Marion Junge

Sitzungen

6/1 6/16 6/25 6/27 6/28 6/35 6/42 6/45 6/47 6/50 6/58 6/59 6/61 6/67 6/70 6/73 6/74 6/78 6/79 6/80 6/83 6/86 6/89 6/90 6/95

Letzte Beiträge

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Jede Person hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“ So ist das Petitionsrecht in der Sächsischen Verfassung verankert.
Im Jahr 2018 – wir haben es schon gehört – wurden 556 Petitionen an den Sächsischen Landtag eingereicht, 549 wurden durch den Petitionsausschuss behandelt. In sieben Fällen erfolgte eine Weiterleitung an den fachlich zuständigen Ausschuss.
In 57 % der Fälle beschloss der Ausschuss, der entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen besetzt ist, mehrheitlich, dass der Petition nicht abgeholfen werden könne. 54 Anliegen konnte abgeholfen werden, das heißt, dem Petitionsanliegen jedes zehnten Bürgers bzw. jeder zehnten Bürgerin wurde durch bestimmte Maßnahmen im Petitionsverfahren entsprochen.
Meine Fraktion DIE LINKE wiederholt ihre Forderung: Die Landespolitik muss sich mit den Anliegen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger tiefgründiger auseinandersetzen sowie deren Anregungen im Gesetzgebungsprozess umsetzen.
Insbesondere der Umgang mit Sammel- und Massenpetitionen sollte in der neuen Legislatur verbessert werden. Es reicht eben nicht aus, wenn zum Beispiel eine Sammelpetition für eine bewegte Schulzukunft unserer Kinder und Jugendlichen öffentlichkeitswirksam dem Präsidenten übergeben wird. Wenn im Januar 2019 dem Sportlehrer
verband Sachsen mit seinen 29 580 Unterstützerinnen und Unterstützern dann aber schriftlich mitgeteilt wird, der Petition könne nicht abgeholfen werden, erzeugt das Frust und Ablehnung.
Die Regierungskoalition sollte sich den Anliegen der Petentinnen und Petenten stärker zuwenden, aktiv werden und die jeweiligen Gesetze und Richtlinien zeitnah modernisieren, wenn dies sinnvoll und erforderlich ist, aber nicht Gesetzesinitiativen am Ende der Regierungszeit noch im Hauruckverfahren zu beschließen.
Die tragische Petition des Jahres 2018: Die Schließung der Natur- und Umweltschule in Dresden im Jahr 2018 ist aus Sicht der Fraktion DIE LINKE ein völliges Desaster. In Zeiten des Lehrermangels und fehlender Schulen ist dies ein Scheitern von Schulverwaltung, Landesregierung und Landtagsmehrheit im Umgang mit dieser freien Alternativschule. Mit gutem Willen und wirklicher Unterstützung durch die damalige Bildungsagentur und das Kultusministerium war eine Lösung für das reformpädagogische Konzept durchaus möglich. Diese Schule erhielt eine Vielzahl von Auszeichnungen für ihre pädagogische Arbeit. Sie war Vorreiter für alternative Schulkonzepte und Vorbild für staatliche und freie Schulen mit ökologischen Entwicklungs- und Bildungszielen. Das Kultusministerium und Sie als Abgeordnete der Regierungskoalition haben das Ende der Natur- und Umweltschule mit zu verantworten.
Drittes Beispiel: Steinbruch Pließkowitz. Die Bürgerinitiative „Steinbruch Pließkowitz“ in Malschwitz kämpft seit Jahren gegen die Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen, verursacht durch die Intensivierung und Erweiterung des Granodiorit-Tagebaus Pließkowitz in der Gemeinde Malschwitz. Eine Vielzahl an Forderungen und Vorschlägen wurde im Petitionsverfahren von 2017 bis 2019 eingebracht. Zwei Ortstermine mit konkreten Festlegungen wurden durch die beiden Berichterstatter angeregt und mit einer Vielzahl von Verantwortlichen aus den Ministerien und Behörden organisiert.
Letztendlich gibt es nur kleine Maßnahmen – so wurden Staubniederschlagsmessungen durchgeführt und das
Staubminderungskonzept erstellt. Den großen Problemen wie Steinbrucherweiterung, Schwerlastverkehr, hohe Lärm- und Staubbelastungen, häufige Sprengungen und Schäden an Gebäuden oder zunehmende Krebserkrankungen wurde durch die Petition nicht abgeholfen. Diese Petition wurde der Staatsregierung zur Berücksichtigung überwiesen sowie an den Bundestag weitergeleitet. Was heißt das nun? Wird die Staatsregierung mit ihren Ministerien und Behörden an mittel- und langfristigen Lösungen der Probleme arbeiten? Ich hoffe doch.
Solche komplexen Petitionen benötigen aufgrund der Vielzahl von Problemen einen zusätzlichen Ansprechpartner oder eine zusätzliche Ansprechpartnerin, der oder die schrittweise die Problemlagen lösungsorientiert bearbeitet. Die Staatsregierung mit ihren Ministerien und Mitarbeitern muss in Zusammenarbeit mit dem Landtag Lösungen für die Probleme vor Ort finden.
Meine Fraktion DIE LINKE fordert seit Jahren, das Petitionsrecht aus dem Jahr 2008 zu modernisieren. Wir haben das heute schon von Frau Dietzschold gehört. Gemeinsam haben wir im vergangenen Jahr die Diskussion in den Fraktionen und im Petitionsausschuss geführt. Der Petitionsausschuss hat im Februar 2019 nach einer fast einjährigen Diskussion Eckpunkte für die Modernisierung des Petitionswesens beschlossen. Die vereinbarten Schritte sind wichtig, aber überschaubar und kurzfristig. Frau Dietzschold hat die wesentlichen Punkte vorgestellt, die jetzt kurzfristig umsetzbar sind.
Es ist gut, dass die Landtagsverwaltung stärker und auch in sorbischer Sprache über die Arbeit des Petitionsausschusses informieren soll und dass es ein datenschutzrechtliches Musterformular für Sammel- und Massenpetitionen geben wird. Es ist auch vernünftig, dass es keine Zeichenbegrenzung mehr für online eingereichte Petitionen geben soll. Wir bleiben aber dabei: Das Petitionsgesetz und die Geschäftsordnung des Landtages müssen geändert werden. Sonst ist keine ernsthafte Reform denkbar.
Die Landespolitik muss sich mit den Anliegen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger tiefgründig auseinandersetzen und deren Anregungen – ich wiederhole noch einmal – im Gesetzgebungsprozess umsetzen. So erinnere ich an unsere neun Vorschläge, die wir im September 2018 in die Diskussion eingebracht haben. Ich kann sie aus Zeitgründen hier nicht noch einmal vorstellen, sondern möchte nur drei wesentliche Forderungen darstellen, die in der nächsten Legislaturperiode aus unserer Sicht dringend notwendig umgesetzt werden müssen.
Vorschlag eins: Wie im Bundestag müssen aus unserer Sicht Petitionen in Zukunft öffentlich behandelt werden.
Vorschlag zwei: Wie in Thüringen soll es einen Härtefallfonds zur Unterstützung bei Notfällen geben, wenn eine besondere wirtschaftliche Notlage besteht und staatliche Hilfen nicht mehr möglich sind.
Der dritte der neun Vorschläge, der uns auch besonders wichtig ist: Der Landtag sollte einen Bürgerbeauftragten oder eine Bürgerbeauftragte zur Ergänzung des Petitionswesens wählen. Der Bürgerbeauftragte ist eine unabhängige, mit Ansehen und Autorität versehene Anlaufstelle für alle, die Entscheidungen des Staates hinterfragen oder erklärungsbedürftig finden. Der Bürgerbeauftragte sollte die Nahtstelle zwischen Parlament, Verwaltung und Bürgerinnen und Bürgern sein. Er oder sie ist Mediator, hilft den Rat suchenden Menschen und baut Kommunikationsbarrieren und Konflikte ab. Deshalb finden wir, dieser unkomplizierte Zugang zum Bürgerbeauftragten schafft Bürgernähe, baut Petitionen ab, die zum Teil konfliktreich sind, und stärkt die Demokratie.
Ich bedanke mich auch im Namen der Linksfraktion für die gute konstruktive Arbeit hier im Petitionsausschuss. Ich habe in den vergangen fünf Jahren viel gelernt, insbesondere, dass die Zusammenarbeit auch parteiübergreifend funktionieren kann. Herzlichen Dank an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Petitionsdienstes
und der Landtagsverwaltung für die umfangreiche Arbeit und die Stellungnahmen. Wir konnten uns mit vielen Fragen und Anliegen an die Verwaltung wenden und erhielten meist detaillierte Informationen zur jeweiligen Petition.
