Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Dulig, ich frage Sie: Ist es richtig, dass sowohl die Infrastrukturmittel als auch der Schülerverkehr jetzt aus Regionalisierungsmitteln gezahlt werden? Oder lese ich irgendetwas im Haushalt falsch?
Der Schülerverkehr wird aus den Regionalisierungsmitteln bezahlt, aber wir werden weiterhin Anteile von Investitionen aus Landesmitteln finanzieren.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Der ÖPNV ist in aller Munde, weil viele ihn nutzen. Ich würde mich freuen, wenn ihn noch mehr nutzen würden; denn die vielen Briefeschreiber oder Unterzeichner bei Unterschriftensammlungen trügen mehr dazu bei, wenn sie selber mehr mit der Bahn fahren würden. Dann könnten wir das Thema von der Nachfrageseite her beantworten. Wichtig ist nur, dass wir dies als zentrale Aufgabe verstehen und nicht kleinreden. Es geht nicht um Euphorie oder Jubelmeldungen, sondern darum, dass wir den Hebel umlegen, um auch künftig einen attraktiven ÖPNV sicherzustellen. Wir sind froh, dass wir jetzt in die Lage versetzt wurden, das zu tun, und wir werden in der Koalition und der Staatsregierung unserer Aufgabe gerecht, diese Zusage mindestens bis zum Jahr 2031 zu halten. Wir sind stolz darauf, dass es gelungen ist. Jetzt liegt es an Ihnen, am Parlament, sowohl bei den Haushaltsverhandlungen als auch durch Ihre Mitwirkung bei der Strategiekommission die richtigen inhaltlichen Antworten zu geben.
Meine Damen und Herren! Die zweite Aktuelle Debatte ist abgeschlossen und damit dieser Tagesordnungspunkt beendet.
Für die Staatsregierung berichtet zunächst Frau Staatsministerin für Kultus, Brunhild Kurth zu dem Thema „Aktives Handeln zur Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshindergrund in Kita und Schulen“. Hierfür stehen ihr nach § 54 Abs. 2 Satz 1 der Geschäftsordnung bis zu 10 Minuten zur Verfügung.
Anschließend haben die Fraktionen über eine Dauer von insgesamt 35 Minuten die Möglichkeit, der Staatsministerin Fragen zu ihrem Bericht sowie zu einem Themenkomplex zu stellen. Als weiteren Themenkomplex hat die Fraktion DIE LINKE das Thema „Erwachsenenbildung nicht auf das Abstellgleis“ benannt. Es gilt wieder die Festlegung, dass in der ersten Fragerunde nur Fragen zum Berichtsthema der Staatsregierung gestellt werden; in den weiteren Runden können diese Fragen sowohl dieses Thema als auch den von der Fraktion DIE LINKE benannten Themenkomplex betreffen.
Meine Damen und Herren, ich erteile nun Frau Brunhild Kurth, Staatsministerin für Kultus, das Wort. Bitte sehr, Frau Staatsministerin.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Bildung ist ein wesentlicher Schlüssel zur erfolgreichen und gelingenden Integration, wenn es nicht sogar der wesentlichste Schlüssel ist. Dabei wurde auch der Bildungsbereich in den vergangenen zwei Jahren vor nie dagewesene Herausforderungen gestellt. Kitas und Schulen haben eine große Zahl Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgenommen und sie integriert. Auf der Grundlage unseres seit Jahren bewährten schulischen Integrationskonzeptes galt es, jeden Tag flexibel, schnell und vor allem unbürokratisch diese enormen Herausforderungen zu lösen, alle Schularten einzubeziehen und eng mit Kooperationspartnern und ehrenamtlich Tätigen zusammenzuarbeiten.
Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich kann sagen: Unsere Schulen und Kitas haben diese Herausforderung hervorragend gemeistert. An dieser Stelle möchte ich allen Beteiligten meinen herzlichen Dank sagen und Anerkennung aussprechen, wie sie die zu uns gekommenen Flüchtlingskinder integriert haben. Danke an alle Lehrerinnen, Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher.
