In der Öffentlichkeit ist bekannt geworden, dass dieser Mechanismus nun offensichtlich nicht funktioniert.
Ich fahre deshalb mit meinem Redebeitrag fort. Ich begrüße an dieser Stelle ausdrücklich, dass der Innenminister das Problem mittlerweile erkannt und im letzten Innenausschuss dazu klar Stellung bezogen hat. Ich finde es allerdings bedauerlich, das ist heute schon ausgeführt worden, dass es dafür erneut erst einmal schrecklicher Vorfälle wie der in Bayern und Sachsen-Anhalt brauchte. Ich wünsche mir, dass wir in der Sicherheitspolitik bundesweit dazu kommen, dass wir die Probleme im Vorfeld ernst nehmen und nicht erst dann, wenn etwas passiert ist.
Mit Blick auf den Verfassungsschutz muss ich mir folgende rhetorische Frage stellen: Was macht eigentlich ein Verfassungsschutz, der die selbst erklärten und offenkun
digen Feinde unserer Verfassung nicht in dem Maße behandelt, wie er es sollte? Nach meinem Dafürhalten schützt er wohl kaum die Verfassung. Es errichten Menschen Königreiche auf deutschem Boden, möchten die Reichsgrenzen verschiedenster Jahreszahlen wiederhaben, erkennen den Staat nicht an und gehen teilweise mit kruden Methoden, aber auch mit Gewalt gegen den Rechtsstaat und seine Institutionen vor. Ausgerechnet bei dieser ausgewiesenen Verfassungsfeindlichkeit sieht der Verfassungsschutz keine organisierten Verfassungsfeinde. Ich empfehle an dieser Stelle dem Verfassungsschutz, diese Dialektik einmal mit der einen oder anderen marxistischen Gruppe, die im Verfassungsschutzbericht auftaucht, zu erörtern. Vielleicht findet man eine Lösung. Sie sind bei Weitem nicht so gefährlich und könnten beim Thema Dialektik vielleicht helfen.
Dennoch bin ich beruhigt, dass das Innenministerium das Problem erkannt und nun zumindest Maßnahmen angekündigt hat. Herr Innenminister, an Ihre Stelle ist Folgendes deutlich adressiert: Ich erwarte, dass dies keine bloßen Lippenbekenntnisse bleiben.
Ich komme nun zu dem Thema Waffen und Reichsbürger. Die Entwaffnung von Reichsbürgern ist dringend geboten. Waffen gehören nicht in die Hände von Staatsfeinden. Ich sage Folgendes ganz deutlich: Ich begrüße das, was Sie angekündigt haben. Jedoch hat es mich auch verwundert. Noch im Plenum im April, als meine Fraktion dies unter anderem für gewalttätige Rechtsextreme in einem Antrag gefordert hat, wurde uns hier in diesem Hohen Hause von Ihnen, Herr Innenminister, der CDU, aber auch der SPD Gesinnungswaffenrecht vorgeworfen. Jetzt machen Sie das aber bei Reichsbürgern.
Nun kann ich Ihnen, Herr Innenminister, folgende Frage stellen: Herr Innenminister, betreiben Sie nun Gesinnungswaffenrecht? Oder geben Sie zu, dass das, was die Fraktion GRÜNE damals gefordert hat, so falsch nicht gewesen sein kann? Geben Sie zu, dass man – das wünsche ich mir zum Schluss – überlegen muss, ob man diese Maßnahmen deutlich ausweitet und auf den Kern gewaltbereiter Neonazis und Rechtsextremer ausdehnt und zukünftig die Zuverlässigkeit in Bezug auf Waffen grundsätzlich verneint?
Wer bei Reichsbürgern beginnt, darf bei harten Neonazis nicht aufhören, sonst macht man sich unglaubwürdig. Wer zusieht, dass sich Staatsfeinde bewaffnen, handelt fahrlässig. Das muss ein Ende haben.
