Erstens. Die Erstellung eines neuen Entwurfs durch die Staatsregierung würde das Haushaltsverfahren wieder auf Start setzen. Mit einem neuen Doppelhaushalt dürften wir bei optimistischer Prognose dann frühestens im März rechnen können.
Zweitens würden Sie damit die intensive Arbeit aller Fraktionen an ihren Änderungsanträgen mit einem Mal zunichte machen. Wir befinden uns unmittelbar vor den abschließenden Ausschusssitzungen. In der nächsten Plenarwoche wollen wir diese monatelange Arbeit in Ergebnisse münden lassen. Für meinen Geschmack ist das eine relativ weitgehende Geringschätzung des Parlaments und seiner Mitglieder.
Drittens wirft diese Antragsziffer ein merkwürdiges Licht auf Ihr Selbstverständnis als Oppositionsfraktion. Warum ziehen Sie nicht selbst erste Schlussfolgerungen aus der noch mittelmäßigen Informationslage und schlagen an den entscheidenden Stellen im Haushalt entsprechende Änderungen vor?
Für meine SPD-Fraktion kann ich sagen, dass wir das tun, gemeinsam mit der CDU-Fraktion. Spätestens in den nächsten Ausschusssitzungen werden Sie zu unseren Anträgen Stellung nehmen können.
Herr Präsident, Herr Kollege, Danke, dass ich fragen darf. – Ist Ihnen entgangen, dass § 32 der Haushaltsordnung für den Freistaat Sachsen vorsieht, dass die Staatsregierung in diesem Fall bis zum 28. November 2016 Ergänzungsvorlagen vorlegen kann, wenn sie es aus bestimmten Erkenntnissen heraus für notwendig erachtet, den ursprünglich vorgelegten Haushaltsentwurf zu ergänzen?
Was sie in anderem Zusammenhang auch schon getan hat. Meinen Sie tatsächlich, dass nur der Landtag darüber nachdenken muss, welche Ergänzungen im Haushalt notwendig sind, und nicht die Staatsregierung?
Ich meine, dass wir alle darüber nachdenken müssen, aber im Augenblick sind wir die Herren des Verfahrens. Die Debatte wird auch zwischen Regierung und Parlament geführt, insofern sehe ich nicht, weshalb wir das Verfahren unnötig verlängern und auf eine Ergänzungsvorlage der Regierung warten sollten.
Meine Damen und Herren! Aus den genannten Gründen der noch laufenden Untersuchungen der unabhängigen Expertenkommission und im Landtag, aber auch im Hinblick auf die Möglichkeit, in den Haushaltsverhandlungen bereits erste Schlussfolgerungen zu ziehen, läuft Ihr Antrag aus meiner Sicht inhaltlich völlig ins Leere.
Auch sonst kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Ihnen mit dem Antrag eher darum geht, von der Vielstimmigkeit Ihrer eigenen Fraktion und Partei in dieser Sache abzulenken, die von Rücktrittsforderungen bis hin zur Rückenstärkung verantwortlicher Personen reichte.
Sie erwarten sicher auch nicht, dass wir dieser Initiative zustimmen. Die SPD-Fraktion wird dies auch nicht tun. Doch lassen Sie mich diese Debatte noch dazu nutzen, um auf einige fachliche Aspekte einzugehen.
Zunächst möchte ich noch einmal klarstellen: Der gesamte Vorgang von der Ermittlung eines Terrorverdachts bis zur Verhinderung eines Anschlags und zur Ergreifung des Terrorverdächtigen war vom Ergebnis her grundsätzlich erfolgreich. Es wurde ein Anschlag verhindert; der Verdächtige wurde gefasst.
Ich möchte mir aber auch nicht ausmalen, welche Tragödie wir möglicherweise erlebt hätten, wenn dieser Einsatz nicht erfolgreich gewesen wäre. Es haben sich trotzdem schon sehr frühzeitig Erkenntnisse ergeben, wonach es im Verlauf des Einsatzes Pannen oder Fehler gegeben hat. Natürlich! Das gipfelte dann in dem Suizid von al-Bakr in der Justizvollzugsanstalt Leipzig.
