Protokoll der Sitzung vom 13.12.2016

Da die Verrechnungsmöglichkeit für das für den kompletten Zeitraum bis zum 31. Dezember 2017 festgestellte Anlagevermögen gilt, haben wir es bei größeren Investitionen in einigen Kommunen mit einer kompletten Umstellung auf die kommunale Doppik und mit allen Vorteilen, die mit ihr einhergehen, möglicherweise erst in 50 Jahren zu tun, nämlich dann, wenn die jetzt getätigten Großinvestitionen vollständig abgeschrieben sind. Das, was Sie den Kommunen ermöglichen, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit, so lehrt es uns die Erfahrung, auch genutzt werden.

Was Sie damit machen, ist nichts anderes als die faktische Aushöhlung der Doppik durch die Hintertür. Anstatt das wenigstens zuzugeben, tun Sie von der Koalition jetzt so, als hätten Sie mit diesem Gesetzentwurf zumindest das Steinchen der Weisen gefunden. Man fragt sich ernsthaft, wozu all der Aufwand der letzten Jahre, wenn gerade die Vorteile der Doppik überhaupt nicht oder erst viel zu spät greifen werden.

Ganz grundsätzlich müssen wir zudem feststellen, dass wir nicht wissen, ob es bei der Weitergeltung der bisherigen Regelung tatsächlich dazu kommen würde, dass ein Großteil der Kommunen nicht mehr in der Lage wäre, ihren Ergebnishaushalt aus eigener Kraft auszugleichen, wie es die Koalition gleichwohl als Horrorszenario an die Wand malt.

Die Sachverständige Prof. Jänchen hatte dies anhand der Planzahlen und der tatsächlichen ordentlichen Ergebnisse deutlich gemacht. Sieben von zehn Gemeinden hatten in der Haushaltsplanung einen negativen Ergebnishaushalt, der sich beim tatsächlichen ordentlichen Ergebnis als ausgeglichen herausstellte. So habe das Beispiel Chemnitz im Jahr 2013 gezeigt, dass der Haushaltsplan noch ein doppisches Defizit von 25,9 Millionen Euro aufwies, der Jahresabschluss indes ein positives Ergebnis von 58,1 Millionen Euro ergab. Dabei stellt sich natürlich die Frage, ob das Problem, das mit dem Gesetzentwurf gelöst werden soll, tatsächlich vorhanden ist.

Da offensichtlich nach wie vor eine Reihe von Zahlen fehlt, die mit den kommunalen Rechnungsabschlüssen schlicht nicht vorgelegt werden, beruht der Gesetzentwurf zudem weniger auf Fakten, sondern vielmehr auf mutmaßlich eintretenden Problemen. Aber Politik auf Basis von Gefühlen zu machen ist ja gerade in.

Von daher liegen Staatsregierung und Koalition hier mehr als im Trend. Aber selbst wenn es so wäre, dass ein Großteil der Kommunen aufgrund der Doppik keinen gesetzmäßigen Haushalt hinbekäme, hätten wir GRÜNEN mit der vom Sächsischen Rechnungshof vorgeschlagenen Kompromisslösung leben können, wonach wenigstens der Eigenanteil der Kommunen bei den Investitionen der letzten Jahre berücksichtigt und entsprechend abgeschrieben werden muss. Der nun vorgelegte Gesetzentwurf wird auf lange Sicht eine Generationengerechtigkeit für die

kommunalen Haushalte aus unserer Sicht eindeutig verhindern.

