Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Bei allem Respekt und bei aller Einsicht für den Artenschutz: Es entwickelt sich ein Konflikt zwischen Mensch und Wildtier, der bisher in unserer Kulturlandschaft noch nicht existiert hat. Dem müssen wir als Landespolitiker Rechnung tragen und uns um Lösungen bemühen.

Hinsichtlich der Entnahme von Problemwölfen möchte ich an dieser Stelle allerdings auch darauf hinweisen, dass die erforderlichen Regelungen hierfür bereits bestehen. Um eine solche Entnahme durchzuführen, muss durch die untere Naturschutzbehörde des Landkreises eine Prüfung erfolgen, ob alle Kriterien erfüllt wurden, welche die Voraussetzungen für einen solchen Schritt darstellen. Das heißt, es muss geprüft werden, ob alle anderen zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft wurden. Ist dies der Fall, erlässt der betreffende Landkreis als Verwaltungsbehörde eine entsprechende Verfügung und muss zu dieser das Einvernehmen mit dem SMUL herstellen.

Ich kann und möchte mir an dieser Stelle den Hinweis nicht ersparen, dass der Landkreis um eine solche Prüfung und um die entsprechende Anfrage beim SMUL nicht herumkommt. Auch wenn ich weiß, dass die Entscheidung aus den bereits genannten Gründen schwer ist, so ist der Entscheidungsweg klar definiert und der Landkreis sollte beispielsweise im Fall des Rosenthaler Rudels nicht nur auf das SMUL schimpfen, sondern lieber erst einmal seiner eigenen Verpflichtung nachkommen und handeln.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Aus den von mir genannten Gründen haben wir diesen Antrag gestellt. Wir haben bereits heute einen der besten Managementpläne für den Wolf in Deutschland. Viele andere Bundesländer haben von uns abgeschrieben, das heißt, sie haben sich unseren sächsischen Plan als Vorbild genommen. In

einigen Fällen bleibt der Anspruch aber weit hinter der Realität zurück.

Für uns gilt, wir müssen auch weiterhin die Vorreiter in Deutschland bleiben. Wir müssen Wege finden, die das Zusammenleben von Mensch und Tier vernünftig regeln. In der Konsequenz bedeutet dies, dass sich das hochintelligente Raubtier Wolf den Interessen des Menschen unterzuordnen hat, ohne dass dessen Existenz in Gefahr gerät. Das heißt, wir müssen unser Wolfsmanagement so ausrichten, dass in Zukunft vor allem unter Einbeziehung internationaler Erfahrungen aus ganz Europa effiziente und erfolgreiche Managementmaßnahmen festgesetzt werden. Dazu gehören Vergrämungsmaßnahmen und im Ernstfall auch die zielgerichtete Entnahme von Einzeltieren.

In der zweiten Runde wird Kollege Heinz noch auf andere Aspekte eingehen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU

Meine Damen und Herren! Nun spricht für die SPD-Fraktion Herr Abg. Winkler. Bitte sehr, Herr Winkler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege Hippold ist am Anfang seiner Rede bereits kurz darauf eingegangen. Ich möchte dennoch die Gelegenheit nutzen und noch einmal daran erinnern, dass der Wolf Anfang des 19. Jahrhunderts zu den einheimischen Tierarten Europas gehörte. Er wurde durch menschliche Bejagung ausgerottet und durch nichts anderes.

Heute steht der Wolf unter einem sehr hohen Schutzstatus, und zwar nicht nur nach deutschem, sondern hauptsächlich nach europäischem Recht. Nur durch diesen hohen Schutzstatus ist es möglich geworden, dass der Wolf wieder in seinen ursprünglichen Lebensraum zurückkehren konnte.

Im Jahr 2000 wurde in der Lausitz das erste zugewanderte Wolfspaar aus Polen gesichtet. Seitdem bereitet sich die sogenannte mitteleuropäische Tieflandpopulation in

Deutschland und speziell in Sachsen aus. Der Wolf breitet sich jedoch nicht gleichmäßig aus, das ist vielmehr von verschiedenen Faktoren abhängig.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen und an die sehr interessante und aufschlussreiche Anhörung des Ausschusses für Umwelt und Landwirtschaft am 7. Juli 2015 erinnern. Wie die Entwicklung weitergeht, bleibt demnach abzuwarten und zu beobachten.

