Protokoll der Sitzung vom 01.09.2016

Glücksspiele, Spiele um Geld, die vom Zufall entschieden werden, haben eine weitere Komponente. Sie können für betroffene Menschen zur Krankheit werden, mit enormen Konsequenzen für Betroffene und Angehörige. Glücksspielprobleme sind daher ernst zu nehmen, denn ein frühzeitiges Erkennen und Eingreifen kann den persönlichen und finanziellen Ruin verhindern. Spielsucht ist eine psychische Erkrankung und somit behandlungsbedürftig.

„Darüber hinaus besteht aber auch die Gefahr, dass Menschen außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten am Glücksspiel teilnehmen und sich und ihrer Familie dabei erheblichen Schaden zufügen, obwohl keine Spielsucht im engeren Sinne vorliegt.“ Das sind nicht meine Worte, sondern das sind begrüßenswerte Selbsterkenntnisse der Sächsischen Lotto GmbH in einer Broschüre – Achtung! – bereits aus dem Jahr 2011.

Ungeachtet dessen finden sich in den derzeitigen landesgesetzlichen Regelungen des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag weder konkrete Vorgaben zur gebotenen Prävention und Erforschung der Glücksspielsucht noch verbindliche Regelungen zur ziel- und zweckgerichteten Verwendung der Lotterieerträge genau für diese dringend gebotenen suchtpräventiven Zwecke.

Die Spielsucht in Sachsen ist ein wachsendes Problem. Zum Dezember 2015 lebten in Sachsen 1 064 Menschen,

die offiziell als spielsüchtig gelten. Das waren 300 Menschen mehr als im Jahr zuvor. Die Dunkelziffer liegt wie bei allen Suchterscheinungen deutlich höher. Denn nur, wer sich seiner Sucht bewusst ist und sich diese vermeintliche Schwäche eingesteht, sucht auch Hilfe auf.

Gerade, weil man beim Glückspiel keine der bei anderen Suchtproblemen üblichen gesundheitlichen Folgen zu befürchten hat, ist der Übergang vom regelmäßigen Spielen bis zur Sucht relativ fließend. Aufklärung über Risiken findet man in der Öffentlichkeit jedoch nur unzureichend. Das Kleingedruckte nach dem Motto „Glücksspiel kann süchtig machen“ macht ebenso wenig Eindruck wie der Aufdruck „Rauchen schadet der Gesundheit“ auf den Zigarettenschachteln.

Eine maßgebliche Grundlage dafür, dass die staatliche Finanzierung erforderlicher Maßnahmen zur Suchtprävention und entsprechender wissenschaftlicher Forschungen deutlich verbessert werden kann, ist nach Auffassung meiner Fraktion mit der längst überfälligen Neuregelung des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag zu schaffen. Hierfür trägt der sächsische Gesetzgeber, also die Mitglieder des Landtages, unmittelbare Verantwortung.

Der hierzu von meiner Fraktion vorgelegte Gesetzentwurf sieht vor, die Verwendung der Lotterie- und Glücksspielerträge für soziale Zwecke sowie zur Verbesserung der Glücksspielsuchtprävention neu zu regeln. Dem liegt auch die Feststellung zugrunde, dass die derzeitige gesetzliche Bestimmung des § 10 des Sächsischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag schon in ihrem eher unbestimmten Wortlaut keine Garantie für eine wirksame und ausreichende Glücksspielsuchtprävention bietet.

Ich zitiere: „Aus dem Reinertrag der vom Freistaat Sachsen veranstalteten Sportwetten, Lotterien und Ausspielungen sollen die Bereiche Suchtprävention, Sport, Kultur, Umwelt, Jugend und Wohlfahrtspflege nach Maßgabe des Haushaltsplanes des Freistaates Sachsen gefördert werden.“

Insbesondere die Haushaltspraxis des Staatsministeriums der Finanzen, die Reinerträge auch dazu zu nutzen, landeseigene Haushaltsmittel einzusparen, ist mit dem Sinn dieser gesetzlichen Verwendungsregelung im Interesse der Lotto- und Glücksspielerinnen und -spieler nicht vereinbar.

