Ich würde mir wünschen, dass Sie öfter einmal das Grundgesetz in die Hand nehmen. Das tun Sie ja vielleicht. Aber Sie sollten es dann auch lesen und danach handeln. Denn da stehen all die Sätze drin: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Alle sind vor dem Gesetz gleich. Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Die Freiheit des Glaubens und des Gewissens sind unverletzlich.
Wissen Sie, ich wünschte mir eine Regierung, die sich im Bundesrat für eine Erhöhung der Regelsätze für eine Kindergrundsicherung starkmacht, die sich für die Verteilung von oben nach unten und nicht umgekehrt im Wahn neoliberaler Glaubenssätze einsetzt,
der soziale Gerechtigkeit nicht nur Lippenbekenntnis ist, die dafür sorgt, dass Bildung, Gesundheit und Kultur allen Menschen zugänglich sind,
eine Regierung – ich komme zum Schluss –, die handelt, anstatt Symbolpolitik zu betreiben. Denn so ginge sächsisch – und dazu sind wir bereit!
Das war Herr Sodann für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt ist die SPD-Fraktion am Zuge. Es spricht Frau Kollegin Kliese.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „So geht Sächsisch nicht!“ – ein an Originalität schwer zu übertreffender Debattentitel. Nachdem das Burkaverbot und die Kinderehe hier im Hause schon ausreichend instrumentalisiert wurden und die anderen AfD-Landtagsfraktionen offenbar nichts Brauchbares zum Plagiieren vorgelegt haben, mussten Sie sich nun eines Zitates bedienen, das bereits Initiativen für die Verbesserung der Qualität von Kindertagesstätten, aber auch die Fraktion DIE LINKE hier in diesem Hause verwendet haben.
Wir waren, da der Debattentitel viele Fragen offenließ, recht gespannt, was uns hier nun erwartet. Ich hätte aber nicht gedacht, dass es nicht mehr sein wird als ein paar zusammengeklaubte, aus dem Zusammenhang gerissene Zitate. Ich gehe davon aus, dass Sie auf ein Gefühl hinauswollen. Sie wollen immer auf Gefühle hinaus, nicht auf Fakten. Damit arbeiten Sie ja. Es geht um das Gefühl, wieder deutsch sein zu wollen oder wieder sächsisch sein zu dürfen, oder ganz simpel um die Sehnsucht nach einem gesunden Patriotismus.
Diese Sehnsucht ist deutlich älter als die Imagekampagne des Freistaates und auch älter als die AfD. Bereits nach einer gewissen Schamfrist nach 1945 fragten sich die Deutschen bald wieder, ob sie nun endlich wieder Deutschland lieben dürfen. Die schönste Antwort darauf
gab im Jahr 1969 Gustav Heinemann, der sagte: „Ach was, ich liebe keine Staaten, ich liebe meine Frau; fertig!“
Dieses Zitat stammt aus dem Jahre 1969. Seitdem hat sich auf der Suche nach dem gesunden Patriotismus viel entwickelt. Natürlich darf jeder, der das Verhältnis zu seiner Heimat gern emotional umschreibt, Deutschland und Sachsen lieben. Das ist auch für uns als SPD keine Frage. Doch diese Liebe darf – wie jede Liebe – nicht blind sein. Die Liebe muss sehend machen. Das bedeutet auch, dass der, der liebt, sich immer Abgründen stellen muss. Nichts anderes hat Martin Dulig getan. Er sprach damit genau jenen Sachsen aus dem Herzen, die sich für die Bilder aus Heidenau und Freital geschämt haben. Es würde mich sehr interessieren, ob Sie diese Menschen tatsächlich auch repräsentieren. Ich glaube nicht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt einen sehr schmalen Grat zwischen Patriotismus und Chauvinismus. Der Chauvinismus als der unsympathische, aggressive Ableger des Patriotismus geht zurück auf Nicolas Chauvin, der bei Napoleon diente und Nationalist war.
