Protokoll der Sitzung vom 22.06.2016

sondern offenbar haben Sie endlich auch die Einsicht, dass gelebte Traditionen Sachsens, Arbeitsplätze und technische Innovationen, die uns in Sachsen an anderer Stelle so wichtig sind, nicht unbegründet bevorzugten Interessen Einzelner mit Billigung der Sächsischen Staatsregierung zum Opfer fallen dürfen.

(Vereinzelt Beifall bei den LINKEN)

Die Koalition schafft die von CDU und FDP eingeführte Wasserentnahmeabgabe mit den von der LINKENFraktion immer wieder eingebrachten Gründen selbst ab.

Sie als Regierungskoalition sind endlich so weit, unserem stetigen Drängen und dem Drängen der Wasserkraftbetreiber in Sachsen nachzugeben.

(Zuruf des Abg. Frank Heidan, CDU)

Gratulation!, auch wenn diese, Ihre Einsicht Jahre gedauert hat.

(Steve Ittershagen, CDU: Wunschtraum, Frau Pinka!)

Fast vier Jahre mühsamer Diskussionen, unendlich vieler parlamentarischer Initiativen und offenbar auch eines neuen Koalitionspartners – sicherlich! – hat es bedurft, damit das beschämende Ziel der CDU, die Wasserkraft in Sachsen durch eine Abgabe zu vernichten, endlich aufgegeben wird.

(Steve Ittershagen, CDU: Das ist doch gar nicht wahr!)

Es ist wahr!

(Steve Ittershagen, CDU: Es ist nicht wahr!)

Es ging meines Erachtens von Anfang an nie um berechtigte fachpolitische Ziele, sondern um die Verdrängung von Wasserkraftanlagen als Form der erneuerbaren Energie im Zuge eines extremen sächsischen BraunkohleLobbyismus.

Eine beispiellose Verkettung von Einzelinteressen in Teilen der CDU und politischer Machtausübung im tatsächlichen Sinne wird nun verantwortungsvoll gelöst. Wir geben damit auch dem Parlament ein Stück an Glaubwürdigkeit zurück, Politik für Menschen zu machen und nicht über deren Köpfe in Sachsen hinweg.

Wirft man mit dem dazu notwendigen Mittel der Kleinen Anfrage einen Blick hinter die „Kulissen“ der mit der Änderung des Haushaltsbegleitgesetzes Hals über Kopf zum 1. Januar 2013 eingeführten Wasserentnahmeabgabe für Wasserkraftanlagen, fördert man schon sehr Erstaunliches zutage: Circa 80 % der sächsischen Wasserkraftanlagenbetreiber haben danach mehr Abgabe zahlen müssen, als sie durch die Nutzung bzw. die Durchleitung des Wassers aus Fließgewässern durch ihre Anlagen überhaupt als Vorteil gehabt hätten.

Die in den vergangenen Jahren ausgereichte Förderung für die Herstellung von Fischauf- und -abstiegstreppen betrug zum Beispiel durchschnittlich 300 000 Euro und

nur 10 % der prognostizierten Einnahmen aus der Wasserentnahmeabgabe für Wasserkraftanlagen. Die CDU hatte damals, sekundiert von der FDP, in Kenntnis dieser Sachlage quasi im Alleingang die Wasserentnahmeabgabe durchgesetzt – wohl wissend und kalkulierend, dass nicht nur ein grobes Missverhältnis von geplanten Einnahmen und Forderungen besteht, sondern auch die wirtschaftlich vernichtenden Auswirkungen der Abgabe waren von Anfang an klar, von vielen Seiten wiederholt mit Nachdruck und Besorgnis angemahnt. Teile der CDU waren sich in diesem Zusammenhang nicht einmal zu schade, die Ost-West-Diskussion wieder aufleben zu lassen mit dem Hinweis, dass die Wertschöpfung nicht sächsischer Wasserkraftbetreiber ja nicht vor Ort, sondern im Westen stattfände.

