Kommen wir zurück zum Kern der Sache. Es geht um mögliche Kontakte eines Polizisten zu einer mutmaßlichen rechtsterroristischen Gruppe. Das möchte ich hier noch einmal mit aller Deutlichkeit sagen: Die Art und Weise, wie diese Informationen an die Öffentlichkeit gekommen sind, bereiten auch mir Bauchschmerzen, und zwar nicht zuletzt, weil das bundesweit eines der bedeutendsten Verfahren der letzten Jahre ist. Der Fokus der Öffentlichkeit ist auf dieses Verfahren ausgerichtet. Vielleicht gerade deshalb gibt es auch eine Reihe offener Fragen.
Warum wurde nicht sofort nach den ersten Hinweisen ein Ermittlungsverfahren gegen den Tatverdächtigen eingeleitet? Was wurde getan, um den Hinweisen nachzugehen und vielleicht die Grundlage für einen Anfangsverdacht zu schaffen? Wie kann es sein, dass es erst der Anzeige durch die Anwältin eines Prozessbeteiligten bedurfte, um ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen? Wie kann es passieren, dass der Generalbundesanwalt offensichtlich den Namen des Tatverdächtigen ermitteln konnte, der Name in Sachsen aber nicht bekannt ist? Warum kam es erst in der vergangenen Woche zu einer Suspendierung des Beamten?
Ich will damit nicht unterstellen, dass das alles auf der Grundlage von Fehlverhalten passiert ist. Aber der Eindruck, der nicht zuletzt auch durch die mediale Berichterstattung entsteht, ist ein fataler. Hier hätten die sächsischen Strafverfolgungsbehörden mal wieder nicht richtig gearbeitet, mal wieder Sachsen.
Das passt gerade schön in das bundesweite Bild. Diesem Eindruck müssen wir doch entgegenwirken, meine Damen und Herren. Deshalb hätte ich mir gewünscht, dass die neuesten Erkenntnisse zu dem Vorgang zügiger und proaktiv dem Sächsischen Landtag bekannt gegeben worden wären.
Die Fragen müssen nun geklärt werden. Ich gehe davon aus, dass Herr Staatsminister Gemkow dem Hohen Haus und damit der Öffentlichkeit am Ende der Debatte darüber Auskunft geben wird. Damit könnte sich der Antrag
teilweise erledigt haben, oder aber wir verweisen ihn vielleicht in einen der Fachausschüsse. Sollte sich allerdings herausstellen, dass bei den Ermittlungen Fehler gemacht wurden, dann müssen diese natürlich aufgearbeitet werden. In den betroffenen Ressorts muss dafür gesorgt werden, dass es solche Fehler möglichst nicht wieder gibt.
Eines möchte ich noch einmal klar sagen, was auch in der Debatte schon deutlich wurde: Sachsen-Bashing, so wie es für einige en vogue zu sein scheint, hilft uns bei der Frage überhaupt nicht weiter. Was aber auch nicht weiterhilft, ist ein: „Wir haben alles richtig gemacht und wurschteln weiter so rum“. Irgendwo in der Mitte wird sich die Wahrheit befinden. Lassen Sie sie uns kollegial und gemeinsam herausfinden.
Die sächsischen Behörden können und müssen besser werden. Das wissen wir alle, und das wissen auch die Behörden und die Mitarbeiter der Behörden selbst. Dazu gehört auch ein konsequenter Umgang mit schwarzen Schafen in den eigenen Reihen.
Geheimnisverrat ist kein Kavaliersdelikt, erst recht nicht, wenn er in Verbindung mit einer rechtsterroristischen Vereinigung steht. Sollte sich der Verdacht gegen den Polizisten bestätigen, dann kann meiner Auffassung nach diese Person auch kein Polizist mehr sein. Alles andere wäre ein Schlag ins Gesicht aller aufrechten, ehrlichen und fleißigen Kolleginnen und Kollegen der Polizei und auch im Justizapparat.
Die Aufrechten, die Ehrlichen, die Fleißigen – das weiß ich aus eigener Erfahrung sehr gut – machen die absolute Mehrheit der Beschäftigten aus. Deshalb ist es auch gut, dass die verdächtige Person vom Dienst suspendiert wurde. Dazu bedurfte es keines Antrags der GRÜNEN, dessen Schwächen ich eben schon aufgezählt habe.