Würden, zugespitzt gesagt, die Sachsen dem Lotto oder dem Glücksspiel entsagen, stünden die Bereiche Suchtprävention und Wohlfahrtspflege ohne Mittel da. Hinzu kommt, dass der neu gefasste Glücksspielstaatsvertrag, der im Dezember 2011 durch den Ministerpräsidenten Tillich unterzeichnet wurde, in seinem § 1 Abs. 1 aus

drücklich bestimmt, dass das Entstehen von Glücksspiel- und Wettsucht zu verhindern ist und die Voraussetzungen für eine wirksame Suchtbekämpfung zu schaffen sind.

Diesem staatsvertraglichen Ziel und Zweck tragen weder die derzeitigen Regelungen des Sächsischen Ausführungsgesetzes noch die diesbezügliche Verteilungspraxis Rechnung. Daher braucht es konkrete landesgesetzliche Regelungen, die sowohl erforderliche Maßnahmen der Suchtforschung und Suchtprävention rechtsverbindlich festlegen als auch die Verteilung des Lotteriereinertrages regeln, und zwar zuvorderst für soziale Zwecke – deshalb unser Gesetzentwurf.

Mit einem neuen § 5 „Suchtprävention und Suchtforschung“ soll eine Bestimmung in das Ausführungsgesetz aufgenommen werden, mit der der Freistaat verpflichtet werden soll, die wissenschaftliche Forschung zur Vermeidung und Abwehr von Suchtgefahren durch Glücksspiele, die Suchtprävention und -hilfe sowie die Glücksspielaufsicht als öffentliche Aufgaben wahrzunehmen.

Mit der Neufassung des § 10 Abs. 2 unseres Gesetzentwurfes soll sichergestellt werden, dass der bisher im Haushaltsvollzug des Finanzministers übliche Aderlass bei den Lotteriemehrerträgen, mit dem die eigenen steuerbasierten Einnahmen des Landes geschont werden sollen, ein für alle Mal unterbunden wird.

Wir wollen daher eine verbindliche Regelung, mit der die geplanten Lotterieerträge künftig zu je einem Drittel auf drei Bereiche – erstens Suchtprävention, zweitens Jugend- und Wohlfahrtspflege und drittens Sport, Kultur und Umwelt – aufgeteilt und mit dem Haushaltsgesetz im Haushaltsplan neben den aus anderen Einnahmen – vor allem Steuern – aufgebrachten Haushaltsmitteln veranschlagt werden. Folgt man dieser Gesetzesänderung nicht, bleibt dies das bisherige Haushaltsdilemma. Die von uns geforderten Änderungen sind mehr als überfällig.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren, das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Gesetzentwurf an den Haushalts- und Finanzausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz, Gleichstellung und Integration sowie an den Innenausschuss zu überweisen. Wer der Überweisung die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit, damit ist der Überweisung stattgegeben.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 5

Erste Beratung des Entwurfs

Sächsisches Gesetz über das Verbot der Gesichtsverschleierung im

öffentlichen Raum (Sächsisches Verschleierungsverbotsgesetz –

SächsVerschleierungsVerbG)

Drucksache 6/6124, Gesetzentwurf der Fraktion AfD

Auch hierzu liegt keine Empfehlung einer allgemeinen Aussprache vor. Es spricht daher nur die einbringende AfD-Fraktion. Frau Dr. Petry, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die AfD bringt in diesem Plenum einen Gesetzentwurf zum Thema Gesichtsverschleierung ein. Das Ziel dieses Gesetzentwurfes lässt sich ganz einfach erklären: Wir möchten, dass eine Gesichtsverschleierung bzw. -bedeckung im öffentlichen Raum zukünftig untersagt wird. Davon ausgenommen sein sollen die Gesichtsbedeckung zum Schutz vor winterlicher Kälte sowie aus Anlass von Volksfesten und Faschingsfeiern. Der Inhalt dieses Gesetzentwurfes sieht vor, dass das Tragen von Gesichtsschleiern sowie sonstigen Kleidungsstücken, welche das Gesicht der sie tragenden Person verdecken, im öffentlichen Raum verboten ist.

