Frau Staatsministerin, vielleicht können Sie uns im Interesse der begrenzten Zeit helfen, damit alle Fraktionen die Chance haben, eine Frage an Sie zu richten. Vielen Dank.
Frau Staatsministerin, auch meine Fraktion beschäftigt sich sehr intensiv mit dem Thema, das Sie gerade ausgeführt haben. Mein Kollege hat dazu schon Fragen gestellt. Seit dem 1. März 2016 werden junge Geflüchtete über 18 Jahren nicht mehr in den Vorbereitungsklassen der Berufsschulzentren für die Integration von Sprachförderung und Berufsorientierung – das halten wir für wichtig – aufgenommen. Sie haben in Ihren Ausführungen dazu schon Angaben gemacht und dies dargestellt. Für uns ist folgende Frage aber noch wichtig, die sich auf die konkreten Bildungswege beziehen, die Sie angesprochen haben, wie das Kolleg und die Abendoberschulen: Erreichen wir mit den Maßnahmen, die Sie gemeinsam mit Ihren Partnern eingeleitet haben, alle jungen Erwachsenen oder fallen uns welche durch das Sieb? Dazu möchten wir gerne den Stand erfahren.
Natürlich ist das unser Ziel. Ich betone es ausdrücklich noch einmal, dass ich von unserem Ziel spreche. Ich meine damit die Partner, die die Angebote für die über 18-Jährigen unterbreiten. Wenn ich von den Ressorts spreche, dann meine ich ausdrücklich die Partner SMWA und SMGI, mit denen wir uns in ständigen Gesprächen befinden.
Natürlich ist es unser Ziel, alle jungen Menschen, die zu uns in den Freistaat Sachsen gekommen sind, zu erreichen. Es kann sicherlich niemand die Frage beantworten, ob wir bis zum letzten jungen Mann oder bis zur letzten jungen Frau alle erreichen. Ich kann aber eines sagen: Die Jugendlichen, die an unseren Berufsschulen ihren Weg aufgrund der fehlenden oder unterbrochenen Bildungsbiografie nicht fortsetzen konnten, beraten wir in einem persönlichen Gespräch. Wir konnten alle Jugendlichen aus unseren Berufsschulzentren an eine Abendschule oder ein Kolleg vermitteln, weil sie die Voraussetzungen erfüllt haben. Wir konnten alle Jugendlichen beraten, wo sie einen Sprachkurs, ob landeseigen oder bundesgefördert, aufnehmen bzw. ein Angebot der BA annehmen konnten.
Wir haben sogar gemeinsam mit Herrn Bélafi von der Bildungsagentur und den Vertretern der Bundesagentur an den Beratungsgesprächen teilgenommen, sodass die Jugendlichen keine weiten Wege oder bürokratische Hürden zu überwinden hatten. Sie wurden an die Hand
Ich möchte auch nicht unerwähnt lassen, dass wir uns mit den Kammern, vornehmlich den Handwerkskammern und der IHK, im Gespräch befinden. Ich weiß das exemplarisch für die Stadt Chemnitz. Dort werden sofort Angebote unterbreitet, sodass Jugendliche, die vornehmlich praktisch, aber begleitet mit Sprachkursen, tätig sein möchten, vermittelt werden können.
Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Frau Staatsministerin! Zwei Fragen zum Thema DaZ, dann wieder die jüngere Generation betreffend. Wir haben zum einen ja schon seit vielen Jahren DaZ-Klassen eingerichtet und DaZ-Schüler als ein sehr gutes und bewährtes System. Lassen sich Aussagen treffen über die Zahl derer, die schon Schulabschlüsse erreicht haben, und wenn ja, welche sind das? Und die zweite Frage: Gerade an Grundschulen kann es sich ja auch anbieten, gar nicht erst in eine Vorbereitungsklasse zu gehen, sondern gleich mit Stufe zwei oder drei einzusteigen, also im Klassenverband zu lernen. Ist das möglich und wird das in Anspruch genommen?
Zwei Fragen habe ich vernommen, Herr Präsident, die sicher aufgesplittet werden können. Ich würde mal mit der zweiten beginnen, die noch einmal zwei Aspekte beleuchtet, und zwar unser Integrationskonzept über drei Stufen: DaZ 1, DaZ 2 und DaZ 3. Das Integrationskonzept liegt ja im Freistaat Sachsen seit Jahren vor, und Lehrerinnen und Lehrer sind auch extra dafür geschult.
