Protokoll der Sitzung vom 29.09.2016

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Zuerst hat die einbringende AfD das Wort. Dieses ergreift Kollege Wendt. Danach geht es weiter mit CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE und Staatsregierung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Leider steigt die Zahl der Alleinerziehenden in der Bundesrepublik Deutschland, und damit verbunden steigt insbesondere das Armutsrisiko derer, die sich für ein oder mehrere Kinder

entscheiden bzw. entschieden haben. Das Armutsrisiko steigt, obwohl Eltern für die Rentenzahler von morgen sorgen und dafür verantwortlich sind, dass die Geburtenraten nicht weiter absacken.

Wie Sie alle wissen, ist dieses Thema hochaktuell. Armut oder Benachteiligung, auch wenn sie sich, global gesehen, verschiedenartig ausdrückt, ist auch in Deutschland real und wird deshalb hierzulande kontrovers diskutiert. Da diese Problematik insbesondere in den letzten Monaten

über verschiedene Kanäle kommunziert worden ist, ist sie präsent und muss von uns angegangen werden.

In den Zeitungen fand eine rege Berichterstattung statt. Hieraus möchte ich ein paar Überschriften zitieren, um dies zu verdeutlichen. Die Süddeutsche Zeitung vom 12.09.2016 schreibt: „Familiengründung darf kein Armutsrisiko sein“. Auf MDR hieß es: „Sachsen bei Kinderarmut über Bundesdurchschnitt“, SPIEGEL ONLINE: „Armutsrisiko steigt auf höchsten Stand seit Wiedervereinigung“, „Süddeutsche Zeitung“: „Kinder sind ein Armutsrisiko“.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das sind die aktuellen Meldungen, mit denen wir uns nicht nur auf Bundes- sondern auch auf Landesebene befassen müssen. Die statistischen Berechnungen, die von einer Armutsgefährdung sprechen, wenn Menschen in Haushalten leben, die weniger als 60 % des mittleren Einkommens zu verzeichnen haben, sind nur bedingt aussagekräftig.

Es sind eher die alltäglichen Dinge, die Armut greifbar und damit existent machen. So ist es greifbar, wenn beispielsweise Alleinerziehende oder Familien aufgrund ihres geringen Einkommens auf Wohngeld angewiesen sind oder aufstocken müssen, um über die Runden zu kommen, wenn sich Familien nicht gesund ernähren können und dies Auswirkungen auf den Gesundheitszustand der Familienmitglieder hat, wenn teure Klassenfahrten, Schulessen oder Veranstaltungen – egal, welcher Art – tabu sind und Betroffene somit trotz Arbeit vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Und, verehrte Damen und Herren, wenn ein zu geringes Einkommen negative Auswirkungen auf Bildung und damit auf die Entwicklungsmöglichkeiten der Kinder, aber auch auf den seelischen und körperlichen Zustand Letztgenannter und der Eltern hat, dann ist das als Armut zu bezeichnen und ein Armutszeugnis für unser doch so reiches Land.

Alle diese Punkte machen Armut fassbar, und diese Probleme haben sich, wenn man verschiedene Studien zurate zieht, in den letzten Jahren verschärft. Die alltäglichen Belastungen für Alleinerziehende sind zudem sehr vielschichtig. Hier sei die Haushaltsführung, die Alleinerziehende vor große Herausforderungen stellt, zu nennen.

Des Weiteren stellt die Betreuung der Kinder und die Erwerbstätigkeit eine weitere Belastung dar, die Alleinerziehende nicht selten in Existenznöte geraten lässt. Zudem müssen sie oft um ihre Unterhaltsansprüche kämpfen und geraten bei Ausbleiben dieser in Finanznot.

Eigentlich sollte der Unterhaltsvorschuss entlasten, wenn Unterhaltsansprüche nicht vollumfänglich oder unregelmäßig gezahlt werden. Leider belastet die zunehmende Bürokratie, insbesondere bei unregelmäßigem Unterhaltsbezug, den Bezug dieser Leistungen. Deshalb fordern wir in unserem Antrag auch, dass bürokratische Hürden abgebaut werden sollen.

Grundsätzlich sollten familien- und kinderbezogene Leistungen unbedingt zusammengefasst werden, um sie transparenter und effektiver zu machen. Zudem könnte

man damit erheblichen Verwaltungsaufwand und Kosten sparen.

