Zweitens zur Weiterbildung: Pro Einwohner werden in Sachsen derzeit 5,87 Euro für Weiterbildung finanziert. Im Bundesdurchschnitt liegt dieser Betrag bei 13,01 Euro. Wann und wie wollen Sie diese Benachteiligung der Weiterbildung in Sachsen beseitigen?
Frau Abg. Junge, zu Ihrer ersten Frage, warum Kinder, die nicht in den von mir genannten Kindereinrichtungen sind, keine Förderung erhalten. Die Förderung im Kitabereich ist ja über die kommunale Ebene gesichert und auch vom Umfang her bestimmt. Die Kinder mit Migrationshintergrund in unseren Kindereinrichtungen, das habe ich vorhin erwähnt – ich komme noch einmal auf meine Antwort von vorhin zurück –, integrieren sich sehr viel schneller und leicht in die Gruppe. Ich möchte diese Kinder nicht stigmatisieren, sondern im Gegenteil sie ganz normal in die Kitagruppe einordnen. Diese Kinder sind nicht die Problemkinder schlechthin, die eine besondere finanzielle Aufstockung nötig machen, in keiner Weise.
Wenn ich hier von Kindern in Kindereinrichtungen spreche, meine ich sowohl sächsische Kinder als auch zu uns gekommene Kinder, die eine besondere Förderung brauchen. Dort sind die Erzieherinnen und Erzieher, die wirklich eine sehr verantwortungsvolle und anspruchsvolle Arbeit leisten, gefragt. Sie müssen Unterstützung erhalten, damit sie ein Unterstützungssystem schaffen können, in das sie vor allem auch ehrenamtliche Kräfte in den Kommunen und die Eltern mit in ihre Arbeit einbeziehen. Das kann natürlich eine Erzieherin bzw. ein Erzieher im Rahmen der Gruppenarbeit nicht leisten. Hier sind kommunales Engagement und ehrenamtliches Engagement gefragt.
Zu Ihrer Weiterbildungsfrage: Sie haben eben die 5,87 Euro – ich habe mir das noch einmal mitgeschrieben – und die 13,01 Euro im Bundesdurchschnitt erwähnt. Wir haben einen sehr engagierten Landesbeirat für Erwachsenenbildung mit dem Vorsitzenden Herrn Maischner. Ich bin sehr, sehr oft mit Herrn Maischner im Gespräch, im Diskurs. Dabei kommt natürlich immer wieder die finanzielle Unterstützung zur Sprache, Frau Junge, und zwar berechtigt. Das ist die eine Seite, die Finanzen, die wir zur Verfügung stellen. Die sind übrigens nicht gering.
Die andere Seite ist, dass wir gemeinsam im Landesbeirat für Erwachsenenbildung genau hinschauen, worauf wir den Schwerpunkt der Finanzierung legen sollten, auf welche Angebote der Erwachsenenbildung – das ist ja ein lebenslanges Lernen, und das berührt ganz viele Bereiche, übrigens auch ganz viele Ressorts – wir den Schwerpunkt in der Finanzierung legen und wo es gegebenenfalls auch Doppelangebote oder andere Angebote gibt.
Ich nenne als Beispiel die Volkshochschulen: Sie sind eine sehr wichtige Säule unserer Erwachsenenbildung und werden auch immer besser angenommen. Ich freue mich
darüber, dass wir diesbezüglich im Freistaat Sachsen besser geworden sind. Wir haben mit der Beteiligung bei der Erwachsenenbildung von 2013 bis 2016 einen richtigen Sprung gemacht; das sagt der Bundesatlas dazu aus. Das heißt, dass Volkshochschulen solche Angebote, die in der Region für die Bevölkerung zum Beispiel über Sportvereine, über Musikvereine, Musikschulen etc. bereits existieren, nicht ebenfalls in ihr Angebot aufnehmen müssen.