Vielen Dank auch für die gute Zusammenarbeit mit meinen Kolleginnen und Kollegen Obleuten – Frau Dietzschold, Frau Schubert und Herrn Vieweg – und ein großes Dankeschön an unsere Ausschussvorsitzende, Frau Kerstin Lauterbach. Im Namen der Abgeordneten des Petitionsausschusses wünsche ich dir, liebe Kerstin, weiterhin alles Gute, viel Gesundheit und viel Freude in der Zeit nach dem Sächsischen Landtag. Alles Gute!
Sehr geehrter Herr Präsident, ich möchte ebenfalls eine persönliche Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgeben. Ich habe gegen das Polizeigesetz gestimmt, weil ich möchte, dass Menschen keine Angst vor der Polizei haben. Unter dem Deckmantel der Kriminalitätsbekämpfung wird umfassend in unsere Freiheits- und Bürgerrechte eingegriffen.
Ich weise nochmals darauf hin: Über 21 000 Menschen haben sich mit der Petition „Grundrechte schützen – Neues Polizeigesetz in Sachsen verhindern!“ an den Sächsischen Landtag gewandt. Bis zum heutigen Tag wurde diese Petition nicht an den Petitionsausschuss weitergeleitet. So geht man mit Bürgeranliegen nicht um!
Das neue Polizeigesetz schränkt unsere Freiheitsrechte durch die Legalisierung der Telekommunikationsüberwachung massiv ein. Die geplante Ausweitung der Videoüberwachung einschließlich der Gesichtserkennung und eine zunehmende Militarisierung der Polizei lehne ich entschieden ab. Wer eine bürgerfreundliche Polizei will, konnte diesem Gesetz heute nicht zustimmen.
Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatsminister! Ich habe eine Frage zur Zielformulierung im Gute-Kita-Gesetz. Der Bund hatte zwei Ziele formuliert: einmal die qualitative Verbesserung der Kita-Betreuung und zum anderen die Entlastung der Eltern. Gibt es seitens der Staatsregierung, vor allem zum zweiten Ziel, Vorstellungen und, wenn ja, welche?
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE hat mit dem Verfahren und der Beschlussempfehlung, dass der Petition nicht abgeholfen werden kann, auch erhebliche Probleme. Unser abweichendes Abstimmungsverhalten möchte ich kurz erklären.
Die Petenten haben den Wunsch geäußert, den Weiterbetrieb der Natur- und Umweltschule in Dresden durch eine staatliche Förderung zu ermöglichen. Diese Petition ist eine Sammelpetition und wurde von 3 456 Unterstützerinnen und Unterstützern eingereicht. Die freie Grundschule erhielt die Betriebserlaubnis für das Schuljahr 2012/2013 mit der Auflage – das haben wir schon gehört –, das pädagogische Konzept bis Januar 2013 zu überarbeiten. Das pädagogische Konzept wurde eingereicht, musste jedoch immer wieder aus Sicht der Schulbehörde nachgebessert werden.
Die endgültige Genehmigung der reformpädagogischen Grundschule wurde durch das Kultusministerium nicht erteilt, unter anderem mit der Begründung – ich zitiere –: „Es ist nicht feststellbar, ob der Unterricht zu mehr als
50 % auf Natur und Umwelt ausgerichtet ist.“ So steht es im Änderungsbescheid der Sächsischen Bildungsagentur vom 22. August 2013.
Der Schulbetrieb wurde nach langen und zähen Verhandlungen zum Ende des Schuljahres 2017/2018 eingestellt.
Herr Minister, das Sächsische Oberverwaltungsgericht bestätigte im Mai 2018 die Rechtsauffassung der Schulaufsichtsbehörde, dass die Schule nicht genehmigungsfähig ist.
Ich möchte noch einmal daran erinnern: Im Sommer 2015 urteilte das Verwaltungsgericht Dresden, dass die zu erfüllenden Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen, die Genehmigungsfähigkeit der NUS gegeben und die Behörde unter der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtes Dresden die NUS neu zu bescheiden sei. Dagegen ging die Kultusbehörde vor. Sie ging in Berufung und hat jetzt das Ergebnis – ich sage es einmal aus meiner Perspektive, genauso wie Frau Zais –: keine Genehmigungsfähigkeit für die NUS.
Was ist das für ein Armutszeugnis für behördliches Handeln? Ich bin über diese engstirnige Haltung und Auffassung der Sächsischen Bildungsagentur, des Landesamtes für Schule und Bildung und des Kultusministeriums mit Herrn Piwarz an der Spitze wirklich entsetzt.
In Zeiten von Lehrermangel und fehlenden Schulen – besonders in Dresden – habe ich es nicht für möglich gehalten, dass diese gut funktionierende, voll ausgelastete und anerkannte Schule geschlossen wird.
Die NUS erhielt eine Vielzahl an Auszeichnungen für ihre pädagogische Arbeit.
Im April 2018, Herr Schreiber, erhielt die NUS unter anderem einen Bundespreis, und zwar eine Auszeichnung als Ressourcenschule mit der höchsten Stufe: „Wir sind Vorbild!“
Dennoch teilte das Kultusministerium im Juni 2018 öffentlich mit: Die Natur- und Umweltschule in Dresden muss schließen. Es gibt keine Möglichkeit für den Erhalt der freien Grundschule.
Ich sage es noch einmal: Die Schließung einer sehr beliebten und anerkannten freien Grundschule in Zeiten von Lehrer- und Schulmangel ist Staatsversagen auf ganzer Linie.
Das Kultusministerium mit seinen Behörden hatte die Möglichkeit, in den vergangenen sieben Jahren mit dem Schulträger eine Lösung im Sinne der Kinder, der Eltern und der Lehrer zu finden, und das hat es nicht getan.
Die Aufgabe der Bildungsagentur ist es nicht, gegen die Schule zu arbeiten, sondern ihre Aufgabe ist es, deren pädagogische Tätigkeit zu unterstützen und ihnen entsprechende Entwicklungsmöglichkeiten zu geben.
Diese Schule ist – jetzt muss ich leider sagen: war – ein Vorreiter für alternative Schulkonzepte und auch Vorbild für staatliche und freie Schulen mit ökologischen Entwicklungs- und Bildungszielen.
Aus heutiger Sicht und trotz des Urteils besteht immer noch die Möglichkeit einer konstruktiven Lösung für die Natur- und Umweltschule Dresden, wenn dies wirklich gewollt ist.
Ich möchte zum Abschluss – für Sie, Herr Schreiber, und andere Mitglieder der CDU-Fraktion zum Nachdenken – noch einmal aus dem Sachverständigengutachten von Dr. Reiner Brinkel aus dem Jahr 2018 zitieren – das war das andere Gutachten –: „Insgesamt ist die Dresdner Natur- und Umweltschule viel zu bedeutsam und für die in ihr lernenden Kinder dermaßen nützlich, als dass ihr die Legitimation ihrer Praxis entzogen werden dürfte.“ – Genau das haben Sie getan.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Ich bitte nun Frau Kollegin Friedel um die Stellungnahme der SPDFraktion. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ja, der Sportlehrerverband Sachsen kritisiert die geplanten Kürzungen in den Stundentafeln in den Fächern – wir haben es gehört – Sport, Kunst und Musik, hauptsächlich natürlich im Sportbereich, und hebt die positiven Effekte von Sport und Bewegung für Kinder und Jugendliche in seiner Petition deutlich hervor. Ich zitiere: „Insbesondere die massive Kürzung im Sportunterricht entfalte eine fatale Signalwirkung in einer zunehmend digitalisierten und verkopften Gesellschaft.“
Das ist dieser Anspruch, den sie haben, und den unterstützen wir als Fraktion DIE LINKE natürlich auch.
Die Petition ist von vielen unterstützt worden, Frau Zais hat es gesagt. Ich habe jetzt noch einmal die genaue Zahl herausgefunden. Es sind 29 580 Bürgerinnen und Bürger, die dieses Anliegen massiv unterstützen. Deswegen ist es schon schwierig, wie sich der Petitionsbericht in dieser – sage ich mal – aus meiner Sicht sehr lapidaren Art und Weise mit dem Thema auseinandersetzt. Ich finde es sehr schade, weil die Petenten sich wirklich sehr viel Mühe gemacht haben, in der Öffentlichkeit ihr Anliegen darzustellen, sowohl in der Presse als auch hier im Landtag mit der öffentlichen Übergabe der Petition an den Landtagspräsidenten, wo alle Abgeordneten, die anwesend waren, das Anliegen zumindest positiv aufgenommen haben und sagten, wir müssen dort eine Lösung finden. So habe ich es zumindest gesehen. Davon ist leider im Petitionsbericht nicht mehr viel übrig geblieben.