Abschließend noch ein Wort zum Trojanischen Pferd in diesem Gesetzentwurf, der Verlängerung der Anpassung der Gesellschafterverträge nach § 96 a der Sächsischen Gemeindeordnung um ein Jahr. Anstatt nur die Frist für die Anpassung der Gesellschafterverträge nach § 96 a zu verlängern, wurde gleich das ganz große Schwert herausgeholt und der komplette Bereich des Gemeindewirtschaftsrechts in der seit 2014 geänderten Form inklusive der Prüfrechte und Prüfkompetenzen des Rechnungshofes um ein Jahr verlängert. Dabei wäre das aus unserer Sicht überhaupt nicht erforderlich gewesen und führt damit unweigerlich und auch nach Äußerung von Koalitionsvertretern zur Frage, ob Sie nicht noch andere Dinge im Gemeindewirtschaftsrecht vorhaben, die Sie mit der Ausweitung der Übergangsbestimmungen quasi vormunitionieren wollen. Das halten wir in diesem Gesetzentwurf ebenfalls weder für sinnvoll noch für geboten. Wir werden ihn daher ablehnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Es gibt Redebedarf für eine zweite Runde. Herr Hartmann für die CDU-Fraktion. Herr Abgeordneter, bitte sehr, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, herzlichen Dank. Bisher hat diese Debatte den Eindruck vermittelt, als ob wir es mit einem sehr langweiligen Thema zu tun hätten. Dem ist weiß Gott nicht so. Herr Schollbach, auch wenn Sie es ruhig vorgetragen haben, die Spitzen waren zu vernehmen und insbesondere möchte ich Ihnen attestieren, dass Sie im Kern erst einmal das Thema der Drucksache 6/6016 schon im Ansatz verfehlt haben, aber anders hätten Sie auch gar nicht einsteigen können, um Ihre Vorwürfe zu platzieren, die aus meiner Sicht so weder richtig noch sachdienlich sind. Herrn Schollbach ins Stammbuch geschrieben: 25 Jahre CDU-Politik in Sachsen in gemeinsamer Verantwortung mit unterschiedlichen Partnern. Ein Vierteljahrhundert Verantwortung der CDU in Sachsen waren weiß Gott auch notwendig, um nach 40 Jahren real existierendem Sozialismus in diesem Land wieder den Dreck wegzuräumen, den auch Sie hinterlassen haben.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Widerspruch des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Wenn Sie schon über 25 Jahre CDU-Verantwortung in Sachsen reden, dann reden Sie auch über die Verantwortung, die Sie 40 Jahre davor wahrnehmen mussten oder wie Sie das Land runtergewirtschaftet haben. Im Kern ist das im Übrigen die Antwort, auf die ich dann noch komme, wenn es um die Frage geht, warum wir jetzt eine Einlaufkurve in der Doppik brauchen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die brauchen wir genau deswegen, weil in den letzten 25 Jahren erhebliche Investitionen in den Gemeinden erforderlich waren,

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das wussten Sie doch schon vor fünf Jahren!)

zum Beispiel in Straßen und Infrastruktur, in Bildungs- und Freizeiteinrichtungen. Der marode, triste real existierende Sozialismus musste beiseitegeräumt und das Land neu aufgebaut werden. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren von links, ist wahrlich nicht Ihr Verdienst. Diese Verantwortung haben andere getragen, wie beispielsweise wir, jetzt gemeinsam mit der SPD in diesem Land.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU)

Und, meine sehr geehrten Damen und Herren, es macht den Eindruck, dass zumindest DIE LINKE des Themas der allgemeinen Finanzausstattung der Kommunen bedurfte, um darüber hinwegzutäuschen, dass sie die Kernfragen der Doppik überhaupt nicht verstanden hat, um sich zumindest nicht dem Vorwurf auszusetzen, dass sie nicht weiß, worüber sie redet.

Also reden wir über die Finanzsituation der Kommunen im Allgemeinen. Ganz so einfach, wie Sie es darstellen, ist es nicht. Ich möchte dem entgegentreten, weil bei allen Problemen und Herausforderungen, vor denen die sächsischen Kommunen stehen und vor denen übrigens auch der Freistaat steht, die Finanzausstattung der sächsischen Kommunen im Bundesvergleich eine sehr auskömmliche ist.

Das möchte ich an zwei Fakten festmachen. Das eine ist die sehr hohe Investitionsquote. Kommunen in Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen würden sich solche Investitionsquoten gern noch einmal wünschen, um ihre Situation zu verbessern. Das Zweite ist die Finanzausstattung, die wir über den sächsischen Finanzausgleich gewährleisten. Gleichwohl kann man darüber diskutieren, ob mehr Geld oder eine andere Verteilung erforderlich ist, aber dieses sächsische System ist auch im Finanzausgleich federführend und beispielgebend für die restlichen Bundesländer.

Kurzum, wir wollen die kommunale Finanzausstattung in Sachsen nicht besserreden, als sie ist, aber wir wollen sie auch nicht schlechtmachen. Es taugt allemal nicht als billiges und sinnloses Wahlkampfmittel.

Nun zur Doppik, mit der sich dieser Gesetzentwurf beschäftigt. 2007 hat die 4. Legislaturperiode des Sächsischen Landtags – und für die, die nicht ganz aufgepasst haben: wir sind in der 6. Legislaturperiode des Sächsischen Landtags – beschlossen, dass wir in Sachsen das kommunale Haushalts- und Rechnungswesen auf die Doppik umstellen. Das ist zuerst nur ein Steuerungsinstrument.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Die CDU alleine?)

