Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Herr Modschiedler, Sie möchten intervenieren?

Ja, ich möchte intervenieren, aber mit aller Ruhe. – Es tut mir leid, so weit wollte ich Sie nicht hochbringen, Herr Bartl. Das war nicht meine Absicht, aber scheinbar habe ich in ein Wespennest gestochen.

(Zuruf des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE)

Ich habe es mit dem Ausschussvorsitzenden des Verfassungs- und Rechtsausschusses zu tun. Sie sind gleichzeitig auch der Obmann, das weiß ich. Ich bin der Obmann als rechtspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Ich bin aber nicht vor die Presse gegangen und habe als Obmann oder Ausschussvorsitzender erklärt, dass nichts an den Gerüchten dran war, und bei der nächsten Sondersitzung stehe ich wieder im Ausschuss. Ein Beschluss, dass der Ausschuss eine Meinung hat und sich hierzu äußern kann, liegt auch nicht vor.

Ich möchte darauf hinweisen, daran mahnen, auch für alle anderen Ausschüsse: Der Ausschussvorsitzende leitet die Ausschusssitzung und gibt keine politischen Erklärungen ab. Das ist aber häufig genug passiert, und dann wird das eine mit dem anderen vermischt. Darauf möchte ich hinweisen, damit das zukünftig nicht mehr passiert, Herr Bartl.

(Beifall bei der CDU)

Herr Bartl, Sie möchten erwidern?

Herr Präsident, danke schön. – Kollege Modschiedler, Sie sind einfach nicht geschäftsordnungsfest.

(Zurufe der Abg. Martin Modschiedler und Christian Piwarz, CDU)

Wir haben im Parlament die Entscheidung getroffen, dass sich die Ausschüsse im Verhältnis zur Stärke der Fraktionen zusammensetzen, und unserer Fraktion fallen nach dem Wahlergebnis vier Plätze im Verfassungs- und Rechtsausschuss zu. Ich bin ein normales Mitglied, ich leite den Ausschuss und ich bin der rechtspolitische Sprecher meiner Fraktion. Selbstverständlich kann ich in dieser Eigenschaft so handeln. Ich kann mich nur nicht klonen. Ich kann nicht sagen, jetzt komme ich mit Maske 1 und bin der rechtspolitische Sprecher, dann komme ich mit Maske 2 und bin der Ausschussvorsitzende. Ich kann den Journalisten ja nicht vorschreiben, wie sie mich anmoderieren.

Beim letzten Mal habe ich definitiv gesagt, ich möchte, dass sich die Fraktion erklärt, nicht der Ausschuss. Das müssten wir beschließen.

Dass Sie, Kollege Modschiedler, jetzt gewissermaßen auf den Mann gehen und hier etwas im Parlament besorgen wollen, das Ihnen vielleicht aus dem früheren Ausschussvorsitz, da Sie den Ausschuss jetzt nicht mehr haben, nicht ganz passt. Das weiß ich nicht, damit müssen Sie leben.

(Martin Modschiedler, CDU: Sie haben es selbst gemacht! Sie machen es jetzt auch!)

In dieser Sache wäre es gut, wenn wir den Antrag der GRÜNEN als Impuls nehmen, noch einmal zu überlegen, wie wir im Parlament untereinander darauf achten können, dass die Autorität des Parlaments gegenüber der Regierung gewahrt wird, und dass wir bei der Gelegenheit

nicht übereinander herfallen, sondern uns nach Möglichkeit einig sind. Es geht nicht – und da ist die Grenze –, dass Ausschüsse, wenn Sie die Regierung im Rahmen der Verfassung und Geschäftsordnung etwas fragen, dann nicht wahrheitsgemäß informiert werden. Das geht nicht! Das geht in keinem der 16 Bundesländer und kann auch in Sachsen nicht gehen.

(Beifall bei den LINKEN)

Meine Damen und Herren! Wir setzen in der Aussprache fort. Für die SPDFraktion spricht Herr Abg. Pallas. Bitte sehr, Herr Pallas.

Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich denke, die letzten Minuten haben eindrucksvoll bewiesen, dass das Plenum nicht der geeignete Ort ist, diesen Antrag in diesem Komplex zu behandeln. Das, was hier gerade passiert ist, versteht dort oben kein Mensch; denn genau deshalb muss es doch möglich sein, diese Detailfragen in einem etwas geschützteren Raum zu diskutieren.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Lassen Sie uns deshalb bitte zum Kern der Debatte zurückkommen. Auf Antrag der GRÜNEN führen wir diese Debatte über den Komplex der sogenannten Gruppe Freital nun hier im Plenum. Ich finde es grundsätzlich wichtig und richtig, dass wir Abgeordneten uns mit diesen Vorgängen in Freital insgesamt befassen. Schließlich ermittelt der Generalbundesanwalt gegen acht Mitglieder dieser Gruppe unter anderem wegen versuchten Mordes und Bildung einer terroristischen Vereinigung. Auf ihr Konto sollen einige fremdenfeindliche oder anders politisch motivierte Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte oder politische Gegner gehen. Ein Teil sitzt seit November 2015 in U-Haft.