Nein, meine Damen und Herren von der CDU, Sie hatten damals und haben heute nach mehr als 25 Jahren deutsche Einheit noch immer nichts Wesentliches verstanden. Ganz im Gegenteil, bei Ihrem sächsischen Sonderweg einer Wasserentnahmeabgabe setzten Sie sogar noch eins drauf: Sie hielten auch dann noch unbeirrt an Ihrer Wasserentnahmeabgabe fest, als mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Herbst 2014 eindeutig europarechtlich klargezogen war, dass sich die Begründung, auf deren Grundlage Sie die Wasserentnahmeabgabe auf die Nutzung der Wasserkraft in Sachsen erhoben hatten, komplett in Schall und Rauch aufgelöst hatte.

Wie sollen und wollen Sie den Menschen in diesem Land vor diesem Hintergrund derartige politische Entscheidungen überhaupt noch glaubwürdig vermitteln? Hier musste einfach die gesetzgeberische Notbremse gezogen werden, über die wir heute zu entscheiden haben.

In Ihr Stammbuch können Sie auch für die Zukunft gern aufnehmen: Das europäische Recht hat im Übrigen nicht nur den Schutz der Gewässer, sondern auch den Ausbau der regenerativen Energien vor Augen. Darauf hat unsere Fraktion bei dieser Gelegenheit auch immer wieder mal hingewiesen. Die CDU hat mit ihrem Alleingang im vorauseilenden Gehorsam – getrieben von Einzelnen und Lobbyinteressen – einmal mehr die gebotene Loyalität gegenüber den Vorgaben des EU-Rechts untergraben und diese im Kern verletzt.

Mit dem Instrument der Kleinen Anfrage wurden auch eine ganze Reihe weiterer durchaus interessanter Erkenntnisse ans Licht gebracht. Das Gros der Fördermittel zum Beispiel zur Herstellung und Verbesserung der Durchgängigkeit sächsischer Fließgewässer von durchschnittlich 7,4 Millionen Euro ging nicht etwa an die Wasserkraftanlagenbetreiber, sondern an Dritte, wobei es völlig unklar war, welcher Betrag denn hier zur Refinanzierung geleistet wurde und wird.

Die Landestalsperrenverwaltung des Freistaates Sachsen beispielsweise, die ebenfalls in einer enormen Dimension und mit enormen Umweltauswirkungen eigene Wasserkraftanlagen für den Freistaat betreibt, zahlt aufgrund eigenwilliger Befreiungstatbestände, die nicht einmal im Wassergesetz erfasst sind, nur eine sehr marginale Was

serentnahmeabgabe. Sie können das gern nachlesen in meiner Kleinen Anfrage, Drucksache 6/1854. Im Gegenzug bekommt sie aber im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2015 insgesamt 1,5 Millionen Euro Landeszuschüsse zur Herstellung der Fließgewässerdurchgängigkeit.

Ganz und gar aus dem Vollen kann die Landwirtschaft aus der Förderung zur Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie schöpfen; hier wurden im Durchschnitt der Jahre 2008 bis 2015 insgesamt 23,7 Millionen Euro an Landesmitteln ausgereicht.

Zu Finanzmitteln, die im Rahmen der Braunkohlesanierung ausgereicht werden, teilt die Staatsregierung lediglich pauschal mit, dass Einzelausgaben für die Erreichung der Ziele der Wasserrahmenrichtlinie aufgrund der Komplexität durch Sanierungsmaßnahmen nicht verifizierbar sind.

Darüber hinaus gibt es durchaus starke Argumente dafür, dass die Wasserentnahmeabgabe für die Wasserkraft die Grenze des von Verfassung wegen Zulässigen überschreitet. Ich will hier nicht weiter ins Detail gehen – Sie alle kennen die in der öffentlichen Anhörung ausgetauschten Argumente. Sollte sich allerdings in einem möglichen Gang durch die gerichtlichen Instanzen die Verfassungswidrigkeit der Erhebung dieser Abgabe von Wasserkraftanlagenbetreibern bestätigen, wäre der gesetzgeberische Flurschaden hoch gewesen.

