Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe „selbstverständlich“ gesagt, weil nach einer solch schwungvollen Debatte aus meiner Sicht auch einige Worte zu diesem Thema gesagt werden sollten. Erstens möchte ich mich bei allen bedanken, die sich an dieser Debatte beteiligt, die an dem vorliegenden Entwurf mitgewirkt haben. Die Diskussion war genauso, wie wir sie jetzt geführt haben: hart, teilweise konfrontativ. Aber ich denke, das Ergebnis, das heute vorliegt und zur Abstimmung steht, kann sich durchaus sehen lassen und hat die Zustimmung verdient.

Wir haben uns bei dem Thema Novellierung eine ganze Menge Gedanken gemacht. Es wurden Finanzdaten der Kommunen ausgewertet und in Gesprächen typische Problemlagen identifiziert, um letztendlich genau auf dieser Basis zu Lösungsansätzen zu kommen. Im Kern wurde deutlich: Ja, es gibt bei Haushaltsausgleich und Haushaltstrukturkonzepten durchaus Anpassungsbedarf. Jetzt will ich doch einmal einige aktuelle Zahlen nennen, um deutlich zu machen, dass es auf einen Stichtag bezo

gen ist, wenn der Rechnungshofbericht zitiert wird. Aber die Zeit entwickelt sich durchaus weiter, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Deshalb, Herr Schollbach: In Sachsen haben 8 % der Gemeinden keinen gesetzmäßigen Haushalt. Die Rechtsaufsichtsbehörde reagiert. Das bedeutet, wir haben derzeit 39 Kommunen – 39 von 423 Kommunen –, die ein Haushaltssicherungskonzept haben. Der sogenannte Rückstand bei den Eröffnungsbilanzen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird sukzessive abgebaut. Am 01.07. dieses Jahres waren es 60 %, und derzeit sind es fast 80 % der Kommunen, die mittlerweile eine Eröffnungsbilanz aufgestellt haben.

(Christian Hartmann, CDU: Hört, hört!)

Das, was Herr Hartmann sagte, will ich noch einmal hervorheben. Die Kommunen waren in den letzten Jahren – sicherlich auch aufgrund der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung – durchaus in der Lage, Verschuldungen abzubauen, und das in beiden Bereichen.

Wenn Sie nachgeordnete kommunale Gesellschaften ansprechen, Herr Schollbach, dann bin ich gespannt, wie das laufen wird – ohne jetzt eine Dresdener Diskussion aufmachen zu wollen –, wenn wir über eine kommunale Wohnungsbaugesellschaft reden. Ich gehe davon aus, dass sie selbstverständlich für den Teil, bei dem es Finanzbedarf gibt, Kredite aufnimmt und das vernünftig darstellt, weil es eine wirtschaftlich geführte GmbH ist, und dass sie in der Lage ist, diese aufgenommenen Kredite durch ein vernünftiges wirtschaftliches Geschäft zu refinanzieren. Ich weiß nicht, woran das Problem festgemacht wird. Vor dem Hintergrund können wir uns gern einmal anschauen, welche Lösung hier in Dresden bei der sogenannten WOBA auf den Tisch gelegt wird, wenn es so schlimm ist, wie Sie es gerade geschildert haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf geht davon aus, dass diese Erkenntnisse und praktischen Erfahrungen umgesetzt und dabei zwei wesentliche Dinge berücksichtigt werden. Erstens. Die Kommunen können Abschreibungen auf sogenannte Altinvestitionen vom Basiskapital abbuchen, ohne dass eine Konsolidierungspflicht entsteht. Die Verlängerung bis Ende des Jahres 2017 wurde angesprochen.

Außerdem geht es darum, dass die Abschreibungen auf Neuinvestitionen dann unmittelbar erwirtschaftet werden müssen. Damit soll das sogenannte sachgerechte Einschwingen in die Doppikregelung ermöglicht werden, ohne die Kommunen in unvertretbarer Weise zu belasten.

Zweitens werden die durch die Abbuchungsmöglichkeiten gewonnenen Freiräume im Ergebnishaushalt durch konkretisierte Anforderungen an die Gesetzmäßigkeit des Finanzhaushaltes begrenzt. Das gibt der Kommunalaufsicht die Möglichkeit, an den Stellen, wo es notwendig ist, rechtsaufsichtlich reagieren zu können. Damit bleiben die Leistungsfähigkeit und die Investitionsfähigkeit der Kommunen erhalten. Damit das alles nicht hektisch vonstattengehen muss, gibt es diese Übergangsvorschrift,

die ich durchaus für sinnvoll und notwendig halte, damit sich die Kommunen im Haushaltsjahr 2017 auf diese neuen Regelungen einstellen können.

