Protokoll der Sitzung vom 20.04.2016

Vielen Dank, Herr Günther.

Herr Urban, ich möchte nicht unfair sein. Sie haben in Ihrem Redebeitrag darauf hingewiesen, dass Sie einen Änderungsantrag eingebracht haben. Ich weise auf § 51 Abs. 4 hin: Eine Abstimmung kommt nur dann infrage, wenn er schriftlich vorliegt.

Auf den Antrag auf punktweise Abstimmung werde ich selbstverständlich eingehen.

(Jörg Urban, AfD, stellt sich an ein Saalmikrofon.)

Sie haben jetzt Gelegenheit, sich nicht dazu zu äußern, sondern sich dazu zu verhalten, ob Sie einen Änderungsantrag vorlegen oder nicht.

Die erste Runde ist damit abgeschlossen. In der zweiten Runde beginnt die Abg. Frau Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Genussmittel offensichtlich schaden, haben wir an dem Beitrag von Herrn Fischer doch ganz offensichtlich festgestellt. Tut mir leid, das waren null Punkte.

(Zuruf des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Aber wie heißt es doch so treffend: In vino veritas – im Wein liegt die Wahrheit; oder wie es im Chinesischen heißt: Nach dem Wein folgt die wahre Rede.

Sicherlich gab es auch Schwierigkeiten im sächsischen Weinbau, Herr Urban, in früheren Zeiten, aber was uns aktuell in der Meißener Weinbauregion ereilt hat und wie die Staatsregierung damit hantiert, sucht schon seinesgleichen. Umso mehr wünscht sich meine Fraktion eine sachliche Debatte über Ursachen, Verantwortlichkeiten, mögliches behördliches Versagen und Folgen der Kontamination von Weinen mit Spuren von Pflanzenschutzmitteln. Es sind eben nicht nur eine wichtige Kulturlandschaft und eine Tourismusregion gefährdet, sondern in der Meißener Region auch ein wirklich wichtiger Wirtschaftszweig und damit auch Arbeitsplätze.

Am 10. Dezember des letzten Jahres wurde das im Weinbau nicht zugelassene Insektizid Dimethoat bei einer eher zufälligen Beprobung des Lebensmittelüberwachungs- und Veterinäramts des Landkreises Meißen analysiert, wie mir der Landwirtschaftsminister – ich sagte es vorhin gerade – mit der Übergabe der Antwort zu Drucksache 6/4595 heute früh bestätigte.

Die Analyse der Traubenproben dauerte dann offenbar doch etwas länger; denn die Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen LUA wurde erst am 21. Oktober 2015 über den Nachweis von Rückständen von im Weinbau nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln informiert. Der Landwirtschaftsminister, dem die Kontrolle über deren Anwendung obliegt, weiß um die Problematik offenbar erst seit dem 28. Januar 2016.

Das steht heute in der Antwort zu dieser Kleinen Anfrage. Seit Wochen gehen Nachrichten über diese Schwierigkeiten im sächsischen Weinbau durch die Medien, und nicht etwa durch eine offensive und transparente Informationspolitik der Staatsregierung, sondern ausschließlich durch parlamentarische Anfragen von Abgeordneten unserer und der GRÜNEN-Fraktion wissen wir mittlerweile, dass im Jahr 2014 circa 165 000 Liter in 8 Weinsorten und im Jahre 2015 circa 380 000 Liter in 15 Weinsorten von einer Kontamination mit Dimethoat betroffen sind. Um das noch einmal klarzumachen: Diese Erkenntnisse erlangten wir nicht etwa über Landtagsausschüsse, die sich mit Umweltpolitik und Verbraucherschutz beschäftigen, wir,

und damit meine ich nicht nur wir Abgeordnete, sondern auch die betroffenen Winzerinnen und Winzer oder die Verbraucherinnen und Verbraucher, werden seit einem halben Jahr nicht durch die verantwortlichen Landesbehörden informiert oder aufgeklärt. Nur das Nachfragen aus den Reihen der Opposition und der Medien veranlassten die Regierung zum Handeln.