Das Problem am Chauvinismus ist das Überlegenheitsgefühl gegenüber anderen Kulturen. Dieses Überlegenheitsgefühl konnten wir sehr gut am 3. Oktober auf dem Weg in die Frauenkirche beobachten, als Anhänger von Pegida und AfD einem dunkelhäutigen Teilnehmer des Gottesdienstes Affengeräusche widmeten. Mit diesen Geräuschen wollten sie deutlich machen, dass sie ihn allein aufgrund seiner Hautfarbe für weniger weit entwickelt halten als sich selbst.
Ich habe mich sehr geschämt. Unsere Fraktion und, wie ich glaube, auch andere Fraktionen hier im Hause stehen genau für diese Menschen im Freistaat, die das beschämend fanden.
Es ist genau dieses Gefühl, etwas Besseres zu sein als andere, oftmals in Unkenntnis anderer Kulturen, das Sie mit Ihrer Politik befeuern. Wer einmal eine Stadt wie Damaskus bereisen durfte, dem dürfte klar sein, dass die Menschen, die dort lebten und arbeiteten, sicherlich nicht davon geträumt haben, einmal in einem Plattenbau im Erzgebirge leben zu dürfen. Das Überlegenheitsgefühl mancher Sachsen etwa gegenüber Syrern oder Tunesiern bekommt einen unfreiwillig komischen Anstrich, betrachtet man die Bilder brüllender, entfesselter Horden vor Asylunterkünften. Da fragt man sich schon manchmal, was da bei der Evolution schiefgegangen ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Verhältnis der Sachsen zu Sachsen und zu Deutschland kann jederzeit ein liebevolles sein. Doch es ist auch stets eines, das den Zivilisationsbruch von Auschwitz – und darin unterscheiden wir uns wohl – anerkennen und mittragen muss. Dafür, dass sich ein solcher Zivilisationsbruch nicht erneut vollzieht, sollten alle Sorge tragen, die ihre Heimat lieben.
Für die SPD-Fraktion sprach gerade Frau Kollegin Kliese. Nun haben als letzte Fraktion in dieser ersten Runde die GRÜNEN das Wort. Es spricht Herr Kollege Lippmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wie bei der Nachlieferung des Titels der AfD zu dieser Aktuellen Debatte zu erwarten war, changiert die Auffassung der AfD zwischen einem kruden antipluralistischen Repräsentationsverständnis und – mal wieder – dem Versuch, den Überbringer der schlechten Nachricht für den Imageverlust des Freistaates Sachsen zur Rechenschaft zu ziehen.
Ihre Frage, ob sächsische Politiker ihre Bürger eigentlich vertreten, kann man recht schnell beantworten. In einer parlamentarischen Demokratie entsteht Repräsentation durch Wahlen. Dieser Landtag ist aus freien und gleichen Wahlen hervorgegangen, er vertritt also somit die Bürgerinnen und Bürger. Die Antwort lautet somit: ja. Punkt. So einfach, so richtig. Eigentlich könnten wir jetzt aufhören.
Aber es ist auch klar, dass Sie mit Ihren Äußerungen und dem, was Sie heute vorgetragen haben, eigentlich etwas anderes intendieren wollen; denn wer die Frage stellt, ob sächsische Politiker wirklich ihre Bürgerinnen und Bürger vertreten, intendiert im Umkehrschluss, dass es nicht so ist, und lanciert eine vollkommen andere Erzählung, nämlich die, die auch Herr Höcke beispielsweise immer gern auf Demos erzählt: „Es müsse doch endlich mal wieder Politik für das Volk gemacht werden.“ Nichts anderes haben Sie mit Ihrem Debattentitel vorgetragen und einmal mehr das Parlaments- und Politikverständnis der AfD schonungslos entlarvt. Es basiert auf der absurden Vorstellung, dass es so etwas wie einen feststellbaren unitären Volkswillen gibt, dass Politiker diesem im Sinne eines imperativen Mandates allesamt zu folgen hätten, und damit mündet das in der Vorstellung, dass Parlamente aufgrund ihrer partikularen Zusammensetzung aus Wahlen doch eigentlich gar nicht in der Lage sein könnten, diesen Volkswillen umzusetzen, solange Sie nicht die absolute Mehrheit hätten. Das ist doch das, was Sie eigentlich zum Ausdruck bringen wollen.
