Protokoll der Sitzung vom 31.08.2016

(Dr. Frauke Petry, AfD, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Gern, Frau Petry.

Bitte, Frau Petry.

Herr Pallas, ist Ihnen bekannt, dass der Verfassungsschutz mehrfach darüber geredet und davor gewarnt hat, dass wir vermutlich eine hohe fünfstellige Anzahl von terroristischen Gefährdern in Deutschland haben und dies zwangsläufig mit der unkontrollierten Zuwanderung zu tun hat?

Mir ist bekannt, dass Terroristen oder potenzielle Gefährder die Flüchtlingssituation auch nutzen, um nach Deutschland zu kommen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Aha!)

Ich wollte nur deutlich machen, dass es dessen gar nicht bedarf; dass es auch vorher schon Wege für Terroristen gegeben hat, um nach Deutschland zu kommen.

(Zurufe von der AfD)

Im Übrigen: Sie haben die Verbindung von Brüssel, Nizza und Paris zur Flüchtlingssituation hergestellt. Meines Wissens war die überwiegende Menge der Täter, die diese Anschläge verübt haben, Menschen, die in den jeweiligen Ländern geboren wurden und eben mitnichten im Zuge der Flüchtlingssituation nach Europa gekommen sind. Insofern ist es einfach nicht zutreffend, was Sie gesagt haben.

Es ist so, dass sich die AfD gern in einer gewissen Sonderrolle gegenüber den sogenannten etablierten Parteien geriert, sich auch gern einmal in einer Opferrolle suhlt, weil wieder alle auf sie eindreschen – aus meiner Sicht zu Recht. Was wir aber von Herrn Wippel gehört haben, worauf es bedauerlicherweise keine sofortige Reaktion gegeben hat, das schlägt dem Fass absolut den Boden aus. Sie haben bedauert, dass die Anschläge von Nizza nicht die politisch Verantwortlichen getroffen haben. Wenn Sie bedauern, dass durch diesen Anschlag nicht die politisch Verantwortlichen gestorben sind, heißt das übersetzt, dass Sie das wünschen, Herr Wippel.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Sie interpretieren! – Zurufe von der AfD)

Das ist unglaublich, Herr Wippel! Das war auch kein Ausrutscher.

(Zurufe von der AfD)

Für den Fall, dass hinterher wieder versucht wird, man habe es nicht so gemeint oder ganz anders gesagt usw.:

(Unruhe im Saal)

Herr Wippel war vorbereitet. Wir haben uns kurz vor Beginn der Plenarsitzung –

(Dirk Panter, SPD: Wir messen Sie an Ihren Aussagen! – Dr. Frauke Petry, AfD: Wir Sie auch!)

draußen im Hof getroffen. Er hatte seine Notizen in der Hand und ging seine Rede durch, und ich behaupte, Herr Wippel, das war ganz gezielt und kein Ausrutscher. Sie wollen den Tod politisch Verantwortlicher, und das ist unsäglich, Herr Wippel!

(Beifall bei der SPD, der CDU, den LINKEN, den GRÜNEN und der Staatsregierung – Zurufe von der AfD)

Ich finde, das offenbart das Gesicht der AfD. Sie sind nicht nur respektlos gegenüber anderen politischen Meinungen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Bei der SPD gibt es doch nichts mehr zu offenbaren, oder?!)

Wenn Sie jetzt schon bedauern, dass politisch Verantwortliche nicht gestorben sind, was passiert dann in diesem Land, wenn die AfD wirklich Einfluss bekommen würde? Ich möchte mir das nicht ausmalen und hoffe, dass genügend Menschen in diesem Land Verantwortungsbewusstsein und auch ein klares Bild von ihrer Politik haben.

(Beifall bei der SPD – Dr. Frauke Petry, AfD: Das betrifft Sie dann möglicherweise auch nicht mehr!)

Zurück zum Thema der Aktuellen Debatte – es klang heute schon an: Natürlich gibt es in der Frage von Sicherheit und Freiheit kein Entweder-oder. Ich gehe einmal zu dem Bild, das Herr Hartmann nannte. Es muss immer ein Sowohl-als-auch zwischen Sicherheit und Freiheit geben. Indes gibt es natürlich Unterschiede zwischen den politischen Gruppierungen, wie dieses Verhältnis aussehen soll.

Ich wiederhole gern, was ich in der ersten Runde gesagt habe. Natürlich muss es darum gehen, das Notwendige für die Sicherheit zu tun, damit die Menschen in Freiheit leben können. Es geht aber nicht alles, was technisch möglich ist, umzusetzen, um ein Mehr an Sicherheit zu bekommen. Es braucht immer einen Abwägungsprozess zwischen dem erreichten Sicherheitsnutzen und dem Eingriff in unter Umständen vielfältige Grundrechte von sächsischen Bürgerinnen und Bürgern. Das abzuwägen ist Aufgabe der Institutionen. Das abzuwägen ist auch Aufgabe von Politik. Ich freue mich sehr, dass wir in dieser Hinsicht einen sehr munteren Austausch haben, nicht nur innerhalb der Koalition, sondern auch mit den Damen und Herren der demokratischen Fraktionen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und den LINKEN)

Herr Pallas sprach für die SPD-Fraktion. Jetzt hat die Fraktion DIE LINKE das Wort. Das Wort ergreift Herr Kollege Stange.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die von Ihnen angestoßene Aktuelle Debatte macht offenbar, dass wir in dieser Gesellschaft in gewisser Weise ratlos sind. Es ist eine gewisse Ratlosigkeit. Ich will Ihnen auch zeigen, warum das so ist.