Der hohe Schutzstatus des Wolfes muss jedoch so lange erhalten bleiben, bis der Wolf in Europa zu einer stabilen Population gelangt ist oder, wie es in den Zielen des Artenschutzes heißt, bis ein günstiger Erhaltungszustand wiederhergestellt ist.

Der Wolf wandert bekanntermaßen aus Polen ein. Das bedeutet, dass wir natürlich in Ostsachsen und entlang der Grenze zu Brandenburg eine gefühlte, aber eben nicht nur gefühlte, sondern auch tatsächlich höhere Population haben. Entsprechend den Zahlen für 2015 waren es in Bautzen achteinhalb Rudel und im Görlitzer Raum fünfeinhalb. Das führt natürlich zu einer gewissen subjektiven Wahrnehmung der Menschen vor Ort und insbesondere auch der Weidetierhalter, dass ein günstiger Erhaltungszustand möglicherweise bereits erreicht sei. Das ist durchaus nachvollziehbar, auch emotional.

Wir haben bei der Wiederansiedlung des Wolfes vor allem in Sachsen sehr große Fortschritte erzielt. Unser Wild- und Wolfsmonitoring und unsere Managementpläne werden bundesweit anerkannt und als vorbildlich bezeichnet. Das war auch Tenor der Anhörung im letzten Jahr. Ich denke, das ist gut so.

In der öffentlichen Diskussion stellt sich daher immer wieder die Frage, ob im Osten der Republik schon ein günstiger Erhaltungszustand erreicht ist. Die Beantwortung dieser Frage kann aber nicht nur von einer Betrachtung bei uns, sondern muss von einer länderübergreifenden Betrachtung des Wolfes ausgehen.

Fakt ist, dass sich im Sinne des Artenschutzes ein günstiger Erhaltungszustand einer Art immer auf die Population als Ganzes beziehen muss und nicht nur auf Teile bzw. auf Regionen. Das bedeutet aber auch, dass wir nachweislich in den nächsten Monaten feststellen müssen, ob es sich um eine isolierte Population handelt oder nicht. Es soll für Deutschland die Gesamtpopulation eingeschätzt und der Erhaltungszustand bewertet werden. Sachsen unterstützt durch intensives Monitoring den Erkenntnisgewinn zur Wolfsausbreitung.

Natürlich bringt die Wiederansiedlung des Wolfes verschiedene Konflikte mit sich.

(Frank Kupfer, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Der Wolf ist ein Raubtier, das wissen wir, und wurde auch deshalb im Mittelalter und darüber hinaus durch verschiedene Überlieferungen wie zum Beispiel durch Märchen immer wieder mit dem Bösen in Verbindung gebracht. Ich erinnere hier an den Leidensweg von Rotkäppchen oder den sieben Geißlein – aber das sind, wie gesagt, Märchen.

Herr Kollege Winkler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ja, bitte.

Herr Kupfer, bitte.

Herr Kollege Winkler, würden Sie mir recht geben, dass der Wolf nicht wieder angesiedelt wurde, sondern dass er von selbst gekommen ist?

Aber indirekt ist es eine Ansiedlung, indem wir als Mensch ihn lassen und ihn nicht abschießen oder entnehmen.

Das ist eine Interpretationsfrage.

(Unruhe im Saal)

– Natürlich. Danke, dass Kollege Kupfer uns daran erinnert, dass der Wolf selbst gekommen ist. Das ist ja gut so.

Ich war bei den Ängsten und Vorbehalten und habe an den Leidensweg von Rotkäppchen und den sieben Geißlein erinnert. Das macht in der Bevölkerung durchaus Angst und diese Ängste sind verständlich. Diese Ängste gilt es durch Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit abzubauen, wie es in Sachsen unter anderem mit dem Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz sehr gut geleistet und auch durch die entsprechenden Managementpläne und das Monitoring unterstützt wird. Auch seitens des Bundes wurde kürzlich eine Dokumentations- und Beratungsstelle eingerichtet.