Bewegungsmangel und dauerhaftes Sitzen verursachen zunehmende Beeinträchtigungen und Erkrankungen. Das ist ein Gesundheitsaspekt, der in den beiden Redebeiträgen vorher noch nicht so sichtbar geworden ist. Deshalb möchte ich es noch einmal deutlich machen. Im Lehrplan sind ganz wichtige Elemente für alle Schüler festgehalten, die umzusetzen sind. Wenn Herr Bienst sagt, wir bieten für die dritte Sportstunde als Alternative GTA an, dann ist das nicht der Breitensport, der für alle Schüler zur Verfügung steht. GTA im Sportbereich ist eingeschränkt für eine Gruppe, meistens 16 bis 20 Schüler, und die anderen orientieren sich in anderen Bereichen. Oftmals ist es so, dass zu GTA im Sportbereich gerade die sportaffinen Schüler gehen, die sowieso gern Sport machen. Aber was machen wir mit dem Großteil der Schüler, die nicht gern Sport machen und lieber den ganzen Nachmittag zu Hause herumsitzen? Das ist das eigentliche Problem. Im Unterricht erreicht man alle Schüler, das erreicht man mit anderen Angeboten in der Breite überhaupt nicht.
Vielleicht noch einmal zum Gesundheitsaspekt. In einer Gesellschaft, in der ein Großteil der Bevölkerung übergewichtig ist und unter Bewegungsarmut leidet, kommt es darauf an, dem so früh wie möglich entgegenzuwirken. Der Grundstein für die Gewichtsentwicklung im Erwachsenenalter wird in den Kindertagen, in den Kindertagesstätten und in den Schulen gelegt. Kurz und gut: Sportli
che Betätigung stärkt nicht nur die Physis, sondern auch die Psyche des Menschen und sein Sozialverhalten. Deswegen kann ich die Antwort im Petitionsbericht überhaupt nicht nachvollziehen, zu sagen, wir wollen damit die Unterrichtsbelastung der Schüler verringern. Das ist falsch. Es ist folglich völlig kontraproduktiv, die sogenannte Unterrichtsbelastung durch Kürzung im Sportunterricht und in den persönlichkeitsbildenden Fächern Kunst und Musik zu verringern.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Frau Junge, die Zeit ist abgelaufen.
Ich sage jetzt noch einen letzten Satz.
Das Gegenteil ist der Fall: Bewegung, Sport, Kunst und Musik dienen der Entspannung und wirken natürlich dann auch entlastend. Das sollte man hier unbedingt berücksichtigen.
Amt. Präsident Thomas Colditz: Danke schön. Es folgt die SPD-Fraktion; Frau Friedel, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! In den heutigen Unterlagen befindet sich die Petition 06/02407/4 zum Thema „Zusätzliches Personal für Kitas bei erhöhtem Migrantenanteil“. Eine Kita mit 70 Kindern bittet um Unterstützung. Insgesamt 26 Flüchtlingskinder aus zehn Nationen, neun Kinder mit Behinderung und 26 Kinder mit erheblichen Lebens- und Lernschwierigkeiten stellen die dort tätigen Erzieherinnen und Erzieher vor eine große Herausforderung.
Die AWO als Träger hat die Stadt um Hilfe gebeten und eine zusätzliche pädagogische Fachkraft über den Personalschlüssel hinaus beantragt. 61 von 70 Kindern haben einen erhöhten Unterstützungs- und Betreuungsbedarf. Die Erzieherinnen und Erzieher sehen sich wegen des Mehraufwandes nicht in der Lage, den gesetzlichen Bildungsauftrag laut Sächsischem Bildungsplan für alle Kinder in dieser Einrichtung umzusetzen.
Die handelnde Stadtverwaltung teilte im September 2017 dem freien Träger mit, dass kein erhöhter Betriebskostenzuschuss gewährt wird. Der Träger wandte sich an den
Landkreis und an das sächsische Landesjugendamt mit der Bitte um Unterstützung.
Am 1. Februar 2018 fand in der Kita eine Beratung mit Vertretern dieser Behörden statt. Dem Träger wurde empfohlen, im Rahmen der Betriebskostenvereinbarung mit der Kommune darauf hinzuwirken, dass die Mehrkosten für Personal entsprechend erstattet würden.
Das Landesjugendamt teilte in seinen Stellungnahmen mit, dass sich die Situation in der Kita tatsächlich so darstelle, dass die Kita von ungewöhnlich vielen Kindern mit Migrationshintergrund besucht werde und dass ein Mehrbedarf an Personal als begründet angesehen wird.
Im März 2018 wandte sich der Träger mit der Schilderung der weiterhin ungeklärten Problemlage an das Kultusministerium. Das SMK bestätigte die Darstellung der Rechtsauffassung vom 19. Januar 2017 und ergänzte, dass die Abweichung vom Regelpersonalschlüssel bei einem hohen Anteil an Migrationskindern in der Kita als begründet eingeschätzt wird.
Der Landkreis bestätigte ebenfalls die Darstellung des Trägers. Ein Gespräch zwischen dem Jugendamt und der Stadt fand Ende Februar 2018 statt. Das Ergebnis – ich zitiere –: „Die Stadt sehe aufgrund der derzeitigen Haushaltslage keine Möglichkeit einer zusätzlichen Finanzierung von zusätzlichen Personalkosten.“
Der Träger hat sich mit seinem berechtigten Anliegen in einer Petition an den Sächsischen Landtag gewandt und bittet um Unterstützung. In der vorbereiteten Antwort steht nun, dass der Kita nicht geholfen werden könne.
Ich sehe das anders und denke, im Interesse der 70 Kinder in dieser Kita muss schnellstmöglich eine Lösung gefunden werden. Seit über einem Jahr versucht der Träger das Problem der fehlenden Personalfinanzierung in dieser Willkommens-Kita zu thematisieren, aber ohne Erfolg. Die Kita ist in der genannten Stadt eine Schwerpunkt-Kita für die Unterbringung von Kindern aus Flüchtlingsfami
lien. Das dort angewandte pädagogische Konzept der Willkommens-Kita wird seit fünf Jahren angewandt und wertgeschätzt.
Mit dem „Programm Willkommens-Kita“ werden pädagogische Fachkräfte für ihre Arbeit mit Kindern aus geflüchteten Familien gestärkt. Das Programm umfasst eine Begleitung vor Ort, den praxisnahen Austausch im Netzwerk und Fortbildungen für die pädagogischen Fachkräfte. Für den erheblichen Mehraufwand – zum Beispiel für die Aufnahme und Elterngespräche mit Sprachmittlern, für Sprachförderung, für interkulturelles Arbeiten mit Kindern, für den Umgang mit Traumata und vieles andere mehr – fehlt jedoch die personelle Ausstattung.
Ich frage Sie deshalb: Wie sollen Kitas mit mehreren Migrationskindern diese zusätzlichen Aufgaben so nebenbei bewältigen? Das „Programm Willkommens-Kita“ soll in Sachsen bis 2020 ausgebaut werden. Das ist gut; jedoch benötigen die Willkommens-Kitas dringend eine verbindliche finanzielle Unterstützung für zusätzliches pädagogisches Personal.
Im Bericht zur vorliegenden Petition wird das Problem wie folgt benannt: „Das SächsKitaG und die dazu erlassenen Rechtsverordnungen enthalten keine Maßgabe, wonach bei der Aufnahme von Kindern mit Migrationshintergrund verpflichtend zusätzliches pädagogisches Personal einzusetzen ist, wie etwa bei der Aufnahme von Kindern mit Behinderung und Anspruch auf Eingliederungshilfe.“
Wir als sächsischer Gesetzgeber könnten das Problem also lösen, indem wir für Willkommens-Kitas gesetzlich regeln, dass auch Kinder mit Migrationshintergrund einen Anspruch auf Förderung haben und somit mehr Personal vorzusehen ist.
Die Fraktion DIE LINKE stellt deshalb den Antrag, die Beschlussempfehlung wie folgt zu ändern: Die Petition wird der Staatsregierung zur Veranlassung bestimmter Maßnahmen überwiesen. Eine Abgeltung des zusätzlichen Aufwands für Kinder mit Migrationshintergrund aufgrund des Mehrbedarfs an Personal ist ab 2019 sicherzustellen.
Wir bitten um Unterstützung und Zustimmung für diesen Antrag.
Vielen Dank. – Herr Bienst, sehen Sie keine strukturellen Probleme hinsichtlich der Willkommens-Kitas? Das ist ja nur ein Beispiel.