Bei diesem Antrag – und das ist, glaube ich, das Problem – geht es eben nicht um einen umfassenden Blick auf die Geschehnisse in Freital, sondern um ein Detail aus dem ganzen Ermittlungskomplex. Ein sächsischer Polizist soll in Kontakt mit einem Mitglied der Gruppe gestanden und ihn über die polizeiliche Arbeit bezüglich der Gruppe informiert haben. Das könnte Geheimnisverrat sein, vielleicht sogar Unterstützung einer terroristischen Vereinigung – so weit, so gut.

Mir fallen bei dem Antrag einige Merkwürdigkeiten auf, die so ähnlich hier schon zur Sprache gekommen sind. Einerseits fordern Sie umfassende Aufklärung, schlagen andererseits aber vor, dass sich der Landtag in der Sache inhaltlich bereits festlegt, noch bevor der Bundesgerichtshof die Hauptverhandlung auch nur begonnen hat. Sie fordern Aufklärung des Sachverhalts, Herr Lippmann, doch bevor Sie die Information überhaupt haben, sind Sie sich schon längst sicher, dass Fehler gemacht und die Öffentlichkeit hinters Licht geführt wurden.

Das, liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, ist ein Vorgehen, das Sie sonst gern selbst kritisieren. Sie

betreiben eine Vorverurteilung, weil es gerade so schön in die Stimmung passt:

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Sachsen und die sächsischen Behörden an den Pranger zu stellen – nicht mehr und nicht weniger.

(Sebastian Fischer, CDU: Sehr richtig!)

Es scheint Sie, Herr Lippmann, überhaupt nicht zu stören, dass Sie Ihre Kritik auf einer sehr geringen Informationsbasis aufbauen. Sie unterstellen, dass der letzte Anschlag der Gruppe auf die Flüchtlingsunterkunft am 01.11.2015 durch die Behörden hätte verhindert werden können. Das ist schon ein bisschen schizophren und passt überhaupt nicht zu dem, was wir alle in der Sondersitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses erfahren haben. Ich fand die Ausführungen im Übrigen ziemlich glaubhaft, Herr Bartl.

(Klaus Bartl, DIE LINKE: Ich auch!)

Von wegen, Sie fühlen sich veralbert oder verarscht usw. – dann verstehe ich Ihre Äußerung gerade nicht; aber egal.

Wurde der Sächsische Landtag erst spät über Vertraulichkeitszusagen und Kontakte zum Verfassungsschutz umfassend informiert? – Ja, wurde er. Hatten die Sicherheitsbehörden Informationen, um den Anschlag zu verhindern? – Dafür gibt es im Moment keine Anhaltspunkte.

Das, was Sie hier betreiben, Herr Lippmann, sind nichts weiter als Unterstellungen. Diese Unterstellungen soll auf Ihren Antrag hin der Sächsische Landtag feststellen? Das kann unmöglich das Ziel sein.

(Klaus Bartl, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Meine Damen und Herren! Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist nicht nur legitim, sondern auch überaus wichtig und entspricht den Aufgaben, dass der Sächsische Landtag die Staatsregierung kontrolliert und etwaige Versäumnisse und Fehler aufklärt. Aber: Das hier ist eben kein Untersuchungsausschuss und auch keine Sitzung des Rechtsausschusses. Wir sind hier in der Plenarsitzung des Sächsischen Landtags. Sie erwarten offensichtlich nicht wirklich selber, dass dieser Sachverhalt in diesem Rahmen auch wirklich aufgeklärt werden kann.

Herr Pallas, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Moment, bitte. – Deshalb nehme ich Ihre Worte so auf, dass Sie sich unter Umständen vorstellen könnten, die Debatte in einem der Fachausschüsse fortzusetzen. – Jetzt lasse ich die Frage von Herrn Bartl zu.

Herr Bartl, bitte.

