Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

Es gibt eine ganze Reihe an Vorstellungen im Entschließungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Nachher werde ich noch etwas dazu sagen. Dass Sie, sehr geehrte Damen und Herren der Koalitionsfraktionen und der AfD, das nicht als Problem ansehen, ist mir schleierhaft. Das ist ein Schnellbesohlungsverfahren. Das geschieht einerseits unter dem Aspekt von Einsparungen und anderseits zum Ausgleich von ausscheidenden Staatsanwältinnen und Staatsanwälten in Bezug auf das Personalloch. Das wird uns irgendwann auf die Füße fallen. Konkret wird das der Fall sein, wenn sich Menschen mit Hilfe einer Verfassungsbeschwerde dagegen wehren oder es um die spätere Nachrüstung bei der Einstellung von Volljuristen geht.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Gibt es aus den Fraktionen weiteren Redebedarf? – Herr Baumann-Hasske, bitte. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bartl, Ihre Bedenken sind nicht unberechtigt. Wir haben doch aber die Gelegenheit, etwas zu tun. Wer hindert uns daran, uns damit auseinanderzusetzen? Ich verstehe Ihre Aufregung. Es ist aus Ihrer Perspektive nachvollziehbar. Das ist klar. Es ist doch aber nicht so, dass wir einen Freibrief erteilen möchten. Wir sind als Gesetzgeber doch nicht daran gehindert, diese Dinge zu diskutieren und Regeln aufzustellen. Warum sollten wir das nicht tun? Das, was wir heute beschließen möchten, ist Folgendes: Der Freistaat Sachsen soll dem Staatsvertrag über die Ausbildung von Amtsanwälten beitreten. Das ist der Gegenstand unserer heutigen Beschlusssituation. Ich vermag aus Ihren Argumenten nicht zu erkennen, warum man das nicht tun sollte.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Gibt es weitere Wortmeldungen? – Herr Modschiedler?

(Martin Modschiedler, CDU: Das hat sich damit erledigt!)

Das hat sich erledigt. Vielen Dank, Herr BaumannHasske. Ich frage nun: Wünscht die Staatsregierung das Wort? – Herr Staatsminister Gemkow, bitte.

Vielen Dank. Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Sächsische Landtag hatte vor fast 16 Jahren im Sächsischen Justizgesetz festgelegt, dass das Staatsministerium der Justiz Beamte des gehobenen Dienstes zu Amtsanwälten ernennen kann. Der Amtsanwalt ist ein bewährtes Amt, das es seit der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes im Jahr 1877 gibt und das, derzeit von Sachsen und Bayern – es ist angesprochen worden –, abgesehen, in allen Bundesländern eingesetzt wird.

Der amtsanwaltschaftliche Dienst ist zuständig für die Bearbeitung von Ermittlungsverfahren der leichten und mittleren Kriminalität. Der Einsatz von Amtsanwälten führt damit zu einer Entlastung der Staatsanwälte, die sich auf die Bearbeitung tatsächlich und rechtlich schwierigerer Fälle konzentrieren können. Dadurch wird zugleich das Berufsbild des Staatsanwaltes attraktiver, gerade auch für qualifizierte Juristen. Das wird künftig eine noch größere Rolle spielen als bisher, denn die unausgewogene Altersstruktur im höheren Justizdienst wird uns vor die große Herausforderung stellen, in einem Zeitraum von wenigen Jahren einen Großteil der Richter und Staatsanwälte ersetzen zu müssen.

Bis zum Jahr 2027 sollen nach und nach insgesamt 34 Amtsanwälte bei den sächsischen Staatsanwaltschaften tätig werden. Das ist durchaus eine moderate Anzahl. Der Einsatz von Amtsanwälten wird Leistungsanreize und Aufstiegsmöglichkeiten für die Rechtspfleger der sächsischen Justiz schaffen. Für unsere bereits ausgebildeten Beamten entsteht eine motivierende Entwicklungsperspektive im Berufsbild des Rechtspflegers.