Ja, vielen Dank. Die Kitabetreuung ist sicherlich kommunale Pflichtaufgabe, nur hat der Freistaat Sachsen auch das Modellprojekt „Willkommens-Kita“ initiiert und auch praktiziert. In all diesen Einrichtungen gibt es personelle Probleme aufgrund der zusätzlichen Aufgaben, die mit Migrationskindern verbunden sind. Deswegen stimme ich Ihnen nicht zu, Herr Bienst, dass es nur eine kommunale Aufgabe sei, sondern das Projekt „Willkommens-Kita“ hat der Freistaat Sachsen entsprechend mit Sachkosten ausgestattet. Er hat es aber nicht mit Personalkosten ausgestattet, und das ist das eigentliche Problem.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im vergangenen Jahr wurden 526 Petitionen eingereicht. Frau Dietzschold hatte das schon in ihren Ausführungen genannt. Wir haben im Petitionsausschuss 438 Petitionen behandelt.
Durchschnittlich hat jede Abgeordnete und jeder Abgeordnete des Petitionsausschusses – wenn man eine Gleichverteilung annimmt – circa 16 Petitionen im Jahr bearbeitet. 54 Petitionen konnte abgeholfen werden. Das heißt, dem Petitionsanliegen wurde durch bestimmte Verwaltungsmaßnahmen entsprochen. Diese Maßnahmen wurden durch das Petitionsverfahren beeinflusst.
In 313 Fällen konnte der Petition aber nicht abgeholfen werden. 71 % der Petenten erhielten im Jahr 2017 die Beschlussempfehlung „Der Petition kann nicht abgeholfen werden.“ Seit vielen Jahren – ich arbeite im Petitionsausschuss erst seit dem Jahr 2014 mit – gibt es dieses Arbeitsergebnis schon. Circa 30 % der beschlossenen Petitionen waren ganz oder teilweise nur erfolgreich. Das heißt umgekehrt: Zu 70 % in diesem Jahr – 2017 waren es 71 % – konnte den Petitionen entsprechend nicht abgeholfen werden. Dieses Arbeitsergebnis muss unbedingt verbessert werden. Die Landespolitik sollte sich mit den Anliegen und Forderungen der Bürgerinnen und Bürger inhaltlich tiefgründiger auseinandersetzen sowie einzelne Anregungen im weiteren parlamentarischen Gesetzgebungsprozess diskutieren und umsetzen.
Ich möchte zwei Beispiele darstellen. Erstes Beispiel: Seit über zwei Jahren warteten die Petenten der Sammelpetition zur Verbesserung der Rahmenbedingungen und des Personalschlüssels in sächsischen Kitas auf eine Antwort. Über 6 000 Petenten hatten diese sechs verschiedenen Petitionen eingereicht. Ihre Forderungen waren – ich bitte darum, einmal richtig zuzuhören – Verbesserung bzw. deutliche Absenkung des Personalschlüssels in allen Kindertageseinrichtungen, Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit – Urlaub, Krankheit, Weiterbildungszeit gehören in die Berechnung des Personalschlüssels hinein – und eine bessere Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher. Auszubildende, Quereinsteiger oder Personen in berufsbegleitender Erzieherausbildung sollten nur als zusätzliche Hilfe ohne Anrechnung auf den Personalschlüssel entsprechend einzusetzen sein.
Ich mache es etwas konkreter: Die Petenten der Sammelpetition 05/04821/4 forderten zum Beispiel sehr konkret die Verbesserung des Personalschlüssels in Kindertageseinrichtungen in Stufen: in der Krippe auf 1 : 4, im Kindergarten auf 1 : 10 und im Hort auf 1 :16. Zusätzlich sollen 20 % der jährlichen Arbeitszeit für Vor- und Nachbereitung zur Verfügung stehen. Weitere Forderungen: für 100 Kita-Plätze sollte es eine freigestellte Leiterin geben. Eine Fachberaterin soll für maximal 30 vollzeitbeschäftigte pädagogische Fachkräfte zuständig sein.
All diese Forderungen der Petenten mit diesen Sammelpetitionen erhielten ähnlich lautende Antworten mit der Beschlussempfehlung: „Der Petition wird abgeholfen.“ Wir forderten die Koalition im Petitionsausschuss und auch im Plenum auf, den Petenten eine ehrliche Antwort zu geben, warum den Petitionen derzeit nicht oder nur teilweise abgeholfen werden kann. Die Koalitionsmehrheit hat es jedoch anders entschieden. Klar, die Mehrheit kann es so entscheiden, aber mit welchen Auswirkungen?
Mit solchen schön gefärbten Beschlussempfehlungen werden Frust und Ablehnung erzeugt. Die Petenten fühlen sich von der Landespolitik nicht ernst genommen und wenden sich im schlimmsten Fall von der Politik ab. Eine ehrliche Antwort, dass die berechtigten Anliegen derzeit nur in kleinen Schritten lösbar sind und ihnen nicht vollumfänglich abgeholfen werden kann, ist aus meiner Sicht viel zielführender und sollte durch die Koalition in Zukunft umgesetzt werden.
Zweites Beispiel: Mehrere Petitionen im Jahr 2017 gab es zum Thema Arbeitsbefreiung für Weiterbildung bzw. Bildungsurlaub. Die Koalition, insbesondere die CDU, muss ernsthaft darüber nachdenken, ob sie ihre immerwährende ablehnende Haltung hinterfragen sollte. Die vertretene Position nur aus unternehmerischer Sicht nicht zuzulassen ist wenig hilfreich für den Petenten, weil die Qualifizierung der Beschäftigten eine wesentliche Rolle spielt.
Ich möchte nur eine kurze Antwort geben, die so standardisiert zum Thema Bildungsurlaub beantwortet wird. Ich zitiere: „Eine gesetzliche Regelung zum Bildungsurlaub wird als Eingriff in die unternehmerische Freiheit und persönliche Eigenverantwortung betrachtet. Dies würde insbesondere die von der Wirtschaft ohnehin als zu hoch angesehene staatliche Reglementierung weiter erhöhen. Die Sächsische Staatsregierung arbeitet an der Reduzierung von Vorschriften, Gesetzen und Verordnungen, um Ansiedlung und Fortentwicklung von Unternehmen zu befördern.“
Der Petition kann nicht abgeholfen werden. Die Sicht und das berechtigte Anliegen der Beschäftigten auf gesetzliche Regelungen für Weiterbildung bleiben in einer solchen Antwort völlig unberücksichtigt. Das Thema Bildungsurlaub oder Bildungszeit muss zukünftig gesetzlich geregelt werden. Dazu hatten wir gestern und im Juni eine Debatte. Ich finde, die Koalition sollte sich dazu langfristig oder kurzfristig verständigen.
Zum Schluss möchte ich auf die im Jahr 2017 begonnene Diskussion zu den Verbesserungsvorschlägen zum Petitionsverfahren eingehen. Es ist gut und richtig, wenn wir uns als Obleute dazu verständigen und in unseren Fraktionsarbeitsgremien damit befassen. Leider gab es keine Diskussion. Die sollte noch stattfinden. Zumindest hat meine Kollegin Frau Lauterbach dargestellt, dass es im Prinzip noch eine Verständigung im Petitionsausschuss zu geben hat.
Wenn wir ernsthaft das Petitionsrecht und Petitionsverfahren verbessern wollen, müssen wir miteinander parteiübergreifend ins Gespräch kommen. Wir als Fraktion DIE LINKE haben neue Vorschläge zur Verbesserung des Petitionsrechts eingebracht. Alle kann ich aus Zeitgründen nicht vorstellen. Ich möchte mich auf drei beschränken.
Erstens die Einführung und Behandlung von öffentlichen Petitionen analog des Verfahrens im Bundestag: Mit dieser Möglichkeit soll ein öffentliches Forum zur sachlichen Diskussion wichtiger allgemeiner Anliegen geschaffen werden. Das würden wir uns wünschen. Das haben
wir schon im vergangenen Jahr deutlich im Petitionsbericht formuliert.
Zweitens Einrichten eines Härtefallfonds zur Unterstützung bei außergewöhnlichen Notfällen: Der Petitionsausschuss im Thüringer Landtag vergibt Mittel aus dem Härtefallfonds, wenn eine besondere wirtschaftliche Notlage vorhanden ist und staatliche Hilfen nicht mehr greifen. Das wäre eine wichtige Maßnahme, die wir uns in Sachsen vorstellen könnten.
