Protokoll der Sitzung vom 01.09.2016

(Beifall bei der AfD – Widerspruch von den LINKEN)

Bei der Rede von Herrn Sodann fiel mir auf, dass es zur DDR-Zeit den Künstlern und Kulturschaffenden nicht besonders gut ging, als die Partei hier damals die Macht hatte.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das können Sie ja auch einschätzen!)

Ja, das ist jetzt meine – – Das fiel mir nur gerade so auf.

Nun zum Antrag der GRÜNEN, Thema interkulturelle Kulturarbeit. Hier sagt die Antwort der Staatsregierung eigentlich schon in der Vorbemerkung alles, was nötig ist: „Unscharf ist, welche Definition für interkulturelle Kulturarbeit und interkulturelle Bildung den Fragen zugrunde liegt.“ Mehr kann und braucht man dazu eigentlich nicht sagen. Der Antrag der GRÜNEN transportiert weder einen tragfähigen Kulturbegriff noch wird seine Vorstellung von Bildung auch nur ansatzweise den aktuellen Herausforderungen der wilden Einwanderung nach Sachsen, Deutschland und Europa gerecht. Es ist ein ideologisches Konzept und damit das Gegenteil von menschenfreundlicher Weltoffenheit. Denn was kann Menschenfreundliches daran sein, Menschen erst zu locken, zu entwurzeln, um sie dann hier in totaler Abhängigkeit von unserer Bürokratie zu pampern.

Wie komplex und vielfältig diese Fürsorge schon wuchert, zeigt sich auch in der Antwort der Staatsregierung mit den entsprechenden Haushaltsansätzen. Wie man die Ursachen für die wilde Einwanderung auch immer analysiert, wir alle haben sie auf vielfältige Weise mitverursacht mit falschen Anreizen, Ideologien, politischer Untätigkeit und einem falschen Staatsverständnis. Bezogen auf die interkulturelle Kulturarbeit und Bildung in den diversen Anträgen der GRÜNEN kann nur festgestellt werden, dass es ihnen nicht um eine Integration von Einwanderern geht, sondern um ein neues Spiel in einer neuen Spielgemeinschaft mit neuen Regeln, Akteuren und neuen Inhalten. Man kann zwar davon ausgehen, dass Kultur das ist, was nicht ist, aber dieses Konzept von Walter Benjamin setzt bereits auf eine Kultur auf, die dieses seiend Werdende zur Grundlage hat. All das geht im GRÜNENAnliegen verloren. Das hat Gründe.

Fehler Nummer eins ist die pauschalisierende Behauptung, wir seien ein Einwanderungsland. Was wir sehr wohl brauchen, ist eine differenzierte Einwanderungsgesetzgebung, wie die AfD sie mit dem kanadischen Modell als Prinzip schon vor allen anderen Parteien und den jüngsten Wellen der wilden Einwanderung gefordert hat. Die demografische Entwicklung, verursacht durch den Geburtenrückgang, ist zwar ein objektives Problem, aber im Sinne der weltweit geforderten Nachhaltigkeit auch ein positiver Effekt für das überbevölkerte und überlastete Europa. Zur Verdeutlichung: Die Herkunftsländer der Einwanderer liegen in puncto Bevölkerungsdichte mit 70 Personen sehr weit unterhalb des EU-Durchschnitts von 250 Einwohnern pro Quadratkilometer.

Fehler Nummer zwei sind die sogenannten fehlenden Fachkräfte. Natürlich bleibt die Deformation unseres Bildungswesens der letzten Jahrzehnte nicht ohne Folgen, aber es ist ein Trugschluss zu glauben, dass die Fehlsteuerung unseres Talentpools mit importierten Newcomern ausgeglichen werden könne. Um diese heranzubilden, braucht es mindestens zwei Generationen. Wie finanzieren wir die Zwischenzeiten? Mit Robotern? Dann brauchen wir aber die mühsam an den realen Arbeitsmarkt herangeführten Fachkräfte auch nicht mehr.

