Protokoll der Sitzung vom 10.11.2016

Schließlich hat der Sächsische Rechnungshof bereits eine umfassende Informationsgrundlage geliefert.

Jetzt geht es um die Umsetzung. Hier ist die Reaktionszeit in Sachsen nicht immer die kürzeste. Ich nenne nur drei Beispiele: Lehrermangel, Polizeibedarf und Breitbandausbau. Probleme werden im Freistaat leider viel zu oft und viel zu lange bestaunt und beredet, anstatt sie zu lösen, obwohl die Dringlichkeit durchaus bekannt ist.

Ich hoffe, dass die Staatsregierung nun wenigstens möglichst schnell bei der Erhaltung der staatlichen Straßeninfrastruktur im wahrsten Sinne des Wortes in die Gänge kommt. Die im Doppelhaushalt veranschlagten Mittel werden dafür sicher nicht ausreichen. Deshalb wird die AfD-Fraktion für den kommenden Doppelhaushalt einen gedeckten Mehrbedarf von weiteren Millionen Euro für den Erhalt der Staatsstraßen in die Haushaltsverhandlungen einbringen.

Unabhängig von den Ergebnissen des Berichtsantrages sollte die Staatsregierung doch in der Lage sein, ein wirksames Erhaltungsmanagement für den Straßenbau zu liefern. Prioritäten wie Wirtschaft und Tourismus müssen unbedingt berücksichtigt werden, nicht nur Bevölkerungsprognosen. Die Einführung der Ausbau- und Erhaltungsstrategie soll nun Ende 2017 kommen. – Das zum Thema Reaktionszeit.

Was wurde bisher getan? Personal abgebaut und gehofft, wir schaffen das! So geht es offensichtlich nicht weiter. An dieser Stelle könnte auch einmal hinterfragt werden, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Maßgaben Bauaufträge vergeben und in welchem Umfang die Aufträge zeitgemäß erfüllt werden, ob und wie die Erfüllung beaufsichtigt bzw. die nicht fristgemäße Erfüllung sanktioniert wird. Eine effektivere Planung durch regionale Planungsbüros ist dringend notwendig.

Meine Damen und Herren! Ich hatte es bereits angedeutet: Informationen schaden nicht. Deshalb kann die AfDFraktion dem vorliegenden Antrag zustimmen. Wir werden die Umsetzung der gewonnenen Informationen aufmerksam und kritisch begleiten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)

Meine Damen und Herren! Nun folgt die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Meier. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damen und Herren! Wer hätte gedacht, dass die AfD noch weiter nach rechts fahren kann! Sie sollten aufpassen, dass Sie nicht im Kreis fahren.

(Vereinzelt Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Ich komme nun zum Antrag: Vermögenserhalt bei Staatsstraßen sichern. Das klingt gut und auch vernünftig. Wer den Vermögenswert der Staatsstraßen sichern möchte,

sollte natürlich erst einmal analysieren, welchen Ausbaugrad und welchen Zustand das sächsische Straßennetz hat. Dazu, das haben wir heute schon gehört, hat der Landesrechnungshof seine Beratende Äußerung vorgelegt. Bei der Lektüre dieses Berichts hatte ich an der einen oder anderen Stelle ein Déjà-vu. Was meine Vorgängerinnen und ich seit mehr als zehn Jahren wie ein Mantra zum Straßenbau in diesem Parlament vortragen und fordern, findet sich nahezu eins zu eins in diesem Bericht wieder.

Ich möchte dies kurz in vier Punkten zusammenfassen. Sachsen hat mittlerweile circa 4 500 Kilometer und damit eines der dichtesten Straßennetze. Herr Nowak sagte dazu, dass sich dieses sehen lassen könne. Ich sage dazu Folgendes: Besser wäre es, wenn Sie auf den Erhalt gesetzt hätten. Weite Teile dieses Netzes sind in einem miserablen Zustand. Bei den Staatsstraßen stieg der Anteil der Straßen in schlechtem und sehr schlechtem Zustand seit dem Jahr 2009 um 4 % auf sage und schreibe 63 % an. In den letzten 15 Jahren wurde unter allen CDUgeführten sächsischen Regierungen dreimal so viel Geld für den Um-, Aus- und Neubau der Staatsstraßen wie für den Erhalt des bestehenden Netzes ausgegeben.

