Protokoll der Sitzung vom 28.09.2016

Vielen Dank, Herr Bartl. – Meine Damen und Herren! Wir setzen die Aussprache fort mit der SPD-Fraktion; Herr Abg. BaumannHasske.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist schon viel dazu gesagt worden, welch wichtiges Thema mit diesem Antrag angesprochen wird. Drogenabhängigkeit ist nicht nur eine wesentliche Ursache für Strafbarkeit und Freiheitsstrafen wegen des Drogenmissbrauchs, sondern auch wegen der mit der Sucht verbundenen Beschaffungskriminalität. Dabei kommt es immer wieder zu erheblichen Gewalttaten, Einbruchsdiebstählen, Körperverletzung und Schlimmerem.

Bisher wird überwiegend versucht, Straftäter mit Suchtproblematik im Rahmen der gerichtlichen Verfahren und bei Erstverurteilungen über Bewährungsauflagen zu Entziehungsmaßnahmen und Therapien zu veranlassen. Das ist in vielen Fällen auch erfolgreich. In den Fällen, in denen die Täter erneut und wiederholt strafbar werden, führt es nicht zum Ziel. Diese Rückfallgefährdung durch die Abhängigkeit von Drogen birgt ein hohes Potenzial von Kriminalität und ist am Ende eine echte Gefährdung für die Sicherheit der Bevölkerung.

Meine Damen und Herren! Mit den Antragstellern sind wir der Auffassung, dass Suchttherapie im Strafvollzug eine sehr sinnvolle Sache sein kann. Die Sonderbedingungen des Vollzugs, die Kontrolle und geordneten Tagesabläufe können gute Rahmenbedingungen liefern, unter denen sich Süchtige veranlasst sehen, sich einem kontrollierten Entzug und einer Therapie zu unterziehen. Der Vollzug wird gleichzeitig zum Freiheitsentzug und im Rahmen dieses besonderen Gewaltverhältnisses zum Drogenentzug genutzt.

Das Pilotprojekt in der JVA Zeithain ist wiederholt zitiert worden. Es gibt in der Tat Anlass zur Hoffnung auf Erfolg. Dass mit der dort vollzogenen Therapie langfristige Erfolge erzielt werden könnten, lässt sich schon aus den Erfahrungen der ersten zwei Jahre ablesen.

Beim Besuch der Anstalt und des Therapiebereiches lernt man viel über die besonderen Voraussetzungen, die eine solche Therapie mit sich bringen. Wesentlich ist zum Beispiel, dass die Suchtkranken eine solche Therapie ernsthaft wollen und dieses durch die Akzeptanz bestimmter Regeln im Tagesablauf unter Beweis stellen. Sie müssen bestimmte Therapieziele anstreben und dauerhaft verfolgen. Nur wenn für die Therapeuten dies glaubhaft erkennbar ist, wird die Aufnahme in die Therapie wirklich sinnvoll.

Meine Damen und Herren! Allerdings schießt der Antrag der GRÜNEN aus unserer Sicht über das Ziel hinaus,

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

weil es heißt – es ist soeben gesagt worden –: jetzt, hier und sofort.

Therapie findet im Übrigen nicht nur im Strafvollzug statt. Wir sollten uns auch darüber klar werden, dass süchtige Straftäter häufig anderswo behandelt werden. Das hat in dieser Debatte bisher eine geringere Rolle gespielt. Besonders schwere Fälle landen in der Regel zunächst nicht im Strafvollzug, sondern gemäß §§ 63 und 64 StGB im Maßregelvollzug. Dort sind sie weniger Strafgefangene als Patienten, was durchaus sehr sinnvoll ist. Wenn das Gericht die besondere Gefahr, die wesentlich von der Sucht ausgeht, festgestellt hat, dann sind sie auch nicht zurechnungsfähig gewesen und deshalb müssen sie behandelt werden.

Bei einem Grad der Suchterkrankung, der den Aufenthalt im Maßregelvollzug erfordert, sind nach meinen Erkenntnissen aus dem Besuch der sächsischen Anstalten die materiellen und personellen Voraussetzungen ohnehin in einem Maße gegeben, wie man sich das aus medizinischer und psychologischer Sicht nur wünschen kann. Wer sich das einmal angeschaut hat, stellt fest: Wenn wir für die Suchttherapie im Strafvollzug diese Verhältnisse hätten, dann müssten wir uns hier, glaube ich, nicht mehr unterhalten.