Fehler Nummer drei ist die Vorstellung, dass kulturelle Prägungen wie ein Mantel an der nächstbesten Garderobe abgegeben werden können oder gar durch eine neue uniforme Konformität ersetzbar wären. Das klappt nicht und hat noch nie geklappt. Alle Versuche dieser Art endeten immer blutig und in entsetzlichstem Elend. Daran ändern auch die raffiniertesten Nudging-Konzepte nichts, weder bei den hinterbliebenen Sachsen noch bei denen, die sich hier mit ihren traumatischen Prägungen eine neue Heimat schaffen wollen.

Fehler Nummer vier besteht in der Auflösung unserer seit Generationen gewachsenen Solidargemeinschaft.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Aha!)

Ich zitiere hoffentlich mit dem Einverständnis des Präsidiums den ehemaligen Verfassungsrichter Böckenförde

aus seinem Werk „Staat – Gesellschaft – Freiheit“: „Der freiheitliche säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“ Die BöckenfördeDoktrin fokussiert alle Dimensionen unserer demokratischen, aus der Vergangenheit in der Gegenwart für die Zukunft gewachsenen Gesellschaft. Das betrifft die soziale wie auch geistige Identität des sogenannten Einwanderungslandes Deutschland. Kurz gesagt – das Volk gehört nicht dem Staat. Er kann nicht nach Belieben Menschen ein- oder ausgrenzen. Beides tun wir aber seit geraumer Zeit. Der Staat kann nicht eine Gemeinschaft, die auf Gegenseitigkeit beruht, plötzlich – entschuldigen Sie den polemischen, aber treffenden Begriff – zum Weltsozialamt machen.

(Widerspruch bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das spüren die Menschen, das schafft Spannungen und Ressentiments, die sich mit keiner interkulturellen Kulturarbeit und arabischen Beschriftungen in sächsischen Kulturstätten einhegen lassen, zumal all diese sicherlich gut gemeinten Absichten und Treffpunkte immer nur die Gutwilligen der Integrationsindustrie erreichen.

Interkulturelle Dialoge kann man nicht inszenieren. Man muss sie auf einer verbindlichen Grundlage leben und leben lassen. Wir sind die Gastgeber und die verbindliche Leitkultur auf der Basis des Grundgesetzes. Alles andere ist Kitsch.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde.

(Zuruf von den LINKEN: Das war Quatsch!)

Gibt es Redebedarf für eine zweite Runde aus den Reihen der Fraktionen? – Ich kann keine Wortmeldungen sehen.

Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Frau Staatsministerin Dr. Stange, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin gerade ein bisschen sprachlos. Wenn man andere Kulturen als Kitsch bezeichnet – so habe ich Sie jetzt verstanden –,

(Zurufe von der AfD: Das hat sie nicht! – Richtig zuhören!)

fehlt mir jetzt gerade jedes Verständnis für Ihren Redebeitrag.

(Zuruf von der AfD: Frau Stange, das hat sie anders gesagt!)

Entschuldigung. Ich lese es im Protokoll noch einmal nach und verstehe es dann vielleicht besser.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, zurück zur Großen Anfrage der GRÜNEN, die uns gerade zum heutigen Tag auf ein wichtiges Thema aufmerksam

macht. Ich möchte daran erinnern, dass die Geschichte des 20. Jahrhunderts uns am heutigen 1. September einen Gedenktag oder einen Erinnerungstag fest in den Kalender gebrannt hat, einen Tag, an dem in würdiger Form des Bekenntnisses für den Weltfrieden und gegen den Krieg gedacht werden sollte.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich möchte das auch deshalb in Erinnerung rufen, da die erhöhte Aufmerksamkeit für die Folgen von Krieg und Gewalt in unserer Gegenwart manchmal etwas aus dem Blick gerät, sodass wir erst dann wieder damit konfrontiert werden, wenn in anderen Weltregionen Krieg und Zerstörung auch Flucht und Vertreibung mit sich bringen und uns dann ganz nahe rücken. Ich erwähne dies auch deshalb, weil diese Erfahrung uns in besonderem Maße eine Verantwortung auferlegt, Einfühlung und Solidarität gegenüber denjenigen zu zeigen, die eben aus solchen Kriegs- und Krisengebieten in der Nachbarschaft der Europäischen Union zu uns flüchten.