Drittens: Die Einrichtung eines vom Parlament gewählten Bürgerbeauftragten halten wir für sinnvoll und notwendig. Die Bürgerbeauftragten ergänzen das Petitionswesen und tragen zur Verbesserung der Bürger-Staat
Kommunikation bei. Sie helfen den betroffenen, Rat suchenden Menschen, kontrollieren damit das exekutive Handeln und schützen die Behörden vor ungerechtfertigten und überzogenen Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zur Qualitätsentwicklung von Verwaltung.
Auf der Länderebene gibt es mittlerweile in fünf Bundesländern Bürgerbeauftragte, die zu einem zeitgemäßen Beschwerde- und Konfliktmanagement beitragen. Auch das würden wir uns für Sachsen wünschen. Das alles und noch viel mehr kann der Sächsische Landtag beschließen.
Der Bundestag und einige Länder haben sich in den vergangenen Jahren aktiv auf den Weg –
– zur weiteren Modernisierung des Petitionswesens gemacht. Ich denke, das sollten wir auch tun. In diesem Sinne möchte ich meine Rede mit der einen Aussage schließen: Die Stärkung des Petitionsrechts –
– ist eine Stärkung der Demokratie.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Unsere
Gesellschaft befindet sich in einem permanenten Wandel. Dementsprechend verändern sich auch die Anforderungen, die der Beruf und der Alltag an den Einzelnen stellen. Im Rahmen der Bildungspolitik ist es daher notwendig, die Menschen zu befähigen, eigenständig während ihrer gesamten Lebenszeit zu lernen. Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung und Weiterbildung.
Um dieses Recht auf Weiterbildung und lebenslanges Lernen umzusetzen, bedarf es eines modernen Weiterbildungsgesetzes. Das Ergebnis eines zweijährigen Bearbeitungs- und Diskussionsprozesses liegt vor Ihnen. Meine Fraktion DIE LINKE hat eine Vielzahl an Anregungen, Wünschen und Vorschlägen von den sächsischen Weiterbildungsträgern aufgenommen und im „Gesetz über die Weiterbildung und das lebenslange Lernen im Freistaat Sachsen“ verankert. Unser Anliegen ist es, die Rahmenbedingungen für lebenslanges Lernen so zu gestalten, dass jede Bürgerin und jeder Bürger das Recht auf Weiterbildung umsetzen kann.
Die Weiterbildung ist die vierte Säule im Bildungssystem neben Kita, Schule und Hochschule. Um diesen gesellschaftlichen Ansprüchen zu genügen, braucht die Erwachsenenbildung in Sachsen verlässliche gesetzliche Rahmenbedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten.
Mit unserer Gesetzesnovellierung haben wir insbesondere vier Schwerpunkte gesetzt. Erster Schwerpunkt: das Recht auf Bildungsfreistellung. Um das Recht auf Bildungsfreistellung von der Arbeit zur Teilnahme an Weiterbildung zu ermöglichen, bedarf es einer gesetzlichen Regelung. Grundlage ist eine völkerrechtliche Vereinbarung aus den Siebzigerjahren. Damals verpflichtete sich die Bundesrepublik, im Rahmen eines Abkommens der Internationalen Arbeitsorganisation ILO dazu, einen bezahlten Bildungsurlaub einzuführen. Die Umsetzung ist allerdings Sache der Bundesländer, die damit ihre Kultur- und Bildungshoheit ausüben.
In 14 Bundesländern gibt es das Recht auf Bildungszeit, nur in Sachsen und Bayern nicht. Das wollen wir verändern. Alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen das Recht und auch die Möglichkeit erhalten, sich allgemein, beruflich, politisch, sozial, kulturell und interkulturell weiterzubilden. Wir schlagen einen gesetzlichen Anspruch auf Bildungsfreistellung von fünf Arbeitstagen pro Jahr vor. Ich freue mich, dass die aktuelle DGBKampagne „Fünf Tage Bildung – Zeit für Sachsen“ diese Gesetzesinitiative unterstützt. Wir sollten diese langjährige Forderung eines gesetzlichen Anspruchs auf Bildungszeit in Sachsen endlich gemeinsam umsetzen.
Insgesamt lässt sich sagen, dass die meisten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Bildungsurlaub durchaus profitieren können, sei es in beruflicher oder persönlicher Hinsicht. Dass nur sehr wenige Beschäftigte zurzeit diese Möglichkeit nutzen können, zeigt den großen Nachholbedarf.
Zweiter Schwerpunkt in unserem Gesetz: der nachträgliche Erwerb von Schulabschlüssen. Der nachträgliche Erwerb von Schulabschlüssen an den Volkshochschulen und anerkannten Trägern der Weiterbildung ist in unserer Wissensgesellschaft dringend notwendig. Die derzeitige Regelung, den Hauptschul- oder Realschulabschluss nur an einer Abendoberschule nachzuholen, schränkt das Recht auf Weiterbildung erheblich ein.
In der Sachverständigenanhörung sagte Prof. Dr. Klemm, Geschäftsführer des Sächsischen Volkshochschulverban
des – ich zitiere: „Ich sehe einen großen Ansatzpunkt, dass wir dieses wieder ermöglichen müssen, auch angesichts der neuen Bedarfe durch Geflüchtete, die ein Bleiberecht haben und in vielen Fällen – man geht von circa 20 bis 30 % aus – einen Hauptschulabschluss benötigen. Das können die vorhandenen Kapazitäten derzeit nicht leisten.“ Wir plädieren daher für ein flächendeckendes Angebot für den zweiten Bildungsweg für alle Einwohnerinnen und Einwohner und haben dies in § 18 gesetzlich geregelt.
Dritter Schwerpunkt: die bedarfsgerechte gesetzliche Grundförderung. Die Volkshochschulen und anerkannten Träger der Weiterbildung brauchen für die Planung und Gestaltung der Weiterbildungsangebote Sicherheit und Verlässlichkeit.
Mit einer gesetzlichen Grundförderung von 14 Millionen Euro können die Weiterbildungseinrichtungen die Anforderungen aus der Weiterbildungskonzeption ansatzweise umsetzen.
„Mit den vorhandenen Förderinstrumenten aus dem jetzigen Weiterbildungsgesetz können wir die Herausforderungen in den Bereichen politische Bildung, Digitalisierung, inklusive Arbeit und Integrationsarbeit nicht lösen, die uns bevorstehen“, so Prof. Dr. Klemm in der Anhörung. Auch Prof. Dr. Klaus-Peter Hufer plädierte in seiner Expertise aus dem Jahr 2016 „Politische Bildung stärken“ für eine Verdoppelung oder Verdreifachung der Grundförderung, um die weiterbildungspolitische Situation in Sachsen entscheidend zu verbessern. Diese Anregungen haben wir im vorliegenden Gesetzentwurf umgesetzt.
Der vierte Schwerpunkt betrifft die Stärkung des Landesbeirates für Weiterbildung. Letztendlich kann und soll der Landesbeirat für Weiterbildung durch die Regelungen in unserem Gesetz gestärkt werden. Die Zusammensetzung und Organisation des Landesbeirates für Weiterbildung wird gesetzlich bestimmt und um eine Frauenquote in § 27 Abs. 4 ergänzt. Zudem findet sich das Recht des Landesbeirates auf Bildung von Unterausschüssen, die sich verstärkt mit einzelnen Fachthemen befassen können. Auch die Beteiligung einer Vertreterin oder eines Vertreters aus den Oppositionsfraktionen, die im Ausschuss für Schule und Sport des Sächsischen Landtage vertreten sind, halten wir für dringend notwendig.
Durch das neue Weiterbildungsgesetz wird die Erwachsenenbildung qualitativ, flexibel und zukunftsgestaltend ausgebaut. Die Träger der Weiterbildung sind damit in der Lage, in den nächsten Jahren ihre Angebote zeitgemäß und aufsuchend zu gestalten sowie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tarifgerecht zu bezahlen. Die Erwachsenenbildung erhält durch die Gesetzesnovelle eine Priorität in der Bildungspolitik. Lebenslanges Lernen kann jetzt als Bildungsprozess in Sachsen ganzheitlich gestaltet werden.
Ich möchte mit den Worten von Frau Dr. Sabine SchmidtLauff von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg schließen und für eine breite Zustimmung werben. Sie sagte in der Anhörung – ich zitiere –: „Diese Gesetzgebung ist ganz hervorragend, denn sie schafft eine wichtige
Sache, nämlich lebenslanges Lernen Wirklichkeit werden zu lassen. Das messe ich als Wissenschaftlerin der Erwachsenenbildung an der Kultivierung von Lernen, sprich: der konkreten Partizipation und Teilnahme der Menschen und möglichst der Steigerung der Teilnahme.“ In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bedanke mich erst einmal für die heutige inhaltliche Aussprache und Debatte, obwohl ich ein wenig enttäuscht bin, weil man sich inhaltlich immer wieder auf dieselbe Ablehnung konzentriert. Die Argumente, die Herr Bienst heute gebracht hat, habe ich leider auch schon im Ausschuss in ähnlicher Art und Weise gehört. Einzelne Argumente konnte man auch der Anhörung entnehmen.