Allein dieses handgreifliche Risiko für sich genommen gebietet es, diesen schwebend verfassungswidrigen Zustand durch die rückwirkende Streichung der Wasserentnahmeabgabe mit dem vorliegenden Gesetzentwurf zu beenden, um weiteren Ansehensverlust vom Landtag und insbesondere auch von Ihnen, meine Kolleginnen und Kollegen von den regierungstragenden Mehrheitsfraktionen von CDU und SPD, rechtzeitig abzuwenden.

Ich möchte zum Schluss noch auf das von unserer Fraktion gestellte Begehren kommen, mithilfe eines Änderungsantrages im Umweltausschuss die Koalitionsfraktionen davon zu überzeugen, den Anlagenbetreibern, die – auf die Richtigkeit und die rechtliche Zulässigkeit der Erhebung der Wasserentnahmeabgabe vertrauend – entsprechend den Behördenentscheiden diese Abgabe seit dem 01.01.2013 geleistet haben, nicht nur die Abgabenzahlung, sondern auch die darauf entfallenden Zinsen zu erstatten – wie es im Übrigen im bundesdeutschen Steuer- und Abgabenrecht durchaus üblich und in der Abgabenordnung für Steuererstattung gesetzlich geregelt ist.

Auch wenn, wie wir seit der öffentlichen Anhörung im Umweltausschuss wissen, eine solche Zinsleistung auf zu Unrecht erhobene Abgaben nicht ohne Weiteres verfassungsrechtlich zwingend ist, wäre es doch eine Frage der Zweckmäßigkeit und ein Gebot materieller Gerechtigkeit, die Abgabenzahler für alle erlittenen Vermögensnachteile zu entschädigen.

Das bedeutet aber auch, nicht nur, wie es in der Gesetzesbegründung auf Seite 6 richtigerweise heißt, die bislang erlassenen Festsetzungsbescheide aufzuheben und die

eingezahlten Abgaben zurückzuzahlen, sondern auch alle mit den Bescheiden bzw. mit den Widersprüchen gegen diese Bescheide entstandenen Verfahrenskosten als Freistaat selbstredend zu übernehmen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute besteht die Möglichkeit, den seit fast vier Jahren andauernden exekutiven Angriff auf die Nutzung von Wasserkraft und deren Betreiber in Sachsen durch – wie die Juristen sagen – Extunc-Streichung der gesetzlichen Regelung über die Erhebung einer Wasserentnahmeabgabe zu beenden. Dies sollten wir alle gemeinsam nutzen.

Was bleibt, ist das immer noch ungute Gefühl, dass die Verdrängung der Wasserkraftnutzung auf finanziellem Weg zwar gescheitert, die generelle Attacke auf die Wasserkraftnutzung jedoch noch nicht endgültig von der Regierungsagenda gestrichen ist. Dafür spricht nicht zuletzt die Antwort der Staatsregierung auf meine jüngste Kleine Anfrage, Drucksache 6/5033, mit der die Tatsache, dass nunmehr der Bestand alter Wasserrechte zum Beispiel im Erzgebirgskreis zur Disposition gestellt werden soll, öffentlich wurde. Schon allein deshalb bleiben wir als parlamentarische Beobachter weiterhin dran an diesem brennenden Thema und behalten den Umgang mit der Wasserkraftnutzung und deren Betreibern im Auge.

Heute allerdings stimmt meine Fraktion dem Gesetzesvorschlag zur rückwirkenden Abschaffung der Wasserentnahmeabgabe für die Wasserkraft aus vollstem Herzen zu.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Dr. Gerd Lippold, GRÜNE)

Herr Abg. Wild für die AfD-Fraktion; Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Eines vorweg: Wasserwerker gab es vor dem Gesetz, Wasserwerker gab es während des Gesetzes und Wasserwerker wird es auch nach der Abschaffung dieses Gesetzes noch geben. Also, was soll der ganze Sturm im Wasserglas?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ha, ha!)