Die zweite Ebene – und das ist der Grund, warum wir uns jetzt wieder mit dem Wolf auseinandersetzen müssen –, sind die Weidetierhalter. Das ist meines Erachtens die größere Konfliktlinie, die wir zurzeit zu bearbeiten haben. Weidetierhalter müssen sich natürlich umstellen, seitdem es den Wolf bei uns gibt. Dafür gibt es auch in Sachsen finanzielle Unterstützung, und zwar in Form von Schadensausgleich und Präventionsmaßnahmen. Das ist von Kollegen Hippold schon gesagt worden. So zahlt der Freistaat Sachsen Hobbytierhaltern und Tierhaltern im Neben- und Haupterwerb eine finanzielle Unterstützung für Schutzmaßnahmen in Höhe von circa 80 % der Nettokosten. Seit 2009 wurde durch Standards definiert, wie Herden vor Wolfsrissen geschützt werden können. Natürlich kann und muss ein verhaltensauffälliger Wolf auch entfernt oder – wie es heißt – der Natur entnommen werden.

Das ist nach den jetzigen Regelungen, obwohl es von Region zu Region Unterschiede gibt, relativ unkompliziert möglich. Das gilt nicht nur bei Gefahr für den Menschen, sondern auch in Bezug auf die Weidetierhaltung. Der Wolf ist äußerst lernfähig. Wenn Strom führende Zäune übersprungen werden und als nächste Schutzmaßnahme für die Herde zum Beispiel Flatterband angebracht werden muss, also höher gebaut wird, ist dieser Wolf zwingend zu entfernen, um zu verhindern, dass die erlernte Fähigkeit an das Rudel weitergegeben wird. Das ist in der Praxis tatsächlich so.

In den Fällen, die in den letzten Monaten in Sachsen bekannt geworden sind, waren diese Schutzmaßnahmen nicht immer vollständig ausgeschöpft oder unzureichend. Hier gilt es, die Tierhalter noch besser über die Möglichkeiten zu informieren, um ihnen noch unbürokratischer und effizienter unter die Arme zu greifen oder wirksame Schutzmechanismen zu entwickeln. Kollege Hippold ist darauf eingegangen. Deshalb interessieren uns die Erfahrungen anderer Bundesländer und Länder der EU im Umgang mit diesen Wölfen und dem Schutz der Nutztiere. Eine Gesamteinschätzung und Bewertung der Situation ist zur Versachlichung der öffentlichen Diskussion mehr denn je notwendig.

Genau das ist die Intention unseres Antrages, für den ich um Zustimmung bitte und der durchaus den Änderungsantrag der AfD-Fraktion überflüssig macht. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich der Wolf in Europa und in Sachsen günstig erhalten kann. Damit es dazu kommt, soll und muss der Wolf weiter den notwendigen Schutz bekommen. Eine Lockerung des Schutzstatus ist unter den jetzigen Gegebenheiten mit der SPD-Fraktion nicht zu machen.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion DIE LINKE, Frau Abg. Kagelmann. Frau Kagelmann, Sie haben das Wort.

Danke schön, Herr Vorsitzender. Meine Damen und Herren Abgeordneten!

Frau Kagelmann, Sie lernen es auch?

Herr Landtagspräsident, selbstverständlich. Ich rutsche manchmal in den Kreistag hinein. Das ist mir peinlich.

Der Mensch hat sich die Erde untertan gemacht und sie damit aus dem Gleichgewicht gebracht. Fortan streiten wir beständig um die notwendigen Reparaturmaßnahmen. Die Politik wird dabei immer stärker von emotionalen öffentlichen Debatten getrieben. Inzwischen gibt es ein prämiertes Wort für dieses politische Handlungsmuster: die Politik des Postfaktischen. Beim Wolf ist wohl die Faszination für das Raubtier mindestens genauso groß wie die Angst vor ihm und die Debatte deshalb besonders heftig.

Vielleicht wäre die Diskussion heute nach der natürlichen Einwanderung des Wolfes nach Deutschland etwas entspannter, wenn Familie Steiff Anfang des 20. Jahrhunderts als Modell für ihr erstes Kuscheltier einen Wolf und keinen Bären ausgesucht hätte. Eigentlich lag das auch viel näher, denn der Hund ist der direkte Verwandte des Wolfes und avancierte trotzdem zum besten Freund des Menschen. Andererseits, auch der Bär wird dort, wo er sich seinen ursprünglichen Lebensraum zurückerobert, nicht gern gesehen.