Meine Damen und Herren, im Grunde ist die Sache recht einfach: Wer in ein fremdes Land einwandert, muss keineswegs seine eigenen Sitten und kulturellen Gepflogenheiten aufgeben, sollte sich aber denen seiner neuen Heimat nicht demonstrativ entgegenstellen. Eine Europäerin, die nach Islamabad, Teheran oder Dubai umzieht, kann dort weder bauchfrei durch die Straßen flanieren noch im Bikini baden gehen. Eine Muslima, die in den Westen übersiedelt, sollte nicht vollverschleiert wie ein Gespenst in der Öffentlichkeit auftauchen.

Für unsere Interaktion ist es grundlegend, dass man Mimik und Gestik des Gegenübers sieht – zu Gesicht bekommt, wie es heißt. „Aber es steht doch bei uns jeder Frau frei, sich zu kleiden, wie sie mag“, hören wir nun, und wenn wir für ein Verbot der Vollverschleierung plädieren, gelten wir manchen als Feinde der Freiheit.

Es ist erstaunlich, wie viele Medienvertreter und Intellektuelle derzeit ihr Herz für die Vollverschleierung von muslimischen Frauen entdecken, Menschen, die vor Kurzem noch für mehr Frauenrechte im Westen stritten oder das Geschlecht für ein soziales Konstrukt erklärten, tolerieren auf einmal „kultursensibel“ die komplette Stigmatisierung eines Geschlechts.

Viele Muslimas verhüllten sich freiwillig, hören wir. Welche Freiheit mögen Burka und Nikab zum Ausdruck bringen? Rein äußerlich sind Burka, Nikab und Tschador vor allem Desintegrationssymbole. Im westlichen Stadtbild bedeuten sie eine Art optische Landnahme. Sie markieren ihre Trägerinnen als Ausgegrenzte dieser Gesellschaft. Die französische Philosophin und Feministin Élisabeth Badinter fragte in einem offenen Brief die

Burkaträgerinnen: „Sind wir in Ihren Augen so verachtenswert und unrein, dass Sie jeden Kontakt, jede Beziehung mit uns verweigern, bis hin zu einem kleinen Lächeln?“

Was für eine Mentalität steckt hinter dieser absonderlichen Anmaßung, einem Land und seinen Menschen dermaßen deutlich seine Ablehnung, ja Missachtung zu präsentieren und dennoch dort leben zu wollen? Eine deutsche Journalistin zog kürzlich probehalber eine Burka an und wollte testen, wie es sich anfühlt und wie die Leute reagieren. Es sollte ein Toleranztest sein, in Wirklichkeit aber war es Karneval. Nicht nur, dass sie die Burka danach wieder abgelegt hat – sie kennt ja die andere Seite, die eine Burka-Trägerin leider nie kennenlernt: die Freiheit, keine Burka zu tragen –, sie kehrte einfach in ihre garantierte Freiheit zurück.

Meine Damen und Herren, die Verschleierung ist ja nur ein Symbol einer Einstellung und nicht die Einstellung selbst; denn diese Einstellung sagt: Ich muss mich vor den Blicken der anderen – und hier speziell der Ungläubigen – verbergen. Ich gehöre nicht in diese Gesellschaft, ich bin Eigentum der männlichen Mitglieder meiner Familie. Ich bringe Schande über sie, wenn ich mein Gesicht in der Öffentlichkeit zeige. Diese Einstellung sagt, überspitzt gesagt: Ich bin kein Individuum, ich bin kein freier Mensch. Die syrische Frauenrechtlerin Bassam al-Kadi nennt die Nikab – Zitat – „eine Form von Gewalt gegen Frauen“. Oder wie kürzlich ein CDU-Abgeordneter dieses Hauses sagte: „eine Art Gefängnis“.