Wir werden mit dem Landesbeirat für Erwachsenenbildung die Strukturierung der Angebote in dieser Richtung weiter diskutieren, obwohl es ihre Angelegenheit ist; denn ich habe immer ein Problem damit, wenn diese 5,87 Euro – Frau Junge – aufgeführt werden und die anderen Unterstützungsmaßnahmen, auch finanzieller Art, so separat stehen. Mir liegt an einer Verzahnung der Angebote der Erwachsenenbildung mit den Angeboten zum Beispiel von Vereinen, Verbänden, Organisationen. Wenn wir das miteinander gestalten, dann kommen wir sicher ein Stück voran.
Zum Abschluss, Frau Abg. Junge, sage ich Ihnen: Ja, hier werden wir sicher auch das Thema der Finanzierung nicht ad acta legen können, auch nicht mit der Beantwortung der Frage, die Sie mir gestellt haben, sondern es wird weiterhin ein Thema bleiben müssen.
Wir haben noch 2 Minuten und 38 Sekunden. – Herr Abg. Hösl für die CDU-Fraktion. – Wir schaffen das.
Vielen Dank, Herr Präsident! Frau Ministerin, Erwachsenenbildung ist bekanntlich ein weites Feld. Wie gestaltet sich das aktuelle Bild der Landschaft der Erwachsenenbildung im Freistaat Sachsen? – Und das in zwei Minuten.
Oh! – Frau Abg. Junge, jetzt kann ich – so wie ich geendet habe – gleich noch einmal auf meine Antwort eingehen.
Ich favorisiere – wenn ich von Erwachsenenbildung spreche und an meine Gespräche mit Herrn Maischner, dem Vorsitzenden des Landesbeirates für Erwachsenenbildung, denke – eine Verzahnung der Angebote. Bei der Frage, wie sich das aktuelle Bild darstellt, kann ich zu meinem Kollegen Herrn Dulig schauen: Sein Ressort ist zum Beispiel intensiv in der Erwachsenenbildung vertreten. Ich führe es einmal im Schnelldurchgang auf: In der
Erwachsenenbildung gibt es sogenannte Handlungsfelder und zum Beispiel berufsbezogene Weiterbildungsangebote: „Weiterbildungsscheck“ – SMWA, „JobPerspektive Sachsen“ – SMWA, Promotionsförderung – SMWK, Flüchtlinge, Asylbewerber – SMGI. Die Alphabetisierungskurse von KoAlpha sind übrigens eine ganz tolle Sache. Nicht, dass ich jetzt die Zeit damit totschlagen möchte, aber unsere KoAlpha-Stellen, die Alphabetisierungskurse anbieten, sind so top unterwegs; denn die Menschen outen sich doch nicht, aber sie gehen in zunehmendem Maße dorthin. Das ist ein sehr großes Handlungsfeld. Zur Sicherung der Weiterbildungsbeteiligung gibt es Publikationen, Veranstaltungen und Onlineauftritte.
Ich schaue wiederholt zum Kollegen Dulig, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten: Das Thema digitaler Ausbau, die Frage, wie wir digitale Weiterbildung anbieten, spielt für die ländlichen Regionen eine Rolle. Hierbei geht es um die Vernetzung. Das Umweltministerium ist mit der LEADER- und ESF-Förderung dabei. Dies ist ein sehr weites Feld, an dem wir in Zukunft noch vernetzter miteinander arbeiten möchten.
Ich komme noch einmal auf Frau Abg. Junge zu sprechen: Ich möchte mit dem Landesbeirat besprechen, wie wir alle diese Angebote –
Wir sind im Ländervergleich bereits gut unterwegs, aber dann sind wir es richtig gut. Wir stellen nicht die Finanzen an erste Stelle – sie sind wichtig –, sondern sagen, welche Angebote es insgesamt in Sachsen in den drei großen Städten und in den ländlichen Räumen gibt.
Meine Damen und Herren, die Zeitdauer der Befragung der Staatsminister ist abgelaufen. Herzlichen Dank, Frau Staatsministerin Kurth, auch dass sie so gelassen geblieben sind und wir alle nach diesem erschreckenden Geräusch im Saal gelassen geblieben sind. Die Lautsprecher haben sich entladen, und das klingt nun einmal so. Aber so ist das mit der Technik.
Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: Zunächst die Fraktion DIE LINKE, dann CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird.