Qualitätseinbußen bei der Strafverfolgung sind durch den Einsatz von Amtsanwälten nicht zu befürchten. Es handelt sich um motivierte und leistungsstarke Rechtspfleger, die ohne Zweifel in der Lage sein werden, die mit ihrer neuen Tätigkeit verbundenen Rechtsfragen zu lösen. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit – nur zum Vergleich – nehmen sie schon jetzt viele Tätigkeiten wahr, die früher Richtern vorbehalten waren. Das ist etwa im Grundbuchwesen, bei Zwangsversteigerungen oder im Insolvenzverfahren der Fall.

Um die eingangs erwähnte Vorschrift des § 21 Justizgesetz nun mit Leben zu füllen, müssen wir geeignete Bewerber zu Amtsanwälten ausbilden. Dafür werden wir auf die Rechtspfleger bei den sächsischen Gerichten und Staatsanwaltschaften zurückgreifen, ohne dass deren Verwendung als Amtsanwälte zu einer Reduzierung der Planstellen für Rechtspfleger führen wird.

Mit dem an der nordrhein-westfälischen Fachhochschule für Rechtspflege in Bad Münstereifel angebotenen fachwissenschaftlichen Studium für den Amtsanwaltsdienst steht eine Ausbildung mit langjährig erprobtem Ausbildungskonzept und erfahrenen Lehrkräften zur Verfügung, das wir für die Ausbildung der Rechtspfleger zu Amtsanwälten nutzen möchten. Mit dem vorgesehenen Beitritt zum Staatsvertrag über die Errichtung eines gemeinsamen Studiengangs für den Amtsanwaltsdienst und die Errichtung eines gemeinsamen Prüfungsamtes für die Abnahme der Amtsanwaltsprüfung schließen wir uns diesem bewährten Ausbildungsverbund an.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wie Sie der Presseberichterstattung entnommen haben, beabsichtigt die Staatsregierung, dem Sächsischen Landtag einen Entwurf des Haushaltsgesetzes 2017/2018 vorzulegen, der auch eine erhebliche Stärkung der Justiz vorsehen wird. Davon werden insbesondere die Staatsanwaltschaften profitieren, sodass die sukzessive Einführung von Amtsanwälten in überschaubarer Zahl in diesem Jahrzehnt nicht zu einer Verringerung der Anzahl der derzeit vorhandenen Staatsanwälte führen wird.

Im Gegenteil, die sächsischen Staatsanwaltschaften, die schon gegenwärtig aufgrund der Maßnahmen, die wir in den vergangenen Jahren getroffen haben, so gut ausgestattet sind wie selten zuvor, sind damit auch für etwaigen weiter ansteigenden Arbeitsanfall gewappnet.

Dass künftig in den Reihen der Staatsanwälte auch Amtsanwälte tätig sein werden, ist aus meiner Sicht nicht nur eine seit Langem überfällige Ergänzung, sondern auch eine Abrundung dieser insgesamt erfreulichen Perspektive für die Staatsanwaltschaften.

Ich möchte trotzdem, weil doch eine ganze Menge Fragen noch aus dem Plenum gekommen sind, zu einigen Dingen Stellung nehmen. Frau Dr. Muster, Sie hatten die Personalgewinnung und die damit verbundenen Schwierigkeiten angesprochen. Ich kann Ihnen sagen: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir ausreichend Bewerber, um den Bedarf, den wir haben, zu decken. Das wird auch in absehbarer Zeit in unseren Augen kein Problem sein, jedenfalls in den kommenden Jahren nicht. Wir haben die Einstellungsvoraussetzungen bereits auf zwei mal acht Punkte abgesenkt. Insofern haben wir auch auf den größeren Bedarf reagiert. Aber die Zahlen der Bewerber zeigen immer wieder, dass noch ausreichend Potenzial vorhanden ist, hier Einstellungen vorzunehmen.

Ihre Befürchtung war, dass möglicherweise nicht ausreichend Rechtspfleger zur Verfügung stehen. Wir haben in den vergangenen Jahren einige der Rechtspfleger, die wir in Sachsen ausgebildet haben, an andere Bundesländer abgeben müssen – ein in meinen Augen sehr bedauerlicher Zustand. Das wird sich mit diesen weiteren Perspektiven und mit den Stellenänderungen und -wandlungen, die wir auch im kommenden Haushalt vornehmen, ändern, sodass wir dann hier auch wieder die Rechtspfleger, die wir brauchen, haben werden. Ich gehe davon aus, dass

wir keine Schwierigkeiten haben werden, hierfür ausreichend Nachwuchs zu finden.