Meine Damen und Herren! In den letzten Jahren hat die Zahl der Kinder mit Migrationshintergrund im KitaBereich deutlich zugenommen. Vom 1. März 2013 bis zum 1. März 2016 wurden in Krippen circa 700 Kinder aufgenommen. In unsere Kindergärten wurden
Zur Flankierung der Integrationsaufgabe nutzen wir verschiedene Landes- und Bundesprogramme. Als Beispiele seien hier die Willkommenskitas, die Sprachkitas, ein Netz von Fachberaterinnen und Fachberatern oder die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Eltern-Kind-Zentren an 31 Standorten genannt. Dort konnte ich mich persönlich von einer wunderbaren Integrationsarbeit, nicht nur für unsere Kinder, sondern für die gesamte Familie, überzeugen.
Die rasante Entwicklung im Schulbereich kann ich nur exemplarisch anreißen, meine Damen und Herren Abgeordneten. Im Schuljahr 2014/2015 gab es 200 Vorbereitungsklassen. Derzeit sind wir bereits bei 547 Vorbereitungsklassen angekommen. Das heißt, die Anzahl der Vorbereitungsklassen hat sich innerhalb von zwei Jahren an unseren Schulen mehr als verdoppelt. Dabei möchte ich unterstreichen, dass dieser Zuwachs auch durch Familien aus EU-Ländern oder Familienzuzüge aus Drittstaaten durch Arbeits- oder Studienaufnahmen entstanden ist und deshalb der Bedarf an Vorbereitungsklassen weiterhin hoch bleiben wird.
Meine Damen und Herren! Eine weitere neue Herausforderung war die Aufnahme und Integration der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge an unseren Schulen. Innerhalb eines knappen Jahres stieg hier die Zahl von 916 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen auf heute 2 493 Schülerinnen und Schüler, die unsere Schulen besuchen. Das Spektrum reicht dabei von Schülern mit großem Bildungspotenzial bis hin zu sehr stark unterbrochenen bzw. überhaupt nicht vorhandenen Bildungslaufbahnen. Gerade für die jungen schulpflichtigen Flüchtlinge im Alter von 15 bis 17 Jahren mit Lücken in der Bildungslaufbahn braucht es Angebote, die den Anschluss an weitere Qualifizierung und Ausbildung ermöglichen.
Aus diesem Grund legte mein Haus bereits im Dezember 2014 ein Pilotprojekt für schulpflichtige Jugendliche mit stark unterbrochenen Bildungslaufbahnen auf, um diese zum Hauptschulabschluss zu führen. Wir mussten also keine Ad-hoc-Aktion starten, sondern waren mit unseren Projekten und Konzepten vorbereitet. Für jeden Einzelnen soll ein guter Weg in Ausbildung oder Studium bei uns im Freistaat Sachsen gefunden werden.
Klar, meine Damen und Herren, ist aber auch: Schule kann nicht mehrere Schuljahre ad hoc nachvermitteln. Das gilt gerade für die nicht mehr schulpflichtigen Flüchtlinge über 18 Jahre. Im Laufe des Schuljahres 2015/2016 war die Heterogenität in den Vorbereitungsklassen der Berufsschulen so stark, dass eine Nachsteuerung erforderlich war. Es bleibt dabei: Für alle jungen und erwachsenen Migranten, die in eine duale Berufsausbildung eintreten – wir brauchen diese jungen Migranten in der Berufsausbildung –, werden wir die Ausbildung an unseren Berufs
Jugendliche, die kurz vor dem Abitur stehen, können an einem unserer sächsischen Kollegs ihre Bildungslaufbahn fortsetzen. Meine Damen und Herren Abgeordneten, das nehmen jetzt bereits 108 junge Migranten wahr. Sie machen enorme Fortschritte und werden einen hervorragenden Schulabschluss ablegen, um dann in die duale Berufsausbildung bzw. in das Studium einzusteigen. Doch gerade für diejenigen, die mit Beendigung ihrer Schulpflicht eben nicht diese Ausbildungsreife erreichen, braucht es andere Lösungsansätze. Und die gibt es, meine Damen und Herren.
