Protokoll der Sitzung vom 31.08.2016

Meine Damen und Herren! Ich lasse jetzt abstimmen über die Drucksache 6/6187. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenstimmen, bitte. –

(Uwe Wurlitzer, AfD: Das ist doch wieder ganz knapp!)

Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltung, wenige Stimmen dafür. Somit ist der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Wir kommen nun zum

Tagesordnungspunkt 8

Kommunen bei der Einführung von Tempo-30-Zonen

in geschlossenen Ortschaften unterstützen

Drucksache 6/6152, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, AfD und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Frau Meier, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Einige von Ihnen werden es wahrscheinlich kennen. Zunehmend entwickeln sich Grundschulen und Kindergärten vor allem morgens zu Orten stark erhöhten Autoaufkommens. Woran liegt das? Immer mehr Eltern halten den täglichen Weg ihrer

Kinder mit dem Fahrrad oder zu Fuß zum Kindergarten oder in die Schule schlicht für zu gefährlich. Besonders ausgeprägt ist das, wenn die Einrichtung an einer Hauptverkehrsstraße liegt. Mit bis zu 50 Kilometer pro Stunde, manchmal auch schneller, rauschen die Autos an den Kindern vorbei. Da ist es nur allzu verständlich, dass die Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule oder in die Kita bringen. So werden sie natürlich selbst Teil des Autoverkehrs.

(Unruhe im Saal)

Was könnte hier helfen? Tempo 30. Allerdings dürften viele Kommunen, die die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bürgerinnen und Bürger im Sinn hatten, bisher eher frustrierende Erfahrungen gemacht haben; denn Temporeduzierungen von Tempo 50 auf Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen, zum Beispiel vor Schulen, Kitas, Krankenhäusern oder Altenheimen waren alles andere als einfach und viele Bemühungen im Einzelfall, die Geschwindigkeit an Hauptverkehrsstraßen zu reduzieren, scheiterten in der Regel an den Behörden. Jetzt liegt aber ein entsprechender Verordnungsentwurf zur Änderung der StVO vor; der Bundesminister hat ihn im Februar 2016 vorgelegt. Dem ging der Beschluss der Verkehrsminister der Länder voraus.

Was sieht nun also dieser Verordnungsentwurf vor? Streckenbezogene Anordnungen von Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen vor Kitas, vor Schulen, vor Senioren- und Pflegeheimen sollen erheblich erleichtert werden. Damit soll die Verkehrssicherheit vor allem für schwächere Verkehrsteilnehmer verbessert werden. Dass die sächsische Staatsregierung diesem Entwurf im Bundesrat zustimmen muss – das ist ein Punkt in unserem Antrag –, ist meines Erachtens unstrittig, wenn ich den Verlautbarungen von Herrn Dulig glauben darf.

Aber die vorliegende Änderung in der StVO kann natürlich nur ein erster Schritt sein; denn sie allein reicht nicht aus. Kinder und Jugendliche sind natürlich nicht nur vor den Kitas und Grundschulen gefährdet, sondern auch auf ihrem Weg dorthin. Hier wollen wir mit unserem Antrag zur Unterstützung freiwilliger kommunaler Bemühungen für die Einführung von Tempo 30 ansetzen.

Was schlagen wir konkret vor? Wir wollen die Kommunen beim Thema Verkehrssicherheit und Gesundheitsvorsorge insgesamt unterstützen. Unseres Erachtens kennen sich die Kommunen vor Ort am besten aus, sodass sie Entscheidungen für die Menschen dort am besten treffen können, weswegen sie auch weitestgehend entscheiden sollen, wo Tempo 30 gefahren wird und wo nicht, unabhängig davon, ob es eine Bundes-, eine Landes- oder eine kommunale Straße ist. Wir denken, dass sich eine weitere Ausweitung angesichts der Vielzahl Betroffener wirklich lohnen würde; denn viele Anwohnerinnen und Anwohner sind von Feinstaub betroffen, den sie einatmen müssen, ebenso von gesundheitsschädlichem Verkehrslärm.

Bezüglich des Lärms hat es jetzt auch einen Vorstoß der Umweltminister der Länder gegeben. Im Mai vergange

nen Jahres gab es dazu einen Beschluss. Darin fordern die Umweltminister der Länder den Bund auf, die Richtlinie zum Lärmschutz entsprechend anzupassen und Lärmschutzaspekte stärker zu berücksichtigen. Das bedeutet natürlich eine Absenkung der entsprechenden Richtwerte, um somit auch zu erleichtern, dass Geschwindigkeitsbeschränkungen eingeführt werden können. Hierbei erwarten wir natürlich auch vonseiten des Landes eine Unterstützung im Bund. Vielleicht erfahren wir heute noch etwas dazu, wie sich unser Umweltminister Schmidt dazu verhalten wird.