Die SPD-Fraktion wird den Antrag ablehnen. Einer Überweisung an den Ausschuss würden wir uns nicht verschließen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Modschiedler, Ihnen ist es wirklich gelungen, sechs Minuten zu reden – ohne jeglichen Inhalt. Ich verstehe nicht, auf welchem hohen Ross Sie sitzen, um hier festlegen zu wollen, wer wo was wieso beantwortet oder beantragt. Ich finde, das ist der falsche Ansatz gewesen.
Herr Pallas, ob es sich bei dem Antrag der GRÜNEN zu diesem Thema um einen Scheinriesen handelt, werden wir in den nächsten Wochen hoffentlich alle sehen.
Die Salamitaktik der Staatsregierung, die zum wiederholten Male auch in diesem Jahr angewendet wurde, ist mittlerweile unerträglich geworden. Umfassende Informationen werden an die betreffenden Ausschüsse offensichtlich nur herausgegeben, wenn zu befürchten ist, dass die gut informierten Medien den nächsten Skandal aufdecken. Es kann und darf nicht sein, dass die Presse besser und schneller informiert ist als die sächsischen Abgeordneten. Das ist skandalös und betrifft nicht nur den Innen- sowie den Verfassungs- und Rechtsausschuss, sondern immer wieder auch andere Ausschüsse.
Die Art und Weise, wie die Regierung mit den gewählten Volksvertretern der Opposition umgeht, ist nicht hinnehmbar. Sofern sich dies nicht ab sofort spürbar ändert, hat die Regierung ihr letztes bisschen Vertrauen verloren.
Zurück zum Thema. Das gezielte Vertuschen von Vorkommnissen um die Freitaler Terrorgruppe, in die offensichtlich ein Mitglied der Bereitschaftspolizei verwickelt ist, wird wohl der diesjährige Höhepunkt der Fehlleistungen im Bereich Inneres sein, Herr Minister Ulbig. Den Hinweis, den Timo S. während seiner Vernehmung im Dezember 2015 gab, schien niemanden weiter zu interessieren. Wollte man es gezielt nicht hören, um eigene Leute zu schützen? Bekam einer der beiden mutmaßlichen Anführer der Gruppe Freital interne Hinweise aus der sächsischen Bereitschaftspolizei und, wenn ja, in welchem Umfang?
Offensichtlich wurde durch die Staatsanwaltschaft und die Polizei dem Vorwurf, der durch die Beschuldigten erhoben wurde, nicht nachgegangen. Gibt es weitere Ereignisse, die uns nicht eröffnet wurden? Sind im Umkehrschluss einige Fragen, die in den Ausschüssen zu diesem Thema gestellt wurden, zum Beispiel die Frage nach der Beteiligung von weiteren Polizisten in diesem Fall, wissentlich oder sogar vorsätzlich falsch beantwortet worden? Seit der Behauptung von Timo S. war fast ein halbes Jahr verstrichen.
Die Sprecherin des Generalbundesanwalts, der seit April 2016 das Verfahren gegen die mutmaßliche Terrorzelle führt, will Ermittlungen im Zusammenhang mit einem mutmaßlichen Leck bei der Bereitschaftspolizei in Sachsen nicht ausschließen. So war es der Presse zu entnehmen.
Die Staatsanwaltschaft Dresden gibt zwar zu, dass ein Verfahren eröffnet wurde, allerdings erst, nachdem die Presse mehrfach angefragt hatte. „In der Angelegenheit werde ermittelt“, räumt die Dresdner Staatsanwaltschaft ein. Mehr wurde dazu nicht preisgegeben. Wird auch hier kräftig gemauert?
Zitat „Zeit online“: „Verfahrensbeteiligte hatten von der Aussage von Timo S. erfahren und wegen des vermuteten Dienstvergehens Anzeige erstattet. Das war im April 2016. Das Aktenzeichen des Ermittlungsverfahrens zeigt, dass es erst in diesem Jahr eingeleitet wurde und nicht im Dezember 2015, als die Beamten von diesem Verdacht Kenntnis erhielten.“ Zitatende.
Wie ist der Stand der Dinge, Herr Minister Ulbig und Herr Minister Gemkow? Oder müssen wir auch hier wieder auf die Tagespresse zurückgreifen?
Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat also in einigen wesentlichen Punkten durchaus seine Berechtigung. Allerdings ist es jetzt an der Zeit, die Justiz einzubinden bzw. hier ist die Justiz gefordert.