Der Einsatz von Amtsanwälten anstelle von Staatsanwälten war ein Vorwurf, der auch aus Ihrer Richtung, Frau Abg. Meier, kam. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben im vergangenen Doppelhaushalt 36 Stellen für Richter und Staatsanwälte geschaffen. In dem Entwurf, den ich schon im Ausschuss vorgestellt hatte, ist geplant, weitere 44 Stellen im höheren Dienst für Richter und Staatsanwälte zu schaffen. Das heißt, wir bauen hier nicht zulasten der Staatsanwaltschaften ab, sondern wir werden die Staatsanwaltschaften weiter aufstocken und weiteres Personal in das System hineingeben, um den Herausforderungen, die vor uns liegen, Herr zu bleiben, um letztlich auch auf steigende Verfahrenszahlen – das ist ein offenes Geheimnis – zu reagieren. Das heißt, wir wollen die personelle Situation im Griff behalten.

Vor all diesen Hintergründen bitte ich Sie deshalb im Namen der Staatsregierung, dem Gesetzentwurf heute zuzustimmen, damit wir zügig mit der Auswahl und pünktlich mit der Ausbildung im neuen Studienjahr 2017 beginnen können.

Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Vielen Dank, Herr Staatsminister.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Aufgerufen ist das Gesetz zum Staatsvertrag über die Einrichtung eines gemeinsamen Studienganges für den Amtsanwaltsdienst und die Errichtung eines gemeinsamen Prüfungsamtes für die Abnahme der Amtsanwaltsprüfung, Drucksache 6/4786. Abgestimmt wird auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses, Drucksache 6/5406. Es liegen keine Änderungsanträge vor.

(Martin Modschiedler, CDU: Doch, einer; ich habe ihn eingebracht!)

Herr Modschiedler, Sie sind doch geübt. Mit dem Hinweis auf die Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses ist Ihr Anliegen bereits eingeflossen.

Wir kommen nun zur Abstimmung. Ich möchte Ihnen vorschlagen, wieder en bloc abzustimmen. Ich rufe die einzelnen Bestandteile auf. Erhebt sich dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall.

Wer der Überschrift, dem Artikel 1 und dem Artikel 2 seine Zustimmung geben möchte, hebe jetzt die Hand. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Es war – bei einigen Irritationen – eindeutig.

Meine Damen und Herren! Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzentwurf in der Fassung der 2. Lesung, also als Ganzes. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Bei

Stimmenthaltungen und Stimmen dagegen ist der Entwurf als Gesetz beschlossen.

Der Tagesordnungspunkt ist aber noch nicht beendet. Es gibt noch einen Entschließungsantrag, er liegt Ihnen in Drucksache 6/5506 vor. Es ist ein Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Er wird jetzt von Frau Meier eingebracht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich mache es kurz. Ich hatte vorhin schon einige Gründe angemerkt. Ich wollte jetzt noch auf einige Punkte eingehen, die Herr Bartl auch schon genannt hat, mit denen wir auch ein bisschen Probleme haben, nämlich mit dem bisher nicht erlassenen Organisationsstatut.

Deswegen haben wir uns noch einmal angeschaut, wie das in anderen Bundesländern geregelt ist. Wir haben explizit im Punkt 4 a bis e ganz bestimmte Strafsachen ausgeschlossen. Das haben wir uns nicht selbst ausgedacht, sondern wir haben es in Anlehnung an andere Bundesländer aufgeführt, weil uns wichtig ist, dass es wirklich eine Definition dafür gibt, was leichte Kriminalität ist und welche Sachen wir explizit ausschließen wollen.