Herr Kollege Pallas, geben Sie mir recht, dass in der Sitzung des Verfassungs- und Rechtsausschusses darum gebeten wurde, den Ausschuss

sachlich zu informieren, wie die Abläufe tatsächlich gewesen sind, respektive ob es eine Beziehung einer Vertrauensperson, eines verdeckten Ermittlers oder Ähnlichem zur Polizei gab, von dieser betreffenden Hinweisgeberperson usw.? Geben Sie mir darin recht, dass es von dieser Sache Informationen durch einen Polizeibeamten gab, dass uns zu einem Zeitpunkt nichts gesagt worden ist, als offensichtlich, dass zumindest gegen Unbekannt, auch durch unsere Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls auch durch den Generalbundesanwalt, schon ermittelt wurde? Können Sie mir erklären, warum man das dem Ausschuss nicht sagen durfte, konnte und wollte?

Sehr geehrter Herr Bartl, ich kann Ihnen das nicht erklären, weil ich nicht die Staatsregierung bin. Genau deshalb sollten wir die Debatte im Ausschuss führen und nicht hier im Plenum.

(Zuruf des Abg. Martin Modschiedler, CDU)

Genau das ist der Grund. Aber ich möchte trotzdem gern auf die hier von Ihnen aufgeworfenen Detailfragen eingehen. Ja, es ist so: In der ersten Sondersitzung im April dieses Jahres ist auf die Frage, ob es einen verdeckten Ermittler oder eine Vertrauensperson gegeben hat, in meiner Erinnerung so eingegangen worden, dass es das überhaupt nicht gegeben habe, obwohl ein paar Unstimmigkeiten in besagten Presseartikeln vorgelegen haben.

In der Sondersitzung vor einigen Wochen ist dann – wiederum aufgrund von Presseberichterstattung – eingeräumt worden, dass es diesen Anbahnungsversuch zwischen dem Vertreter des Verfassungsschutzes und einem der Beschuldigten gab, dieser aber nicht zu einer Zusammenarbeit führte, sondern im Versuch stecken blieb.

Ich mache es jetzt einfach mal so, auch wenn es nicht statthaft ist: Auf Nachfrage wurde eingeräumt, dass die Vertreter, die seinerzeit im ersten Sonderausschuss berichtet hatten, über diesen Sachverhalt nicht Bescheid wussten, weil sie vielleicht schlecht vorbereitet wurden oder wie auch immer das zustande kam. Ich konnte keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass der Ausschuss belogen wurde oder Informationen bewusst nicht gegeben wurden. Das habe ich damals schon gesagt und dazu stehe ich auch heute noch. – So viel zu Ihrer Frage, Herr Bartl. Ich würde jetzt in meiner Rede fortfahren.

Bitte sehr!

Ich war dabei zu sagen, dass die GRÜNEN offensichtlich nicht wirklich erwarten, den Sachverhalt im Rahmen der Plenardebatte aufklären zu können. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und unterstelle Ihnen, dass es Ihnen eher um mediales Austeilen als um wirkliche Aufklärung in diesem Rahmen geht. Das ist legitim, es gehört aber auch dazu, das einmal zu benennen; denn ansonsten hätten Sie von Anfang an einen anderen Weg gewählt.

Meine Damen und Herren! Kennen Sie Jim Knopf? In der Geschichte über Jim Knopf gibt es einen Scheinriesen,

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ach, der schon wieder!)

der aus der Ferne bedrohlich und übergroß wirkt. Kommt er aber näher, wird er immer kleiner, bis er auf ein Normalmaß geschrumpft ist. Sie haben mit Ihrem Antrag einen solchen Scheinriesen aufgebaut, von dem bei näherer Betrachtung kaum noch etwas übrig bleiben dürfte.

Auch andere inhaltliche Probleme, die sogar im Gegensatz zu den sonst von den GRÜNEN so hochgehaltenen demokratischen Grundsätzen stehen, wurden bereits angesprochen. Ich meine damit die Vermischung der Gewaltenteilung mit der etwaigen Kontrolle der Judikative durch die Legislative oder gar die Staatsregierung. Das ist bereits von beiden Vorrednern ausgeführt worden, und ich möchte darauf nicht näher eingehen. Ich denke, das funktioniert aus verfassungsrechtlichen Gründen so nicht.

Kommen wir zurück zum Kern der Sache. Es geht um mögliche Kontakte eines Polizisten zu einer mutmaßlichen rechtsterroristischen Gruppe. Das möchte ich hier noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen: Die Art und Weise, wie diese Informationen an die Öffentlichkeit gekommen sind, bereiten auch mir Bauchschmerzen, und zwar nicht zuletzt, weil das bundesweit eines der bedeutendsten Verfahren der letzten Jahre ist. Der Fokus der Öffentlichkeit ist auf dieses Verfahren ausgerichtet. Vielleicht gerade deshalb gibt es auch eine Reihe offener Fragen.