Das ist der globale politische Hintergrund des Handlungsfeldes, mit dem sich die Große Anfrage der GRÜNENFraktion zur interkulturellen Kulturarbeit befasst. Dieses Thema hat mit der Verantwortung jedes Einzelnen von uns zu tun, aber natürlich auch mit der der Staatsregierung und letztlich auch der des Parlaments: Wie gelingt es uns, den Menschen offen zu begegnen, die bei uns Zuflucht vor Krieg und Hass suchen? Wie gelingt es Staat und Zivilgesellschaft, den aufkeimenden Hass in unserer Gesellschaft, der sich sogar in Gewalt gegen ausländische Mitbürger Bahn bricht, wirksam einzudämmen?

Auch in dem Verantwortungsbereich meines Ministeriums, aus den Bereichen Wissenschaft und Kultur, erfahren wir leider immer wieder, dass ausländische Studierende, Künstlerinnen und Künstler Anfeindungen ausgesetzt sind, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler es ihren Familien nicht mehr zumuten wollen, sich der Fremdenfeindlichkeit hierzulande auszusetzen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das war auch einer der Gründe, warum ich bereits im Dezember 2014, also kurz nach dem Amtsantritt, die Wissenschafts- und Kultureinrichtungen ins Ministerium eingeladen hatte, um mit ihnen gemeinsam zu beraten, wie wir vereint – sie auf ihrer Seite, ich als Vertreterin der Staatsregierung auf der anderen Seite – diesem aufkeimenden Hass, dieser Gewalt und dieser nicht vorhandenen Toleranz und Weltoffenheit etwas entgegensetzen können. Das war bereits am 8. Dezember 2014.

Frau Maicher, darüber hatte ich hier auch schon einmal gesprochen; vielleicht kann man einmal zur Kenntnis nehmen, dass wir uns nicht nur im Koalitionsvertrag zu einer humanitären und interkulturellen Gesellschaft verpflichtet haben. Dies gilt ebenso zum Thema Einwanderungsland, auch wenn man dieses Wort nicht ständig wie eine Monstranz vor sich hertragen muss, sondern es mit Leben erfüllen sollte. Dazu haben wir uns im Koaliti

onsvertrag verpflichtet und dieser Verpflichtung bin ich und ist mein Ministerium vom ersten Tag an genauso wie die Staatsregierung nachgekommen.

Ich habe ein anderes Verständnis davon, wie man mit Einrichtungen der Wissenschaft, der Forschung und der Kultur in einer solchen Frage umgeht, als das vielleicht weniger durch die Große Anfrage, sondern eher durch die Interpretation der Antworten vonseiten der GRÜNEN und insbesondere von Ihnen, Frau Dr. Maicher, zum Tragen gekommen ist. Mein Verständnis ist immer noch das des Grundgesetzes. Das Grundgesetz gibt Freiheit für Wissenschaft, Forschung und Kultur und gibt ihnen damit den Raum, genau diese Ansprüche der Gesellschaft, vor denen wir heute stehen, im Rahmen dieser Freiheit mit ihren Möglichkeiten umzusetzen.

Ich erinnere an eine Diskussion in einem Nachbarbundesland, in dem sich Kultureinrichtungen dagegen gewehrt haben, dass sie vonseiten der Staatsregierung aufgefordert worden sind, sich mit interkulturellen Angeboten in den gesellschaftspolitischen Dialog einzumischen. Ich erinnere daran, dass wir, unter anderem durch eine Anfrage der AfD ausgelöst, eine Diskussion hinsichtlich eines Screenshots an unserer Semperoper hatten, in dem sich die Künstlerinnen und Künstler der Semperoper ganz klar zu einer weltoffenen, toleranten Gesellschaft positioniert haben.