Natürlich gab es Kritik. Deshalb haben wir uns nach der Anhörung Zeit genommen, die Anregungen zu prüfen. Aus meiner Sicht gab es insgesamt 13 verschiedene Anregungen. Letztendlich haben wir die Grundstruktur eines Weiterbildungsgesetzes geschaffen und dabei versucht, diese auch mit europäischen Anforderungen – auch auf dieser Ebene gibt es im Grunde eine entsprechende Gesetzgebung zur Weiterbildung – abzugleichen.
Seitens der Sachverständigen gab es dabei auch Anregungen aus einem anderen Blickwinkel, die zumindest in diese Struktur, die wir innerhalb eines Jahres erarbeitet haben, nicht hineinpassten.
Drei Anregungen haben wir entsprechend eingearbeitet; ich stelle sie im Zusammenhang mit den jeweiligen Änderungsanträgen noch kurz vor. Es ist also nicht so, dass wir das nicht getan hätten. Aber man muss natürlich die Grundstruktur sehen und sich fragen, ob es die Möglichkeit der Nachjustierung gibt. Salopp gesagt, hätte man auch seitens der Koalition entsprechende Änderungsanträge formulieren können.
Wir drehen uns in dieser Diskussion zur Weiterbildung seit zwei Jahren im Kreis. Ich kann nicht erkennen – vielleicht können Sie das noch darstellen, Herr Bienst –, was die Koalition hinsichtlich Weiterbildung und lebenslangem Lernen denn eigentlich perspektivisch entwickeln möchte und kann. Es kann doch nicht sein, dass Sie nur auf dem Weiterbildungsscheck herumreiten.
Eine solche Aussage hätte ich gerne von Ihnen gehabt: Wie geht es aus Ihrer Sicht hier im Freistaat Sachsen mit Weiterbildung und lebenslangem Lernen weiter?
Sie haben gesagt, Sie lehnen unseren Gesetzentwurf ab. Aber dann muss es Ihrerseits natürlich auch einen entsprechenden Vorschlag geben.
Die zweite Aussage, auf die ich noch einmal eingehen möchte, war die von der AfD. Nein, wir wollen keine Beschränkung auf berufliche Weiterbildung, weil wir eben gerade sehen, dass Weiterbildung mehr ist als nur eine berufliche Qualifizierung. Es gehört natürlich auch soziale Kompetenz, es gehört politische Bildung dazu. Deshalb halten wir es auch für dringend erforderlich, Weiterbildung als viel breiteren Bildungsbegriff aufzufassen und auch hier strukturell einzuarbeiten.
Vielleicht noch die letzte Aussage, die Herr Bienst benannt hatte: dass er bei der Volkshochschulmitgliederversammlung war ist und dort vernommen hat, dass man diese Gesetzesinitiative nicht braucht. Gut, ich war an dem zweiten Tag nicht da, ich war am ersten Tag dort. Da habe ich natürlich so gezielt die Frage nicht gestellt. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich in dem Gesetzgebungsprozess den Volkshochschulverband einschließlich der anerkannten Weiterbildungsträger eingebunden habe. Letztendlich habe ich auch in mehreren Runden versucht, mit ihnen dieses Gesetz gemeinsam zu erarbeiten.
Aus meiner Sicht kann ich Ihre Aussage nicht so richtig nachvollziehen, weil das zum Beispiel – damit möchte ich aufhören und nur das Letzte zitieren – in der Anhörung am 01.12.2017 ganz anders klang. Damals sagte Herr Prof. Klemm: „In diesem Sinne habe ich nur einen Schwerpunkt herausgegriffen aus diesen vier Eckpunkten, die wir sehr begrüßen.“ Das bezog sich auf unser Gesetz.
„Uns ist wichtig – und das noch einmal zum Abschluss –, dass wir dringend eine Reform, eine Novellierung des Weiterbildungsgesetzes brauchen.“ Das war am
01.12.2017. Was hat sich seitdem bis heute verändert? Ich werde auf jeden Fall nachfragen, ob das so stattgefunden hat. Wenn ja, würde ich sehr bedauern, dass man diese Entwicklung jetzt nicht mehr sieht.
Das wollte ich zum Schluss noch sagen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus der Sachverständigenanhörung haben wir verschiedene
Anregungen erhalten, die wir versucht haben – ich habe es vorhin schon gesagt – aufzunehmen. Wir haben drei Änderungen, die das Gesetz ergänzen:
Wir haben in der Erläuterung deutlich gemacht, dass die Weiterbildung für uns eine ganz wichtige eigenständige Säule des Bildungswesens darstellt. Das stand aber nicht im Gesetzestext. Es war eine Bitte seitens der Sachverständigen, es in den Gesetzestext aufzunehmen. Das haben wir getan, indem wir es in § 2 Abs. 1 Satz 1 ergänzen.
Eine zweite Anregung war, die Aufgaben des Landesbeirates etwas genauer darzustellen. Hier gab es den Hinweis, dass eine gute Auflistung der Aufgaben des Landesbeirates im Weiterbildungsgesetz des Landes RheinlandPfalz existiert. Diesen Katalog haben wir aufgenommen, haben aber in der Erläuterung deutlich gesagt, dass der Katalog noch nicht abschließend ausgestaltet ist. Ich denke, das ist dann Sache des Landesbeirates selbst.
Außerdem haben wir noch eine Korrektur vorgenommen: Wir hatten im Gesetz bei der Zusammensetzung des Landesbeirates vorgeschlagen, drei Vertreter der Hochschulen aufzunehmen. Dazu wurde uns deutlich gesagt, dass es nur zwei Hochschulen gebe, die sich mit Weiterbildung beschäftigen. Deswegen haben wir es auf zwei Vertreter korrigiert.
Das sind die drei Änderungen, die wir Ihnen hier auf den Tisch gelegt haben.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der SPD! Ich möchte Sie heute herzlich beglückwünschen, nicht zu Ihrer Politik – dazu besteht wahrlich kein Grund –, aber immerhin zu Ihrer erkennbaren Lernfähigkeit.
Vor einem Jahr hat die Fraktion der LINKEN hier einen Gesetzentwurf vorgelegt, das Gesetz zur schrittweisen Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen. Im Juni 2018 haben Sie es abgelehnt.
Heute stellen Sie eine Aktuelle Debatte unter das Thema – Sie hatten es genannt – „Auf den Anfang kommt es an – Schritt für Schritt zu mehr Qualität in unseren Kitas“. Ich kann einfach einmal sagen: Links wirkt.
(Beifall bei den LINKEN – Lachen bei der CDU und der SPD – Lothar Bienst, CDU: Mit „ü“ geschrieben! – Heiterkeit bei der CDU – Zuruf des Abg. Dirk Panter, SPD)
Schön wäre es, wenn Sie nicht noch einmal ein Jahr brauchen würden, bevor Sie unsere konkreten Vorschläge übernehmen; denn die Zeit drängt.
Wir, DIE LINKE, wollen bis spätestens 2030 den erforderlichen Qualitätsstandard für Personalschlüssel erreichen. Zwölf Jahre klingt nach viel Zeit, aber selbst dieser Zeitraum erfordert größere Schritte.
Ich weiß, Sie wollen sich heute feiern und selbst loben,
unter anderem für die zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit, für welche die Mittel jetzt in den Doppelhaushalt mit eingearbeitet werden sollen.
Das kam in Ihren Redebeiträgen heute zum Ausdruck.
Nun ist auch dieser Vorschlag schon ein Vorschlag aus dem Jahr 2017. Sie können sich erinnern: Als Antrag der Fraktion DIE LINKE haben wir ihn hier eingebracht. Insofern könnten wir uns jetzt natürlich auch dafür loben und sagen, alles wäre wunderschön. Leider sehen wir es aber nicht so. Wir sehen, es fallen Schatten auf den KitaBereich. Es gibt Probleme. Ich möchte insbesondere auf drei Probleme eingehen.
Erstes Problem: Der jüngste Bildungsmonitor der Bertelsmann Stiftung in der letzten Woche hat Sachsen bescheinigt, dass wir gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern heute die Schlusslichter beim Personalschlüssel in den Kitas sind.
Ich möchte noch einmal daran erinnern: Vor 20 Jahren hatte Sachsen die besten Kitas in der gesamten Bundesrepublik.