Legendär ist die letzte Förderperiode der EU, in der eine halbe Milliarde Euro der EFRE-Gelder in den Straßenbau gelenkt wurde. Das hat die EU aufgerufen, in dieser Förderperiode eine Lex Sachsen zu erlassen und Folgendes zu sagen: Liebe Staatsregierung, Ihr dürft die EFREMittel nicht weiter in die Staatsstraßen stecken! Das war richtig. Der Freistaat unterhält nicht nur Straßen, die nach ihrer Funktion und Verkehrsbedeutung keine Staatsstraßen sind. Vielmehr hat er in den letzten 15 Jahren, das gehört zur Ehrlichkeit dazu, Straßen gebaut, die eher einen Anliegercharakter haben.

Meinen fünften Punkt finden Sie nicht im Bericht wieder. Das wurde aber in der Anhörung deutlich. Ein Großteil der in den vergangenen Jahren in Sachsen gebauten Staatsstraßen ist deutlich überdimensioniert. Die tatsächliche Verkehrsbelegung sächsischer Staatsstraßen liegt durchschnittlich 40 % über den ursprünglichen Prognosen. Diesen Befund hat nicht irgendwer, sondern die TU Dresden erstellt, nämlich der Lehrstuhl für Verkehrsökologie im Jahr 2014. Das war vor zwei Jahren. Wir haben diese Studie in Auftrag gegeben, die dies herausgefunden hat. Prof. Becker war bei der Anhörung dabei. Als er diese Zahlen dort referierte, konnte ich in große aufgesperrte Augen und Münder der Koalition schauen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Würden Sie es dem Finanzminister durchgehen lassen, wenn er sich im Soll um 40 % gegenüber dem Ist verschätzen würde? Ich glaube, Sie würden ihm das nicht durchgehen lassen. Beim Straßenbau aber werden solche Fehleinschätzungen seit vielen Jahren stillschweigend hingenommen. Es wurde viel Geld vergeudet. Geplant und gebaut hat der Freistaat immer fröhlich auf Grundlage offensichtlich falscher Prognosen. Jetzt aber – das ist schon angeklungen und das honoriere ich auch – besteht seit zwei Jahren ein Umdenken.

Seit dem Jahr 2015 sind die Ausgaben für den Erhalt der Straßenstruktur deutlich erhöht worden. Insgesamt sind die Mittel für den Um-, Aus- und Neubau von Staatsstraßen dank der Lex Sachsen von der EU gestoppt worden. Insgesamt konnten die Gelder mehr in den Erhalt gesteckt werden. Trotzdem, das ist auch aus dem Bericht des Landesrechnungshofes klar geworden, sind in den letzten beiden Jahren – im letzten Doppelhaushalt – 30 Millionen Euro in die Erweiterung und den Neubau von Straßen geflossen. Es werden zügig weiter Straßen gebaut.

(Andreas Nowak, CDU: Und zwar dort, wo es nötig ist!)

Wie diese erhalten bleiben sollen, bleibt unklar. Wir müssen den Fakten in die Augen blicken. Es gibt immer weniger Einwohnerinnen und Einwohner in diesem Land, die den Unterhalt für diese vielen Straßenkilometer schultern müssen. Wenn man sich die klammen Kassen der Kommunen anschaut, dann frage ich mich, wie sie das weiter schultern sollen.

Dem Antrag werden wir dennoch zustimmen. Es ist putzig, dass sich Herr Nowak hier hinstellt und kritisiert, obwohl die CDU hier seit 25 Jahren regiert.

(Christian Piwarz, CDU: 26!)

Herr Dulig ist seit zwei Jahren Verkehrsminister.