Wir haben es zusammen mit der SPD beschlossen und setzen es jetzt um. Das ist ja nichts Schlimmes. Wir tun etwas und jammern nicht nur. Wir reden im Kern also über ein Steuerungsmodell. Das unterscheidet sich vom kameralen Modell dadurch, dass wir nicht sagen, Geld kommt rein und Geld geht raus. Dass Ihnen das gefällt, ist mir klar, und so machen Sie an der Stelle, wo Sie in der Verantwortung stehen, auch Politik: rein und raus. Die doppische Buchführung führt – da bin ich einig mit Herrn Lippmann – zu Transparenz und Nachhaltigkeit im System. Ich muss mir die Frage beantworten: Welche Investition tätige ich und welche Folgewirkung hat das Ganze? Damit sind wir nur bei einem Steuerungselement. Wenn Sie dieses und das Instrument der Zielvereinbarung sinnvoll nutzen und aus der kameralen Denkweise herauskommen, wäre es tatsächlich eine Möglichkeit, kommunale Finanzpolitik auch steuernd voranzutreiben.

Das Problem eines doppischen Haushalts ist, dass ich das Geld, das ich jetzt zur Verfügung habe, und die Investition, die ich tätige, auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit und des Wiederbeschaffungswertes beurteilen und zurückstellen muss. Gleichwohl – das ist das Schöne an dem System – beurteilen Sie das im Rahmen Ihrer Finanzkraft und der Nachhaltigkeit. Wenn die Schule, die Straße, der Kindergarten, die Grünanlage und der Sportplatz abgeschrieben sind, dann ist dieser Betrag zur Neuinvestition verfügbar, respektive auch für andere Wiederherstellungsmaßnahmen. Das Modell führt also dazu, dass über die entsprechenden Rücklagen auch in Zukunft Investitionsmittel zur Verfügung stehen. Die Schwierigkeit ist die Einlaufkurve.

Da komme ich zu Ihnen, Herr Lippmann. Das ist genau das Problem, dass wir in einem Investitionszyklus, in dem wir uns gerade befinden, mit einem erheblichen Investitionsbedarf nach 1990 – das unterscheidet uns auch von den alten Bundesländern –, sehr viele kommunale Investitionen getätigt haben. Wenn ich rückwirkend darauf die Abschreibung bilden müsste, könnte ich diese hohe Investitionstätigkeit nicht in Abschreibeleistungen abbilden. Da hilft auch nicht die hohe Förderquote als Sonderposten. Es bleiben immer noch riesige Mittel stehen. Deswegen ist es aus unserer Sicht sinnvoll, die Altinvestitionen zwar darzustellen und auch entsprechend abzuschreiben, aber nicht in realen Mitteln sondern nur als darstellenden Buchwert, und im Übrigen das System jetzt scharf zu schalten, um mit Blick auf die zukünftigen Investitionen in das System einzulaufen.

Das erfüllt aus meiner Sicht beide Herausforderungen, nämlich einmal der hohen Investitionsbedürftigkeit sächsischer Kommunen, die ihren Ursprung in 40 Jahren Sozialismus hat, Rechnung zu tragen und gleichzeitig zu einer nachhaltigen Haushaltsführung zu kommen.

Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie um Zustimmung. Im Übrigen an die Adresse der GRÜNEN: Dem Ansinnen, das Sie hier vorgetragen haben, sind wir auch nahegekommen, weil wir gesagt haben, ein absolutes Gegenbuchen des Basiskapitals kann nicht das Ziel sein. Deswegen haben wir auch einen Grundwert stehen lassen.

Ein letzter Satz in Richtung Gemeindewirtschaftsrecht nach § 96 a. Ja, wir brauchen die Verlängerung der Gesellschafterverträge um ein Jahr, um den Umsetzungsprozess zu gestalten. Ja, wir haben es ausgeweitet, weil Gesellschafterverträge allein an der Stelle nicht ausreichen und die Wirkung auf das Gemeindewirtschaftsrecht umfassender ist. Ja, Sie können zu Recht erwarten, dass im kommenden Jahr die Koalition eine entsprechende Änderung der Gemeindeordnung vorlegen wird.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CDU und der SPD – André Schollbach, DIE LINKE, steht am Mikrofon.)