Frauen, die behaupten, sie trügen die Verschleierung freiwillig, leiden womöglich unter einer Abart des Stockholm-Syndroms: der Identifikation der Geiseln mit den Geiselnehmern. Aber ein generelles Verbot von Burka und Nikab im öffentlichen Raum verstoße gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes und lasse sich verfassungsrechtlich nicht rechtfertigen, so befand der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages vor vier Jahren in einem Gutachten. Die Begründung sei der Artikel 4 des Grundgesetzes, die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses, bzw. der Abs. 2, die ungestörte Religionsausübung.

Es gibt aber auch Artikel 1 des Grundgesetzes, und der ist uns allen hoffentlich bewusst: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Nach unserer Vorstellung wird einem Menschen die Würde genommen, wenn er verpflichtet ist, sein Gesicht dauerhaft in der Öffentlichkeit zu verbergen. Und es gibt Artikel 3 Abs. 2 des Grundgesetzes: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ Der Staat fördert die

tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin. Der Anblick vieler arabischer Familien lehrt jedoch: Männer kleiden sich, wie sie wollen, gern auch westlich. Frauen müssen sich verhüllen, sie werden stigmatisiert. Meine Damen und Herren! Das ist das Gegenteil von Gleichberechtigung.

Wir müssen also die Freiheit der Religionsausübung gegen die westlichen weltlichen Bürgerrechte abwägen. Aber gehören Burka und Nikab überhaupt zur Religionsausübung? Tatsächlich ist die Vollverschleierung nämlich unislamisch. Das sagen nicht nur wir, sondern das sagen auch islamische Rechtsgelehrte. Der Koran schreibt dergleichen nicht vor. Die einzige Stelle dazu findet sich in Suru 24 Vers 31. Dort steht sinngemäß, dass muslimische Frauen ihren Schmuck nicht zeigen sollen, bis auf das, was ohnehin zu sehen ist, und dass sie sich ihren Schal um den Ausschnitt schlagen. Also kein Wort davon, dass das Gesicht verdeckt werden muss.

Das Wort „Khimar“ – so viel wie Schleier – bezeichnet die Kopfbedeckung der arabischen Frauen zur Zeit der Entstehung des Islam. Wie der islamische Gelehrte Muhammed Asad in seinem Buch „Die Botschaft des Koran“ erklärt, wurde sie in der vorislamischen Zeit mehr oder weniger als Schmuck lose über dem Nacken getragen, und da nach der damals herrschenden Mode das Oberteil des Frauengewandes vorn eine weite Öffnung hatte, waren die Brüste unbedeckt. Daher die religiöse Anweisung, sich zu bedecken. Noch einmal: Kein Wort steht dort von der Verhüllung des Gesichts.

Der Nikab wurde von den Beduinen erfunden als Schutz gegen die Sandstürme der Wüste. Wir haben hier in der Regel keine Sandstürme.

Im November 2015 entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass das Tragen eines Nikab nicht zu den Menschenrechten gehöre. In Frankreich, in Belgien, in den Niederlanden, in Italien und in Spanien ist die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit deshalb konsequent verboten, und sogar Tunesien verbietet den Nikab.

Die AfD fordert um der Würde der Frauen und der Gleichberechtigung willen ein Verbot der Vollverschleierung in Deutschland.

Eine letzte Bemerkung an die Adresse all derjenigen Links-Grünen, die neuerdings für die Religionsfreiheit plädieren und kultursensibles Handeln predigen: Wie soll denn eine Burkaträgerin jemals Gesicht gegen rechts zeigen?

(Heiterkeit und Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Das Präsidium schlägt Ihnen vor, den soeben eingebrachten Entwurf an den Innenausschuss –

federführend – und an den Verfassungs- und Rechtsausschuss – mitberatend – zu überweisen. Wer die Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Es gibt Stimmenthaltungen, keine Gegenstimmen. Damit ist der Überweisung zugestimmt.

Wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Interkulturelle Kulturarbeit – Chancen für die Entwicklung

von Kunst und Kultur im Einwanderungsland Sachsen