Zunächst berichteten Ende Januar die „DNN“ über den Nachweis von Dimethoat in einer Traubenprobe einer Kellerei. Seitdem gibt es ein Auf und Ab im unkoordinierten Informationsgebaren der Landesregierung. Ein verantwortungsvolles Krisenmanagement sieht allerdings anders aus. Die für uns vorerst letzte Botschaft durften wir Ende letzter Woche erfahren. Der Chef des Pflanzenschutzkontrolldienstes im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie, Jörg Müller von Berneck, will mehr Druck auf die Weinbaubetriebe ausüben und kündigte ausgedehntere Pflanzenschutzkontrollen an. Das Verbrauchenschutzministerium wird ein Sonderüberwachungsprogramm auflegen und Weinproben untersuchen.

Diese Proben sind nach den mir vorliegenden Informationen aber wahrscheinlich bereits Ende März genommen worden. Zum Zeitpunkt der oben genannten Informationen der oberen Landesbehörde über weitere Weinproben waren die Weingüter wahrscheinlich schon beprobt.

Also weiter wie bisher, Halbwahrheiten und Mauern der Staatsregierung, um Zeit zu gewinnen für eigene Erklärungsversuche – Zeit, die die betroffenen Winzerinnen und Winzer, Weinkellereien und insbesondere die Winzergenossenschaft eben nicht haben. Da klingt es schon wie ein Hohn, wenn verkündet wird, dass die Ergebnisse zu den Proben erst Ende September vorliegen werden. Eine verdammt lange Zeit für die schnelle Klärung, ob ein Weinbauer seinen Wein nun verarbeiten, abfüllen und vermarkten kann oder nicht.

Hinzu kommen ungeklärte Proben, deren Ursachen behördlicherseits hausgemacht sind und die sich thesenhaft wie folgt zusammenfassen lassen:

Erstens. Die zuständigen Behörden waren lange untätig und haben danach zumindest mit erheblichem Zeitverzug gehandelt.

Zweitens. Die zuständigen Behörden sind teil- und zeitweise nicht in der Lage, ihre Aufgaben sachgerecht zu erfüllen.

Drittens. Der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden ist äußerst mangelhaft. Allein schon deshalb ist es ein starkes Stück, wenn die Staatsregierung immer wieder versucht, die Schuld allein auf die betroffene Winzergenossenschaft abzuwälzen.

Zur These 1, dem zeitverzögerten behördlichen Handeln. Ich verweise auf den Anfang meiner Rede. Wir haben die Analyse einer Dimethoat-Belastung in einer Weinprobe durch eine untere Kontrollbehörde im September 2015, eine Erkenntnis über das Ergebnis im Oktober, aber keine ansatzweise schnelle Aufklärung einer sensiblen Problematik. Wir reden im Moment von einer möglichen Auf

klärung bis Ende September 2016. Da beginnt bereits die nächste Weinernte.

Zu These 2. Die unterlassene Information der unteren Behörde über die Pestizid-Kontamination des Weines an die betroffenen Weinbauern, insbesondere an die Meißner Winzergenossenschaft, war ebenso folgenschwer wie der offenkundig nicht funktionierende Informationsaustausch und das gestörte Zusammenwirken der unteren und der oberen Verbraucherschutz- bzw. Umweltbehörde. Der Großteil kontaminierter Trauben gelangte ohne jegliche behördliche Intervention in die Verarbeitung, obwohl die ersten Analyse-Ergebnisse den Behörden bereits vorlagen. Damit wurde der wirtschaftliche Schaden für die Winzerinnen und Winzer sowie deren Winzergenossenschaft erst möglich, verursacht, zumindest jedoch in nicht unerheblicher Weise noch verstärkt.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Hört, hört!)

