht vergessen kann man auch, dass es im Bereich unserer sächsischen Tourismuspolitik ein artverwandtes Projekt gibt, nämlich das Programm „Sachsen – Land von Welt“, angesiedelt bei dem TMBS. Damit werden die globaleren Ansätze der Image

kampagne für den Tourismusbereich noch weitreichender untersetzt und ausgeformt. Auch das ist richtig und notwendig. Wer also, meine Damen und Herren, die Imagekampagne für tot erklärt oder für deren Beendigung votiert, muss sich fragen lassen, warum er mit so unterschiedlichen Maßstäben an die Bewertung zweier sich ergänzender Projekte herangeht.

Zudem leistet die Kampagne „So geht sächsisch“ ja auch einen guten Beitrag dazu, den Wirtschaftsstandort Sachsen besser zu vermarkten. Ich denke, nach den Entwicklungen bei Bombardier und nach dem Weggang der AMI aus Leipzig sind wir gut beraten, solche Initiativen viel intensiver zu pflegen, damit wir auch in dieser Richtung den Handlungsbedarf umsetzen, was die Vermarktung des Wirtschaftsstandorts anbelangt.

Also, meine Damen und Herren: Anstatt das Menetekel vom Niedergang einer auf Imagepflege orientierten Kampagne an die Wand zu malen, sollten wir eher Kreativität, Visionen und Maßnahmen entwickeln, wie wir genau dieses Image wieder im alten Glanz zum Strahlen bringen. Die Kampagne war und ist inhaltlich breit angelegt. Sie beschränkt sich nicht auf das touristische Marketing, sondern ist auf die Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens von der Kultur über Wirtschaft und Wissenschaft bis hin zu ehrenamtlichem Engagement unserer Menschen ausgerichtet. Sie vermittelt vordergründig auch keine politischen Botschaften, sondern stellt auch und gerade, meine Damen und Herren, Repräsentanten der eben benannten Bereiche, also die Menschen unseres Landes, quasi als Botschafter in den Mittelpunkt.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: So wie Clausnitz aber auch! Das ist das Problem!)