Dies beeinträchtigt natürlich das Sicherheitsgefühl der Leute; aber auch die mit großer medialer Öffentlichkeit geführte Debatte zur Terrorgefahr in Deutschland trägt dazu bei. Die Sicherheitsbehörden müssen sich mit dem Thema beschäftigen und beachten, dass die Häufigkeit und die Art und Weise terroristischer Aktivitäten sich durch den IS verändert haben. Vor dieser Gruppierung sind aktuell viele Menschen auf der Flucht, davon übrigens viele islamischen Glaubens. So ist es richtig, dass wir uns als Politiker im Sächsischen Landtag damit auseinandersetzen. Wir sind als Haushaltsgesetzgeber verantwortlich dafür, die Sicherheitsbehörden so auszustatten, dass sie ihre Aufgaben gut erfüllen und die sächsische Bevölkerung schützen können.
Nicht ohne Grund hat die Koalition aus CDU und SPD von Anfang an einiges für die Sicherheit im Freistaat Sachsen getan. Wir haben, um einige Punkte aufzuzählen, den Stellenabbau gestoppt, gleichzeitig wurde die Einstel
lungszahl bereits jetzt erhöht, wir haben die Wachpolizei eingeführt, um die Polizei mittelfristig zu entlasten, wir haben aber auch den Schutz der Polizisten verbessert, indem wir beispielsweise schutzsichere Westen mit Stichschutzeinschüben und aktuell bessere Schutzausrüstung flächendeckend beschafft haben und beschaffen.
Jetzt führen wir die parlamentarischen Haushaltsverhandlungen, und ich kann sagen, als SPD-Fraktion werden wir diesen eingeschlagenen Weg auch konsequent weiterverfolgen. Wir werden die personelle Stärkung der sächsischen Polizei und die Verbesserung ihrer Ausstattung weiter vorantreiben.
Wir werden mit dem Koalitionspartner zusammen einen Weg finden, wie wir die tausend zusätzlichen Polizisten in wenigen Jahren auf der Straße haben. Im Ergebnis, so klang es gerade schon an, haben wir reichlich 14 000 Polizeibedienstete in Sachsen. Das sind über tausend mehr als noch Anfang 2015. Gleichzeitig müssen wir aber auch die Berechnung des Stellenbedarfs verbessern und fortsetzen, damit wir dauerhaft eine angemessene Personaldecke haben.
Aus einem weiteren Grund ist es wichtig, dass wir heute im Sächsischen Landtag über dieses Thema diskutieren, denn wir können aktiv dazu beitragen, das Sicherheitsgefühl der Menschen in Sachsen zu erhöhen. Das erreichen wir, indem wir die Diskussion sauber führen. Es ist zunächst wichtig, Terrorismus und Kriminalität sauber voneinander zu trennen. Dass das manchmal nicht leicht ist, habe ich am eigenen Leib gespürt.
Trotzdem ist immer wieder deutlich zu machen, dass Gewaltkriminalität – egal woher – etwas völlig anderes ist als Terrorismus. Wir müssen die Debatte über Terrorismus ehrlich führen. Oberstes Ziel ist es, Anschläge zu verhindern, aber es gibt leider keine hundertprozentige Sicherheit. Das ist nichts Neues, aber wir dürfen den Leuten auch nichts anderes vormachen.
Was nicht hilft und geradezu schädlich ist, sind einige Vorschläge und die Art und Weise, wie manche Politiker deutschlandweit diese Diskussion vorantreiben.
Um es deutlich zu machen – Vorschläge wie ein Burkaverbot oder die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft sind nicht nur freiheitsfeindlich und obrigkeitsstaatlich, sie helfen auch in keiner Weise, die Sicherheit in Deutschland oder im Freistaat Sachsen zu erhöhen. Im Gegenteil, dieser Versuch, einem momentanen Gefühl in der Gesellschaft hinterherzulaufen, schürt doch weitere Ängste. Nicht nur, dass islamfeindliche Einstellungen bestätigt werden; die Folge könnte auch sein, dass sich
rassistische Denkmuster weiter verbreiten und noch mehr rassistische Gewalt entsteht. Damit verschlimmern sie die Lage in Sachsen doch noch.
Für uns Sozialdemokraten gilt: Wir wollen und werden das Notwendige für die Sicherheit tun, damit die Menschen hier in Freiheit leben können. Natürlich wollen wir, dass Straftäter konsequent verfolgt und Terroranschläge möglichst verhindert werden, wie es auch zum Glück einige Male gelungen ist. Für uns ist aber wichtig, dass alle Menschen, egal welcher politischen Einstellung, welcher Religion, Herkunft oder Hautfarbe sie auch sein mögen, hier in Frieden und gleichberechtigt leben können und dass sie keine ungerechtfertigte Mithaftung, Ausgrenzung oder Gewalt erleiden müssen.