Eine schnelle Information hätte die Ernte von 2 368 sächsischen Kleinwinzern geschützt und nicht zu einem Millionenschaden geführt. Diesen Vorwurf müssen Sie sich gefallen lassen, Frau Staatsministerin Klepsch, Herr Staatsminister Schmidt.

Meine Kollegin Kathrin Kagelmann hat sich in Drucksache 6/2289 dem Thema „Schäden im sächsischen Obst- und Weinbau durch die Kirschessigfliege“ gewidmet. Nach den Fallenfängen im Jahr 2014 wurde die Erkenntnis erlangt, dass in allen Wein- und Obstbauregionen im Freistaat dieses Insekt vorkommt und auf notwendige Informationsveranstaltungen zur Problematik hingewiesen. Ich habe einmal nachgeschaut, was den Weinbauern zur Bekämpfung der Kirschessigfliege an Chemikalien durch das LfULG empfohlen wird. Und Sie werden es nicht glauben, aber in der Präsentation vom 12. Februar 2014 wird auf phosphororganische Insektizide hingewiesen. BI 85 mit dem Wirkstoff Dimethoat ist ein phosphororganisches Insektizid.

(Daniela Kuge, CDU: Es gibt aber noch andere!)

Vielleicht hätte ein Weinberater die Weinbauern noch darüber aufklären können, aber neben der Offizialberatung bei den Landwirten hatte der Ex-Umweltminister Tillich auch die Weinbauberater abgeschafft.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ach, der war das!)

Ich persönlich gehe im Übrigen weiter davon aus, dass durch das vermehrte Auftreten der Kirschessigfliege auch der Einsatz von Insektiziden im Obstbau und damit die Gefahr einer möglichen Abdrift zugenommen hat, denn immerhin befinden sich 670 Hektar Landwirtschafts- und Dauerkulturen in der Weinbauregion in unmittelbarer Nachbarschaft von 460 Hektar Rebflächen.

Zu meiner These 3. Der Informationsaustausch zwischen den beteiligten Behörden muss äußerst mangelhaft gewesen sein. Ich habe es heute schriftlich bekommen. Die Zeitspanne zwischen dem Vorliegen des ersten Untersuchungsergebnisses bei der Kontrollbehörde und dem zuständigen Verbraucherministerium und der Information

an die zuständige Kontrollbehörde für Pflanzenschutz im Umweltministerium war sage und schreibe drei Monate. Das ist skandalös. Diesen Umstand in aller Öffentlichkeit und ohne Rückzieher aufzuklären, erwarten wir und alle betroffenen Winzer heute von Ihnen, Frau Verbrauchschutzressortchefin und Herr Landwirtschaftsressortchef.

Wir wissen bisher, dass es möglicherweise mehrere Ursachen für die Kontamination von Wein mit Insektiziden gibt. Es gibt wahrscheinlich einmal die kriminelle Energie eines Einzelnen, aber es gibt nach wie vor die Wege der Verunreinigung von Rebflächen durch Abdrift von Pflanzenschutzmitteln, die immer noch ganz legal auf benachbarten landwirtschaftlichen Flächen eingesetzt werden dürfen. Untersuchungen zur Kontamination durch bereits mit Pflanzenschutzmitteln verunreinigtes Grundwasser sind mir nicht bekannt.

Es sind bisher ganze drei Kellereien identifiziert, in denen es Probleme mit Dimethoat gibt, aber durch die Landesbehörde wird jetzt zum Teil so ein Aktionismus betrieben – angekündigt sind immerhin 120 Proben in 40 Betrieben –, nachdem jahrelang keine ordentliche Kontrolle stattgefunden hat. Verschärfend kommt hinzu, dass auf Initiative des Verbraucherschutzministeriums auch die Nachweisgrenze für Dimethoat auf 0,01 Milligramm pro Kilogramm Trauben geändert wurde.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Ohne Begründung!)

