Protokoll der Sitzung vom 16.12.2016

keinen Verkäufer im Schulklub, sondern eine zentrale soziale Arbeit im schulischen Kontext.

Dementsprechend haben sich auch die Rolle und die Akzeptanz von Schulsozialarbeit in Sachsen in den letzten Jahren verändert. Wenn vor sieben, acht Jahren zum Tag der offenen Tür ein Schulsozialarbeiter zum Direktor gegangen ist und gefragt hat, ob er einen Infostand aufstellen soll, dann hat der Direktor gesagt: „Na ja, vielleicht einen kleinen und ganz am Ende vom Flur“, weil damals Schulsozialarbeit eher als Indiz für Probleme an der Schule zählte.

Wenn heute der Schulsozialarbeiter zum Direktor geht und fragt: „Soll ich wieder zum Tag der offenen Tür einen Stand machen?“, dann sagt der: „Ja, gut, dass du es ansprichst. Ich wollte gerade zu dir kommen. Bitte einen großen Stand und gleich am Anfang!“, weil das nämlich zeigt, dass diese Schule sich der Probleme, die sie hat, annimmt.

Ich finde diese politische Kultur an der Schule richtig. Wir können und wollen Probleme nicht verschweigen, sondern wir wollen beweisen, dass wir sie entschieden angehen. Das ist der richtige Weg.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU)

Wenn wir eine gute Schulsozialarbeit an unseren Schulen wollen, dann müssen wir das Ganze qualitativ hochwertig organisieren. Deshalb ist es so unglaublich wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen im Landesjugendhilfeausschuss viel Arbeit investiert haben, um eine richtig gute Fachempfehlung für soziale Arbeit an den Schulen zu entwickeln.

Ich möchte mich bei allen, die sich dabei so hart engagiert haben, herzlich bedanken.

Aber eine Fachempfehlung allein reicht nicht. Diese Fachempfehlung braucht Gewicht. Es muss klar sein, dass sie einen verbindlichen Grad hat. Eine verbindliche Fachempfehlung reicht nicht, sondern auch die Förderrichtlinie muss die Möglichkeit bieten, den Ansprüchen an soziale Arbeit gerecht zu werden.

Ich möchte noch einen Punkt herausheben. Wir wollen mit diesem Antrag noch einmal klarstellen, was unsere Erwartungen sind: Wir möchten eine mehrjährige Projektförderung in der Schulsozialarbeit. Wir wollen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Träger nicht dazu nötigen, jährlich einen neuen Antrag zu stellen, weil wir überzeugt davon sind, dass Schulsozialarbeit richtig und auf Dauer an sächsischen Schulen etabliert werden muss.

(Beifall bei der SPD und der Staatsministerin Dr. Eva-Maria Stange)

Wichtig ist, dass Schulsozialarbeit allein nicht hilft, sondern Schulsozialarbeit kann nur in einer funktionierenden Schule gelingen. Schulsozialarbeit kann auch nur gelingen, wenn sie vor Ort Teil einer funktionierenden Jugendhilfelandschaft ist.

Deshalb war es uns als Koalition wichtig, noch einmal klarzustellen, dass ein Förderprogramm, das eine Förderquote von deutlich über 50 % anbietet, nicht dazu führen darf, dass sich die Landkreise bei der Jugendpauschale aus der Verantwortung stehlen, weil diese nur 50 % fördert.

Wir wollten verhindern, dass zugunsten der Schulsozialarbeit andere Jugendprojekte in den Landkreisen eingestellt werden. Deshalb ist es – wie ich finde – durchaus eine schlaue Vorgehensweise, an dieser Stelle von den Kommunen zu verlangen, dass sie Zugang zum Förderprogramm Schulsozialarbeit bekommen, aber dass das Ausschöpfen der Jugendpauschale eine der Förderbedingungen dafür ist, um Zugriff auf dieses Förderprogramm zu bekommen. So stellen wir sicher, dass wir in Zukunft nicht nur eine andere, sondern eine größere und stärkere Jugendhilfelandschaft haben. Das tut dem Freistaat gut.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Für uns als SPD schließt sich ein Kreis. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal sagen: Es war Eva-Maria Stange, die im Jahr 2011 das erste Mal einen solchen Antrag im Sächsischen Landtag gestellt hat. Eva, fünf Jahre Kampf haben sich hier und heute gelohnt. Darüber bin ich froh. Ich möchte aber auch sagen: Ich habe großen Respekt davor, weil ich weiß, wie schwierig es im Freistaat Sachsen unter Umständen sein kann, wenn man ein neues sozialpolitisches Projekt installieren möchte.