Dazu müssen wir aktiv unsere Grundwerte – das sind die Werte des Grundgesetzes – verteidigen. An dieser Stelle halte ich es mit Jens Stoltenberg, dem norwegischen Ministerpräsidenten, der auf dem Trauergottesdienst für die Opfer des Anschlags durch den Neonazi Anders Breivik sagte: „Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben. Unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.“
Die beiden einbringenden Fraktionen CDU und SPD haben gesprochen. Zuletzt sprach Kollege Pallas. Jetzt ergreift für die Fraktion DIE LINKE Kollege Gebhardt das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Hartmann, was für eine heuchlerische Debatte haben Sie hingelegt! Erst die öffentliche Sicherheit im Freistaat Sachsen in Gefahr bringen, indem Sie jahrelang auf Landes- und Bundesebene Personal abgebaut haben, und jetzt so tun, als sei der Personalaufwuchs im Freistaat Sachsen eine notwendige Erkenntnis dessen, was gerade auf den Straßen passiert und die Ängste der Menschen betrifft.
Seit 1990 stellt die CDU hier den Innenminister und seitdem haben Sie Polizei abgebaut und die öffentliche Sicherheit in Gefahr gebracht. Jetzt stellen Sie sich hier hin und sagen, wir müssen die öffentliche Sicherheit aufrechterhalten, wir müssen mehr Polizei schaffen und mehr für die Sicherheit der Bevölkerung tun. Das nenne ich – wie gesagt – mehr als heuchlerisch, wenn nicht sogar verlogen, denn Sie haben die Polizeibeamten als Erstes vor die Tür gesetzt. Dann beginnen die Innenminister die alte Leier. Das ist wie eine Schallplatte. Ich höre zwar gern Schallplatten, denn sie haben einen schönen Klang, aber Ihre Schallplatte, Herr Innenminister, ist irgendwie überdreht.
Die erste Position ist immer: Wir brauchen mehr Überwachung. Nizza ist eine der bestüberwachten Städte in Europa und trotzdem hat es diesen bekloppten terroristischen Anschlag gegeben, der viele Menschen das Leben gekostet hat. Sie wollen weniger Datenschutz, dafür mehr Speicherung. Sie wollen mehr Staatsmacht und dafür weniger Persönlichkeitsrechte. Immer geht das einher mit der Einschränkung von Freiheitsrechten. Da kann Herr Hartmann reden, was er will, der Innenminister sagt etwas anderes. Ich erinnere nur an das Frühjahr 2015, als wir die Bürgerrechte so weit eingeschränkt haben, dass wir wegen terroristischer Anschlagsgefahr eine ganze Stadt einen Tag lang lahmgelegt haben, indem wir ein Versammlungsverbot verhängten. Das nenne ich Einschränkung von Freiheitsrechten.
Sie können Einzeltäter nicht überwachen, Sie können Spinner, Bekloppte nicht durch Polizei kontrollieren. Sie haben die Bundeswehr ausgeschlossen, die Innenminister schließen das nie endgültig aus, Herr Hartmann. Wenn man sich dazu tatsächlich informieren will, sollte man die israelischen Sicherheitsbehörden fragen. Es ist nicht möglich, Einzeltäter irgendwie unter Kontrolle zu bringen. Deswegen verstehe ich auch Ihren Debattentitel nicht. Wenn Sie über die innere Sicherheit reden wollen, dann tun Sie das, aber das in Verbindung zu bringen mit den terroristischen Anschlägen, die in Bayern und BadenWürttemberg gewesen sind, halte ich für widersinnig.
Man hat das Gefühl, Sie müssen die Debatte machen, weil sich gerade eine unerkannte Burkaträgerin durch die Straßen von Sachsen bombt. Das ist mehr als verunsichernd und tut nichts für das Sicherheitsgefühl der Leute. Sie haben nämlich kein Konzept gegen die Terrorgefahr. Sie haben auch kein Rezept gegen religiösen Extremismus, weil Sie gar nicht an die Wurzeln heranwollen. Sie bekämpfen nur die Auswüchse dessen. Wenn Sie an die Wurzeln herangehen wollen, müssen Sie zuerst die Finanzströme klären, dann damit aufhören, in dieser Welt die Waffenexporte weiter voranzutreiben, sondern sie eindämmen, dann würden Sie endlich darangehen, die soziale Ungerechtigkeit in der Welt zu bekämpfen, Sie würden sich vielleicht für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung einsetzen und dazu kommen, eine Kultur der Stärkung der gegenseitigen Achtsamkeit voranzubringen.
Sie machen genau das Gegenteil. Die Entwicklung in diesem Land, in dieser Gesellschaft, in Europa und in der Welt ist verheerend und macht vielen Sorgen, auch mir persönlich. Deswegen sind alle Ihre Antworten, die Sie zu öffentlicher Sicherheit, für mehr Polizei geben, die falschen in der jetzigen Situation. Die richtige Antwort wäre mehr Solidarität als Grundprinzip des menschlichen Zusammenlebens. Das ist das Entscheidende.