Auch die Umstände zur mehrfachen Vernehmung des Zeugen Herrn L. werfen reichlich Fragen auf. Nachweislich steht fest, dass sich Herr L. bereits ab Juli 2015 an das OAZ in Dresden wandte. Er warnte sogar schriftlich per Mail am 03.07.2015 vor einer geplanten Aktion in Freital. Es gab Anrufe durch Herrn L., in denen er Einzelheiten zur Vorbereitung von eventuellen Straftaten mitteilte. Die oben genannte Mail und auch diverse Anrufe wurden von einem OAZ-Mitarbeiter empfangen und teilweise bestätigt.
Es wird vom LfV bestritten, dass es ein V-Mann war. Es wird von der Polizei bestritten, dass es ein Informant war, dem die Staatsanwaltschaft Schutz zusicherte, falls er bereit wäre, umfassend auszusagen bzw. zuzuarbeiten. L. behauptet aber, es sei ihm Schutz durch die Staatsanwaltschaft zugesichert worden. Der Zeuge wurde nach eigenem Bekunden mehrfach von Mitarbeitern der Polizei im OAZ Dresden vernommen und des Weiteren im gleichen Hause von zwei Mitarbeitern des LfV. Protokolle wurden angeblich nicht gefertigt. Warum nicht?
Die Erkenntnisse, die erzielt werden konnten, wurden offensichtlich nicht so intensiv ausgewertet oder richtig umgesetzt, um weitere Straftaten zu verhindern. Auch hier stellt sich die Frage: Warum? Wurde die Möglichkeit, den Post aus der sogenannten Kakao-Chatgruppe zu analysieren, nicht umfänglich durchgeführt oder falsch ausgewertet?
Ich setze mich bestimmt nicht für Täterschutz statt Opferschutz ein, aber einige Fragen stellen sich mir in diesem Fall schon. Wer hat sich nach der Hausdurchsuchung durch das BKA am 19.04.2016 um Herrn L. gekümmert? Gab es in der letzten Woche – ursprünglich nach einigen Monaten – den Versuch einer plötzlichen persönlichen Kontaktaufnahme mit Herrn L.? Sollte das eine vorbereitende Maßnahme zur heutigen öffentlichen Plenarsitzung sein?
Seine ehemaligen Weggefährten und Freunde halten ihn für einen Verräter und machen nun Jagd auf ihn. Warum wurde ihm nicht die Möglichkeit des Ausstieges aus diesen rechtsextremen Kreisen angeboten? Ein solches viel gelobtes Aussteigerprogramm gibt es in Sachsen. Sollte er vielleicht zu diesem Zeitpunkt im Umfeld gehalten werden, um an weitere Informationen zu gelangen? Diese Umstände und weitere offene Fragen müssen von der Staatsregierung gemäß dem Antrag der GRÜNEN umfassend beantwortet werden.
Wir wissen schon jetzt, dass die Staatsregierung bisher nicht die ganze Wahrheit mitgeteilt und dem Parlament Informationen vorenthalten hat. Es ist nun an der Regie
rung, die Sache nicht noch schlimmer zu machen, als sie ohnehin schon ist, und umfassend und wahrheitsgetreu alle Umstände und Fakten zu benennen. Den Wunsch nach einer nicht sächsischen Ermittlungseinheit unterstützen wir in diesem Fall ausdrücklich.
Werter Herr Tillich, werter Herr Ulbig und Herr Gemkow! Sie wissen, dass die AfD-Fraktion der Polizei und der Justiz nicht vorschnell Vorwürfe macht und diese immer wieder in Schutz nimmt. Sie sind aber gerade dabei, das Vertrauen in unsere Sicherheitsorgane massiv zu verspielen. Ziehen Sie die Reißleine, steigen Sie herab von Ihrem hohen Ross!
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine zweite Runde? – Das ist nicht der Fall. Dann frage ich die Staatsregierung, ob das Wort gewünscht wird. – Herr Staatsminister Gemkow. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Zunächst darf ich Sie von meinem Kollegen Markus Ulbig grüßen, der nicht anwesend sein kann. Ich vertrete ihn hier. Die Rede ist abgestimmt, und für das Innenministerium ist Herr Staatssekretär Wilhelm anwesend.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Verfolgung und die Sanktionierung politisch motivierter Straftaten ist der Staatsregierung ein wichtiges Anliegen. Das gilt nicht erst, seitdem die Zahl der politisch motivierten Straftaten und insbesondere der Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte im vergangenen Jahr stark zugenommen hat.