Die Jugendlichen können den Hauptschulabschluss an einer Abendoberschule nachholen. Davon wird reichlich Gebrauch gemacht. Die Bundesagentur für Arbeit bietet Maßnahmen an, zum Beispiel „PerjuF“ für unsere jungen Flüchtlinge. Wir sind in intensivem Kontakt mit der Bundesagentur. Die Zusammenarbeit klappt hervorragend. Wichtig ist, dass Spracherwerb und berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen immer gezielt miteinander verzahnt werden. Deshalb wird es weiterhin eine intensive Zusammenarbeit meines Hauses mit der Bundesagentur geben, wie ich schon erwähnte.
So ist es im vergangenen Schuljahr, meine Damen und Herren Abgeordneten, gelungen, von 1 051 der über 18jährigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund insgesamt 760 in eine Maßnahme der BA oder in einen Integrationskurs zu vermitteln. Auch die landeseigenen Sprachangebote werden intensiv genutzt. Danke an SMGI.
Meine Damen und Herren! Unser Konzept mit der schrittweisen und individuellen Integration setzt hohe Maßstäbe. Wir wollen keine Segregation, sondern eine schnellstmögliche Integration in alle Regelsysteme. Hier mitzuhelfen sind alle Ressorts, Arbeitgeber, Kammern und gesellschaftlichen Kräfte gefordert.
Für den Erfolg im schulischen Bereich, der hervorragend gelungen ist, werde ich mich weiterhin einsetzen. Ich weiß, dass alle Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher trotz der schwierigen personellen Situation, in der wir uns befinden, alles unternehmen werden, um den Freistaat Sachsen nach außen hin so zu präsentieren und zu zeigen, dass wir Integration wollen, dass wir Kinder und Jugendliche aufnehmen, dass sie bei uns eine Heimat und eine Ausbildung finden und gern im Freistaat Sachsen bleiben.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Meine Damen und Herren, die Fraktionen haben nun in der ersten Runde die Möglichkeit, Fragen zum Berichtsthema der Staatsministerin zu stellen. Die Reihenfolge ist bekannt: Wir beginnen mit der CDU
Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Staatsministerin, ich habe zwei Verständnisfragen zum Thema. Erstens: Wird nach wie vor ein 30 bis 40prozentiger Migrationsanteil pro Klasse favorisiert? Zweitens: Warum werden die über 18-Jährigen nicht mehr in die Schule aufgenommen?
Herr Abgeordneter, ich komme zu Ihrer ersten Frage, in der es um den prozentualen Anteil von Migranten in einer Klasse geht. Dies ist ein zentrales Thema in der Ministerrunde der Kultusministerkonferenz und deshalb haben wir es in den vergangenen Konferenzen in den Mittelpunkt gestellt. Wir sind der Meinung, dass nicht nur der Austausch unter den Bundesländern außerordentlich wichtig ist. Wir möchten die Erfahrungen der Bundesländer nutzen, die bereits seit Jahren mit einem hohen Migrantenanteil konfrontiert werden – ich möchte das hier einmal bewusst in dieser Form formulieren. Diese stehen und standen vor der Situation, dass sich die Familien besonders im städtischen Bereich ansiedeln. Ich denke an die städtischen Regionen wie Berlin oder an Städte in Nordrhein-Westfalen. Ich könnte noch andere Bundesländer nennen. Dort gibt es eine hohe Konzentration von Kindern mit Migrationshintergrund in den Klassen. Die Entwicklung ist keineswegs förderlich, weder für die Kinder mit Migrationshintergrund noch für die Kinder aus den entsprechenden Bundesländern, die beschult werden.