Sie sehen, dass hier Nachbesserungsbedarf besteht, und diesen möchten wir mit unserem Antrag zum Ausdruck bringen. Daraufhin, Herr Gebhardt: Es ist kein Plagiat. Aber darauf wird Ihre Fraktion noch einmal eingehen, und ich werde daraufhin gegenargumentieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Kollege Wendt hat die erste Runde für die einbringende AfD-Fraktion eröffnet. Es setzt die CDU-Fraktion fort, und das Wort hat jetzt Kollege Alexander Krauß.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn sich Partner trennen, dann führt das sehr häufig zu einem Rosenkrieg, der auf den Rücken der Kinder ausgetragen wird. Der Unterhalt wird nicht gezahlt, es wird zu wenig gezahlt und es wird nicht regelmäßig gezahlt.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat in diesem Monat eine Studie vorgelegt, nach der in drei von vier Fällen durch die Zahlung des Kinderunterhaltes der angemessene Bedarf nicht gedeckt wird, unter anderem weil es eine zeitliche Befristung gibt. Ich hätte mir übrigens gewünscht, dass die AfD stärker auf ihren Antrag eingeht – weil ich jetzt auf den Antrag eingehe – und nicht so allgemein spricht. Deshalb muss ich das jetzt ein wenig nachholen, denn man muss wissen, wie der Unterhaltsvorschuss funktioniert.

Der Unterhaltsvorschuss ist begrenzt. Er wird maximal sechs Jahre lang und maximal bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes gezahlt. Man kann in der Tat die Frage stellen: Wieso wird der Unterhalt nur bis zum zwölften Lebensjahr des Kindes gezahlt, wenn der Vater oder die Mutter, die das tun müssten, es nicht tun? Auch mit 13 oder 14 Lebensjahren hat ein Kind natürlich einen Bedarf, und dieser ist auf keinen Fall niedriger. Insofern ist es richtig, über dieses Thema zu sprechen.

Diese Woche konnte man in der Presse lesen, dass das Bundesfamilienministerium eine Ausweitung der Leistungen plant, sodass der Unterhaltsvorschuss bis zum 18. Lebensjahr des Kindes gezahlt wird, beginnend ab dem 01.01.2017. Entfallen soll auch die zeitliche Begrenzung auf sechs Jahre. Ich finde diese Initiative richtig und konsequent. Man kann auch sagen, dass sich der heute vorliegende Antrag damit eigentlich erledigt hat.

Was sich nicht erledigt hat, ist, dass man auch einmal über das Geld sprechen muss. Die Idee einerseits ist gut. Es wird auch in den Presseveröffentlichungen dieser Woche darüber informiert, dass der Bund mit Kosten von etwas über 100 Millionen Euro rechnet, ich vermute mal, allein für den Bund, der ja nur ein Drittel der Kosten deckt, und zwei Drittel der Kosten sind durch die Länder aufzubringen. Auch über diesen Punkt muss man natürlich reden, wenn man mit diesem Thema verantwortungsbewusst

umgeht. Insofern braucht es noch etwas Zeit, um dort Einvernehmen herzustellen.

Sie fragen unter anderem nach den Ursachen für die Nichtzahlung. Diese Frage kann man relativ leicht beantworten: Viele versuchen, dieses Geld einfach zu sparen. Das ist die schlichte Wahrheit. Sie sind nicht bereit, ihrem ehemaligen Lebenspartner Geld zu geben. Es gibt aber auch jene Fälle – das ist gar keine Frage –, die finanziell dazu nicht in der Lage sind. Es ist auch in Ordnung, wenn dafür der Staat einspringt.

Auf jeden Fall müssen wir die Rückholquoten deutlich erhöhen. Der Rechnungshof hat das den Kommunen im Freistaat Sachsen in seinem Jahresbericht 2012 deutlich ins Stammbuch geschrieben. Er hat insbesondere auf Leipzig verwiesen, das eine miserable Rückholquote hat. Ich finde, dass wirklich gehandelt werden muss und dass die Kommunen dort herangehen müssen; denn das ist das Geld der Steuerzahler. Es ist dafür zu sorgen, dieses Geld zurückzuholen. Der Staat kann nicht dulden, dass es Rabenväter gibt. Damit Frau Buddeberg zufrieden ist, sage ich, dass es auch keine Rabenmütter geben darf.

(Heiterkeit bei der CDU – Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE)

Das geht nicht. Jeder hat sich um seine Kinder zu kümmern und deshalb Unterhalt zu zahlen.

Zwischen den Bundesländern stellen wir sehr große Unterschiede fest. Man kann in der Heinrich-Böll-Studie von diesem Monat nachschlagen: Dort wird Bayern als Vorbild genannt – richtigerweise – mit einer Rückholquote von 36 %, während andere Länder wie Hamburg 14 % und Bremen 11 % haben, die dann am unteren Ende liegen.

Die Studie verweist auch auf Punkte, warum das so ist. Die Kommunen verzichten zum Beispiel darauf, wenn der Unterhaltspflichtige ins Ausland zieht, einmal nachzuschauen, ob man ihn nicht doch greifen kann. Man gibt sich zu wenig Mühe, den Aufenthaltsort festzustellen. Wenn Termine unbeachtet bleiben, so ist das folgenlos für denjenigen, der zahlen müsste. Es gibt keine konsequente und zeitnahe Titulierung und Vollstreckung des Unterhaltstitels. Man verzichtet auf Verzugs- und Stundungszinsen. In vielen Fällen sind die Mitarbeiter in den Kommunalverwaltungen überlastet. Man bräuchte dort mehr Mitarbeiter, um das Geld beizubringen.