Herr Schollbach, Sie wünschen?

Ich möchte gern eine Kurzintervention machen, Herr Präsident.

Vielen Dank. Lieber Kollege Hartmann, so einen Murks, wie die CDU in 25 Jahren hier mit der Doppik veranstaltet hat, hat nicht einmal die SED in 40 Jahren hinbekommen.

(Staatsminister Markus Ulbig: Die Doppik gibt es noch keine 25 Jahre! – Zurufe von der CDU: Oh!)

So viel dazu.

Jetzt möchte ich mich noch einmal mit dem Rechnungshofbericht auseinandersetzen. Der Rechnungshof ist keine Unterorganisation der Partei DIE LINKE, sondern der Präsident hat ein anderes Parteibuch. Jetzt wollen wir doch einmal schauen, was er der CDU ins Stammbuch geschrieben hat. Ich möchte kurz aus dem aktuellen Bericht zitieren: „Rund 51 % der doppisch buchenden Körperschaften hat keine festgestellte Eröffnungsbilanz. Für die Jahre 2007 bis 2014 liegen lediglich rund 24 % der festzustellenden Jahresabschlüsse vor.“ Weiter führt der Rechnungshof aus: „Der Aufwand, der mit der Umstellung auf die Doppik verbunden ist, führte bei einem Großteil der Kommunen zu bedenklichen Haushaltsführungen ohne festgestellte Jahresabschlüsse.“

Also, meine Damen und Herren, wir sehen, das sind die Ergebnisse von 25 Jahren CDU-Politik.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war die Kurzintervention von Herrn Abg. Schollbach. Herr Hartmann, Sie möchten erwidern? – Bitte sehr.

Ja. Als Erstes sei festgestellt, dass dem Herrn Abg. Schollbach Mathematik nicht seines ist. 2007 wurde die doppische Haushaltsführung eingeführt. Das ist also neun Jahre her und hat mit 25 Jahren wenig zu tun. Aber sei es drum. Sie haben auch in 40 Jahren nicht verstanden, wieso eins und eins zwei ist. Insoweit sei es Ihnen gegönnt.

(Unruhe – Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Zweitens. – Okay, Mathe nicht und Anstand auch nicht. Dann haben wir beides festgestellt.

(Zurufe von der CDU-Fraktion)

Kommen wir also zur Frage der Eröffnungsbilanzen. Für die Eröffnungsbilanz noch einmal ganz klar: Mit der Fristverlängerung in der Vergangenheit war der erforderliche Druck bei der Umsetzung nicht vorhanden. Es wurde klar ausgeführt – das können Sie auch dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag entnehmen –, dass wir davon ausgehen können, dass mit der Fristverlängerung die entsprechenden Eröffnungsbilanzen und Jahresabschlüsse zum Stichtag vorliegen werden, auch die von Ihnen getroffene Darstellung – ich will das gern noch einmal erwähnen – hinsichtlich der Einlassung des Sächsischen Landkreistages. Dessen Position ist relativ einfach – eine hundertprozentige Scharfschaltung der Doppik, weil er es über die Kreisumlage kompensiert. Es geht nur um die Kernfrage: Abschreibungsmöglichkeiten auf die Altinvestitionen – ja oder nein. Aber selbst das haben Sie nicht verstanden, Herr Schollbach. Wenn Sie nachfragen wollen, ich gebe Ihnen gern einen Nachhilfekurs.

(Beifall bei der CDU – Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Wir kommen wieder zurück zur Aussprache. Wird aus den Reihen der Fraktionen noch das Wort gewünscht? – Das kann ich nicht feststellen. Ich frage die Staatsregierung. Wird das Wort gewünscht? –

(Staatsminister Markus Ulbig: Selbstverständlich!)

Herr Staatsminister Ulbig, selbstverständlich haben Sie das Wort. Bitte sehr.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe „selbstverständlich“ gesagt, weil nach einer solch schwungvollen Debatte aus meiner Sicht auch einige Worte zu diesem Thema gesagt werden sollten. Erstens möchte ich mich bei allen bedanken, die sich an dieser Debatte beteiligt, die an dem vorliegenden Entwurf mitgewirkt haben. Die Diskussion war genauso, wie wir sie jetzt geführt haben: hart, teilweise konfrontativ. Aber ich denke, das Ergebnis, das heute vorliegt und zur Abstimmung steht, kann sich durchaus sehen lassen und hat die Zustimmung verdient.