Eine weitere zentrale Forderung unseres Antrags ist die Durchführung eines Modellprojekts, mit dem wir nach dem Vorbild anderer Bundesländer interessierten sächsischen Kommunen eine Umkehr des Regel-AusnahmeVerhältnisses ermöglichen wollen. Das heißt, Tempo 30 wird während des Modellprojekts zur Regelgeschwindigkeit, und Tempo 50 kann als Ausnahmegeschwindigkeit immer noch angeordnet werden.

Bevor jetzt hier irgendwelche Menschen Schnappatmung bekommen, erkläre ich das noch einmal. Das würde also nicht bedeuten, dass für alle Straßen Tempo 30 gilt. Bisher ist es ja so, dass Tempo 30 extra gekennzeichnet werden muss, Tempo 50 nicht. Durch die Einführung von Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit soll dies einfach umgekehrt werden. Das bedeutete quasi ein Anordnungsverfahren, das sich verändert. An innerörtlichen Bundesstraßen kann natürlich immer noch mit einem entsprechenden Schild Tempo 50 gefahren werden. Das ist also alles überhaupt kein Problem. Das wollen wir, wie gesagt, mit diesem Modellversuch keiner Kommune oktroyieren, sondern wir wollen etwas ermöglichen. Dieser Modellversuch soll dann natürlich auch wissenschaftlich begleitet werden, um eben verschiedene Aspekte wie Sicherheit, Lärm, Schadstoffe, aber auch volkswirtschaftliche Auswirkungen zu evaluieren. Betrachten Sie also unseren Antrag als ein Angebot an unsere Kommunen.

Ich hatte es vorhin schon gesagt: Es gibt verschiedene Modellprojekte in den Ländern. Rheinland-Pfalz hat zum Beispiel mehrere solcher Modellprojekte durchgeführt, sowohl im städtischen als auch im ländlichen Raum. Sie haben es positiv evaluiert. In den Testorten konnte der Lärm um bis zu drei Dezibel reduziert werden. Selbstverständlich gab es auch dort vor der Einführung Unkenrufe und Panikmache. Am Ende hat sich herausgestellt, dass dies völlig unbegründet war; denn weder die Verkehrsfunktionen in den Tempo-30-Zonen wurden beeinträchtigt, noch fand eine Verdrängung in die Nebenstraßen statt, in denen eine höhere Geschwindigkeit zugelassen war. Wenn Tempo 30 klug eingesetzt wird, führt die Temporeduzierung zu einer Verstetigung des Verkehrsflusses, zu weniger Brems- und Beschleunigungsvorgängen, und sie dient der Luftreinhaltung und der Verkehrssicherheit. Letztlich erhöht es auch die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und im öffentlichen Straßenraum.

Klar ist, dass dann, wenn die Kommunen in bestimmten Bereichen Tempo 30 anordnen wollen, manchmal auch

bauliche Maßnahmen notwendig sind. Deswegen fordern wir auch, dass in der entsprechenden Förderrichtlinie zum kommunalen Straßenbau verankert wird, dass solche Maßnahmen von der Staatsregierung unterstützt werden.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, Tempo 30 ist kein Teufelszeug. Es ist mittlerweile durch mehrere Studien bewiesen: Niedrige Geschwindigkeiten innerhalb von Ortschaften verbessern die Sicherheit von Fußgängerinnen und Fußgängern sowie von Radfahrenden, und natürlich schützt es auch die Kinder sowie ältere und behinderte Menschen. Durch eine konsequente Temporeduktion innerorts können zahlreiche Unfälle vermieden werden, zumindest kann ihr Schweregrad reduziert werden. Es gab auch eine Langzeitstudie in London. Über 20 Jahre hinweg hat man dort die Effekte untersucht und festgestellt, dass es einen Rückgang der Verkehrsopfer um 42 % gegeben hat. Besonders deutlich geschah dies bei Kindern. Ein anderer Effekt war logischerweise, dass auch Lärm und Abgase reduziert werden konnten.

Meine Damen und Herren, ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Antrag, gerne auch punktweise, weil ich der Auffassung bin, dass wir unseren engagierten Kommunen in Sachsen keine weiteren Steine in den Weg legen wollen. Vor allem wollen wir den Kindern in unserem Land und denjenigen, die nicht so gut zu Fuß sind, die Möglichkeit geben, sicher mit dem Rad oder zu Fuß unterwegs zu sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die CDUFraktion spricht Herr Abg. Nowak.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau Meier, auch wenn es draußen warm ist, sind wir schon in der neuen Parlamentssaison. Als ich Ihren Antrag las, war mein erster Gedanke: Herzlich willkommen zurück im Sommerloch oder wahlweise auch in der ideologischen Rumpelkammer. Ich glaube, die ideologische Rumpelkammer trifft es ein bisschen besser.