Die Studie verweist auf ein sehr positives Beispiel in Bayern, das Landesamt für Finanzen, das sich dort mit diesen Spezialfragen beschäftigt. In der bayerischen Finanzverwaltung gibt es Spezialisten, die eingeschaltet werden, um knifflige Fälle zu lösen. Auch das halte ich für einen sehr überlegenswerten, guten Ansatz: wirklich zu schauen, wie es gelingen kann, mehr Geld zurückzuholen. Auch in diesem Punkt kann man von Bayern nur lernen.

Lassen Sie mich zum Schluss kommen. Im Ziel sind wir uns einig. Wir finden, es besteht derzeit eine Gerechtigkeitslücke. Sie hat aber auch etwas mit der Finanzierung

zu tun. Die Bundesregierung hat den Vorschlag gebracht, über den mit den Ländern diskutiert werden sollte, insbesondere auch mit Blick auf die Finanzierung. Aber es bedarf Ihres Antrags nicht und wir werden ihn deshalb ablehnen.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Nach Alexander Krauß spricht jetzt Frau Kollegin Lauterbach für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Natürlich, Herr Wendt, werde ich darauf eingehen. Die AfD legt heute einen Antrag vor, der bereits reichlich unrühmliche mediale Aufmerksamkeit hatte; und, Herr Wendt, Sie haben ein paar Pressemeldungen vergessen.

Es ist einfach nur peinlich, wenn Zeitungen drucken: „Neues Plagiat der AfD – Jetzt schreibt Petry schon von Gysi ab“. Sie schreiben es nicht nur ab, Sie lassen sich auch noch erwischen – und dann sollen wir zustimmen?!

(Zuruf von den LINKEN: Hört, hört!)

Unsere Bundestagsfraktion kümmert sich seit zehn Jahren darum, Alleinerziehende finanziell sicherer zu stellen.

(Carsten Hütter, AfD: Dann können Sie doch gleich zustimmen!)

Jetzt, da sich der Erfolg einstellt und sich alle Fraktionen des Bundestages einig sind, dass beim Unterhaltsvorschussgesetz nachgebessert werden muss, springen Sie auf den Zug auf, der schon fährt. Passen Sie auf, dass Sie sich nicht das Kinn dabei aufschlagen.

Zu unserer Großen Anfrage zur Situation von Familien mit Kindern in Sachsen in einer der letzten Plenardebatten haben auch Alleinerziehende eine große Rolle gespielt. Hierzu hatten Sie keinen Redebedarf; hierzu hatten Sie auch keine Meinung.

Werte AfD, Sie wollen Kinder gleichbehandeln? Sie wissen hoffentlich, dass das Unterhaltsvorschussgesetz auch für Menschen mit Migrationshintergrund gilt. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist nicht zwingend Voraussetzung. Nach § 1 Abs. 2 a Unterhaltsvorschussgesetz kann einen Antrag stellen, wer eine Aufenthaltserlaubnis hat, welche zur Erwerbstätigkeit berechtigt. Hierzu sollten Sie etwas sagen; hierzu sollten Sie Stellung beziehen.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Also nicht von den LINKEN abschreiben!)

Werte Abgeordnete, die Kosten des Unterhaltsvorschusses werden von Bund und Ländern getragen, die auf dem Weg des Rückgriffs versuchen, die vorgestreckten Mittel bei dem anderen Elternteil zurückzuholen. Das Risiko des Unterhaltsausfalls wird also auf den Staat verlagert. Ihr Punkt 2 ist also falsch.

Noch eine Pressemitteilung zum Schluss. „Die Welt“ titelt aus einem Entwurf eines Wahlprogrammes der Alternativen für Reiche – wie „Die Welt“ schreibt: „Eine staatliche Finanzierung des selbst gewählten Lebensmodells ‚Alleinerziehend‘ lehnen wir jedoch ab.“ Das, werte AfD, ist doch Ihre wahre Meinung.

Soll ich es noch einmal zusammenfassen?

(Zurufe von der AfD: Ja, bitte!)

Der Zeitpunkt Ihrer Initiative erscheint uns völlig konfus, weil, wie Sie wissen, gerade hierzu auf Bundesebene – auch durch die Anstrengungen meiner Bundestagsfraktion – einiges auf dem Weg zu sein scheint. Und, werte AfD, einem geistigen Diebstahl werden wir niemals zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Juliane Pfeil-Zabel, SPD)

Als Nächste hat Frau Kollegin Pfeil-Zabel für die SPD-Fraktion das Wort.