Aber für die Behandlung im Strafvollzug gelten andere Bedingungen. Bei Weitem nicht alle suchtkranken Gefangenen sind, wie ich vorhin beschrieben habe, dafür geeignet. Wenn aber bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, dann kann statt Therapie in der Haft auch die Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung nach § 57 StGB oder § 88 Jugendgerichtgesetz herangezogen werden. Dann können die Betroffenen unmittelbar im Anschluss an die Haft in eine Suchtklinik überführt werden. Auch Therapie statt Strafe nach § 35 Betäubungsmittelgesetz kommt in Betracht. Beides führt eher in die Verhältnisse stationärer Behandlung als in den speziellen Alltag zu den Bedingungen einer Strafanstalt. Beides kommt schon eher dem Maßregelvollzug näher, in dem tatsächlich eine ganz gezielte, individuelle Therapie durchgeführt werden kann.

Meine Damen und Herren! Dass in diesem Bereich etwas passieren muss und dass wir auch im Strafvollzug mehr Suchttherapie brauchen, dazu steht auch unsere Fraktion. Lassen Sie uns im Rahmen der anstehenden Haushaltsdebatten darüber nachdenken, wie wir mit gezielten, maßvollen und sinnvollen Schritten die Suchtbekämpfung im Bereich der Justiz stärken und verbessern können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Meine Damen und Herren! Nun die AfD-Fraktion; Herr Abg. Wurlitzer. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Ich möchte so anfangen, wie es bei Ihnen von den GRÜNEN sonst üblich ist, mit unseren Anträgen umzugehen, und ich sage Ihnen vorab, dass wir Ihren

Antrag ablehnen werden. Es gibt dafür formale, aber auch gewichtige inhaltliche Gründe, welche sich nicht nur aus der Stellungnahme der Staatsregierung ergeben.

Es ist für uns verwunderlich, dass Sie von den GRÜNEN allen Ernstes einen Antrag ins Plenum einbringen, welcher formal überarbeitungsbedürftig gewesen wäre. Diesbezüglich bringe ich einige Punkte an:

Erstens. In Ziffer I 2 Ihres Antrages verlangen Sie einen bedarfsgerechten Ausbau, welcher aber entsprechend der Antwort der Staatsregierung nach der Sanierung der JVA Torgau ohnehin erfolgen wird. Damit ist dieser Punkt aus unserer Sicht erledigt und hätte herausgestrichen werden können.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Zweitens. In Ziffer II 1 verlangen Sie, dass eine fortwährende Kommunikation zwischen den Therapieverantwortlichen der Haftanstalt und den nachsorgenden Einrichtungen für mindestens sechs Monate sichergestellt wird. Die Justizvollzugsanstalten sind für die Nachsorge aber gar nicht zuständig, sondern allein die Bewährungshilfe. Damit hat sich aus unserer Sicht auch dieser Punkt erledigt und hätte herausgestrichen werden müssen.

Drittens. In Punkt III verlangen Sie, dass das CrystalProblem in den Haftanstalten in einer Interministeriellen Arbeitsgruppe Crystal thematisiert wird. Dies ist bereits geschehen, sodass auch dieser Punkt erledigt ist.

Viertens. In Ziffer IV verlangen Sie, dass eine Studie über den langfristigen Therapieerfolg in der Haft angefertigt wird. Derzeit erfolgt aber noch eine Prüfung, ob ein solcher Forschungsauftrag umgesetzt werden kann, sodass derzeit über diesen Punkt des Antrags gar nicht sinnvoll entschieden werden kann. Es muss eine gewisse Trägheit oder Ignoranz dahinterstehen, wenn man solche offenkundigen formalen Fehler nicht anpasst und den Antrag unverändert einbringt. Allein dadurch hat sich die Hälfte Ihres Antrages bereits erledigt.

Nun zum Inhaltlichen. Sie wollen, dass alle suchterkrankten Gefangenen Zugang zur stationären Suchttherapie in den Justizvollzugsanstalten bekommen. Der Antrag ist hierbei wenig differenziert. Zunächst müsste unterschieden werden zwischen Personen, die die Möglichkeit zur Zurückstellung von der Strafvollstreckung nach § 35 des Betäubungsmittelgesetzes haben, und solchen, die diese Voraussetzungen eben nicht erfüllen.

(Unruhe bei der CDU – Glocke des Präsidenten)

Grundsätzlich ist es richtig, dass wir Suchttherapie im Strafvollzug verfolgen, dass sie ausgebaut werden muss; aber man muss auf der anderen Seite auch feststellen, dass es ein gewisser Luxus ist, den wir uns dort leisten; denn letztendlich ächzen die Justizvollzugsanstalten die ganze Zeit darunter, dass sie in jeder Hinsicht zu wenig Personal haben. Es wird bemängelt, dass aufgrund des zu geringen Personals der Krankenstand hoch ist, dass Abschlusszeiten nicht gewährleistet werden und damit die Freizeitgestaltung in Verzug gerät. All das sind Probleme, die wir

derzeit haben und die meines Erachtens wesentlich wichtiger wären, angegangen zu werden.