2023 soll evaluiert werden. Dann können wir uns noch einmal zu dem Thema unterhalten und schauen, was gegebenenfalls an den Regelungen noch verändert oder angepasst werden muss. Aber das kann man aus meiner Sicht vernünftig, unaufgeregt und mit der notwendigen Sachlichkeit tun. Deshalb kann ich sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir die Entscheidung des Landtags, dass die Doppik das entsprechende Haushalts- und Rechnungssystem für die Kommunen bleiben soll – nicht werden wird, sondern bleiben soll –, nach wie vor für richtig und für zukunftsweisend halten. Deshalb wäre eine Abkehr von diesem System keine vernünftige Option.

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass wir die Kommunen bei diesem Prozess, der jetzt bevorsteht, entsprechend begleiten werden, wenn der Landtag das heute beschließt. Wir haben für Anfang 2017 mit den Kreisverbänden des SSG – wie es Herr Pecher schon ausgeführt hat –, mit denen wir partnerschaftlich zusammenarbeiten, schon Termine vereinbart. Wir werden dann auf der Grundlage dieser neuen Regelung noch einmal in die Kreisverbände gehen, mit ihnen darüber sprechen und dafür sorgen, dass Fragen gestellt bzw. Unklarheiten ausgeräumt werden können. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte ich um Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und der SPD – André Schollbach, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Schollbach, Sie wünschen?

Ich möchte noch eine Kurzintervention halten, Herr Präsident.

Die letzte in diesem Tagesordnungspunkt. Bitte sehr.

Vielen Dank. Herr Staatsminister, ich mag es nicht, wenn man mir etwas in den Mund legt, das ich nicht gesagt habe. Ich habe die Problematik der Auslagerung der Schulden aus den Kernhaushalten in Beteiligungen nicht kritisiert, ich habe das konstatiert. Das ist etwas anderes, und zwar habe ich das mit Blick auf den aktuellen Bericht des Landesrechnungshofes konstatiert. Ich möchte noch einmal zitieren, und zwar Herrn Prof. Binus. Das ist Ihr Parteifreund, nicht meiner.

(Markus Ulbig, Staatsminister des Innern: Der dort völlig unabhängig arbeitet!)

Dass die sächsischen Kommunen ihre Schulden in hohem Maße aus ihren Kernhaushalten auslagern, sieht

Prof. Dr. Binus mit Besorgnis. Er sagte Folgendes: „Die kommunale Gesamtverschuldung lag zum 31.12.2015 bei rund 15,8 Milliarden Euro, wobei rund 81 % der Schulden aus den sächsischen kommunalen Kernhaushalten ausgelagert waren.“ Herr Minister, das ist das, was Ihnen Ihr Parteifreund ins Stammbuch geschrieben hat. Vielleicht beherzigen Sie es.

Herr Staatsminister, möchten Sie erwidern? – Das ist nicht der Fall.

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmungsrunde. Entsprechend § 46 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise abzustimmen, und zwar in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde.

Also aufgerufen ist: Drittes Gesetz zur Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung, Drucksache 6/6016. Die Beschlussempfehlung des Innenausschusses hat die Drucksachennummer 6/7188. Änderungsanträge liegen keine vor.

Möchte jemand der vorgeschlagenen Verfahrensweise widersprechen? – Das kann ich nicht feststellen. Wer also der Überschrift seine Zustimmung geben möchte, hebt jetzt die Hand. – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Gibt es Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Bei Stimmenthaltung und Stimmen dagegen ist der Überschrift mehrheitlich entsprochen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über Artikel 1, Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung. Wer ist dafür? – Vielen Dank. Die Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Auch hier Stimmenenthaltung, Stimmen dagegen. Dennoch ist die Mehrheit für Artikel 1.

Artikel 2, Weitere Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung. Wer ist dafür? – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Auch hier ist bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen die erforderliche Mehrheit für Artikel 2 gegeben worden.

Zu Artikel 3, Folgeänderungen. Wer ist dafür? – Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Auch hier ist das gleiche Stimmverhalten festzustellen.

Ich lasse abstimmen über Artikel 4, Inkrafttreten. Ich bitte um die Dafür-Stimmen. –Vielen Dank. Wer ist dagegen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Auch hier Stimmenthaltungen und Gegenstimmen, aber die erforderliche Mehrheit.