In Zeiten, in denen die Gesellschaft zerstritten scheint wie selten zuvor in der jüngeren Vergangenheit, haben wir uns auch angesichts des Eindrucks, dass politische Auseinandersetzungen zunehmend auch gewalttätig geführt werden, schon sehr früh mit der Frage beschäftigt, wie man solche Straftaten zügig und effektiv aufklären kann. Ergebnis dieser Überlegungen war unter anderem die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen für eine effektive und rasche Strafverfolgung durch die Einrichtung der Integrierten Ermittlungseinheit Politisch motivierte Kriminalität – kurz: INES PMK.
Die Einrichtung dieser Einheit, in der Polizei und Staatsanwaltschaft eng abgestimmt miteinander arbeiten, im Oktober 2015 war im Kampf gegen den politischen Extremismus ein Meilenstein.
Heute, nach etwas mehr als einem Jahr, können wir resümieren, dass es sächsische Behörden unter Beteiligung von INES PMK und des Operativen Abwehrzentrums der Polizei waren, die dem Treiben der mutmaßlichen terroristischen Vereinigung mit der Bezeichnung „Gruppe Freital“ bereits nach wenigen Monaten ihres Bestehens ein Ende gesetzt haben. Anfang November
2015 ist die Gruppierung, die seit Juli 2015 ihr Unwesen trieb, zerschlagen worden, womit womöglich überhaupt noch schlimmere Einzeltaten verhindert werden konnten.
Nach wenigen Monaten konnten erst in der vergangenen Woche die Anschläge auf eine Moschee und auf das Kongresszentrum in Dresden im September 2016 aufgeklärt werden. Darüber hinaus sitzen sechs Mitglieder der Freien Kameradschaft Dresden in Untersuchungshaft und zahlreiche Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte sind aufgeklärt worden. Die Täter sitzen in Untersuchungs- oder in Strafhaft.
Man kann mit Fug und Recht sagen: Gegen extremistische Täter haben wir zahlreiche Erfolge unserer Ermittler vorzuweisen. Das darf – auch wenn im Einzelnen Versäumnisse vorgekommen sein sollten – nicht vergessen werden. Dafür gebührt sowohl der Polizei als auch der Staatsanwaltschaft Anerkennung und Dank.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sächsische Staatsregierung hat auch keinen Grund, in irgendeiner Art und Weise Informationen zurückzuhalten; im Gegenteil: Die Staatsregierung – und dabei handelt es sich um eine Selbstverständlichkeit – ist ihrer Informationspflicht gegenüber dem Sächsischen Landtag stets zügig und umfassend nachgekommen. So wurde der Verfassungs- und Rechtsausschuss in zwei Sitzungen umfassend über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt, die seit November 2015 von den für die Verfolgung von politisch motivierter Kriminalität eingerichteten Dezernaten bei der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, Abteilung 3, INES, geführt wurden.
Der Fall war Thema in der Ausschusssitzung am 2. März 2016. In den Sondersitzungen des Ausschusses am 28. April und am 17. November 2016 wurde ausführlich berichtet und geantwortet. Dabei haben unter anderem der Generalstaatsanwalt und der Landespolizeipräsident unter anderem über die konkreten Umstände der Übernahme der Ermittlungen durch den Generalbundesanwalt berichtet, die am 11. April 2016 erfolgt war.
Ich will an dieser Stelle auch noch einmal daran erinnern, dass auch der Generalbundesanwalt im Rahmen einer Sitzung des Bundestagsinnenausschusses im April 2016 die gute Zusammenarbeit mit den sächsischen Ermittlungsbehörden herausgestellt hat.
Darüber hinaus hat die Staatsregierung auf eine ganze Reihe von Kleinen Anfragen umfassend Stellung genommen, die ausdrücklich die Freitaler Terrorgruppe und die Ermittlungen gegen sie zum Gegenstand hatten.
Mit der Frage nach einem möglichen Informanten, der Mitgliedern der Freitaler Gruppe vertrauliche Informationen geliefert haben könnte, befassen sich die noch laufenden Ermittlungen, zu denen ich Ihnen Folgendes sagen kann.