schnittliches Bevölkerungsalter, das acht Jahre unter dem unseren liegt. Das ist im Hinblick auf die Digitalisierung eine ganze Generation. Diesen Vorteil werden sie nutzen. Deutschland und gerade Sachsen gehören zu den Ländern mit den ältesten Bevölkerungen. Nur Japan und der Vatikan sind älter.
Das Zweite, die Digitalisierung: Wir spüren es, meine Damen und Herren, wir erleben es. Es erfolgt eine digitale Transformation, die in vollem Gange ist. Sie wird nicht nur die Wirtschaft verändern, sie wird unsere Gesellschaft verändern. Sie wird die Art und Weise, wie wir leben, grundlegend verändern. Das wird große Chancen, aber auch Risiken mit sich bringen. Industrie 4.0 und das Internet der Dinge sind die Zukunft.
Die Voraussetzung dafür, dass wir diese Zukunft erfolgreich gestalten und daran teilnehmen können, um damit unseren Wohlstand zu halten oder zu mehren, ist die digitale Infrastruktur. Sie ist das Kernelement und das Fundament der wirtschaftlichen Entwicklung in Sachsen.
Schaut man sich das Fundament an, so stellt man fest, dass das Fundament Risse hat. Auch das ist in der Diskussion zum Tragen gekommen. In den urbanen Räumen, in den Städten liegen 50 % der Internetanschlüsse bei über 50 MBit pro Sekunde. In den ländlichen Räumen, also dort, wo ich herkomme, haben nur 10 % mehr als 50 MBit. Das ist schlecht.
Schauen wir uns Estland an, ein Land, das ein Drittel der Einwohnerzahl wie der Freistaat Sachsen hat und das seit 1990 etwa die gleichen Startvoraussetzungen hatte: Dort haben 96 % der Bevölkerung schnelles Internet. Einwohnermeldungen beim Staat, Steuererklärungen oder Gewerbeanmeldungen sind kein Problem, das kann man dort per Internet erledigen. Das geht schnell, und man bekommt innerhalb von fünf Tagen seinen Steuerbescheid zurück. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das Tempo, sondern auch ganz direkt auf die Wirtschaftsleistung. So generiert Estland mit dieser digitalen Transformation, die schon erfolgt ist, etwa 2 % des Bruttoinlandsprodukts. Gegen Estland, meine Damen und Herren, das müssen wir uns eingestehen, ist Sachsen ein digitales Entwicklungsland.
Ein weiterer Punkt ist die Digitalisierung des Mittelstands. Es wurde schon gesagt: Unsere Struktur ist nicht optimal. Wenn wir über die Wirtschaftsstruktur in Sachsen sprechen, reden wir über 99,9 % Mittelstand. Knapp 80 % der Unternehmen haben neun Beschäftigte oder weniger. Das ist natürlich nachteilig in Bezug auf Größenvorteile und auf Forschung und Entwicklung. Diese Firmen stehen im internationalen Wettbewerb den digitalen Plattformen gegenüber.
Zunehmende Anteile der Wertschöpfung werden nicht mehr hier in Sachsen erbracht, geschweige denn versteuert, sondern international. Uber ist das größte Taxiunternehmen der Welt und besitzt keine Taxis. Airbnb ist der größte Hotelkonzern der Welt und hat kein einziges
Hotelzimmer. Amazon ist der größte Warenhauskonzern der Welt und besitzt kein einziges Kaufhaus. Deshalb, meine Damen und Herren, ist diese Entwicklung ein Frontalangriff auf das Geschäftsmodell des sächsischen Mittelstandes. Darauf haben wir Antworten zu finden.
Wie können die Antworten aussehen? Wir müssen unseren Mittelstand befähigen, Geschäftsmodelle von der analogen in die digitale Welt zu transformieren oder aber in der neuen digitalen Welt neue Geschäftsmöglichkeiten zu finden. Wenn wir das nicht schaffen, werden wir abgehängt. Die letzte industrielle Revolution hat 130 Jahre gedauert. Wir haben für diese digitale Transformation höchstens fünf Jahre Zeit.
Der nächste Punkt ist Forschung und Entwicklung. Auch das ist gesagt worden: Wenn wir eine kleinteilige Wirtschaft haben, haben wir weniger Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Sie sind zwar gestiegen, aber im Vergleichsmaßstab zur alten Bundesrepublik und Europa hinken sie hinterher.
Deshalb müssen wir uns den richtigen Ansatz einfallen lassen, wie wir diese Forschungs- und Entwicklungsausgaben befördern. Auch wenn das nicht Gegenstand des Antrags der Koalitionsfraktionen ist, denke ich, dass man ernsthaft darüber nachdenken muss, mit einer Steuergutschrift besonders Kleinunternehmen dadurch zur Seite zu springen, dass die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen insbesondere beim Personal beispielsweise zu 10 oder 15 % als Steuergutschrift mit der Steuererklärung abzugsfähig sind. Das wäre eine stetige, verlässliche und vor allem unbürokratische Förderung von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben insbesondere bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Lassen Sie mich zum Schluss noch eine Frage aufwerfen und gleichzeitig beantworten: Wie entwickelt man eine Region, wie entwickelt man ein Land in Richtung Innovation, in Richtung Forschung und wirtschaftliche Entwicklung? Richard Florida, ein amerikanischer Ökonom, hat darauf eine sehr kluge Antwort gegeben. Es sind aus seiner Sicht drei Faktoren: Technologie, Talent und Toleranz.