Deshalb geht mein Dank an dieser Stelle auch an Sie, Frau Ministerin Klepsch, die Sie Ihre Handlungsfähigkeit bewiesen haben. Letztendlich gebe ich den Dank an die Kollegen Alexander Dierks und Patrick Schreiber an dieser Stelle gerne zurück. Wir haben bewiesen, dass es gehen kann, wenn man gut zusammenarbeitet – für die Schulen, für die Lehrerinnen und Lehrer und vor allem für die Schülerinnen und Schüler.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Für DIE LINKE spricht nun Frau Abg.Pfau.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass Schulsozialarbeit ein fester Bestandteil der schulischen Arbeit sein muss, darüber sind wir uns mittlerweile einig. Ich möchte nicht noch einmal auf die einzelnen Aspekte, die meine Kollegen schon vor mir genannt haben, warum Schulsozialarbeit so wichtig an unseren Schulen ist, eingehen.

Wie ich aber schon am Mittwoch bemerkt habe, freuen wir uns natürlich, dass es ein neues Landesprogramm für Schulsozialarbeit gibt, und danken ebenfalls den Koalitionsfraktionen, dass sie das auf den Weg gebracht haben.

Meine Fraktion hatte aber schon in den vergangenen Jahren viele Anträge zu diesem Thema mit einer Landesfinanzierung für Schulsozialarbeit eingebracht,

(Zuruf des Abg. Jens Michel, CDU)

und das, wie mir meine Kollegin erzählt hat, schon vor Frau Stange.

Anscheinend hat nun das Umdenken auch in den Koalitionsfraktionen stattgefunden. In der Stellungnahme zu unseren Anträgen in den letzten Jahren wurde aber immer eine Landesfinanzierung abgelehnt, da es für Sie anscheinend immer nur eine kommunale Aufgabe war und daher eine Mitfinanzierung vom Land abgelehnt wurde. Aber scheinbar sind auch Sie zu der Einsicht gelangt, dass unsere sächsischen Kommunen aufgrund der Finanzsituation nicht in der Lage sind, die nötigen Gelder aufzubringen, um Schulsozialarbeit vor Ort an unseren Schulen zu finanzieren. Jedoch fordern Sie jetzt in Ihrem Antrag einen Eigenanteil der Landkreise und kreisfreien Städte von 20 %. Das stellt ein Problem für die klammen Kassen unserer Landkreise dar.

Studien belegen, dass soziale Herkunft und der Wohnort sowie die wirtschaftliche Lage für den Bildungserwerb junger Menschen eine bedeutende Rolle spielen. Die Region, in der Kinder und Jugendliche in Sachsen aufwachsen, hat folglich Einfluss auf den Bildungserwerb. Hier setzt Schulsozialarbeit an. Die mit dem Haushalt beschlossenen Mittel reichen gerade einmal für 280 Stellen in Sachsen. Wir haben aber allein in Sachsen 1 353 öffentliche Schulen. Wie bereits am Mittwoch angemerkt, fordert deshalb meine Fraktion, dass Schulsozialarbeit auf alle Schulen in Sachsen ausgeweitet wird. Das bezieht selbstverständlich die Grundschulen ein, weil auch dort Schulsozialarbeit wichtig ist.

