Protokoll der Sitzung vom 31.08.2016

Verbraucherberatung und Verbraucherbildung für

ältere und hochaltrige Menschen im Freistaat Sachsen

Drucksache 6/5059, Antrag der Fraktionen CDU und SPD

Meine Damen und Herren! Die Aussprache erfolgt wie folgt: zunächst die CDU, dann die SPD, danach die Fraktion DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.

Wir beginnen mit der Aussprache, für die CDU-Fraktion Herr Abg. Fischer. Herr Fischer, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Vergleich aller Bundesländer hat Sachsen mit dem aktuellen Durchschnittsalter von 46,6 Jahren die älteste Bevölkerung. Wir wissen das. Heute ist jeder vierte Sachse 65 Jahre und älter. 2025 wird es jeder Dritte in unserem Lande sein. Die Anliegen der Senioren werden also immer wichtiger.

Senioren und Pflegebedürftige werden häufig Opfer von Bauernfängern, die gegen den Verbraucherschutz verstoßen. Warum? Die Antwort ist ganz einfach: In dieser Altersgruppe gelten die Werte Anstand und Höflichkeit noch etwas. Das gereicht hier den Opfern zum Nachteil. Hohe Bargeldsummen werden aus Misstrauen gegenüber den Banken im eigenen Haus aufbewahrt. Komplizierte Gesetze, besonders im Verbraucherrecht, sind nicht für jeden verständlich. Bisweilen nimmt man den Datenschutz nicht allzu ernst. Man ist anfällig, wenn jemand Unterschriften unter Zeitdruck haben möchte. Das beste Beispiel ist es, wenn Passwörter oder PINs sorglos nebeneinander aufbewahrt werden, was auch mein Großvater getan hat. Senioren leiden ungleich stärker als jüngere

Menschen unter Kriminalität. Daher gebührt ihnen ein ganz besonderer Schutz.

Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus der täglichen Arbeit der Verbraucherschützer nicht vorenthalten. Es geht um die Kulturgeschichte der Kaffeefahrt. In den Sechzigerjahren war das eine Kinoveranstaltung, bei der man mitfuhr, wo ein kleines Filmchen gezeigt wurde und danach ein kleiner Verkauf in Gang kam.

Damit locken Sie heute als Anbieter niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Im Gegenteil: Heute werden Stadtausflüge, Geschenkchen und Verkostungen angeboten. Die komplette Branche macht einen Jahresumsatz von über 250 Millionen Euro.

Das Problem dabei liegt ganz klar auf der Hand: Es werden beispielsweise falsche Versprechungen gemacht. Das angekündigte Schlemmerpaket entpuppt sich als Tütensuppe, der angekündigte Wäschetrockner ist eine schlichte Wäscheleine, versprochene Ziele werden nur gestreift. Geschickte Verkaufsmaschen schwatzen den Menschen immer wieder Produkte zu überhöhten Preisen auf, und zunehmend – das finde ich besonders fies, auf Deutsch gesagt – steuert der Busfahrer Funklöcher an, um kritische Telefonate zu vermeiden. Das sind Dinge, die in unserer Gesellschaft so nicht funktionieren können.

Es sei hier nochmals klargestellt: Schwarze Schafe sind eine Minderheit, aber dennoch kann man nicht genug vor

ihnen warnen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Seniorenorganisationen empfiehlt daher uns als Politik – und darauf kommt es ja an –, eine bessere Aufklärung und Beratung für ältere Konsumenten anzubieten, mehr Sensibilisierung älterer Konsumenten und Kunden für Schwachstellen von Produkten und für Dienstleistungen und eine größere Transparenz auf unübersichtlichen Märkten zu schaffen. In meiner letzten Rede hatte ich schon darauf hingewiesen, dass das Thema Handy- und Internetverträge dabei vielleicht als Erstes zu nennen ist. Außerdem sollte man stärker auf die Sicherheit von Produkten sowie auf gute, verständliche und vor allem auch lesbare Bedienungsanleitungen achten.

