Protokoll der Sitzung vom 21.04.2016

Da sind zum einen Kontrolldelikte, die nur bekannt werden, wenn die Polizei intensiv kontrolliert, und zum anderen Anzeigedelikte, die davon abhängig sind, wie das Anzeigeverhalten in der Bevölkerung ist. Das weicht durchaus voneinander ab. Deshalb ist für mich die Tatsache, dass es weniger Straftaten im letzten Jahr gab, noch kein Grund zur Entwarnung, sondern ich behaupte mal, das spricht eher für die hohe Belastung innerhalb der sächsischen Polizei und für die Polizeibeamten. Es wurden weniger Kontrolldelikte, zum Beispiel Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, festgestellt. Das ist die klassische Kontrollkriminalität. Gleichzeitig, sagt die allgemeine Erfahrung, warten Anzeigenerstatter wegen einfacheren Diebstahls wie Kellereinbrüche mitunter drei bis fünf Stunden, bis die Polizei kommt. Das ist nicht sehr attraktiv, wenn ich noch nicht einmal weiß, ob der Täter wirklich gefasst werden kann. Allerdings spricht die Steigerung der Aufklärungsquote für eine gute Qualität polizeilicher Arbeit, für die ich angesichts der hohen Belastungssituation wirklich dankbar bin.

Trotz der sinkenden Gesamtzahl in dem Bereich bleiben Eigentumsdelikte ein Schwerpunkt, und hier vor allem – Kollege Hartmann hat es gesagt – Einbrüche in Wohnungen. In den letzten Wochen wurden schon einige Maßnahmen diskutiert. Ich glaube, uns alle eint, dass wir das in Zukunft verhindern wollen. Das geht neben präventiven Aspekten nur über eine bessere Aufklärung von Straftaten. Eine bessere Präsenz in den betroffenen Wohngebieten ist gut für das subjektive Sicherheitsgefühl, indes verhindern lassen sich Einbrüche dadurch nicht wirklich. Dazu braucht es eine effektive Stärkung der kriminalistischen Arbeit der Polizei. Das wird auch zu einer erhöhten Aufklärungsquote in diesem Bereich führen. Das reicht von einer intensiveren Tatortarbeit über die länderübergreifende Zusammenarbeit bis zu intensiveren Ermittlungsstrukturen.

Die größten Sorgen mache ich mir beim Blick auf die PKS 2015 allerdings beim Anstieg der Gewaltkriminalität im Freistaat Sachsen. Insbesondere politisch motivierter Kriminalität müssen wir Einhalt gebieten. Ich sage ausdrücklich: Es ist zunächst unerheblich, aus welcher politischen Einstellung heraus Gewalt verübt wird. Radikalisierung, politisch motivierte Gewalt ist in jedem Fall ein ganz großes Problem, dem wir uns alle mit aller Kraft stellen müssen. Aber der Schwerpunkt, meine Damen und Herren, liegt eindeutig auf der rechtsmotivierten Seite. Wir haben eine Verdopplung rechtsmotivierter Gewaltdelikte, wir haben eine Vervierfachung von Angriffen auf Asylunterkünfte. Das ist eine eindeutige Sprache, meine Damen und Herren. Auf der anderen Seite haben wir in diesem Bereich eine gestiegene Aufklärungsquote. Das spricht für die gute Arbeit im Operativen Abwehrzentrum und der Integrierten Ermittlungseinheit INES PMK, die sicher noch besser werden kann.

Aber wer bekommt das denn in Sachsen überhaupt mit? Neben einer gewissen Gleichgültigkeit bei einigen Sächsinnen und Sachsen bemerke ich auch eine große Verunsicherung in der Bevölkerung, und es gibt das verbreitete

Gefühl, dass der Rechtsstaat unter seinen Möglichkeiten bleibt und im Augenblick eher kraftlos agiert. Er tut nichts gegen rechte Gewalt. Dann wundert es mich auch nicht, wenn nach dem Einsatz des Bundeskriminalamtes und der GSG 9 am Dienstag in Freital zur Festnahme weiterer Verdächtiger der „Gruppe Freital“ eine fatale Interpretation im Land herumwabert, die da lautet: Da muss erst der Generalbundesanwalt den Fall übernehmen, damit in Sachsen etwas passiert. Natürlich ist das nicht so.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Echt?)