Die Hauptfragen sind: Gab es Fehler? Hätte der Einsatz besser laufen können? Hätte die JVA den Suizid in diesem Fall verhindern können? Diese Fragen waren Gegenstand der Sonderausschusssitzungen und werden auch von der unabhängigen Expertenkommission untersucht. Die
Expertenkommission soll bis Ende dieses Jahres ihre Ergebnisse vorlegen und dabei insbesondere Empfehlungen abgeben, wie strukturelle, organisatorische und rechtliche Bedingungen verändert werden müssen, um im Freistaat Sachsen zukünftig besser mit dem Phänomen eines sich verändernden internationalen Terrorismus umgehen zu können.
Eines muss ich aber noch loswerden. Mich persönlich hat es sehr gestört, dass in der großen öffentlichen Diskussion der Eindruck erweckt wurde, als gäbe es Fehleinschätzungen in der Arbeit von Sicherheitsbehörden nur in Sachsen. Dieser Eindruck ist aus meiner fachlichen Sicht falsch. Fehler passieren auch anderswo. Auch ist der Fall al-Bakr mit seinen Hintergründen insgesamt von einer neuen Dimension. Neu ist sie für alle Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder.
In der jüngeren Vergangenheit waren wir in Sachsen, aber auch in der gesamten Bundesrepublik wahrscheinlich
niemals so nahe an der Realisierung eines terroristischen Anschlags wie in diesem Fall. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass von einer sauberen fachlichen Auswertung aller Aspekte – von der Informationsgewinnung und -weitergabe über den Polizeieinsatz bis hin zur Unterbringung in der JVA – die gesamte Sicherheitsarchitektur in Deutschland profitiert.
Meine Damen und Herren! Trotz dieser fachlichen Perspektive gibt es in der Debatte doch Parallelen zu anderen, auch innenpolitischen Problemlagen und Debatten. Die Parallelen liegen im Umgang mit in Sachsen geschehen Fehlern. Mein persönlicher Eindruck ist: Politik und Behörden in Sachsen müssen lernen, über Fehler offen zu sprechen, sie wenigstens anzusprechen.
Wir müssen endlich dahin kommen, denjenigen, der ein Problem benennt, nicht reflexartig als Nestbeschmutzer zu beschimpfen.
Aber diese Haltung, man habe keine Fehler gemacht und trotzdem sei die negative Folge leider eingetreten, diese Haltung ist es, die das Vertrauen der Bevölkerung in die Politik und in die Behörden sinken lässt.
Verstärkt wird das Ganze noch durch eine besonders ausgeprägte Verantwortungsdiffusion in Sachsen. Diese führt dazu, dass Kritik wegen Fehlverhalten ganz schnell auf der Ebene der Mitarbeiter in den Behörden ankommt.
Das ist keine Wahrnahme von Verantwortung, denn immer häufiger bekommen Beschäftigte der Sicherheitsbehörden die Folgen zu spüren, weil sie im Fokus stehen, obwohl dort andere stehen sollten.
Dies hat fatale Folgen, weil nicht selten auch das Vertrauen der Bediensteten in die Führung schwindet. Diese Haltung wirkt wiederum nach außen und verstärkt den Vertrauensverlust in der Bevölkerung zusätzlich.