Außerdem wollen wir, dass damit das, was ich vorhin vermutet habe – dass dann sukzessive immer mehr Aufgaben übertragen werden –, verhindert wird und dass es dann auch wirklich eine Evaluation dieser Amtsanwälte gibt. Dann muss es auch eine kritische Masse geben. Deswegen haben wir gesagt: Wir wollen, wenn zehn Amtsanwältinnen und Amtsanwälte im Amt sind, eine Evaluation durchführen und uns genau anschauen, ob sich das in Sachsen bewährt hat.

Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen. Was das Organisationsstatut betrifft, so hieß es zwar vorhin, dass das hier im Parlament besprochen wird. Aber letztlich ist es ja eine Verwaltungsverordnung, die eigentlich gar keine Abstimmung im Parlament braucht. Deshalb haben wir das hier noch einmal angeführt. Also, stimmen Sie bitte unserem Antrag zu.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Meier.

Meine Damen und Herren! Gibt es hierzu Wortmeldungen? – Herr Modschiedler, bitte.

Der Entschließungsantrag ist im Wesentlichen schon in die Debatte mit eingeflossen. Wir haben uns intensiv über verschiedene Positionen unterhalten. Deshalb kann ich das ganz kurz in einigen Punkten zusammenfassen. Insoweit wäre es mir auch lieber gewesen, wir hätten diese Diskussion insbesondere zu dem gesetzlichen Rahmen im Ausschuss geführt, nicht hier, denn hier gehört sie eigentlich nicht hin. Im Ausschuss haben wir über die Frage, wie wir mit dem Rah

men umgehen, nur wenige bis gar keine Worte verloren. Wir haben vielmehr darüber diskutiert, wie es mit Frau und Mann und mit der Bevorrechtigung ist. Das hätte dahinein gehört, denn das ist das Problem.

Ich fange einmal von hinten an, bei dem gesetzlichen Rahmen. Wir reden hier von der Frage der Ausbildung und der Prüfung. Wir haben überhaupt keine Amtsanwälte. Wir müssen also erst einmal diese Prüfung abwarten. Wenn die Amtsanwälte da sind, dann sollte der Rahmen auch da sein. Aber wir müssen nicht alles vorher machen und dann erst mit der Ausbildung beginnen, denn jetzt muss es erst einmal funktionieren, dass man auch in Nordrhein-Westfalen damit hinkommt.

Das Zweite ist die Personalbedarfsplanung. Wenn wir sehen, dass wir schon im jetzigen Haushalt und hoffentlich auch im zukünftigen Haushalt bis zu 100 Stellen für Richterinnen und Richter haben, dann haben wir nicht nur die Personalbedarfsplanung erfüllt, sondern schon jetzt vorausschauend gearbeitet. Das finde ich sinnvoll.

Deshalb sollten Sie bitte nicht mit einem solchen Antrag kommen, sondern vielmehr die Arbeit im Haushalt unterstützen, damit wir diese Richterstellen auch weiter behalten, damit wir, wenn in zehn oder 15 Jahren der Bruch wirklich kommt – darin sind wir d’accord –, dann auch die Stellen haben und unsere Arbeit leisten können. Das ist damit zurzeit gewährleistet.

Das Thema Frauen würde ich jetzt einmal herauslassen. Sie sagen, wenn man ins Gericht geht, ist die Mehrheit – es sind 80 bis 90 % – der Richterschaft weiblich. Das ist auch gut so. Aber hier noch eine Quote hineinzuschreiben, das ist eher Hohn und Spott. Dann müssten wir nämlich sagen: Wir möchten in der Ausbildung gerne auch die erziehenden Väter bevorrechtigt haben. Was ist denn das? Bei uns soll sich Qualität durchsetzen. Wenn die Rechtspflegerin oder der Rechtspfleger das will, dann soll sie oder er sich darum bewerben. Aber man sollte das nicht mit irgendwelchen Quoten verbinden.

Dasselbe gilt jetzt noch für die Evaluierung. Lassen Sie uns darüber sprechen, wenn wir das mit dem gesetzlichen Rahmen diskutieren. Das wäre wichtig. Insoweit, finde ich, ist diese Diskussion mit dem Entschließungsantrag für uns jetzt an der falschen Stelle geführt oder erledigt. Deswegen werden wir ihm nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)