Eines möchte ich an dieser Stelle betonen: Unser Konzept ist kein starres Konzept, kein Konzept, das wie ein Korsett angelegt ist und aus dem die Lehrerinnen und Lehrer nicht herauskommen. Natürlich brauchten und brauchen wir im Freistaat Sachsen Erfahrungen in der Praxis. Ich erlebe, Frau Abg. Friedel, dass es ganz mutige Lehrerinnen und Lehrer gibt, die das nach der allgemeinen Bildungsberatung entscheiden. Die Integration für ein Kind im Freistaat Sachsen beginnt ja mit der Bildungsberatung in der Sächsischen Bildungsagentur. Die Familie kommt mit dem Kind dorthin. Es gibt manchmal enorme Sprachhürden, ein Dolmetscher befindet sich mit an der Seite. Dort werden die Bildungsvoraussetzungen und auch die Persönlichkeitsstruktur des Kindes miteinander besprochen. Schon dort wird festgestellt, ob ein guter Bildungsstand und vor allen Dingen eine gute Kenntnis der deutschen Sprache vorhanden ist.
Bei dem tragischen Ereignis in der Moschee hier in Dresden habe ich – so schlimm das Ereignis war – mit Freude vernommen, dass die zwei Jungs hervorragend
Deutsch sprachen und für ihre Eltern Dolmetscher sein konnten. Es war für mich eine Freude, das zu hören.
Dann sind Lehrerinnen und Lehrer ganz mutig und sagen: Dann muss die DaZ-1-Stufe nicht durchlaufen werden, die Schüler können sofort partiell in die Regelklasse gehen.
Im grundschulischen Bereich habe ich mich selbst davon überzeugen können. Das ist einfach traumhaft schön anzusehen. Die Schüler nehmen sofort das Kind auf, das Kind lernt spielerisch die deutsche Sprache. Dann ergibt sich immer bei mir ein Neidfaktor, wie unkompliziert dies bei den Kindern ist. Sie kommen dann ganz schnell in die DaZ-3-Phase, und dort gibt es die eigentlich gar nicht mehr. Die einzelnen Phasen verschwimmen.
Lehrerinnen und Lehrer agieren vor Ort sehr flexibel. Unser Konzept ist in der Form nicht starr gefügt.
Ich bin ganz sicher, dass in Zukunft immer mehr Lehrerinnen und Lehrer den Mut haben werden, einfach zu sagen: Hier können wir schon eine Phase überspringen. Das wird immer besser. Wir bieten auch Fortbildungen für unsere Lehrerinnen und Lehrer an, damit sie noch mutiger werden.
Zum Schulabschluss unserer Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund ist es für mich schwierig, eine Aussage zu treffen. Wir erfassen das zwar statistisch, konnten aber noch keine intensive Auswertung vornehmen.
Ich kann eines sagen: Wir haben Jugendliche mit Migrationshintergrund im gymnasialen Bildungsweg. Dort haben wir sehr gute Erfahrungen mit sehr guten Lernleistungen gemacht. Da kann ich sogar aus meiner Zeit als Schulleiterin in Burgstädt von drei jungen Damen berichten, die eine hervorragende Abiturprüfung abgelegt haben.
Im Schuljahr 2014/2015 waren es 3,1 % der Migranten, die ein Abitur abgelegt haben. Damit liegen wir im Bundesschnitt. Positiv ist, dass an unseren Gymnasien 348 Migranten im Schuljahr 2014/2015 – das ist das letzte Erfassungsschuljahr – unterrichtet wurden. Davon haben 36 den Realschulabschluss und 312 das Abitur erreicht. Das sind wirklich richtig gute Zahlen. Ich möchte hier erwähnen – das weiß ich auch aus meiner Burgstädter Erfahrung –: Die soziale Herkunft hat darauf keinen Einfluss. Die Schüler, die lernbegierig sind, werden wirklich gefördert.
Wir haben immer noch – das muss ich ehrlicherweise dazu sagen – zu viele Schüler mit Migrationshintergrund, die keinen Schulabschluss schaffen. Hier müssen wir sicher individuelle Fördermaßnahmen nachlegen. Da spreche ich nicht nur vom Abitur, sondern auch vom Realschulabschluss. Wir haben im Jahr 2014 16,7 % der ausländischen Schüler gehabt, die unseren qualitativ sehr hohen Anforderungen noch nicht gewachsen waren, um zum Realschulabschluss oder Abitur zu gelangen. Wir haben auf der einen Seite sehr positive Ergebnisse, müssen aber auf der anderen Seite die Unterstützungsmaßnahmen verstärken.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Ministerin, in der sächsischen Integrationskonzeption wird dem herkunftssprachlichen Unterricht eine große Bedeutung beigemessen. Ihr Haus hat uns mitgeteilt – ich darf hier einmal zitieren –, dass „zwei- und mehrsprachig aufwachsende Kinder einen Anspruch darauf haben, dass die Schule dieses vorhandene Sprachpotenzial als Begabungspotenzial wahrnimmt und bestmöglich fördert“.