Das, was Sie hier vorlegen, hat, bei Licht betrachtet, nichts mit Umweltschutz, nichts mit Verkehrssicherheit, nichts mit Lärmminderung und auch nichts mit Lebensqualität und vor allem nichts mit Tempo-30-Zonen zu tun, auch wenn das in Ihrer Überschrift anders steht. Es ist ein Programm für mehr Abgase, für mehr Schleichverkehr in den Wohngebieten und dadurch steigende Gefahren für Fußgänger und Radfahrer in diesen Wohngebieten, für mehr Feinstaubbelastung, mehr Schilderwald, höhere Kosten beim Straßenbau, gegen fließenden Verkehr und damit gegen eine bessere Infrastruktur. Der ÖPNV wird übrigens auch noch benachteiligt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Katja Meier, GRÜNE: Das ist ideologische Rumpelkammer!)

Jede Vorschrift funktioniert vor allem dann, wenn die Leute sie akzeptieren, weil sie sinnvoll ist, und da gibt es

einen signifikanten Unterschied zwischen Tempo 30 in Wohngebieten und Tempo 30 auf denjenigen Straßen, die vor allem den Durchgangsverkehr aufnehmen sollen.

Ich habe in dieser Woche einmal einen Selbstversuch gemacht. Ich bin mit 30 Kilometern pro Stunde durch Dresden gefahren, auf Hauptverkehrsstraßen. Das Video dazu können Sie ab jetzt auf der Facebook-Seite unserer Fraktion sehen. Das war kein schönes Erlebnis; das kann ich Ihnen sagen. Das ist natürlich erst einmal nur eine gefühlte Temperatur, aber sie deckt sich eben leider mit den Fakten.

Schauen wir uns den Antrag also einmal an. Es beginnt schon mit der Überschrift: „… Einführung von Tempo30-Zonen …“ steht da. Das hat ja mit dem Rest des Antrags nicht so viel zu tun. Sie wollen ganze Ortschaften zur Tempo-30-Zone machen, Sie wollen das zur Regelgeschwindigkeit erklären.

(Katja Meier, GRÜNE: Lesen Sie den Antrag!)

Die Zonen heute leben ja davon, dass man für einen abgegrenzten Bereich flächendeckend eine Regelgeschwindigkeit vorschreibt, und deswegen gibt es ein eigenes Zonenschild. Es sieht ja auch anders als das normale runde 30-Schild aus, das nur bestimmte Fahrbahnabschnitte beschränkt. Sie wollen aber am Ende überall Tempo 30, und das sollte auch noch als Überschrift stehen, denn flächendeckend Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften meint eben gerade die Regelgeschwindigkeit.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich.

Bitte, Frau Meier.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Nowak, wenn ich mir unseren Antrag anschaue, dann frage ich mich, wo Sie dort lesen, dass wir flächendeckend Tempo 30 einführen wollen. Das steht nirgendwo in diesem Antrag. Wo lesen Sie das also?

Sie haben es doch gerade selber hier von diesem Pult aus gesagt,

(Zuruf von der CDU: Wir kennen Sie!)

Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit. Sie wollen das umkehren, sodass überall 30 gefahren wird und nur da 50 gefahren werden soll

(Widerspruch von Katja Meier, GRÜNE)

das haben Sie doch gerade hier gesagt –, wo es ausgeschildert ist. Das ist übrigens in der Begründung weiter hinten dann auch erwähnt.

(Katja Meier, GRÜNE: Es geht um einen Modellversuch!)

Wir kommen noch dazu.

Sie vermischen in Ihrem Punkt I höchst unterschiedliche Ansätze, sinnvolle und sinnlose. Zunächst einmal zu den sinnvollen Ansätzen, so I.1. Dass vor Schulen und Kindergärten, Altersheimen und Krankenhäusern Tempo 30 Sinn macht, wird niemand ernsthaft bestreiten – das macht nicht einmal mehr der ADAC –, und dass das auf Hauptverkehrsstraßen gehen soll, auch nicht. Die entsprechenden Initiativen seitens des BMVI sind ja auf dem Weg.

Punkt 2: Das Bundesverkehrsministerium hat gerade eine Änderung der StVO vorgelegt. Darin geht es aber gerade um streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkungen, eben nicht um Zonen und nicht um die ganze Stadt. „Streckenbezogen“ meint eben eine bestimmte begrenzte Strecke, und darauf kann man sich dann am Ende sicherlich einigen, wenn es hinsichtlich der Strecken vor den entsprechenden Institutionen und Einrichtungen, die gerade erwähnt wurden, zur Sache geht.