Wir sprechen sehr viel über die Polizei. Sie sprechen sehr viel über den Ausbau der Eingriffsbefugnisse. Worüber wir hier nicht sprechen, sind Ursachen. Worüber wir nicht sprechen, ist Früherkennung. Deshalb muten die Aktuelle Debatte und Ihr Instrumentarium, das der Herr Staatsminister im Wochenrhythmus als Vorschlag über die Ticker laufen lässt, eher an wie die Akutbehandlung am offenen Herzen der inneren Sicherheit, ohne dass Sie in irgendeiner Weise wissen, woher es kommt, weshalb das Herz so krank ist und wie Sie Früherkennung organisieren könnten. Also eine gewisse Ratlosigkeit. Das ist das Problem.

Das, was mein Kollege Gebhardt als internationale Solidarität ausgeführt hat, halte ich nicht für weit gefehlt. Worum geht es eigentlich, meine Damen und Herren? Es geht darum, zum Beispiel frühzeitig zu erkennen, warum. Diese ganze Reihenfolge München, Reutlingen usw. könnten wir fortsetzen: Winnenden, Erfurt als Akutanlässe. Das steht ja in Ihrem Titel der Aktuellen Debatte. Es geht darum, wie wir frühzeitig erkennen können, dass Leute psychisch erkrankt sind und dann zu Mitteln greifen, um sich, ihre Persönlichkeit einmal in diesem Leben tatsächlich zum Erfolg zu führen.

(Zurufe von der AfD)

Schwafeln Sie doch kein dummes Zeug! Ich habe gerade von Amokläufen gesprochen. – Darum geht es, und das werden wir nicht durch Videoüberwachung erkennen können. Das werden wir auch nicht durch weitere Eingriffsbefugnisse der Polizei hinbekommen. Da müssen wir ganz anders herangehen. Das ist ein Aspekt.

Ein weiterer Aspekt ist aber auch, dass wir in unserer Gesellschaft ein Klima organisiert haben, das auf Konkurrenz ausgerichtet ist. Wir organisieren in unserer Gesellschaft einen großen Teil von Menschen, der sich zunehmend abgehängt fühlt, ausgestoßen fühlt – wie auch immer. Diese Leute sind sehr wohl geneigt – nicht in der Masse, um Gottes willen, sondern darunter gibt es Einzelfälle –, sich dann radikalisieren zu lassen. Darüber müssen wir sprechen, wenn wir innere Sicherheit tatsächlich als das begreifen wollen, was sie sein sollte, nämlich nicht die Akutbehandlung, wenn jemand schießend durch die Gegend läuft, wenn jemand mit dem Rucksack auf dem Rücken 20 Leute mit in den Tod reißt.

Das ist eine Seite, Herr Staatsminister. Aber das ist die reaktive, Herr Hartmann, da haben Sie vollkommen recht. Wir müssen sehen, wie wir als Gesellschaft in die Aktion, in die Initiative kommen, um solche Dinge möglichst auszuschließen. Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen. Das wäre mein Ansatz, um die innere Sicherheit in diesem Land zu stärken.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Die Berliner Erklärung als Ansatz der Vorschläge für den Zusammenhalt zu verkaufen halte ich für weit gefehlt. Das Burkaverbot oder die Verhinderung der doppelten Staatsangehörigkeit trägt nicht zur Förderung von Zusammenhalt bei, sondern ist eine Ausgrenzung. Sie ist in ihrer Konsequenz eine Verhinderung von Zusammenhalt.

(Dr. Frauke Petry, AfD: So ein Blödsinn!)

Darüber muss man sich im Klaren sein. Sonst können Sie sich am Ende in dieselbe Reihe stellen wie die AfD,

(Dr. Frauke Petry, AfD: Man bewahre uns vor den Guten!)

wenn Sie tatsächlich der Auffassung sind, dass man Islamisten an der Grenze erkennt. Das ist wahrscheinlich in den Pass gestempelt.

Kollege Stange, die Redezeit geht zu Ende.

Oder sie beantragen auf Fragebögen, dass sie Islamisten sind.

Ihre Redezeit ist zu Ende!

Das ist alles Unfug, meine Damen und Herren. So werden wir die innere Sicherheit nicht stärken können.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Kein Recht auf Einwanderung! Schon gehört?)

Weiteres in der nächsten Runde.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Herr Kollege Stange für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt ergreift erneut Herr Wippel für die AfD-Fraktion das Wort.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Jetzt sind wir mal gespannt!)