Ich selbst kenne zwei Kinder, einen Polen und einen Vietnamesen, die keinen herkunftssprachlichen Unterricht erhalten.
Meine Frage dazu ist: Wie definieren Sie den Anspruch, dass die Schule diesen herkunftssprachlichen Unterricht bestmöglich fördert?
Meine zweite Frage: Eine aktive Integration erfordert eine Kommunikation mit den Eltern. Wie sieht, gerade mit Blick auf die DaZ-Klassen, die Realität bezüglich der Kommunikation mit den Eltern aus? Haben Sie dazu Erfahrungen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Ich beginne mit der Beantwortung der zweiten Frage.
Elternkommunikation und Elternarbeit ist ein Gelingensfaktor für gute schulische Qualität. Wenn Eltern und Schule nebeneinanderher arbeiten ist der Bildungserfolg weniger gut, als wenn es eine Zusammenarbeit gibt. Frau Kersten, das gilt ebenso für die Elternarbeit mit den Familien, die Migrationshintergrund haben.
Hier kann ich dankenswerterweise sagen, dass die Schule da nicht allein unterwegs ist, sondern viele Partner, auch auf der kommunalen Ebene, sowie Ehrenamtliche mitwirken, damit die Eltern den Kontakt zur Schule pflegen. Allgemein kann ich keine Einschätzung treffen, wie gut oder schlecht das an der einzelnen Einrichtung funktioniert. Das ist immer von den handelnden Akteuren abhängig, wie Sie das sicher auch kennen, von den Schulleitungen, vom Lehrerkollegium, von den Elternvertretungen, von den engagierten gesellschaftlichen Kräften in dem jeweiligen Ort und davon, wie die Eltern einbezogen werden. Ich kenne wunderbare Beispiele, aber ich kenne auch Beispiele, wo zum Beispiel der Vater in dem einen oder anderen Elternhaus ein Problem hat, eine Lehrerin anzuerkennen. Da weiß ich, dass unser Unterstützungs- und Begleitsystem funktioniert und wir das recht schnell bei uns im Freistaat Sachsen in den Griff bekommen. Das kann ich sagen, diese Beispiele kenne ich.
Zu Ihrer ersten Frage zum herkunftssprachlichen Unterricht möchte ich Folgendes sagen: Natürlich sind wir glücklich über das Sprachpotenzial, das diese Kinder mitbringen. Dieses Sprachpotenzial ist für mich eine
Bereicherung in Hinsicht auf die Ausprägung interkultureller Kompetenz für die Schülerinnen und Schüler an den Schulen, an denen diese Kinder unterrichtet werden. Wir sollten also keinesfalls unsere Türen verschließen, sondern sie ganz weit öffnen.
Herkunftssprachlicher Unterricht hat bei uns einen hohen Stellenwert. Natürlich bedeutet das, Frau Abg. Kersten, nicht, dass jedes einzelne Kind einen einzelnen herkunftssprachlichen Unterricht erteilt bekommen kann. Das ist ressourcenmäßig nicht zu schaffen. Ich würde mich mit Ihnen gern über die zwei konkreten Beispiele unterhalten, ob wir eine Möglichkeit finden, herkunftssprachlichen Unterricht zu erteilen, gegebenenfalls an einer anderen Schule. Ich habe in Leipzig wunderbare Beispiele gesehen. Das ist nicht in jedem Fall für jeden einzelnen Schüler zu realisieren. Unser Ziel ist es, und da sind wir auch richtig gut im Freistaat Sachsen unterwegs bezüglich herkunftssprachlichem Unterricht, dass sie ihn erhalten, gegebenenfalls auch schulübergreifend. Gern stehe ich für eine Beratung noch einmal zur Verfügung.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Abg. Zais. Bitte, Ihre Frage.
Herzlichen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatsministerin! Ich hatte eine Anfrage zum Thema Einladung von Flüchtlingskindern und deren Familien zu Schuleingangsfeiern gestellt. Sie haben mir geantwortet, dass es damit keine Probleme gegeben hat in Sachsen. Ich war insofern unzufrieden mit dieser Antwort, weil ich Kenntnis davon habe, dass es an mindestens einer Grundschule in Dresden eben nicht so war. Können Sie mir sagen, welche Möglichkeiten Sie vielleicht sehen, dass das zukünftig, also zum Beispiel im nächsten Jahr, vermieden werden kann.