(Beifall bei den LINKEN)

Schulsozialarbeit kann ihre Wirkung aber auch nur entfalten, wenn es möglich ist, ein vom übrigen Lehrer- und Schulleiterpersonal unabhängiges Vertrauensverhältnis zu den Schülerinnen und Schülern aufzubauen. Durch Kooperationsvereinbarung kann sichergestellt werden, dass eine gleichberechtigte Arbeit von Lehrenden und Fachkräften der Schulsozialarbeit durch unterschiedliche Aufgaben im Rahmen des Bildungsprozesses gewährleistet wird. Zusätzlich ist aber auch eine enge Zusammenarbeit mit dem gesellschaftlichen Umfeld und die Vernetzung der Strukturen zur Jugendhilfe vor Ort ein wichtiger Bestandteil der Arbeit sowie Prävention, Sozialraum und Alltagsorientierung, Inklusion und Partizipation und eine Antidiskriminierungsarbeit.

Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit den Lehrenden und den Erziehungsberechtigten. Um diese gewährleisten zu können, benötigen die Fachkräfte eine angemessene Ausstattung mit Arbeits- und Verbrauchsmaterial sowie eine räumliche Ausstattung für Einzel- und Gruppenarbeit.

Schulsozialarbeit muss durch gut ausgebildete Fachkräfte geleistet werden. Das wurde bereits mehrmals betont. Sie sollen dauerhaft an den Schulen arbeiten und entsprechend ihrer Verantwortung tariflich ordentlich bezahlt werden. Dabei ist es wichtig, dass es sich nicht um eine

zeitliche Befristung des Programmes handelt, sondern eine kontinuierliche Arbeit gewährleistet wird. Dass Beziehungsarbeit Kontinuität benötigt, stellen Sie in Ihrem Antrag selbst fest. Aus diesem Grund ist die von Ihnen geforderte mehrjährige Förderung begrüßenswert. Jedoch fordern wir, dass die Schulsozialarbeit als eine dauerhafte und eigenständige Aufgabe im SGB VIII rechtlich verankert wird, ohne dass sie die anderen Formen der Jugendarbeit ersetzt. Für uns ist auch sehr wichtig, dass es eine Verankerung als Pflichtaufgabe im Sächsischen Schulgesetz gibt.

(Beifall bei den LINKEN)

Dann kommt meistens die Frage: Wie finanzieren wir das? Wie können wir die Kommunen entlasten? Da sagen wir ganz deutlich: Auch der Bund muss dazu seinen Anteil leisten, um die Finanzierung der Schulsozialarbeit in allen Schulen in Deutschland gewährleisten zu können.

Die meisten Aspekte Ihres Antrages sind im Entwurf der Förderrichtlinien vorhanden. Das dürfte Ihnen nicht neu sein. Es ist klar, dass es hierbei nur darum geht, sich selbst auf die Schulter zu klopfen. Wir werden diesem Antrag trotzdem zustimmen und hoffen, dass das Landesprogramm ausgebaut wird, dass es eine Verankerung im Schulgesetz geben wird und dass zukünftig an allen unseren sächsischen Schulen Schulsozialarbeit möglich sein wird.

(Beifall bei den LINKEN)

Die AfD-Fraktion wünscht nicht, das Wort zu ergreifen. Deshalb rufe ich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf. Herr Zschocke, bitte.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir unterstützen die Einführung eines Landesprogramms Schulsozialarbeit Sachsen. Das ist überfällig und dringend notwendig. Danke.

Wir unterstützen nicht die inkonsistente Vorbereitung dieses Programms. Die vorhersehbaren Konflikte bei Kontinuität, Personalausstattung, Bedarfsdeckung und Qualifikation werden durch den Antrag noch nicht aufgelöst. Voraussetzung dafür wäre Einigkeit in der Herangehensweise. Die scheint jedoch noch nicht ganz vorhanden zu sein. Anders lassen sich die teilweise schwammigen Formulierungen im Antrag nicht erklären.

Um eine verbindliche bedarfsgerechte und dauerhafte Grundlage für Schulsozialarbeit zu schaffen, ist eine gesetzliche Verankerung notwendig. Dem gehen Sie aus dem Weg. 15 Millionen Euro in einen Plan zu schreiben ist das eine, Nägel mit Köpfen zu machen das andere. Ihre Antragspunkte haben eher Symbolcharakter. Ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, dass die Fachempfehlung zur Schulsozialarbeit vom Juni, die von den Vorrednern auch gewürdigt wurde, im neuen Landesprogramm nicht umgesetzt wird. Sie müssen das jetzt noch einmal beschließen. Das ist in Ordnung.