Wir beginnen mit der Aussprache. Für die Fraktion DIE LINKE spricht Frau Abg. Buddeberg. Bitte sehr, Frau Buddeberg, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Ich habe zur Kenntnis genommen, dass es bei einzelnen Abgeordneten zu Irritationen geführt hat, dass ich auch in meinen Redebeiträgen geschlechtersensible Sprache verwende. Das mache ich natürlich ganz bewusst. Es ist nicht nur ein Statement, es ist auch eine Form der politischen Praxis. Ich bin aber ganz optimistisch, dass Sie sich auf Dauer daran gewöhnen werden.
Nun zum Thema. Um es gleich vorwegzunehmen: Ja, es gibt Kinderarmut in Sachsen. Das ist ein Problem, das wir nicht ignorieren dürfen und dem wir uns zuwenden müssen. Und trotzdem ist es nicht so einfach, sich mit dem Thema Armut auseinanderzusetzen. Es ist ein sehr vielschichtiges Phänomen. Deshalb ist eines absolut notwendig: eine differenzierte Betrachtung.
Ich möchte im Folgenden auf fünf Dimensionen von Armut eingehen und diese außerdem konkret auf Kinderarmut beziehen: Erstens. Armut ist relativ. Wenn wir den Begriff „Kinderarmut“ hören, dann haben wir vielleicht Straßenkinder aus Indien und halb verhungerte afrikanische Kinder vor Augen. Das ist auch wichtig, um sich zu vergegenwärtigen, dass wir in einer reichen Gesellschaft leben. Gemessen an Ländern, aus denen Menschen vor Armut und Hunger hierherkommen, die dann als Wirtschaftsflüchtlinge diffamiert werden, geht es hier allen gut. Niemand muss hungern. Aber im Umkehrschluss zu ignorieren, dass nicht alle gleichermaßen an diesem Reichtum teilhaben, wäre die falsche Schlussfolgerung.
Woran bemisst sich also Armut? Nach einer EUKonvention wird als Kriterium dafür festgelegt: Danach besteht Armut dann, wenn das Nettoeinkommen des Haushalts geringer als 60 % des mittleren Einkommens einer Region ist, also des Medians. Hier wird die Aussage, dass Armut relativ ist, wieder interessant. Betrachtet man nämlich nur den Landesmedian für Sachsen, scheint die Armut zu sinken – wie erfreulich.
Ganz anders sieht es aber aus, wenn man als Vergleich den Bundesmedian heranzieht, denn im Vergleich zu anderen Bundesländern sieht es in Sachsen nicht mehr so
rosig aus. Dieser Vergleich ist nicht nur zulässig, sondern er ist auch notwendig, um sich ein Bild von der Lage zu machen.
Zweitens. Armut betrifft Kinder. Wenn Kinder in Familien leben, die nur ein geringes oder kein Einkommen haben, dann sind diese Kinder von der Armut ihrer Eltern mitbetroffen. Das ist so trivial wie wahr. Aber es darf nicht unerwähnt bleiben, dass Kinder ein hohes Armutsrisiko sind. Zusammengefasst bedeutet das: Wer sich für Kinder entscheidet, geht nicht nur ein Risiko für sich selbst ein, sondern auch für die eigenen Kinder.
Das ist in ganz Deutschland so, Sachsen macht diesbezüglich keine Ausnahme. Das liegt nicht nur daran, dass Haushalte mit Kindern viel höhere Kosten haben. Vor allem liegt es nach wie vor an der unzureichenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb ist die Gruppe, die am stärksten davon betroffen ist, auch die der Alleinerziehenden. Im Jahr 2014 betrug die Armutsquote 47 %. Beinahe die Hälfte aller Alleinerziehenden gilt demnach als arm.
Die zweite davon besonders betroffene Gruppe ist die der kinderreichen Familien. Der Fakt, dass Kinder nach wie vor ein Armutsrisiko sind, führt zu einer weiteren Erkenntnis: Die Kinderarmutsquote liegt noch über der allgemeinen Armutsquote. Kinder sind also nicht nur von Armut betroffen, sie sind es sogar in besonders hohem Maß.