Zur Technologie: Ja, wir haben Technologie in Sachsen. Gerade durch das dichte Netz von universitären und außeruniversitären Forschungseinrichtungen sind wir gut aufgestellt.
Auch beim zweiten Punkt – Talent – können wir punkten. Aber auch dort hat die demografische Entwicklung, die Abwanderung tiefe Schleifspuren hinterlassen. Es sind weniger, eine halbierte Generation. Mit denen müssen wir etwas machen, die müssen wir halten und entwickeln.
Der dritte Punkt, damit greife ich die Diskussion von heute Vormittag auf, ist Toleranz. Selbst Ludwig Erhard wusste: Wirtschaft ist zu mindestens 50 % Psychologie. Wie schaffen wir es, junge Talente nicht nur zu gewinnen, sondern auch zu halten? Meine Damen und Herren, das schaffen wir nur durch ein weltoffenes Klima, durch
unterschiedliche kulturelle Hintergründe, durch Diversität, unterschiedliche Herkünfte und unterschiedliche Religionen. Wenn wir es in Sachsen nicht schaffen, dieses Klima wiederherzustellen, zu pflegen und zu entwickeln, wird es uns nicht gelingen, die Besten hierzubehalten. Wir brauchen die Besten, meine Damen und Herren, um bei Innovation in der Industriepolitik im europäischen Rahmen weiter erfolgreich zu sein.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die zweite Runde ist als Antwort auf die Debattenbeiträge in der ersten Runde zu verstehen. So halte ich das immer.
Ich beginne von hinten. Herr Dr. Lippold, wie schon in der Besuchergruppe sind wir auch heute sehr nah beieinander. Ihre Hinweise auf die Bedeutung hochmoderner Dienstleistungen, mit denen wir inzwischen auch Exporte und Überschüsse generieren, teilen wir. Das, wie auch die Erweiterung des Innovationsbegriffes, hat durchaus schon Einzug in Förderrichtlinien des SMWA gefunden.
Herr Barth, Sie haben ein wenig süffisant gesagt, es gebe 21 Punkte, über die wir heute reden sollten. Nein, Praxis des Parlamentes ist es: Nachdem wir einen Berichtsauftrag mit der Verabschiedung des Antrags vergeben, darf die Staatsregierung im Nachgang dazu ausführlich berichten. Alles vorher ist eine Stellungnahme. Das ist die Trennung.
Zu Ihren Argumenten mit der Stagnation sei gesagt: Wir sind hier in den letzten Jahren besser geworden, was den Anteil an Forschung und Entwicklung angeht – nicht zuletzt deswegen, weil wir Zweitbester in Deutschland in Bezug auf den Anteil an öffentlicher Förderung für Forschung und Entwicklung sind und die Anstrengungen dafür verstärkt haben.
Zu Herrn Brünler. Zunächst möchte ich sagen: Alles das, was Sie über Unister gesagt haben, hebe ich mir gut auf im Protokoll. Ich bin gespannt, ob noch einmal der Moment kommt, bei dem aus genau Ihrer Fraktion der Vorwurf kommt, dass wir diese Firma gefördert haben.
Zweitens: Sie haben gesagt, es sei eine Selbstverständlichkeit, dass wir Fördermittel aus Europa auf einem hohen Niveau halten. Hätten Sie sich die Mühe gemacht, wenigstens die drei Seiten Stellungnahme durchzuschauen, dann hätten Sie die Aufstellung gesehen und auch, dass die europäischen Fördermittel in dieser Förderdekade auf nur noch 40 % abfallen. Dass es nicht einfach ist, ein hohes Förderniveau zu gewährleisten, das müsste Ihnen
aufgegangen sein. Wenn Sie das noch mit weitergehenden und höheren Forderungen im Bereich ÖPNV, Kultur, Bildung, Digitalisierung – und was Sie noch alles aufgezählt hatten – verbinden, dann wird es etwas abstrus.
Zum Thema Digitalisierung, das Sie kritisiert haben. Gerade in diesem Bereich setzen wir derzeit insbesondere Innovationsimpulse im Rahmen großer Förderprogramme, damit Sachsen den Weg ins digitale Zeitalter schafft. Sie haben vielleicht zuletzt einer Pressemitteilung entnommen, dass drei Landkreise in den nächsten Jahren bis zum Jahr 2020 eine Förderung von 200 Millionen Euro bekommen, damit dort schnelles Internet hinkommt. Deswegen verstehe ich Ihre sachliche Kritik kaum bis gar nicht.