Obwohl – Sie haben es dargestellt – in den letzten Jahren etwas verbessert wurde, sind wir von allen anderen überholt worden.
Die Schritte im frühkindlichen Bereich waren viel zu klein. Es waren Kaffeebohnenschritte.
Zweites Problem: Die geplante Anerkennung der Vor- und Nachbereitungszeit für Erzieherinnen und Erzieher in Krippen, Kindergärten und Horten bei einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ist auch diesmal viel zu wenig. Sie hatten im April dieses Jahres versprochen, 75 Millionen Euro für die Maßnahme einzusetzen, die aus der KitaUmfrage herauskommt. Das haben Sie nicht getan. Schauen Sie in Ihren Haushalt hinein.
75 Millionen Euro, das klingt nach viel Geld, zumindest für jeden, der dieses Geld nicht hat. Es sind aber umgerechnet weniger als ein Euro pro betreutem Kind und Tag. Es ist noch nicht einmal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Deswegen sage ich: Diese Kaffeebohnenschritte können wir nicht weitergehen.
Drittes Problem: Zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit pro Erzieherin waren versprochen. Als Sie das versprachen, wussten Sie, dass unsere Erzieherinnen und Erzieher im Durchschnitt mit 32 Wochenstunden teilzeitbeschäftigt sind – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Dass Sie jetzt an dieser Stelle nachbessern, ist wirklich das Mindeste, was man erwarten kann. Wir fordern jedoch die Koalition auf, die versprochenen 75 Millionen Euro Landesmittel pro Jahr für die Vor- und Nachbereitungszeit komplett oder ab 2019 einzusetzen.
Die Erzieherinnen und Erzieher – –
Ich würde noch den einen Satz beenden.
Die Erzieherinnen und Erzieher in der Kindertagespflege müssen auch die zwei Stunden Vor- und Nachbereitungszeit für die mittelbare pädagogische Tätigkeit erhalten. Das muss mindestens noch nachverhandelt werden.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich würde gern auf einige Ausführungen meiner Vorredner eingehen.
Zunächst einmal zu der Aussage von Herrn Schreiber: 75 Millionen Euro Landesmittel haben wir nicht versprochen. Da habe ich das mit der Kita-Umfrage mit vier geplanten Maßnahmen, wie es dort steht, nicht richtig verstanden – es war auch in der Presseerklärung gesagt worden: „Mit der Maßnahme finanzieren wir 75 Millionen Euro.“ Das ist also im öffentlichen Raum verkündet worden.
Jetzt stellt sich nur die Frage: Landesmittel oder Bundesmittel?
Genau das war unsere Herangehensweise, und deshalb möchte ich das noch einmal thematisieren.
75 Millionen Euro sind ja eine relativ kleine Summe für so viele Kinder bzw. für die Vor- und Nachbereitungszeit der Erzieherinnen und Erzieher.
Sie haben das bereits reduziert aufgrund der Vollzeitbeschäftigten, die gar nicht vorhanden sind. Sie reduzieren es ja, das heißt, Sie geben die 75 Millionen Euro gar nicht komplett aus.
Jetzt kommt noch Folgendes dazu: Sie rechnen mit den Geldern vom Bund. Der Bund hat in Aussicht gestellt, im nächsten Jahr, 2019, rund 25 Millionen Euro und 2020 rund 50 Millionen Euro für den Kita-Bereich zur Verfügung zu stellen. Jetzt sage ich Ihnen einmal Folgendes: Ich finde, 75 Millionen Euro sollten wir an Landesmitteln einsetzen, wenn es schon eine so geringe Summe ist. Aber Sie verrechnen das sogar noch mit den Bundesmitteln! Das ist hier das Problem.
Gehen Sie bitte entweder ans Mikrofon oder machen Sie nachher entsprechende Ausführungen.
Ja, das ist eine kleine Summe im Vergleich zu den schrittweisen Erfordernissen, die wir im Kita-Bereich benötigen.
Nun noch eine zweite Sache: Es wird hier immer wieder von dem Betreuungsschlüssel gesprochen, der so schön klingt. Da heißt es, wir hätten jetzt 1 : 5 im Krippenbereich bzw. 1 : 12 im Kindergartenbereich. Leider spricht überhaupt niemand vom Hort, wo wir einen Schlüssel von 0,9 : 20 haben. Das heißt, eine Horterzieherin hat im Regelfall 24 bis 25 Kinder am Nachmittag zu betreuen. Das bedeutet Hausaufgabenbetreuung sowie Beschäftigung und alles andere ebenfalls. Wenn dann noch jemand ausfällt, dann wissen Sie eigentlich gar nicht, wie man das absichern soll. Das ist schon ein riesengroßes Manko.
Ich war in sehr vielen Kindereinrichtungen und habe mir auch die Situation der Betreuungszahlen reell angeschaut. Dort ist der Schlüssel eben nicht 1 : 12 im Kindergarten, sondern reell betreut eine Erzieherin 16 bis 18 Kinder im Kindergarten, weil kein ehrlicher Schlüssel vorhanden ist. Nun frage ich Sie, Frau Pfeil-Zabel: Sie haben bereits im Juni gesagt, dass Sie das gesetzlich verändern und einen ehrlichen Schlüssel einführen wollen. Wird das jetzt kommen? Machen Sie das jetzt? Dann wären wir ja wenigstens einen Schritt weiter. Diesen ehrlichen Schlüssel sollte man also machen, denn das haben Sie versprochen – schauen Sie in die Aktuelle Debatte vom Juni! Sie sagten, Sie wollen es gesetzlich regeln. Dann machen Sie es, bitte schön!
Die dritte Sache ist das Thema Ausbildung: Herr Schreiber, Sie haben gesagt – –
Ja, bitte.
Wir hatten diese Debatte ja im Juni; Sie können sich daran erinnern. Sie hatten dort – das ist nachlesbar; ich habe es mir extra herausgezogen – gesagt, dass in das Gesetz Zeiten für Urlaub, Krankheit und Weiterbildung in die Berechnung einbezogen werden sollten. Sie sagten, Sie hätten vor, den Schlüssel ehrlich zu machen. Dann frage ich Sie: Bitte wann? Wann wollen Sie das tun? Wenn Sie sagen, dass Sie es in diesem Doppelhaushalt nicht mehr schaffen, dann muss man vielleicht einmal verbindlich sagen, wann was losgeht.
Genau das ist unser Problem: Wir sehen nicht, wie die Entwicklung im frühkindlichen Bereich in den nächsten Jahren strukturell-inhaltlich verbessert werden kann.
Das ist der Punkt, wo ich sage: Es ist einfach nicht mehr glaubwürdig, wenn man immer diese Forderungen in den Raum schießt, das Problem aber letztendlich auf die lange Bank schiebt.
Das war auch nicht mein Ansatz, Herr Schreiber.
Mein Ansatz ist, zu sagen: Wir müssen in den Betreuungsschlüssel – –
Ich habe gesagt: Man muss sich einmal die realen Betreuungszahlen anschauen und sollte sich nicht immer feiern und sagen, dass wir in der Kinderkrippe 1 : 5 und im Kindergarten 1 : 12 erreicht haben. Real haben wir das ja nicht. Deswegen fand ich es von Frau Pfeil-Zabel auch sehr gut, im Juni zu sagen, dass wir Weiterbildung, Krankheit und die entsprechenden Ausfallzeiten mit in den Schlüssel einrechnen müssen. Dann sage ich: Fangen Sie doch endlich einmal damit an, damit wir einfach ein Konzept dafür haben und das nicht wieder zwei Jahre aussetzen. Das ist es, womit wir immer das Problem haben.
Sie wissen ganz genau, dass die Berechnungen in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich sind. Wir sind hier im Bundesland Sachsen und sollten es zumindest strukturell entsprechend verändern.
Ja, bitte.
Darin gebe ich Ihnen recht.
Ja, das wird natürlich beim Schlüssel entsprechend angerechnet. Das habe ich auch nicht infrage gestellt. Ich habe nur gesagt: Es wäre natürlich schön, wenn die Schritte größer wären, wenn man zumindest, so wie es Frau Zais auch dargestellt hat, wenigstens einmal darüber nachdenkt, dass auch der Hort einmal eine Schlüsselverbesserung bekommt. Das haben Sie nie durchgezogen. Dort ist die Zahl der Kinder am höchsten und die Situation am prekärsten. Vielleicht sollten Sie darüber noch
einmal nachdenken, und Sie können im Doppelhaushalt entsprechende Veränderungen einarbeiten.