Dabei gehört es sich einfach nicht, dass man GenderIdeologie auf Produkte schreibt. Es gehört sich nicht, dass man immer stärker Anglizismen nutzt. Wo ist beispielsweise das Problem, statt des allseits beliebten Kaffee to go einen Kaffee zum Mitnehmen anzubieten?

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Haben Sie wieder zu viel getrunken? – Heiterkeit bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Mehr seniorenfreundliche Produkte und Dienstleistungen sollten auf den Markt gebracht werden, und ich denke, diese Produkte gibt es schon. Erst gestern sah ich in einem Pirnaer Supermarkt Lesehilfen, die am Rand eines Regals hingen.

Meine Damen und Herren, warum dieses Thema zu dieser Zeit?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das frage ich mich auch! Damit Sie mal reden können, oder was?)

Ich sehe schon wieder die Ignoranz bei der Opposition. Ich bedaure das zutiefst, denn es ist ein wichtiges Zukunftsthema. Schauen wir uns beispielsweise die Umfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen an, die ich jedem hier ans Herz legen möchte. Die Verbraucherzentrale in Düsseldorf hat untersucht, welches Alter und welches gesellschaftliche Bild in unserer Gesellschaft zusammen gedacht werden; und man hat Antworten bekommen, die mich persönlich schockiert haben. So sehen sich Senioren in dieser Gesellschaft selbst – ich möchte Ihnen vier Beispiele nicht vorenthalten:

Ein Befragter äußerte beispielsweise, es existiere ein gesellschaftliches Bild, dass Senioren umgebracht gehörten. Senioren seien die Bevölkerungsgruppe, vor der alle Angst hätten. Es herrsche das Bild, die Senioren plünderten die Solidarkassen.

(Sebastian Scheel, DIE LINKE: Philipp Mißfelder hat damit angefangen, das war doch Ihr Kollege!)

Ein weiterer Senior sagte, es beginne eine Zeit der zunehmenden Entmündigung und Diskriminierung. Ich denke, das haben unsere Seniorinnen und Senioren nicht nötig. Sie haben Deutschland aufgebaut, und sie sind diejenigen, die wir heute schützen sollten. Wir brauchen mehr Angebote, die jetzt schon die sächsische Verbraucherzentrale hervorragend leistet. Hierfür seien nur der

Handy- oder auch der Internet-Führerschein genannt, die sich großer Beliebtheit erfreuen.

Meine Damen und Herren, es gibt natürlich auch weitere Ansprüche an die Politik, die ich aus dieser Situation ableiten möchte. Wir müssen alle insgesamt, auch in anderen politischen Querschnittsbereichen, die Bedürfnisse der älteren Bürger ernst nehmen und wahrnehmen.

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wir müssen die Älteren als Komponente der Gesellschaft betrachten und dürfen sie nicht als Defizit problematisieren. Das sage ich ganz besonders auch mit dem Fokus auf unsere ländliche Heimat.

(Sören Voigt, CDU: Jawohl!)

Dazu ein Beispiel aus dem schönen vogtländischen Ort Auerbach. In Auerbach leistet Frau Teubner in der dortigen Verbraucherzentrale Großes. Sie ist nah an den Bedürfnissen der Verbraucherinnen und Verbraucher dran und zeigt Präsenz in der Verbraucherzentrale Sachsen, aber natürlich auch für die Stadt und den Vogtlandkreis insgesamt. Ich denke, dass dieses Beispiel in Auerbach Schule machen könnte und sollte und dass wir hier weitere Projekte andocken können, vielleicht auch über die Verbraucherzentrale Sachsen.