(Jörg Urban, AfD: Mit Steuergeldern!)

Vonseiten der Staatsregierung haben wir die Semperoper dabei unterstützt, dass dieses Kunst- und Kulturprojekt selbstverständlich eine Ausdrucksform der Semperoper in der gesellschaftspolitischen Debatte ist.

(Beifall bei der SPD und der CDU – Zuruf von der AfD: Mit unseren Steuergeldern!)

Ich bin der Meinung: Es ist nicht die Aufgabe der Landesregierung, ein interkulturelles Konzept aufzulegen, auch wenn ich sehr wohl dafür bin, dass wir einen Austausch mit den Einrichtungen führen. Vielmehr bin ich der Auffassung: Es muss ein Anliegen der Einrichtungen in ihrem Selbstverständnis als Kultureinrichtung sein, mit der Freiheit des Grundgesetzes im Rücken Kunst und Kultur frei gestalten zu können, sich dieser gesellschaftspolitischen Auseinandersetzung zu stellen und sich mit ihren künstlerischen Mitteln einzumischen.

(Uwe Wurlitzer, AfD: Mit Steuergeldern!)

Frau Staatsministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Jetzt nicht.

(Lachen bei der AfD)

Genau deshalb ist es uns wichtig, Frau Maicher, detailliert aufzuzeigen, was unsere Kunst- und Kultureinrichtungen sowie unsere Landeskulturverbände in den letzten Mona

ten und Jahren getan haben, um sich dieser gesellschaftspolitischen Verantwortung zu stellen.

Ich habe damals am 8. Dezember 2014 den Kultureinrichtungen und den Wissenschaftseinrichtungen anheimgestellt, eigene Initiativen zu starten, und sie aller Unterstützung der Staatsregierung und meines Ministeriums versichert, die sie erhalten, Weltoffenheit und Toleranz in unsere Gesellschaft zu tragen und mit ihren Einrichtungen zu leben. Daraus sind viele Früchte entstanden und darüber bin ich sehr froh. Hanka Kliese und auch andere haben es gesagt: „Morgenland“ ist ein wunderbares Beispiel, ebenso „Werther“ in Freiberg – dort habe ich auch die Schirmherrschaft übernommen, weil es ein mutiges Projekt gewesen ist – und vieles, vieles andere. Ich will es nicht aufzählen; denn Sie können das alles in der Antwort auf die Große Anfrage nachlesen.

Das ist Interkulturalität, das ist gelebte Interkulturalität, weil nämlich dort Menschen zusammenkommen. Herr Sodann, Sie haben es richtig gesagt: Kultur ist, dass Menschen für Menschen etwas machen, und deswegen geht dies auch nur von den Kultureinrichtungen, von den Künstlerinnen und Künstlern selbst aus, nicht aber, weil eine Staatsregierung von oben sagt, ihr müsst jetzt interkulturelle Arbeit machen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nichtsdestotrotz: Die Kultusministerkonferenz hat nicht ohne Grund bereits 2011 dieses Konzept verabschiedet, das eine Grundlage für die Arbeit sowohl der Staatsregierung als natürlich auch der Kultureinrichtungen ist. Wir unterstützen die Kultureinrichtungen mithilfe der entsprechenden Rahmenbedingungen, der Kulturräume. Bei „Werther“ war dies zum Beispiel der Fall: Der Kulturraum hat es geschafft, relativ kurzfristig das dortige Projekt finanziell zu unterstützen, weil sie es für wichtig gehalten haben. Das ist der richtige Weg, dass in den Kulturräumen erkannt wird: Ja, es ist für uns, für unsere Kultureinrichtungen wichtig, dass solche Angebote existieren, aber nicht, weil ich ihnen sage, sie sollen das bitte in ihre Programme hineinschreiben.