Da man darauf relativ kurz antworten kann, schiebe ich gleich noch eine zweite Frage hinterher, und zwar zum Thema berufliche Schulzentren. Können Sie mir sagen, wie an beruflichen Schulzentren mit DaZ-Klassen die Eltern- bzw. Vormundsmitwirkung für diese Gruppe geregelt ist? Ist die gewollt, und wie proaktiv wird sie gefördert?
Frau Abg. Zais, zu Ihrer ersten Frage: Schuleingangsfeiern oder Schulanfang oder wie es auch in den Regionen Sachsens unterschiedlich heißt – diese Feiern haben bei uns einen so hohen Stellenwert, dass mittlerweile andere Bundesländer es uns nachmachen, wo ein Schulanfang überhaupt nicht diese Bedeutung hatte und hat. Ich habe mich in Dresden selbst überzeugen können – das hätte ich sicher an vielen Standorten machen können –, wie stolz und wie schick gekleidet die kleinen Knirpse mit der großen Zuckertüte gekommen sind und vor allem die Eltern mit dabei waren. Für mich ist es unabdingbar, dass die Kinder mit Migrationshintergrund und die Eltern zur
Sie sprechen von einer Grundschule in Dresden, von der Sie Kenntnis haben. Ich bitte Sie unbedingt – das müssen wir nicht jetzt hier tun, sondern anschließend –, dass Sie mir die Grundschule mitteilen, damit ich sofort, natürlich über die Bildungsagentur, mit der Schulleitung ins Gespräch komme. Das ist sicherlich ein Versehen, oder es ist eine Meldung nicht rechtzeitig erfolgt. Selbstverständlich haben unsere Grundschulen im Freistaat Sachsen die Familien und die Kinder zu ihren Schuleingangsfeiern eingeladen. Die gehören dazu. Ich werde auch beim nächsten Schulanfang im Sommer 2017 Sorge dafür tragen – das sichere ich Ihnen hier zu –, dass unsere Grundschulen nochmals darauf hingewiesen werden, dass die Familien und die Kinder in ihrem Einzugsgebiet eingeladen werden. Wie muss einem Kind zumute sein, das ohne Zuckertüte und ohne Feier in der ersten Klasse sitzt? Ich kenne zur Zeit keinen Fall, wo das so gewesen ist.
Eltern- und Vormundschaftsmitwirkung an berufsbildenden Schulen: An berufsbildenden Schulen haben wir eine Schülerklientel, die die Schulpflicht noch zu erfüllen hat, neun plus drei Schuljahre. Das heißt, dass diese Schülerinnen und Schüler im Großen und Ganzen noch nicht 18 Jahre alt sind, wenn sie nach der 10. Klasse ihre Ausbildung an der Berufsschule beginnen. Hier kann ich antworten, dass die von Ihnen angesprochenen Aspekte der Schulordnung der Berufsschule unterliegen, wie für alle anderen Schülerinnen und Schüler auch. Die Eltern- und Vormundmitwirkung hat keine anderen Anforderungen hinsichtlich der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Die Klassenlehrer, die am BSZ diese Klassen betreuen, heißen Betreuungslehrer. Sie haben zum großen Teil noch eine spezielle Fortbildung bekommen und sind Ansprechpartner für die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund in unseren DaZKlassen. Die haben sicherlich eine sehr viel engere Bindung an ihre Betreuungslehrerin und ihren Betreuungslehrer, als die Berufsschüler mitunter zum Klassenlehrer haben. Aber Extraregeln zur Eltern- und Vormundmitwirkung für die Berufsschulzentren gibt es nicht im Freistaat Sachsen. – So weit zu Ihrer Frage.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. Die erste Runde ist abgeschlossen. Wir kommen zur zweiten Runde und beginnen mit der Fraktion DIE LINKE. Jetzt können Fragen zu beiden Themen gestellt werden. Frau Abg. Junge für die Fraktion DIE LINKE.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Staatsministerin, ich habe zwei Fragen, einmal zu dem Kitabereich eine Nachfrage. Sie hatten dargestellt, dass 31 Kitas eine Förderung hinsichtlich der Kinder mit Migrationshintergrund bekommen. Wir haben aber über 2 800 Kitas. Darum meine Frage: Warum erhalten die Kinder mit Migrationshintergrund keine Integrationsförderung in den Kitas?
Zweitens zur Weiterbildung: Pro Einwohner werden in Sachsen derzeit 5,87 Euro für Weiterbildung finanziert. Im Bundesdurchschnitt liegt dieser Betrag bei 13,01 Euro. Wann und wie wollen Sie diese Benachteiligung der Weiterbildung in Sachsen beseitigen?