Wir gehen jetzt in die zweite Runde. Es beginnt wieder die Fraktion DIE LINKE. Frau Abg. Köditz, bitte.
haben neulich den Innenminister zitiert, er wolle dem Landesamt für Verfassungsschutz den Auftrag geben, einen Überblick über die Reichsbürger zu schaffen.
Diese Aufforderung verstehe ich natürlich so: Der Innenminister hat keinen Überblick. Dabei sehe ich folgendes Problem: Das Landesamt für Verfassungsschutz hat ebenfalls keinen Überblick. Seit mehreren Jahren stelle ich regelmäßig Kleine Anfragen zum Thema Reichsbürger. Der Antworttenor ist seit Jahren immer wieder der gleiche: Eine einheitliche Reichsbürgerbewegung existiert nicht. Das hat nie jemand behauptet; aber dies ist die einzige Antwort.
Der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz verspricht uns ebenfalls seit Jahren, seine Analysefähigkeit bzw. die seines Amtes zu verbessern. Zuletzt gab es beim Thema Reichsbürger dann einen Schwenk, und es wurde aus meiner Sicht noch peinlicher. Vor gut einem Monat lautete die Einschätzung plötzlich: Die Reichsbürgerideologie als solche wird nicht als rechtsextremistisch eingeordnet. Wer das sagt, hat aus meiner Sicht jegliche Analysefähigkeit verloren.
Schauen wir uns die Elemente an: In Wirklichkeit entstammt das Reichsbürgerphänomen nun einmal dem klassischen deutschen Neonazismus. Daher kommt doch schon einmal der Begriff Reich, daher kommt die Ablehnung der Demokratie und ihrer Institutionen. Daher kommt auch die im Wortsinne geschichtsrevisionistische Idee, die Existenz der Bundesrepublik zu leugnen.
Das ändert sich aus unserer Sicht auch nicht dadurch, dass es heute ganz unterschiedliche Reichsbürger-Spielarten gibt, dass neben Fantasiereichen auch Fantasiemonarchien und Fantasierepubliken entstehen und dass dieser Unfug für manche auch ein Geschäftsmodell geworden ist.
Aus unserer Sicht ist das keineswegs nur eine ordnungs- und staatstheoretische Debatte. Diese Reichsbürgerbewegung verkündet die verschiedensten Interessen, die wir von rechts, von der extremen Rechten derzeit auf der Tagesordnung haben. Setzen Sie doch nicht nur auf ordnungspolitische Maßnahmen!
Das Problem ist aus meiner Sicht ganz einfach: Wir haben ein Beamtenrecht. Setzen Sie dieses Beamtenrecht doch einfach durch. Zuverlässigkeit, sage ich nur, kann nicht gegeben sein, wenn man den Staat nicht anerkennt. Eine deutlichere Ablehnung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gibt es doch nicht.
Herr Minister, das ist für meine Begriffe wieder ein Ankündigungsaktionismus Ihrerseits. Prüfen Sie die Machbarkeit Ihrer Ideen, bevor Sie sie in die Welt setzen.
Was die Einschätzung der Reichsbürger angeht, ist Sachsen bundesweit wieder einmal ein Schlusslicht. Vorhin wurde der thüringische Verfassungsschutz zitiert. Es wird auch auf den brandenburgischen Verfassungsschutz verwiesen. Aber von Sachsen kommt relativ wenig. Das Landesamt scheint die Gefahr für die FDGO nicht genügend zu sehen. Wir stellen doch sogar ein aktives Handeln gegen den Staat mittels systematischer bürokratischer Lahmlegung von Behörden fest, mit Drohungen und Angriffen gegen Bedienstete – eben durch Reichsbürger. Das soll nicht als Angriff auf die FDGO wahrgenommen werden? Das ist mir nicht nachvollziehbar.