Ja, wir streben weiterhin eine gute Verteilung im Freistaat Sachsen in allen Schularten aus pädagogischen und schulorganisatorischen Gründen an. Wir halten einen Migrationsanteil in Höhe von 30 bis 40 % in den Klassen für optimal. Das ist keine statische Größenangabe.
Es muss natürlich neben der schulischen Integration auch die Integration in die gesamte Gesellschaft betrachtet werden. Es ist uns im Freistaat Sachsen durch den Lenkungsausschuss Asyl gelungen – dafür bin ich sehr, sehr dankbar –, einen breiten Konsens für eine dezentrale Unterbringung zu erzielen. Wir möchten im gesamten Freistaat Sachsen gemeinsam mit den Landkreisen und Kommunen den Weg der dezentralen Unterbringung weiter gehen, weil wir dann lokal einen geringeren Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund in unseren Klassen erzielen können.
Ich möchte das noch einmal ein Stück weiter betrachten. Bei einer dezentralen Unterbringung kann die Familie viel schneller und besser integriert werden. Sie kann sich nicht, wie in den großen Städten, zum Beispiel Leipzig, in bestimmten Bereichen der Stadt nur untereinander unterhalten oder die Freizeit nur miteinander verbringen. Das ist ein wichtiges integrationspolitisches Signal und ein Vorteil für den Freistaat Sachsen, wenn wir diesen Weg
weiter gehen. Wir können aus – Fehlern möchte ich hier nicht sagen – den Erfahrungen anderer Bundesländer lernen. Herr Abg. Bienst, es gelingt uns nicht immer, diese Größenordnung in Höhe von 30 bis 40 % zu halten. Im städtischen Bereich ist der Anteil größer. Das ist meine Antwort auf Ihre erste Frage.
Ja, die Frage betraf die über 18-Jährigen. Ich habe dazu bereits ausgeführt. Die Berufsschulen haben in der Zeit des größten Zuwachses viele Flüchtlinge aufgenommen. In der Zwischenzeit ist dankenswerterweise die Situation eingetreten, dass wir im Freistaat Sachsen Angebote vorhalten können, bei denen es zum Beispiel um den Erwerb der deutschen Sprache geht.
Die Berufsschulen sind nicht darauf ausgerichtet, Sprachkurse anzubieten. Im schulischen Bereich, aber auch im Berufschulbereich geht es darum, die Bildungslaufbahnen fortzusetzen. Es geht um die Möglichkeit des Fortführens einer Bildungslaufbahn, um zu einem Schulabschluss zu kommen. Es wird in unserer DaZ-Konzeption darauf hingewiesen, dass es um die Vermittlung von Bildungssprache geht, um in den Regelunterricht integriert werden zu können. Weil es in der Vergangenheit diese Sprachkurse nicht gab, waren diese jungen Männer und Frauen an den Berufsschulen zur Beschulung gut aufgehoben. Sie waren nicht nur gut aufgehoben, sie haben sich dort auch sehr wohl gefühlt, weil sehr viel mehr an Integrationsarbeit geleistet wurde.
Wir sind an unseren Berufsschulen und allgemeinbildenden Schulen darauf ausgerichtet, einerseits Bildungssprache zu vermitteln und andererseits die Bildungslaufbahn fortzusetzen. Für Jugendliche, die über 18 sind und eine stark unterbrochene Bildungsbiografie bzw. gar keine Bildungsbiografie aufweisen – –
Eins, zwei, drei, mein Mikrofon funktioniert noch. Können Sie uns von der Technik bitte sagen, was hier los ist?
(Cornelia Falken, DIE LINKE: Das Mikrofon 1 ist noch an! – Staatsministerin Kurth: Ist das noch an?! Hören Sie mich?! – Zurufe aus dem Plenum: Ja! – Beifall eines Abgeordneten aus dem Plenum)