(Andreas Nowak, CDU: Seit 2004 haben wir das Verkehrsministerium nicht mehr!)

Natürlich können Sie das steuern. Das bleibt Ihnen unbenommen.

(Christian Piwarz, CDU: Wir sind doch an allem schuld!)

Wir können dem Antrag bedenkenlos zustimmen.

(Christian Piwarz, CDU: Dafür gewinnen wir auch Wahlen damit!)

Er bemüht sich im Kern um Daten- und Informationssammlungen. Er möchte die Regierung zu einer Erhaltungsstrategie verpflichten. Ob es aber zu einem Umsteuern kommt, werden wir erst sehen, wenn weiterhin munter Straßen gebaut werden. Im Hinblick darauf sehe ich momentan noch keinen Politikwechsel bei der CDU und der SPD.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Es gibt Wortmeldungen für eine zweite Runde. Es beginnt die CDU-Fraktion. Herr Hippold, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich fange einmal mit ein paar Anmerkungen zu den anderen Kollegen an. Frau Grimm, Sie hatten gesagt, dass wir mit offenen Augen durch die Gegend fahren sollen, um zu erkennen, wie unsere Staatsstraßen aussehen. Das machen wir selbstverständlich

immer. Das wäre ansonsten sehr ungesund, würde ich einmal sagen.

Die zweite Frage, die Sie gestellt hatten, lautete wie folgt: Haben wir die Anhörung gebraucht, um zu erkennen, dass das der Fall ist? Nein, das ist eben nicht der Fall.

Ich komme nun zur Aussage von Herrn Böhme. Herr Böhme, Sie haben uns vorgehalten, dass wir nicht auf die Ergebnisse der Anhörung gewartet hätten. Das ist totaler Quatsch.

(Marco Böhme, DIE LINKE: Habt ihr doch aber nicht!)

Genau deswegen haben wir – nachdem der Rechnungshofbericht vorgelegen hat und wir uns mit den Dingen, die dort drin stehen, auseinandergesetzt haben – einen eigenen Antrag formuliert. Dieser sagt aber nicht, dass man im Nachgang die Argumente, die aus der Anhörung hervorgehen, nicht in die weitere Betrachtung einbeziehen darf. Das bitte ich an dieser Stelle einmal festzuhalten.

Folgende Aussage, Herr Böhme, fand ich verwirrend: Nicht alle können am Verkehr teilnehmen, das ist vollkommen klar. Wenn sie weder mit dem Auto noch mit dem Bus oder Fahrrad am Verkehr teilnehmen, dann interessiert diese Menschen, die das nicht mehr können, nicht, wie der Zustand der Straße ist.

(Beifall des Abg. Andreas Nowak, CDU – Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Sie können gern eine Zwischenfrage stellen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Nowak hatte es bereits angedeutet. Ich möchte mich an dieser Stelle, auch aufgrund der Tatsache, dass ich selbst ausgebildeter Bauingenieur bin, den technischen Aspekten im Bereich des Straßenbaus widmen. Wir haben uns heute sehr oft über die unterschiedlichen Werte unterhalten. Deswegen möchte ich gern beleuchten, wie zum einen der Substanzwert unserer Straßen geprüft wird und welche Maßnahmen dazu eingesetzt werden, um den Substanzwert zu erhalten. Im Nachgang möchte ich daraus ableiten, welche Dinge wir tun müssen und in der Vergangenheit vielleicht noch nicht mit der Intensität getan haben, wie man es hätte machen müssen.

Die Unterhaltung von Straßen und Bauwerken dient vor allem – Kollege Nowak ist schon darauf eingegangen – der Benutzbarkeit. Die Instandsetzung – das wird sehr oft verkannt – dient dem Erreichen der geplanten Lebensdauer. Die Unterhaltung und Instandsetzung wirken sich werterhaltend aber eben nicht wertsteigernd aus. Erst die Erneuerung an sich hat investiven Charakter und erhöht das Infrastrukturvermögen, weil die Erneuerungsmaßnahmen die reelle Lebensdauer und die rechnerische Abschreibungszeit der vorhandenen Straßen und Bauwerke verlängern.