Meine Damen und Herren! Diesen verhängnisvollen Kreislauf müssen wir alle miteinander unterbrechen. Eine erste Gelegenheit bietet sich meines Erachtens schon im Umgang mit den Ergebnissen der unabhängigen Expertenkommission. Ich hoffe und appelliere an alle Beteiligten, die Ergebnisse ernst zu nehmen und sich im besten Fall zu eigen zu machen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der uns vorliegende Antrag der Fraktion DIE LINKE findet in einer Hinsicht unser Wohlwollen, nämlich insofern, als er eine Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Tillich fordert. Das war es dann aber auch schon. Im Übrigen ist die ganze Zielrichtung abzulehnen, weshalb wir den Antrag aus folgenden Gründen ablehnen werden:
Die Fraktion DIE LINKE stellt sich hier einmal mehr vollumfänglich in den Dienst vor allem westdeutscher Medien, die aus einem Impuls sprungbereiter Feindseligkeit heraus Sachsen zum gescheiterten Staat erklärt.
Sie wiederholen gebetsmühlenartig immer und immer wieder Versäumnisse der sächsischen Justiz und Polizei. Es wurde im Zusammenhang mit den Geschehnissen um den vermutlichen IS-Kämpfer Dschaber al-Bakr ein grundlegendes Misstrauen gegen den Freistaat Sachsen deutlich, ein Misstrauen, wie es in Nordrhein-Westfalen nach den Vorkommnissen der Kölner Silvesternacht erstaunlicherweise nicht entgegengebracht wurde. Warum eigentlich? Ist Sachsen nun der Sündenbock für deutschlandweite Fehlentscheidungen geworden? Mit Ihrem Antrag stimmt DIE LINKE gewissermaßen in den sachsenfeindlichen Tenor ein und unterstützt in unverantwortlicher Weise das sogenannte Sachsen-Bashing, das dann von den Medien in verstärkter Form deutschlandweit verbreitet wird.
Wenn es zum Beispiel um angebliche rückläufige Zahlen im Bereich Tourismus oder Wirtschaft geht, sind die Täter schnell ausgemacht, vorverurteilt und werden medienwirksam zur Schau gestellt. Dabei hätten auch Sie die Aufgabe, sich schützend vor Sachsen und vor allem vor die sächsischen Bürger zu stellen. Verantwortung, meine Damen und Herren, sieht anders aus.
Schauen wir einmal in den Antrag der LINKEN. Da ist von bis dato bereits öffentlich gewordenen Missständen und festgestellten organisatorischen, personellen und finanziellen Versäumnissen im Bereich der sächsischen Polizei, der Justiz und des Strafvollzugs die Rede.
Weiter spricht DIE LINKE von bereits erkennbaren Schlussfolgerungen zur Sicherheitsgewährleistung und zur erforderlichen Sach-, Personal- und Finanzausstattung. Hier wurde wieder einmal tief in die allwissende Rot-Grüne Glaskugel geschaut. Das Orakel der sächsischen LINKEN lässt grüßen. Kollege Bartl, ich persönlich hätte schon erwartet, dass Sie Ihre Fraktion ein Stück weit ausgebremst hätten, um auf die Analyse der Kommission zu warten, anstatt zu mutmaßen. Dies betrifft ebenfalls die für Ihre Fraktion daraus resultierende nicht fundierte Forderung einer weiteren Ergänzungsvorlage des vorgelegten Entwurfes des Doppelhaushaltes.
Meine Damen und Herren! Solche Formulierungen wären durchaus tragbar, wenn es darin um allgemeine Missstände und Versäumnisse ginge, wie sie auch von der AfD-Fraktion hier im Landtag immer wieder kritisiert werden, also vor allem auch die unzureichende Personalausstattung bei Polizei, Justiz und Strafvollzug. Nur darum geht es der Fraktion DIE LINKE augenscheinlich nicht. Sie leitet ihre Feststellung konkret auch aus den Geschehnissen um die Vorfälle in Chemnitz und Leipzig ab. Das ist schon weit hergeholt bzw. eher tollkühn.
Wo bleiben eigentlich Ihre Forderungen und medialen Hilferufe nach lückenloser Aufklärung, wenn einmal mehr Linksautonome in Leipzig-Connewitz Polizisten, Einsatzgerätschaften und Gebäude angreifen bzw. zerstören?