Ja, ohne Begründung.

Winzer berichten darüber, dass die Behörden ihnen nunmehr mitgeteilt hätten, dass ihre kostenaufwendigen Eigenkontrollen auf Dimethoat wahrscheinlich keine Gültigkeit mehr besäßen. Damit wird der Schaden durch einzelne wenige Zustandsstörer zum Skandal für alle Winzer Sachsen ausgeweitet und weiterer möglicher materieller und immaterieller Schaden verursacht.

Deshalb gehen wir von einer gewissen Staatshaftung aus. Wir fordern deshalb von der Staatsregierung ein Sofort- und Sonderprogramm für alle von der Verunreinigung von Trauben und Wein mit Dimethoat betroffenen Winzerinnen und Winzer, Weingüter sowie der Sächsischen Winzergenossenschaft Meißen mit angemessenen Finanzhilfen. Finanzhilfen haben aufgrund der kleinwirtschaftlichen Strukturen nur dann einen Sinn, wenn sie als verlorene Zuschüsse in unbürokratischer Weise gewährt werden.

Handeln Sie, Frau Staatsministerin Klepsch und Herr Staatsminister Schmidt! Hier ist akute Gefahr im Verzug für einen Wirtschaftszweig, eine Kulturlandschaft und eine für den Landkreis und die Stadt Meißen wichtige und prägende Tourismusregion. Schenken Sie uns, den betroffenen Weinbauern und der Öffentlichkeit endlich reinen Wein ein. Mauern Sie weiter, muss die Opposition möglicherweise zu anderen Mitteln greifen, um ihrer Aufgabe der Kontrolle der Regierung auch im Interesse der Weinregion nachzukommen.

(Beifall bei den LINKEN)

Nun frage ich die CDU-Fraktion, ob es weiteren Redebedarf gibt. – Das ist nicht der Fall.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Der Kabarettbeitrag war schon alles?!)

Ich frage die SPD-Fraktion. – Die AfD-Fraktion? – Das ist nicht der Fall. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch nicht. Damit wäre die zweite Runde beendet. Gibt es noch Redebedarf für eine dritte Runde? – Das kann ich nicht feststellen. Dann erhält die Staatsregierung das Wort. Frau Staatsministerin Klepsch, bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Die Debatte zeigt eindrücklich, wie komplex, wie energiegeladen dieses Thema ist. Ich möchte versuchen, in der mir auferlegten Kürze die wichtigsten Dinge klarzustellen – klarzustellen für mein Haus, für meine Kollegen, den Umweltminister und auch den Wirtschaftsminister.

Die Anwendung von dimethoathaltigen Pflanzenschutzmitteln bei Wein ist strikt verboten. Das ist bei den Vorrednern, denke ich, deutlich geworden. Die Verbraucher erwarten zu Recht, dass dieses Verbot auch respektiert wird. Oder um es noch einmal mit den deutlichen Worten des Lebensmittelrechts zu sagen: Dimethoat ist für die Behandlung von Keltertrauben nicht zugelassen. Das heißt, Dimethoat darf auch nicht im Wein sein. Hier ist das Lebensmittelrecht sehr klar und eindeutig. Der immer wieder zitierte Grenzwert ist kein Grenzwert,

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE: Ich habe Nachweisgrenze gesagt! Ich habe nicht Grenzwert gesagt!)

sondern er ist ein verfahrenstechnischer Wert, weil erst ab dem Wert von 0,01 Milligramm pro Kilogramm Keltertraube oder auch beim Wein eine gesicherte Bestimmung überhaupt möglich ist. Ich hoffe, Frau Pinka, damit das Missverständnis aus dem Weg geräumt zu haben.

(Dr. Jana Pinka, DIE LINKE, geht zum Mikrofon.)

Nein! – Zur viel kritisierten Zeitschiene: Nein!