Schon der erste Satz im Vorblatt des Gesetzentwurfes – „Die sächsische Wasserkraft leistet einen Beitrag zum Erreichen der Energiewende“ – lässt erkennen, wohin Sie alle wollen. Dass der Anteil der hier behandelten Wasserkraftanlagen im Verhältnis zur gesamten Stromerzeugung mikroskopisch gering ist, wird natürlich mit keinem Wort erwähnt. Dieser Gesetzentwurf demonstriert aber eindrucksvoll wieder einmal die Wendepolitik der CDULandtagsfraktion; es ist ja nicht zum ersten Mal. Eine bessere Zurschaustellung von 180-Grad-Kehrtwenden ist kaum mehr möglich.

Es ist doch offensichtlich, dass die von den Koalitionspartnern CDU und FDP eingeführte Wasserentnahmeabgabe in erster Linie das Ziel der Abschöpfung der EEGSubventionen aus der Wasserkraft hatte, um so die Staats

kassen zu füllen. Jetzt wollen Sie die Energiewende weiter voranbringen und schaffen sie wieder ab.

Anders machte es überhaupt keinen Sinn, die Höhe der Wasserentnahmeabgabe an die Einspeisevergütung des EEG zu knüpfen: mindestens 15 %, maximal 25 % der tatsächlichen oder gar – bei Nichteinspeisung in das öffentliche Netz – der fiktiven Einspeisevergütung nach § 23 EEG. Der offizielle Grund, dass die Einführung der Wasserentnahmeabgabe von der Wasserrahmenrichtlinie gefordert wurde, ist nicht mit der Kopplung dieser Wasserentnahmeabgabe an die Vergütung der Wasserkraft der EEG vereinbar; denn hierfür wären die Auswirkungen auf die Umwelt ausschlaggebend gewesen und eben nicht die Vergütung nach dem EEG. Und jetzt, da die CDU von dem neuen Koalitionspartner SPD vor sich hergetrieben wird, werden die Gesetze wieder rückwirkend geändert.

(Lachen des Abg. Andreas Heinz, CDU)

Aber letztlich kommt man nicht um den Hauptpunkt herum: Die Einführung der Wasserentnahmeabgabe, so wie sie in Sachsen vollzogen wurde, nutzte der Umwelt nichts. Daran ändert sich auch mit dem Änderungsantrag der GRÜNEN nichts; der Vorschlag zur Neuberechnung nützt auch nichts. Diesen Änderungsantrag werden wir ablehnen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Welche Überraschung!)

Das Ziel hätte sein müssen, Vorgaben für die Wasserkraftanlagenbetreiber so zu setzen, dass die Umwelt und die Wasserqualität als Gut der Allgemeinheit nicht überproportional beeinträchtigt werden. Nutzen und Beeinträchtigungen müssen zumindest in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen.

Wir hatten im Ausschuss einen Vorschlag in Form eines Änderungsantrags eingebracht. Dieser beinhaltete vor allem die künftige Befreiung von der Abgabe bei Nachweis der Anbringung von kontinuierlich messenden Pegelmessstationen. Diese Systeme arbeiten zuverlässig und werden anderswo schon oftmals eingesetzt. Der Antrag der AfD wurde natürlich, wie die anderen Anträge unserer Fraktion auch, von allen anderen Fraktionen abgelehnt.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Aber Sie lehnen unseren ab? Das ist nicht ganz logisch!)

Schon aus diesem Grund, wegen Aussichtslosigkeit der Zustimmung, werden wir diesen Änderungsantrag heute nicht mehr einbringen; die Zeit können wir uns sparen.

Dennoch fordern wir die Staatsregierung auf, Kontrollinstrumente installieren zu lassen. Dafür muss die Staatsregierung sorgen – für den gebührenden Schutz der Umwelt und für das Wasser.

Auch sollte eine Überarbeitung der Berechnung der Mindestabflussmengen erfolgen, um in der Praxis ausreichenden Schutz der Flussökosysteme zu gewährleisten. Das hat mit Wasserkraft nur insoweit etwas zu tun, als

man das ausgewogen machen muss. Wir haben es jahrhundertelang hinbekommen. Mit einem Mal soll es nicht mehr möglich sein?