So viel zum Thema, meine Damen und Herren. Ich bitte im Namen der Koalitionsfraktionen um Ihre Zustimmung und schließe mit einem Zitat: „Alter Schnee am Haupt sind weiße Haare. Sie zeigen die Reife deiner Jahre. Doch man gehört noch lange nicht zum alten Eisen, wenn frischer Geist und Feuer es beweisen.“

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU – Aline Fiedler, CDU: Sehr gut! – Zurufe von den LINKEN)

Meine Damen und Herren, nun die SPD-Fraktion; Frau Abg. Lang, bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Frau Sorge“ betrachtet das Internet mit Skepsis. „Frau Sorge“ ist eine ältere Frau, kurzes, gewelltes Haar, lila Bluse, Rock und Schuhe mit kleinen Absätzen. „Frau Sorge“ macht ihrem Namen alle Ehre, besonders ihre Befürchtungen gegenüber diesem Neuland. Aber zum Glück gibt es ja ihren Enkel, der ihr gern ein bisschen was zeigt und praktischerweise als Programmierer bei einer Partnerbörse arbeitet.

So erklärt er ihr gleich mal anhand seiner Seite, wie das mit dem Anlegen eines Profils und dem Persönlichkeitstest funktioniert. Singlebörse für ältere Menschen – das ist ganz und gar nicht abwegig, das Thema boomt. Es gibt heutzutage deutlich mehr ältere Menschen, die nach einer neuen Partnerschaft suchen. Tabus wie jenes, dass sich Witwen nicht neu binden sollten, gibt es zum Glück nicht mehr. Aber wo eine Nachfrage ist, ist auch ein Angebot. Dort, wo „Frau Sorge“ vielleicht nach einem neuen Mann suchen will, gibt es unzählige Seiten, die ihr genau das

versprechen. Dazu gehören dann solche Partnervermittlungen wie „50plus-treff“, „ü60“, „treffpunktab50“, „romantik-50plus“ oder „KissNoFrog“ – und das sind nur die ersten Treffer einer Seite, wenn man bei google sucht. Sind sie alle seriös? Wollen diese Seiten wirklich nur, dass sich Menschen kennenlernen und nicht mehr allein zu leben brauchen?

Im letzten Jahr wurde in Mainz eine Anklage wegen Betrugs und Erpressung erhoben. Es gab 244 Opfer, überwiegend im Seniorenalter. Innerhalb von vier Jahren wurden Kundendaten gesammelt und ihnen vorgegaukelt, dass man ihnen individuelle Partner suchen würde, während tatsächlich wahllos Kontakte gesendet wurden. 317 000 Euro Schaden sind entstanden. Ein Kommentar aus der sächsischen Verbraucherzentrale lautet: „Auf dem Markt gibt es recht viele schwarze Schafe.“

Wie aber informiert man ältere Menschen am besten, damit sie nicht Opfer von Betrug und Erpressung werden? Broschüren und Beispiele sind ein Weg, so wie „Frau Sorge“ ein Beispiel ist. „Frau Sorge“ steht, ganz in Lila, auf Seite 45 des „Wegweisers durch die digitale Welt“, eine Hilfe für ältere Menschen, die sich gerade ans Internet trauen, entwickelt von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen auf der Basis der Erfahrungen älterer Menschen. In diesem Teil des Wegweisers werden Empfehlungen gegeben, wie man mit Freundschaftsbörsen umgeht, etwa, dass darauf zu achten ist, wie viel man von sich preisgibt, und dass man öffentliche Orte für sein erstes Treffen wählen sollte. Dazu wird noch auf skype verwiesen und AGB werden erklärt. Dieser Wegweiser und die bekannt gewordenen Betrugsfälle aus Mainz geben einen Einblick in das Thema Verbraucherschutz und Verbraucherbildung für ältere Menschen.

Anfang 2015 wurden im Bundesjustizministerium zudem Verbraucherschutzanliegen älterer Menschen diskutiert. Themen waren unter anderem Gesundheit, Pflege, alltägliche Barrieren und die rechtliche Lage für ältere Menschen. Zu den Gefahren hat bereits die Verbraucherzentrale Sachsen 2011 unter der Überschrift „Senioren – leichte Beute für Banken und Versicherer“ hingewiesen. Mit einer eigenen Studie stellte man fest, dass die kauffreudigen und eher vertrauensseligen Senioren willkommene Beute für falsche Beratung, besonders in der Finanz- und Versicherungsbranche, waren.