Aber ich habe eine Frage an Sie, weil ich dazu nichts gehört habe: Was sind die Vorschläge der Linksfraktion zur Stärkung von Innovation und Industrie in Sachsen?
Gibt es weiteren Redebedarf vonseiten der Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Herr Minister Dulig, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Koalitionsfraktionen bezieht sich auf die Zukunft Europas und auf die Entwicklung Sachsens als einen Teil Europas. Sachsen gehört seit 26 Jahren zur Europäischen Union, und diese Mitgliedschaft hat Sachsen viel gegeben – finanziell, aber vor allem kulturell und sozial. Das werden wir am „Tag der Deutschen Einheit“ hier in unserer Landeshauptstadt sichtbar machen.
Die erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates hat Beschäftigung und Wohlstand auf einem hohen Niveau ermöglicht. Gerade die Beschäftigung in Sachsen hat sich seit der Jahrtausendwende so stetig positiv entwickelt, wie wir dies in den Neunzigerjahren nicht zu träumen gewagt hätten.
Kooperation und Innovation haben sächsischen Unternehmen europaweit und weltweit Türen geöffnet. Jetzt kann Sachsen mit seiner Wirtschafts- und Innovationsleistung immer stärker auch umgekehrt zur positiven Entwicklung Europas beitragen. Davon haben sich auch in den letzten Jahren viele Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Kommission bei zahlreichen Besuchen und Gesprächen überzeugt. Sachsen ist eines der Erfolgsmodelle für eine zukunftsorientierte und effiziente Verwendung von Strukturfondsmitteln.
Hier sind wir „Best Practice“. Darüber hinaus wollen wir auch kulturell und sozial zur Festigung europäischer Werte beitragen, Werte wie Humanität, Integrität und Rechtsstaatlichkeit. Wer diese Werte missachtet, drängt unser Land an den Rand und gefährdet auch den weiteren
In den nächsten Jahren geht es außerdem darum, die sächsischen Interessen für die Zeit nach dem Jahr 2020 zu identifizieren und auf der europäischen Ebene einzubringen. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit Europas und damit auch Sachsens erhalten und verbessern. Die Enquete-Kommission des Sächsischen Landtags hat Strategien für eine zukunftsorientierte Technologie- und Innovationspolitik –
(Unruhe wegen Wechsels der Schriftführer – Der Redner, an das Präsidium gewandt: Wenn ich störe, dann sagt Bescheid!)
im Freistaat Sachsen entwickelt und sich in der vorangegangenen Legislaturperiode intensiv damit befasst, wie wir unsere Innovationskraft stärken und noch besser aus Wissen Wertschöpfung generieren können. Beide Anliegen verfolgt dieser Antrag, über den wir heute abstimmen, gleichermaßen.
Ich möchte bei der Wertschöpfung beginnen. Sachsen konnte sein Bruttoinlandsprodukt von 2013 auf 2014 um 3,96 % erhöhen, auf 2015 noch einmal um 3,74 %. Nur zwei deutsche Bundesländer verzeichnen im Jahr 2014 ein höheres Wachstum. Sachsen zählt zu den stark industrialisierten Regionen in Deutschland und Europa. Der Automobilbau sowie der Maschinen- und Anlagenbau prägen unsere Strukturen. In beiden Bereichen kann der Freistaat auf Traditionen aufbauen, die bis zum Beginn der Industrialisierung zurückreichen. Seit über 110 Jahren werden in Sachsen Autos hergestellt. Wichtig für unsere Wirtschaft sind auch die elektrotechnische Industrie einschließlich der Mikroelektronik, die Textilindustrie, die bahntechnische Industrie, die Luft- und Raumfahrtindustrie, die Gesundheits-, die chemische, die Papier- sowie die Ernährungsindustrie.
Insbesondere die Hochtechnologiebranchen, wie die Mikroelektronik, Elektromobilität und der Leichtbau, entwickeln sich dynamisch. Noch nie in den
25 vergangenen Jahren ging es den Halbleiterunternehmen am Standort Sachsen so gut wie heute. Doch nichts kommt von selbst, und nur wenig ist von Dauer. Deshalb müssen wir unsere Industrie jetzt fit für die Zukunft machen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Damit sich Sachsens Industrie den Herausforderungen von Industrie 4.0 und der Digitalisierung stellen kann, arbeiten wir an einer industriepolitischen Gesamtstrategie. Dazu hat das Sächsische Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr die Plattform Strategiewerkstatt „Industrie der Zukunft“ geschaffen. Diese hat sechs Handlungsfelder identifiziert, die für die künftige Entwicklung zentral sind. Das ist erstens die Digitalisierung des Mittelstandes, zweitens Cross-Innovationen in Hochtechnologiebranchen, drittens Kreativwirtschaft als
Impulsgeber der Industrie, viertens Sachsens Fachkräftesituation, fünftens Entkopplung von Stadt und Land und sechstens das Fundament der industriellen Weiterentwicklung.