Teile Ihrer Partei sind dann ja noch der Überzeugung, wenn eben Politik nicht für das Volk gemacht wird, also eigentlich nur nicht das umgesetzt wird, was Sie persön
lich wollen, was Sie gern hätten, dass dann endlich noch ausgemistet und aufgeräumt werden müsste. Diese Haltung, werte Kolleginnen und Kollegen, ist zutiefst antipluralistisch, antiparlamentarisch und ein fundamentaler Angriff auf unsere Demokratie.
Folgt man diesem Gedankengang, so sind Parlamente aus Ihrer Sicht ja eigentlich vollkommen überflüssig. Es genügt dann ein gesunder Volkswillen und eine starke Führung, die diesen umsetzt, und wenn Sie ehrlich sind, würden Sie das auch endlich einmal zugeben, anstatt hier das Ganze wolkig zu verpacken. Stattdessen tun Sie das, worauf Ihre geistigen Vorväter des antiliberalen Antipluralismus wahrscheinlich sehr stolz gewesen wären: Sie nutzen das Parlament weiter schön als Bühne und nutzen die Ressourcen aus.
Dass der AfD die parlamentarische Arbeit offensichtlich ein Gräuel ist, haben wir in den letzten zwei Tagen wieder gesehen. Sie sind gestern in den Ausschusssitzungen morgens nicht erschienen – so viel zu dem Thema, wie Sie Ihre Parlamentsarbeit wahrnehmen –, und zum Glücksspielrecht, das vielleicht doch den einen oder anderen Bürger in Sachsen interessieren könnte, haben Sie es auch nicht für nötig gehalten zu sprechen.
Meine These: Die Fraktion, die hier die Bürgerinnen und Bürger durch ihre parlamentarische Arbeit am wenigsten vertritt, dürfte zweifelsohne die AfD sein.
Kommen wir zum zweiten Teil, der in Ihrer Debatte mitschwingt – mal wieder eine skurrile Imagedebatte vonseiten Ihrer Fraktion nach dem Motto: Der Bote der schlechten Nachricht ist der Schuldige. Nur: Allein der Ruf des Freistaates Sachsen ist kein Verfassungsgut, der Schutz von Menschen sowie Grund- und Bürgerrechten indes schon. Daher ist es wichtig, Fehler zu kritisieren und Probleme klar zu benennen, damit sich etwas ändert. Wir brauchen eine Debatte um den Kern und nicht um die Hülle in Form von Imagedebatten, damit wir hier weiterkommen, nur scheinen Sie das nicht begriffen zu haben. Sie verkennen zudem vor allem, welchen Anteil Sie eigentlich an diesem Außenbild Sachsens haben. Sie können damit viel zur Verbesserung des Images des Freistaates Sachsen beitragen. Hören Sie auf, mit Hetze den Nährboden für Hass und Gewalt zu legen, und hören Sie endlich mit Ihrer Umsturzrhetorik gegen die Republik auf, die Sie heute mal wieder eindrucksvoll mit dem Titel Ihrer Aktuellen Debatte vor Augen geführt haben!
Anstatt das zu tun, fällt Ihnen dann offensichtlich nur noch der Appell an das nationale Selbstbewusstsein ein, und, Herr Wippel, Sie hätten mich gestern nicht auf Ihre Website verweisen sollen, denn ich habe dort einige interessante Dinge gefunden.
Zum Tag der Deutschen Einheit führen Sie aus – ich zitiere –: „Leider ist es jedoch nicht gelungen, die deutsche Einheit unbeschwert und selbstbewusst zu feiern und den Tag zum Anlass zu nehmen, um mit dem Volk ins Gespräch zu kommen. In anderen Staaten finden zum Nationalfeiertag Militärparaden statt“, um die positive Seite der eigenen Geschichte herauszustellen.
Im Ernst: Probleme kleinreden, Hetze verbreiten, Militärparaden durchführen und dann an das nationale Selbstbewusstsein appellieren, das erinnert mich dann doch eher an untergehende Diktaturen als an einen starken demokratischen Rechtsstaat.