Meine Damen und Herren, ich stelle nun den Entwurf Drittes Gesetz zur Änderung der Sächsischen Gemeindeordnung in der in der zweiten Beratung beschlossenen Fassung als Ganzes zur Abstimmung. Wer stimmt zu? – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Danke sehr. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Meine Damen und Herren, bei Stimmenthaltungen und Gegenstimmen ist dem Entwurf als Gesetz entsprochen worden.

Meine Damen und Herren, mir liegt ein Antrag auf unverzügliche Ausfertigung dieses Gesetzes vor. Dem wird entsprochen, wenn der Landtag gemäß § 49 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung die Dringlichkeit beschließt. Wenn es keinen Widerspruch gibt, würden wir dem so

entsprechen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Meine Damen und Herren, damit ist der Tagesordnungspunkt beendet.

Meine Damen und Herren, wir kommen zu

Tagesordnungspunkt 6

Zweite Beratung des Entwurfs

Sächsisches Gesetz zur Ausführung des Gesetzes über die

psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren (SächsPsychPbGAG)

Drucksache 6/6450, Gesetzentwurf der Staatsregierung

Drucksache 6/7179, Beschlussempfehlung des Verfassungs- und Rechtsausschusses

Ich erteile nun den Fraktionen das Wort zur allgemeinen Aussprache. Wir beginnen mit der CDU-Fraktion und für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Modschiedler. Danach die Fraktionen DIE LINKE, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Modschiedler, Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der psychosozialen Prozessbegleitung handelt es sich um eine nicht rechtliche Begleitung mit dem Ziel der Unterstützung in der Zeit vor, während und auch nach der Hauptverhandlung. Sie umfasst vor allem die Informationsvermittlung sowie die qualifizierte Betreuung und Unterstützung im gesamten Strafverfahren, um die individuelle Belastung der Kriminalitätsopfer zu reduzieren.

Für Opfer bestimmter Straftaten, insbesondere von Gewalttaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, soll die Betreuung künftig kostenneutral angeboten werden. Im sächsischen Ausführungsgesetz soll vor allem geregelt werden, wer künftig für die psychosozialen Prozessbegleitungen tätig werden kann und welche weiteren Anforderungen hierfür an die Berufsausbildung, die praktische Berufserfahrung, die spezialisierte Weiterbildung und die regelmäßigen Fortbildungen zu stellen sind. Wichtig ist dabei, dass der Prozessbegleiter über ausreichende Praxis in der Opferberatung verfügt.

Hintergrund für die Notwendigkeit eines Ausführungsgesetzes ist das Opferrechtsreformgesetz, das am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist und die rechtliche Grundlage für das Institut der psychosozialen Prozessbegleitung geschaffen hat. Das darin enthaltene Gesetz über die psychosoziale Prozessbegleitung im Strafverfahren wird am 1. Januar 2017 in Kraft treten und überlässt die Einzelregelung und Prozessbegleitung den Ländern, also auch uns.

Wir können in Sachsen auf ein ausgesprochen gut ausgebautes und mit sehr hoher Qualität arbeitendes Netzwerk der Opferberatungsstellen blicken. Besonders die professionelle Arbeit der auch ehrenamtlich tätigen Bürger in

den Opferhilfevereinen macht stolz und verpflichtet auch uns zu großem Dank.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN und den GRÜNEN)

Aber damit ist es nicht getan. Wir müssen auch langfristig sicherstellen, dass die Arbeit der Opferhilfevereine auf diesem Niveau fortgeführt und zum Maßstab für die zukünftige Prozessbegleitung werden kann.

Ein psychosozialer Prozessbegleiter soll grundsätzlich auch nur anerkannt werden, wenn er zusätzlich zur notwendigen fachlichen Qualifikation einer Opferhilfeeinrichtung angehört. Damit soll sichergestellt werden, dass der Prozessbegleiter über ausreichende Praxis in der Opferberatung verfügt. Es soll dabei vermieden werden, dass Personen im Nebenamt zu Berufsbetreuern oder Schuldnerberatern werden, ohne weitere vertiefte Erfahrungen in der Opferberatung zu haben, und in dem Bereich nur unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung einer weiteren Einkommensquelle tätig werden.

Die Koalitionsfraktionen lösen mit diesem Gesetz ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag ein. Die Beratung für Opfer von Straftaten wird also ausgebaut und sie werden vor, während und nach dem Strafverfahren unterstützt.

Den im Strafverfahren auftretenden Belastungen von Opferzeugen wird durch dieses gesetzlich verbriefte Recht auf psychosoziale Prozessbegleitung entgegengewirkt. Sprechen Sie sich für eine Stärkung des Schutzes von Opfern von Straftaten aus und stimmen Sie diesem Gesetzentwurf zu dem Ausführungsgesetz zu.