Das Landamt für Verfassungsschutz ist auch bei diesem Thema kein Frühwarnsystem, sondern aus meiner Sicht einfach ein defektes Rücklicht. Mit den Reichsbürgern umzugehen erfordert zunächst einmal Wissen. In seinem Faltblatt verkündet das LfV, man solle sich mit den Reichsbürgern nicht argumentativ auseinandersetzen. Das kann man ja so sehen, aber wir brauchen Argumente für die Auseinandersetzung.
Der Innenminister sollte sich also lieber nicht auf das Landesamt für Verfassungsschutz verlassen. Er sollte sich besser endlich einmal anhören, welche Erfahrungen Beamte, Verwaltungsmitarbeiter und Angestellte in öffentlichen Einrichtungen machen müssen.
Er sollte sich ansehen, welche Einschätzungen aus der Wissenschaft und aus der Zivilgesellschaft über die Radikalisierung am rechten Rand vorliegen und was seit Jahren über Reichsbürger in den Medien steht.
Unsere Lösung, die wir anbieten, ist: Aufklärung, Forschung, Bildung. Dazu gehört zuallererst, das Problem beim Namen zu nennen und es nicht zu verharmlosen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Schwierigkeit ist eben, dass wir hier nicht in schwarz und weiß diskutieren können und dass wir – auch wenn Sie es beklagen mögen, Herr Lippmann – eben nicht über eine klar definierte, erkennbare Struktur sprechen, sondern, ich wiederhole das an dieser Stelle, über Einzelne und Kleinstgruppen unterschiedlicher Strukturen und Sichtweisen, die zum Teil auch über Netzwerke in rechtsextremen Szenen verfügen.
Die Tatsache, dass sie einen Steuerbescheid nicht zahlen wollen, hat zunächst einmal noch keinen verfassungsrechtlichen Bezug.
Es gibt hier einen Teilbereich, der in der Tat verfassungsrechtliche Relevanz hat, und es gibt eine zunehmende Gefährdungssituation auch hinsichtlich der Steuerung durch rechtsextreme Gruppen. Das lässt sich nur nicht pauschal über die gesamte Reichsbürgerszene adaptieren.
Ich bleibe auch einmal bei Ihrer Frage, warum das Landesamt für Verfassungsschutz das tut, was es tut. Ich lade Sie als Gesetzgeber gern ein mitzuwirken, solange es in § 2 Abs. 1 und § 3 des Gesetzes über den Verfassungsschutz im Freistaat Sachsen heißt, „Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung …“ und „politisch bestimmte, ziel- und zweckgerichtete Verhaltensweisen in einem oder für einen Personenzusammenschluss, der darauf gerichtet ist …“, einen der Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.
Auch hinsichtlich des Waffenrechts ist das nicht so einfach. Genau deswegen betreiben wir kein Gesinnungswaffenrecht. Sie brauchen immer noch den konkreten Bezug und den konkreten Vorhalt.
Ja, wenn es um Reichsbürger geht, dann ist auch das Landesamt für Verfassungsschutz, dann sind wir alle gemeinsam gefragt, uns mit Blick auf die aktuelle Entwicklung auch den potenziell gefährlichen Anhängern zu nähern und entsprechende Erkenntnisse zusammenzutragen.
Aber da stellt sich auch schon die Frage, wen Sie in welchem Umfang beobachten können und wie es sich mit jenen verhält, die keinen Bezug zu rechtsextremistischen, gewaltbereiten Gruppierungen haben oder nicht mit ihnen kooperieren oder sich in diesen Strukturen sehr zurückhalten. Wie ist es da mit der Beobachtungsfähigkeit? Dazu brauchen wir ein klares Lagebild. Wir brauchen auch eine Klärung hinsichtlich der Regelungskompetenzen des Gesetzgebers.
Wenn wir über die Strukturen verfügen, die in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden sind, dann können wir auch die Gefährdungspotenziale einschätzen. Damit ergibt sich auch, welche Maßnahmen für die Exekutivbehörden infrage kommen. Dann kann man beispielsweise auch darüber reden, ob bei der Waffenberechtigungskarte eine Regelabfrage bei Verfassungsschutzämtern Voraussetzung wird.