Um- und Ausbaumaßnahmen sowie der Neubau gehören nicht zu den Erhaltungsmaßnahmen. Sie sind Investitionen, die neues Vermögen schaffen. Die Gesamtheit der

Erhaltungsmaßnahmen und Investitionen wirkt sich auf den Zustand unserer Verkehrsinfrastruktur aus.

Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr überwacht netzübergreifend den Straßen- und Bauwerkszustand und erstellt unter Berücksichtigung der verkehrlichen Leitkonzeption des Ministeriums, des SMWA, verschiedene Konzepte. Hierzu gehören der Landesverkehrsplan Sachsen, die Erhaltungsstrategie und die Radverkehrskonzeption und unter Beachtung der Haushaltsmittel in enger Abstimmung mit den Landkreisen die jährlichen Bau- und Erhaltungsprogramme.

Zur Umsetzung der Erhaltung der Straßenverkehrsnetze bestehen verschiedene Instrumente des Controllings. Mit einem Projektstands- und Fachinformationssystem werden Planungs- und Baumaßnahmen mit deren zeitlicher und finanzieller Steuerung in einem System erfasst. Damit können die Erhaltungsmaßnahmen für den Straßenbau in die systematische und jährliche Haushaltsplanung einfließen, sodass die Funktionsfähigkeit unseres sächsischen Straßennetzes sichergestellt ist. Das LASuV ist neben der Erneuerung für den Um-, Aus- und Neubau zuständig.

Wir wollen uns nun einmal der Frage zuwenden, was das LASuV für den Erhalt unserer Straßen tut und welcher Aufwand nötig ist, um den Substanzverlust an unseren Straßen zu minimieren. Die Straßenbauverwaltung führt turnusmäßig alle vier Jahre eine messtechnische Zustandserfassung und -bewertung der Staatsstraßen durch. Dabei werden auf der Grundlage der Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen und der Richtlinien zur Zustandserfassung und -bewertung von Straßen die Zustandsmerkmale der Straßen mittels Befahrung gemessen und ausgewertet. Die Zustandsbewertung unterscheidet dann zwischen dem sogenannten Gebrauchswert und dem Substanzwert und dem daraus resultierenden Gesamtwert.

Die bei der Befahrung gemessenen Zustandswerte werden dann in Zustandsklassen von 1,0 bis 5,0 umgewandelt. Diese Werteskala fixiert drei Kennwerte, nämlich den 1,5Wert, den Warnwert und den Schwellenwert. Im Ergebnis zeigt sich – Kollege Nowak ist schon darauf eingegangen –, dass rund 42 % der Staatsstraßen über diesem Schwellenwert liegen. Dieser Anteil, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist selbstverständlich zu hoch.

Ziel ist es nun, dass sich, bezogen auf das Hauptnetz der Staatsstraßen, bis 2025 keine Streckenabschnitte und natürlich auch keine Ingenieurbauwerke mehr in dieser schlechtesten Zustandsklasse befinden. Der Entwurf zum neuen Doppelhaushalt ist schon in diese Richtung ausgerichtet. Hierfür werden in Sachsen die Erhaltungsmaßnahmen eine größere Auswirkung auf den Gebrauchswert als auf den Substanzwert haben. Für den Straßennutzer schlägt sich dies in Verkehrssicherheit wie zum Beispiel der Griffigkeit des Straßenbelags sowie im Fahrkomfort nieder. Das ist es, was wir dann alle beim Benutzen unserer Straßen merken.

Beim Substanzwert hingegen liegen zwei Drittel aller Staatsstraßen über dem Warnwert von 3,5. Wichtig für

unseren Straßenzustand ist jedoch auch ein guter Substanzwert. Die Substanz der Straßenbefestigung, gekennzeichnet unter anderem durch Risshäufigkeit und Unebenheiten, ist vor allem für die Erreichung der Lebensdauer einer Straße von Bedeutung.