Drittens. Armut ist regional. Die Zahlen zeigen ganz deutlich, dass die Kinderarmutsquote regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Es wird wohl wenig überraschen, dass die Großstädte stärker betroffen sind als der ländliche Raum. Bekannt ist auch, dass Leipzig weiterhin den traurigen Titel als „sächsische Armutshauptstadt“ behält. Aber auch innerhalb der einzelnen Regionen sind die Einkommensverhältnisse sehr unterschiedlich ausgeprägt. Gerade aufgrund der steigenden Mieten kommt es in den Großstädten zur Entmischung der Stadtviertel. Das hat nicht nur Auswirkungen auf das soziale Gefüge der Stadt, es wirkt sich auch auf die entsprechenden Stadtteile aus und wird quasi zum Selbstläufer: Wo wenig zahlungskräftige Kundschaft ist, können sich weniger Läden halten. Auch das kulturelle Leben findet in erster Linie in den besseren Stadtteilen statt.
Um funktionierende Handlungsoptionen zu entwickeln, ist es notwendig, die regional unterschiedliche Ausprägung von Armut zu betrachten.
Viertens. Armut ist konkret. So wichtig die Statistiken sind, sie dürfen aber nicht dazu führen, dass wir das Thema Kinderarmut nur abstrakt betrachten. Viel konkreter wird der Blick auf die Situation, wenn wir uns die
UNICEF-Studie „Kinderarmut messen – Neue Rangliste der Kinderarmut in den reichsten Ländern der Welt“ aus dem Jahr 2012 anschauen. In dieser wird die ökonomische Lage von Kindern nicht einfach anhand der Einkommensarmut gemessen. Es werden außerdem umfassende alltägliche Entbehrungen von Kindern heran- und in die Analyse einbezogen. Dafür wurden 14 Punkte abgefragt.
Kinder gelten nach dieser Studie – weil sich ihre Eltern diese nicht leisten können – dann als arm, wenn ihnen mindestens zwei der folgenden Dinge fehlen: drei Mahlzeiten am Tag, täglich eine warme Mahlzeit, täglich frisches Obst und Gemüse, altersgerechte Bücher, Spielzeug für Aktivitäten im Freien, regelmäßige Freizeitaktivität – zum Beispiel im Sportverein –, mindestens ein altersgerechtes Spielzeug, Geld für Schulausflüge, ein ruhiger Platz zum Erledigen der Hausaufgaben, Internetanschluss, einige neue Kleidungsstücke – also nicht ausschließlich getragene –, zwei Paar Schuhe – eines davon wetterfest –, die Möglichkeit, ab und zu Freunde und Freundinnen einzuladen, die Möglichkeit, Geburtstage oder religiöse Feste zu feiern.
Das Ergebnis dieser Befragung ist: In Deutschland entbehrt nahezu jedes elfte Kind zwei dieser Dinge und ist somit von Armut betroffen. Ich möchte nochmals darauf hinweisen, dass Sachsen unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Die Situation ist hier vermutlich aber mindestens genauso prekär.
Fünftens. Armut hat Konsequenzen. Die meisten Menschen, die wenig Geld haben, träumen davon, einmal im Lotto zu gewinnen. Das ist so ein schöner Traum, mit einem Mal alle Sorgen los zu sein und in Saus und Braus zu leben. Aber einmal abgesehen davon, dass die statistische Wahrscheinlichkeit zu gewinnen sehr gering ist, ist es eine Illusion zu glauben, dass mit einem Schlag alles in Ordnung sei. Und das nicht, weil Geld allein auch nicht glücklich macht, sondern weil sich langfristig erlebte Armut langfristig auswirkt. Das gilt in besonderem Maße für Kinder.
Dass Armut ein großes Gesundheitsrisiko ist, dürfte inzwischen allgemein bekannt sein. Armut hat Auswirkungen auf die Ernährungssituation, auf das Freizeitverhalten, auf den Zugang zu Bildung, auch jenseits der Schule, auf soziale Kontakte. Kinder, die in Armut aufwachsen, haben also lange mit den Folgen zu kämpfen.