Schließlich hat die Ermittlungsarbeit des OAZ und von INES überhaupt erst die Grundlage geschaffen, dass der GBA übernehmen kann.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Der konkreten Übernahme ging eine monatelange Zusammenarbeit zwischen dem Bund und dem Freistaat Sachsen voraus. Dass das Gefühl in Sachsen so weit verbreitet ist, zeigt, dass wir umso entschlossener gegen politisch motivierte Gewalt von rechts, aber auch von links vorgehen müssen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren!

Die Redezeit!

Ich komme zum Schluss. In den folgenden Runden wird es sicher noch um notwendige Maßnahmen und Ableitungen gehen. Ich möchte die erste Runde mit dem Appell beschließen, dass wir nicht zulassen dürfen, dass es weiter so hohe politisch motivierte, auch vor allem rechte Gewalt in Sachsen gibt.

Die Redezeit ist zu Ende!

So etwas wie der NSU darf sich niemals wiederholen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Das war Kollege Pallas. Er vertrat die einbringende Fraktion der SPD. Und jetzt eilt Herr Kollege Stange heran. Er spricht für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann ja nachvollziehen, Kollege Hartmann, wenn Sie die Polizeiliche Kriminalstatistik 2015 in dieses Licht rücken müssen, in das sie der Herr Staatsminister mit seiner Pressekonferenz gerückt hat. Kollege Pallas zeigt mit seinen Ausführungen aber, dass man es differenziert betrachten kann. Ich darf Ihnen attestieren, Kollege Pallas, dass Sie das nach meinem Dafürhalten ganz gut gemacht haben.

Allerdings ist mit dem, was Sie vorgetragen haben, nicht die ganze Wahrheit ans Licht gekommen; denn es stimmt nicht, dass ausschließlich das Absinken bei der Diebstahlskriminalität uns diese Zahl von 314 861 in der PKS festgestellten Fällen beschert hat. Ganz im Gegenteil – von 2014 zu 2015 haben wir einen Rückgang der in der PKS festgestellten Fälle um 12 335. Allerdings haben wir im selben Zeitraum einen Anstieg der offenen Vorgänge im Jahresvergleich Dezember um 16 588. Darin gebe ich Ihnen recht, Kollege Pallas: Wenn wir genügend Polizei gehabt hätten, die diese offenen Vorgänge hätte konsequent abarbeiten können, hätten wir den Stand offener Vorgänge aus den vorangegangenen Jahren, dann sähe Ihre PKS aber ziemlich belämmert aus.

Ihre Lesart, Kollege Hartmann, haut doch regelrecht den Hahn von der Henne.

(Heiterkeit)

Es kann doch nicht wahr sein, dass man im Grunde diesen kompletten Teil ausblendet. Und noch etwas: Der Anstieg der Aufklärungsquote hört sich toll an. Sie können ja regelrecht dankbar dafür sein, dass bei den ausländerrechtlichen Verstößen, also Pass abgelaufen, fehlende Arbeitserlaubnis usw., eine Aufklärungsquote von annähernd 100 % erreicht wird; denn wenn man sich die Zahlen genau ansieht, ist es dieser Bereich, der die Aufklärungsquote der Polizei nach oben gezogen hat, ausschließlich dieser Teil.

Hatten wir 2014 179 303 aufgeklärte Fälle, so waren es im Jahr 2015 175 377.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das ist richtig!)

Das hat sich abgesenkt. Das hört sich gut an.

Wenn man den Zuwachs von ausländerrechtlichen Verstößen wie zum Beispiel Passverstöße herausrechnet, das sind 7 596 pro Aufklärungsquote, dann bleiben

167 781 Verstöße übrig. Somit liegt die Aufklärungsquote bei 54,6 %. Das heißt folglich, dass sie um 0,2 % abgesunken ist. Das ist Mathematik und keine Hexerei von links.

(Heiterkeit bei der AfD – Zurufe)

Wer ist da wieder so schlau? Zahlen können nicht lügen. Es kann sogar der Staatsminister für sein Haus mitrechnen. Das ist keine Hexerei.

(Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Richtig, Herr Pallas. Wir haben es mit einem großen Dunkelfeld zu tun. Im Übrigen gilt das selbst für die Bereiche, in denen wir früher höhere Zahlen hatten. Was meinen Sie, wer über Jahre mitbekommt, dass das Ermittlungsverfahren eingestellt wird, wenn sein Fahrrad geklaut wurde, das Fahrrad aber nicht wiedergefunden wird, wie viele Diebstähle von Fahrrädern er noch zur Anzeige bringt?

(Staatsminister Markus Ulbig: Für die Versicherung wird es in aller Regel gebraucht!)

Für die Versicherung wird es gebraucht, ja. Deshalb gibt es bei den Wohnungseinbrüchen ein wesentlich höheres Interesse. Deshalb ist in diesem Bereich das Dunkelfeld deutlich geringer. Das gilt aber nicht für die Teile, die ich eben angesprochen habe, zum Beispiel den Ladendiebstahl. Das ist im Übrigen ein Kontrolldelikt. Wenn ich nicht feststelle, dass jemand etwas geklaut hat, dann kann ich es auch nicht zur Anzeige bringen. Das muss einmal klar gesagt werden.

Ich bitte darum, dass wir bei der PKS nicht in Jubel ausbrechen.

Die Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir müssen uns die Zahlen genau anschauen und ehrlich miteinander umgehen. Die Kriminalität ist gestiegen, sie ist nicht gesunken. Was in der PKS steht, sind leicht gesunkene Zahlen. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

(Beifall bei den LINKEN)

Herr Kollege Stange sprach für seine Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht für die AfD-Fraktion Herr Kollege Wippel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Willkommen in Pippi Langstrumpfs Welt, der Innenminister macht die Welt und die PKS, wie sie ihm gefällt.

(Staatsminister Markus Ulbig: Das sagt ein Polizist!)

Wir möchten heute über die Polizeiliche Kriminalstatistik sprechen. Das ist allerdings nicht ganz einfach. Dem Parlament ist die Polizeiliche Kriminalstatistik offiziell gar nicht zugeleitet worden.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Uns wurde das Ergebnis einer Pressekonferenz im Innenausschuss vorgelegt. Darauf hat der Minister Bezug genommen. Selbst haben wir es nicht bekommen. Die Presse ist damit besser als das Parlament informiert. Aus meiner Sicht ist dies eine Missachtung des Parlaments.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Im Innenausschuss hieß es, es würden noch drei bis vier Wochen benötigt, um die Details der PKS auszuwerten. Dafür habe ich natürlich Verständnis. Um so mutiger finde ich es allerdings, dass wir heute diese Debatte führen und CDU und SPD diese auf die Tagesordnung gesetzt haben. Die Details sind offensichtlich nicht ganz so wichtig.

Die Kehrtwende in der Personalpolitik, die sich auch aus dem heutigen Titel der Debatte ablesen lässt, befürworten wir. Sie geht in die richtige Richtung. Ja, ein starker Staat braucht eine starke Polizei. Es geht allerdings trotzdem nicht weit genug. Allein um die grob berechenbaren

Ausfallzeiten von Beamten wegen Krankheit oder Fortbildung auszugleichen, bräuchten wir etwa 1 900 Beamte.

Gesamtkriminalität gesunken, Aufklärungsquote gestiegen – der Beginn dieser Überschrift ist aus meiner Sicht eine reine Nebelkerze, die schon fast an Volksverdummung grenzt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Boah!)

Es sind allein die ausländerrechtlichen Delikte – wir haben es bereits vom Kollegen Stange richtigerweise gehört –, die die Aufklärungsquote nach oben treiben. Rechnet man diese heraus, gibt es sogar einen Rückgang der Aufklärungsquote. Das ist bereits seit dem Jahr 2010 der Fall. Seit Jahren geht die Aufklärungsquote in Sachsen im Bereich der Allgemeinkriminalität nach unten. Wenn die Anzahl der Gesamtdelikte weniger wird, dann hätten wir eigentlich mit dem Gegenteil rechnen müssen. Die Aufklärungsquote müsste nämlich steigen. Das Volk wird für dumm verkauft. Der Innenminister profitiert von der unkontrollierten Masseneinwanderung und verkauft uns das als Erfolg. Was würde der Bayerische Innenminister machen, der deutlich mehr ausländerrechtliche Verstöße auf seiner Habenseite verbuchen kann? Ich nehme es einmal vorweg: Der Bayerische Innenminister hat diese Delikte aus seiner PKS-Betrachtung herausgerechnet.