Aber am Rande dieses Antrages möchte ich noch eines feststellen, sehr geehrte Kollegen von den GRÜNEN: Sie stehen ganz offensichtlich für offene Grenzen und für jegliches Verbot, selbige zu kontrollieren. Damit begünstigen Sie ein Stück weit den Drogenhandel. Es ist vielleicht etwas übertrieben, wenn man Sie indirekt dafür mitverantwortlich macht,

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ja, aber Sie wollen das ja machen!)

aber man muss auch feststellen, dass dies ein Punkt ist, der schon eine ganze Weile vorherrscht und bei dem man relativ einfach mit Grenzkontrollen das Einsickern von Drogen in den Freistaat reduzieren könnte. Man hätte vielleicht an dieser Stelle auch nicht diese Übermenge an Problemen in den Justizvollzugsanstalten.

Sie wollen die Suchttherapie weiter ausbauen vor dem Hintergrund, dass wir gewaltige personelle Probleme in den Justizvollzugsanstalten haben. Wir können aber nirgendwo sehen, aus welchen Ressourcen das geschehen soll, und selbst wenn finanzielle Mittel freigestellt werden, wie es im Haushalt in Aussicht gestellt wird, fehlen immer noch jede Menge Beamte, um es umzusetzen. Ich denke, dass wir an dieser Stelle schon mal besser dranwären, wenn wir uns als Allererstes darum kümmern würden, dass wir genügend Beamte haben, die vor Ort arbeiten.

Ein weiterer Ansatzpunkt: Ich war zu Beginn der Woche in der Justizvollzugsanstalt in Leipzig. Dort ist uns von den Gefangenen, aber auch von den Bediensteten die Frage gestellt worden: Wieso kümmert sich niemand um die Integration der Gefangenen mit ausländischem Hintergrund? Wir haben in Leipzig 35 bis 40 % – das schwankt – Ausländeranteil, und die Beamten haben dort echte Probleme, weil sie zu wenige Dolmetscher und Sozialarbeiter haben und sich ganz offensichtlich kein Mensch darum kümmert.

(Harald Baumann-Hasske, SPD: Das hat richtig was mit Sucht zu tun!)

(Harald Baumann-Hasske, SPD: Das hat richtig was mit Sucht zu tun!)

Nein, das hat aber etwas damit zu tun, dass Sie schon eine neue Baustelle aufmachen, obwohl Sie die andere Baustelle, für die Sie ein Stück weit mitverantwortlich sind, noch gar nicht geschlossen haben.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE: Das ist unlogisch! – Weiterer Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

An dieser Stelle stellt sich die Frage: Wo ist Ihr Konzept für die Integration innerhalb der Justizvollzugsanstalten? Sie lassen die Bediensteten völlig allein. Es gibt in der Justizvollzugsanstalt in Leipzig Stationen, auf denen es

mehr ausländische als deutsche Gefangene gibt und wo sich die deutschen Gefangenen – zu Recht – beschweren, dass sie unterdrückt werden.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Anderes Thema!)

Wenn Sie eine Frage haben – das ist vorhin schon einmal gesagt worden –, bietet es sich an, ans Mikrofon zu gehen und sie zu stellen; aber verplempern Sie meine Zeit nicht.

(Lachen und Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Also noch einmal: Ich glaube, wir können uns einen Luxus, wie Sie ihn in Ihrem Antrag fordern, schlicht und ergreifend nicht leisten. Nun die Frage an Sie, Frau Köpping, als Integrationsministerin: Waren Sie schon einmal in einer Justizvollzugsanstalt und haben sich das angeschaut?

(Staatsministerin Petra Köpping: Ich habe sie eröffnet! – Unruhe bei den LINKEN)

Ja, aber waren Sie in Leipzig? Die haben 35 bis 40 % Ausländeranteil.

(Staatsministerin Petra Köpping: Ich habe die JVA in Regis-Breitingen mit eröffnet!)

Ja, Sie lächeln es immer weg. Auf der einen Seite wollen Sie Integration, und dort, wo es notwendig ist, wird es einfach weggelächelt. So einfach ist es aber nicht.

Aber an dieser Stelle, meine Damen und Herren von den GRÜNEN, ist vielleicht eines noch ganz wichtig: Herr Spangenberg hat vor wenigen Monaten hier einen Redebeitrag zum Waffengesetz gehalten und Ihre Partei als eine Gefahr für die Demokratie bezeichnet. Ich konnte das damals nicht so ganz teilen, aber ich muss ganz ehrlich gestehen, jetzt bin ich mir relativ sicher: Nicht die Partei an sich, aber einzelne Personen in Ihrer Partei, Ihr Landesvorsitzender, Herr Rechtsanwalt Kasek, ist definitiv eine Gefahr für die Demokratie.

(Empörung bei den GRÜNEN)

Er hat bei einem Auftritt – –