Ich würde mir Folgendes wünschen: Wenn Sie sagen, Sie haben den Betreuungsschlüssel in zwei Jahren im Kindergarten auf 0,5 und in der Kinderkrippe auf 0,5 schrittweise abgesenkt, dann ziehen Sie es doch für den Hort die nächsten zwei Jahre weiter durch. Das wäre notwendig.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte noch einmal kurz sagen, was wir als Fraktion DIE LINKE im frühkindlichen Bereich erwarten und was wir umsetzen wollen.
Erstens: Wir erwarten von der Koalition, die in Aussicht gestellten Bundesmittel zusätzlich für die Qualitätssicherung in den Kitas zu verwenden.
Zweitens: Wir brauchen in Sachsen ein Konzept, wie wir mehr Erzieherinnen und Erzieher in Sachsen besser, praxisnäher ausbilden und auch halten können. 40 % unserer ausgebildeten Erzieherinnen und Erzieher kommen in unserem System nicht an. Das müssen wir verändern!
Drittens: Die frühkindliche Bildung braucht endlich eine langfristige Strategie und ein verbindliches Handlungskonzept, um die großen Herausforderungen wie Erziehermangel, Überlastung der Erzieherinnen und Erzieher,
unattraktive Erzieherausbildung und schlechter Personalschlüssel zeitnah zu bewältigen. Dieses Gestaltungskonzept muss mit den Trägern, Gewerkschaften und KitaBündnissen noch in dieser Legislaturperiode erarbeitet und beschlossen werden.
Ja, ich sage es noch einmal, auf den Anfang kommt es an, nicht mit Kaffeebohnenschritten, sondern mit Mut, Veränderungswillen und spürbaren Schritten in den Kindertageseinrichtungen.
Danke.
Danke. Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE bringt heute in zweiter Beratung das Gesetz zur schrittweisen Verbesserung des Betreuungsschlüssels in Kindertageseinrichtungen im Freistaat Sachsen ein. Unser Anliegen ist es, den Betreuungsschlüssel in allen Stufen von Kindertageseinrichtungen, also von der Krippe über den Kindergarten bis zum Hort, zu erhöhen und somit die Rahmenbedingungen für die Kindertagesbetreuung schrittweise deutlich zu verbessern.
Der Freistaat Sachsen hat im Jahr 2006 den „Sächsischen Bildungsplan“ als Arbeitsgrundlage und Leitfaden für die Erzieherinnen und Erzieher eingeführt. Dadurch entstanden höhere pädagogische Anforderungen und ein höherer Aufwand für mittelbare pädagogische Arbeit in den Kitas. Das Versprechen der Staatsregierung, die Rahmenbedingungen für diese ganzheitliche Bildungsarbeit zu verändern, insbesondere die Vor- und Nachbereitungszeit anzuerkennen, fand bis zum heutigen Tag nicht statt.
In den vergangenen vier Jahren gab es nur kleine Änderungen bei den Betreuungsschlüsseln, und zwar im Kindergarten von 1 : 13 auf 1 : 12 und in der Kinderkrippe von 1 : 6 auf 1 : 5. Der Hort wurde glatt vergessen.
Schauen wir uns den Personalschlüssel einmal genau an: In der Krippe liegt er derzeit bei 1 : 5,5. Das bedeutet: In der Praxis betreut eine Fachkraft durchschnittlich acht Kinder. Im Kindergarten mit einem Betreuungsschlüssel von 1 : 12 betreut eine Fachkraft 18 bis 19 Kinder und im Hort fallen bei 0,9 : 20 auf eine pädagogische Fachkraft im Durchschnitt 24 zu betreuende Kinder.
Womit hängt es zusammen, dass diese Schlüsseldefinitionen heutzutage mit der Realität in großem Widerspruch stehen? Ausfallzeiten, wie Urlaub, Krankheit, Weiterbildung sowie die Vor- und Nachbereitungszeit, werden im Personalschlüssel nicht berücksichtigt. Die Erzieherinnen und Erzieher kompensieren diesen Ausfall, das heißt mehr Kinder oder längere Arbeitszeiten, mehr Stress für die Kinder und natürlich auch mehr Stress für die pädagogischen Fachkräfte.
In der Anhörung zum Gesetzentwurf wurde deutlich formuliert, dass die Verbesserung des Schlüssels in der jetzigen Legislaturperiode hinter den Erwartungen zurückblieb. Es besteht weiterhin dringender Handlungsbedarf.
Herr König-Apel, Sprecher des Stadtelternrates Dresden für Kitas und Horte, sprach als Sachverständiger zu den Kita-Bildungspotenzialen und seinen Anforderungen. Ich zitiere aus dem Anhörungsprotokoll: „In den Kitas steckt ein immenses Bildungspotenzial und Potenzial für eine positive gesellschaftliche Entwicklung. Doch mit der aktuellen Personalsituation werden Kitas dieses Potenzials beraubt und sie verkommen wieder zu reinen Aufbewahrungsanstalten.... Bedenken Sie bei Ihrer Entscheidung zum Gesetzentwurf: Das Personal ist Dreh- und Angelpunkt für jegliche Aktivität und Dimension, die man an Kitas anlegt. Doch die Personen sind an der Grenze des Leistbaren angekommen. Die aktuelle Situation an den Schulen kann als Blaupause dessen gelten, was als Nächstes folgen wird. Wenn Sie jetzt handeln, können Sie das verhindern. Aber das Zeitfenster ist klein.“
Wir brauchen eine langfristige und ganzheitliche Lösung, um die Rahmenbedingungen für die Kinder und die pädagogischen Fachkräfte in den sächsischen Kitas maßgeblich zu verbessern. Dreh- und Angelpunkt für die Verbesserung der Betreuungssituation und die vollumfängliche Umsetzung des Bildungsplanes ist der Personalschlüssel.
Die AWO in Sachsen fordert eine Verbesserung des Personalschlüssels, die deutlich über dem ab September 2018 erreichten Stand hinausgehen muss. Dazu gehört auch die erstmalige Verbesserung für Horte, die bei den bisherigen Änderungen nicht berücksichtigt wurden.
Sie fordern gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden und Kita-Initiativen eine Absenkung des Personalschlüssels für Kinderkrippen auf 1 : 4, für Kindergärten auf 1 : 10 und für Horte auf 1 : 16. Die AWO formuliert in ihrem Strategiepapier, dass diese Forderung für sie Vorrang bei allen Überlegungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen in den sächsischen Kindertageseinrichtungen haben.
Die Fraktion DIE LINKE unterstützt mit dem vorliegenden Gesetzentwurf diese Forderung. Wir wollen den Personalschlüssel jährlich und schrittweise um 5 % ab 1. September 2019 für alle Kindertageseinrichtungen, also von der Krippe über den Kindergarten bis zum Hort, erhöhen.
Die gegenwärtig von den Wohlfahrtsverbänden und Initiativen in Sachsen unmittelbar eingeforderten Betreuungsschlüssel werden mit dieser Stufenabsenkung, die hier im Gesetz festgeschrieben wird, in den Jahren 2023 für Krippe und Kindergarten und im Jahr 2025 für den Hortbereich erreicht.
Die Gemeinden erhalten zur Förderung der Aufgaben nach diesem Gesetz einen jährlichen Landeszuschuss, der sich jährlich um 10 % erhöht. Somit entstehen den Kommunen keine Mehrkosten. Da die benötigten Fachkräfte kurz- und mittelfristig nicht zur Verfügung stehen, zielt der Gesetzentwurf darauf ab, die von der BertelsmannStiftung empfohlenen Betreuungsschlüssel Kinderkrippe 1 : 3, Kindergarten 1 : 7,5 und Hort 1 : 13, in einem Zeitraum von zwölf Jahren, also bis zum Jahr 2030, zu erreichen. Die notwendigen finanziellen Belastungen für das Land Sachsen sind somit langfristig kalkulierbar und umsetzbar.
Die Fraktion DIE LINKE will den Personalschlüssel in den sächsischen Kitas kurz-, mittel- und langfristig verbessern. Wir brauchen für die Unterstützung mehr Fachkräfte, die zusätzlich gewonnen und für die pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrichtungen ausgebildet werden müssen. Wir sind als Gesetzgeber dafür verantwortlich, dass die Grundlagen für eine gute Bildungsarbeit in den Kindertageseinrichtungen zeitnah gestaltet werden.
Der Freistaat Sachsen braucht dringend eine Ausbildungsoffensive, die spätestens mit dem Schuljahr 2019/20 beginnen muss. Wenn es uns nicht gelingt, die Arbeits- und Rahmenbedingungen in den sächsischen Kitas erheblich zu verbessern, werden wir weiterhin ausgebildete Erzieherinnen und Erzieher verlieren und weniger junge Menschen für diesen schönen Beruf gewinnen können.