Für die Fraktion DIE LINKE sprach Herr Kollege Gebhardt. Jetzt ergreift für die AfD-Fraktion Herr Kollege Wippel das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wir reden hier über Symptombekämpfung. Aber woher kommt die neue Situation? Dazu müssen wir den Blick ein bisschen in die Welt werfen und auch hin zur etwas größeren Politik. Seit 1999 haben die deutschen Bundesregierungen alles Mögliche getan, um bei den von den USA initiierten oder unterstützten Kriegen zu helfen. Nun hat sich ein Bild von Nordafrika und dem Nahen Osten ergeben, das desaströs ist. Das Ziel war letzten Endes, Militärbasen zu bekommen, Rohstoffe und Durchlaufrechte zu sichern.
Die ganze Region ist in Krieg versunken, sie ist in Chaos versunken. Die moderat anlaufende Wirtschaft, die vorhanden war, ist durch die Kriege zerstört worden. Man hat radikale Islamisten vonseiten der USA unterstützt, um sie starkzumachen, um den einen oder anderen missliebigen angeblichen Despoten in der Welt zu bekämpfen. Jetzt wundern wir uns darüber, dass wir Islamismus haben und dass solche Horte entstanden sind.
Des Weiteren werden Drohnenangriffe geflogen, und dies weltweit. Das heißt dann „Peace keeping operations“; wir reden also über angeblich friedenssichernde Maßnahmen. Aber was passiert denn mit den Kollateralschäden, mit den Verletzten und den Hinterbliebenen? Werden sie Freunde der Demokratie? Nein, sie werden einen Hass auf den Westen haben, und daher kommen dann wieder gestärkte Islamisten. Das alles breitet sich natürlich am Ende in unsere Richtung aus. Das heißt, diese Leute werden das, was wir machen, nicht friedenssichernd nennen, sondern sie werden es Terror nennen. Die Folge des Ganzen ist Wirtschaftsmigration, weil die Wirtschaft kaputt ist, und es sind Kriegsflüchtlinge, auch das.
Nun kommt dazu, als Krone obendrauf: 2015 hat die Bundeskanzlerin in dieser Lage die Tore Deutschlands sperrangelweit geöffnet, und das ist verantwortungslos. Das ist nicht im Interesse Deutschlands.
Wir haben die Kontrolle über Deutschland abgegeben. Wir haben die Kontrolle über unsere Grenzen abgegeben.
Neben dem Verlust der Kontrolle haben wir auch Ansehen in der Welt verloren, bei unseren polnischen Nachbarn,
und wir haben auch Ansehen in China verloren. Wir wissen nicht, wer nach Deutschland gekommen ist, und selbst wenn bei einer Million Flüchtlingen nur ein Promille, nur einer von 1 000, ein Islamist ist, dann sind es 1 000. Aber ich weiß nicht, ob es zehn, 100, 1 000 oder 10 000 sind, weil wir nicht kontrolliert haben, wer nach Deutschland kommt.
Diese kampfbereiten Islamisten sind dazu bereit, zu kämpfen und zu sterben, und ihr Tod ist einkalkuliert. Deswegen werden auch klassische Präventionskonzepte an dieser Stelle nicht ausreichen. Das heißt, man müsste eigentlich jedem bekannten Gefährder – wenn es 1 000 wären, dann diesen 1 000 Mann – rund um die Uhr Polizisten an die Seite stellen. Jetzt rechnen wir das Ganze einmal hoch: Wir brauchten die 15 000 Polizisten, die die Unionsinnenminister mehr haben wollen, allein dafür, um den Islamisten ständig auf den Füßen zu stehen, und dies sind nur die Einzelpersonen. Das heißt, die 1 000 Polizisten, die wir in Sachsen mehr einstellen wollen, reichen nicht, sie reichen hinten und vorne nicht, auch wenn wir es auf Bundesebene hochrechnen.
Weil wir das aber nicht leisten können, müssen wir uns darüber klar werden, dass solche Anschläge wie in Bayern und Baden-Württemberg ein laues Lüftchen waren. Nein, wir müssen eigentlich mit Brüssel, mit Nizza, mit Paris rechnen. Das heißt, unsere Bundeskanzlerin hat uns hier eine Suppe eingebrockt, eine Suppe, die niemand bestellt hat, nach dem Rezept: Wir schaffen das! Dies ist ein bisschen einfach, und nun haben wir die Quittung bekommen, jetzt auch in Deutschland erstmalig mit den Anschlägen in Bayern und Baden-Württemberg. Leider hat es nicht die Verantwortlichen dieser Politik getroffen, sondern es hat Chinesen getroffen, es hat Polen getroffen,
und die schwer verletzt worden sind, konnten wir in Deutschland nicht schützen, aber wir haben der ganzen Welt ein Versprechen gemacht, nämlich hier in Deutschland für ihren Schutz zu sorgen. Dies können wir nicht, weil wir die Kontrolle aufgegeben haben.