Wir wollen jetzt wissen, wo wir in Sachsen stehen. Wo und wie können wir eine sächsische „Frau Sorge“ mit Informationen zu diesem Thema füttern? Welche Beratungsangebote können Senioren wahrnehmen, und wie und wo können sie sich weiterbilden? Wie könnte eine sächsische „Frau Sorge“ ihrer Skepsis gegenüber dem Internet begegnen?

Mit den ermittelten Fakten müssen wir gemeinsam mit der Verbraucherzentrale, der Landesseniorenvertretung und gerne auch mit anderen Akteuren Wege finden, die Verbraucherkompetenz älterer Menschen zu stärken.

Ich wünsche mir, dass eine sächsische „Frau Sorge“ nicht nur bei ihrem Enkel Beratung findet, sondern auch weiß,

wohin sie sich ohne ihn wenden kann – aber das vielleicht schon von ganz allein durch das Internet und, falls gewünscht, über ein Onlineportal zu einem neuen Freund oder einer neuen Freundin.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsministerin Barbara Klepsch)

Nun die Fraktion DIE LINKE; Frau Abg. Pfau. Bitte sehr, Frau Pfau.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ein Traumurlaub auf der Mittelmeerinsel, ein schicker Kleinwagen für die Stadt, ein neuer Computer für zu Hause oder ein fünfstelliger Eurobetrag in bar – beinahe täglich flattern uns Mitteilungen über solche oder ähnliche Gewinne ins Haus, sei es per Post, per Werbesendung im Briefkasten, per E-Mail oder per SMS auf dem Mobiltelefon – und das, obwohl man gar nicht an einem Gewinnspiel oder Preisausschreiben teilgenommen hat.

Die Versuchung, solche mutmaßlichen Gewinne für bare Münze zu nehmen, ist groß, aber meist vergebliche Liebesmühe. Keine dieser Firmen hat etwas zu verschenken; ganz im Gegenteil, diese Gewinne dienen nur als Köder.

Verbraucherschutz sowie Verbraucherberatung sind weit gefächerte Themen und betreffen alle Bereiche des Lebens und alle Altersgruppen. Auch Seniorinnen und Senioren sind keine homogene Gruppe, sondern kommen aus unterschiedlichen Generationen, mit unterschiedlichem zeitgeschichtlichen Hintergrund, unterschiedlichen Sozialisationen – und damit auch mit unterschiedlichen Konsum- und Technikerfahrungen.

Die Verbraucherzentralen in Sachsen bieten diesbezüglich für viele Verbraucherinnen und Verbraucher das passende Angebot und die passende Beratung, sei es durch eine persönliche Beratung, telefonisch, oder auch eine Onlineberatung ist möglich. Sie beraten beispielsweise in den Bereichen Energie, Bauen und Wohnen, Finanzen, Kredite, Gesundheit, Lebensmittel und Ernährung, normale Rechtsberatung sowie Telekommunikation, Medien und Versicherungen, also so gut wie in allen Lebensbereichen für alle Altersgruppen. Zusätzlich bieten sie praktische Tipps und Hilfestellungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher, wie Haushaltsbücher und Musterschreiben, an.

Durch die Verbraucherzentrale kann aber auch festgestellt werden, dass es keine spezifischen Probleme oder Vorfälle gibt, die sich nur auf Seniorinnen und Senioren beziehen. Seien es Telefonverträge, Versicherungen oder zum Beispiel die schon genannten Partnervermittlungen – alle Altersgruppen tappen in die Fallen der Betrüger.

Da immer mehr Seniorinnen und Senioren das Internet nutzen, lauern natürlich auch dort neue Fallen, mit denen oftmals nicht gerechnet wird. Computer einschalten, ins Internet einwählen und die virtuelle Welt erkunden – was