Beide hätten in einer dicht besiedelten Kulturlandschaft ihren Platz verloren, denn sie behindern unsere Lebens- und vor allem landwirtschaftliche Produktionsweise. Sie sind aus dieser Sicht nutzlos und obendrein gefährlich. So einfach sei das, meinte der Mensch lange Zeit und neigte zu radikalen Lösungsansätzen jenseits ökologischer Systemzusammenhänge. Während er so manche Art und darunter eben große Raubtiere in Europa fast gänzlich ausrottete, siedelte er auch mal eine andere Art in fremden Gefilden an, und zwar zur Bereicherung seines Wildbrets.

Es scheint auch heute noch kein umfassendes Heilmittel für diesen Reflex der Spezies Mensch zu geben, bei jedem Konflikt Mensch – Natur zuerst seiner egomanen Nützlichkeitstheorie folgen zu wollen, anstatt die Herausforderung des Zusammenlebens anzunehmen. Die Hitliste von in dieser Lesart unnützen Tieren ist nach oben offen. Kormoran, Wildgans, Biber, Luchs – sie alle und viele mehr geraten früher oder später und immer wieder ins Visier des Menschen. Das ist in diesem Fall durchaus wörtlich zu verstehen.

Dabei ist das Wissen um die Funktionsweise von Ökosystemen heute zumindest vorhanden. Wir können wissen, dass Prädatoren, also Raubtiere oder Beutegreifer, einen wichtigen und viel zu lange unterschätzten Platz in einem funktionierenden Ökosystem einnehmen und ihre Rückkehr insofern durchaus nützlich ist. Wo der Wolf lebt, wächst der Wald. Diese alte russische Volksweisheit verweist auf diesen Zusammenhang. Wir wissen und können sehr genau nachweisen, dass Nutztiere nur einen Anteil von unter einem Prozent im breiten Nahrungsspektrum eines Wolfes einnehmen.

Natürlich beruhigt das nicht den Schäfer, der gerade Tiere durch Wölfe verloren hat. Dem muss geholfen werden. Aber die 99 % Nahrungsanteil an wild lebenden Huftieren und Kleinsäugern machen die Funktion des Wolfes im Ökosystem deutlich, die wir für eine sachliche Bewertung brauchen. Wir wissen außerdem aus der Wildbiologie, dass bei Spitzenprädatoren wie dem Wolf das vorhandene Nahrungsangebot im Lebensraum die Population reguliert, es also einer Obergrenze, wie sie unter anderem im Antrag der AfD-Fraktion gefordert wird, nicht bedarf.

Das heißt, nicht die Wolfspopulation ist das Problem. Es sind einzelne Tiere, die auffällig reagieren können. Dagegen muss Vorsorge getroffen werden. Das hat man in Sachsen in geradezu vorbildlicher Art und Weise getan. Das sächsische Wolfsmanagementsystem aus Monitoring und Forschung, Öffentlichkeitsarbeit und Schadensregulierung diente denn auch als Blaupause für alle anderen Bundesländer, in die der Wolf sukzessive einwanderte.

Wir wissen schließlich in Sachsen aus nunmehr fast 20jähriger Erfahrung, dass die Begegnung mit einem gesunden Wolf für den Menschen nicht gefährlich ist. Im Ergebnis dieser langen wissenschaftlichen Beobachtung kann auch der gern kolportierten These widersprochen werden, dass die hohe Intelligenz und Anpassungsfähigkeit des Wolfes an die Bedingungen der dicht besiedelten Kulturlandschaft zwangsläufig dazu führen muss, dass der Wolf seine natürliche Scheu vor dem Menschen verlieren wird.

Wie gut das Wolfsmanagement in Sachsen und damit auch der Schutz der Bevölkerung organisiert ist, beweist unter anderem die Tatsache, dass einer der aktuellen öffentlichen Aufreger lange vor der heutigen Landtagsdebatte bearbeitet wurde. Der Wolf nämlich, der mehrfach im November und davor in und um Rietschen im Landkreis Görlitz gesichtet wurde und natürliche Scheu vermissen ließ, wurde dank der Sichtungshinweise aus der