Zu zweitens. Eine Projektsteuerung im ersten Jahr eines solchen Programms zu initiieren, habe ich für selbstverständlich gehalten. Unklar bleibt allerdings, ob diese Steuerung extern erfolgen soll, unter Beteiligung der Wissenschaft, oder ob die Staatssekretärin das vom Schreibtisch aus allein tut. Wie stellen Sie sich das konkret vor? Das schreiben Sie nicht.

Zu drittens. Dieser Punkt gefällt mir sehr gut. Eine mehrjährige Förderung wäre in allen Bereichen der sozialen Arbeit notwendig. Sie haben nur vergessen aufzuschreiben, wie Sie personelle Kontinuität sicherstellen wollen. Heißt das jetzt, dass Sie keine projektbezogene Finanzierung in diesem Bereich mehr wollen oder dass Sie institutionell fördern wollen? Wie wollen Sie das machen? Wollen Sie zweijährige Perspektiven über Haushaltsinstrumente schaffen? Das würde ich gern wissen, Herr Homann. Denn wie sollen die Träger qualifizierte und motivierte Fachkräfte finden, wenn sie nur befristete Stellen ausschreiben können?

Zu viertens. Das ist auch wieder eine schwammige Formulierung. Die Landkreise und kreisfreien Städte sollen mit einem angemessenen Anteil an den Kosten beteiligt werden. Was heißt das denn? Was für den einen Landkreis angemessen ist, kann sich der andere bereits nicht mehr leisten. Wenn die Kofinanzierung der Landkreise verpflichtende Fördervoraussetzung wird, hängen Sie doch jedes Jahr erneut das Damoklesschwert über die Projekte der Schulsozialarbeit, solange der Kreishaushalt noch nicht beschlossen ist. Das ist das Gegenteil von mehrjähriger Förderung.

Zu fünftens, sechstens und siebtens sage ich ganz klar: Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie die Einrichtung von Schulsozialarbeiterstellen aufgrund von Bedarfslagen oder nach Kassenlage der Kommunen fördern wollen. Die Förderung von Schulsozialarbeit muss sich zuallererst an den Bedarfen von Kindern und Jugendlichen orientieren und weniger an der Leistungsfähigkeit von Kreishaushalten.

Ich hätte mir noch einen Punkt neun gewünscht, in dem Sie sich auch klar zum Berufsbild von Schulsozialarbeitern äußern, zu Mindestkompetenzen und Qualifikationsvoraussetzungen. Denn Schulsozialarbeit verlangt besondere Kompetenzen. Um diese sicherzustellen, braucht es eine fundierte Ausbildung. Entweder weichen Sie das auf und lassen alle möglichen Abschlüsse ausnahmsweise zu oder Sie setzen den sozialpädagogischen Hochschulabschluss als Standard durch. Beides hat Konsequenzen. Beim Ersten prognostiziere ich einen erheblichen Verschleiß an Personal; denn die inhaltlichen und mentalen Anforderungen sind hoch und erfordern Kompetenzen, die erst in einer mehrjährigen Ausbildung erworben werden können.

Beim Zweiten prognostiziere ich Ihnen allerdings, dass die Träger kaum Personal finden, wenn es keine berechenbaren Beschäftigungsperspektiven mit wirklich

attraktiven und unbefristeten Arbeitsverträgen gibt. Denn der Fachkräftemarkt ist gerade in diesem Bereich sehr

angespannt. Diesen Konflikt aber nicht zu entscheiden führt zwangsläufig zur Aufweichung von Mindeststandards; Qualitätsentwicklung wird so unmöglich.

Deswegen sage ich es deutlich: Halten Sie an den Empfehlungen des Landesjugendhilfeausschusses fest, auch bei der Ausgestaltung der Förderrichtlinie. Schaffen Sie echte Berufsperspektiven für Hochschulabsolventen! Wir brauchen attraktive Stellen in der Schulsozialarbeit. Machen Sie Nägel mit Köpfen. Kinder und Jugendliche brauchen die professionelle Arbeit qualifizierter und motivierter Fachkräfte.

Ich bitte Sie, über die Punkte I und II getrennt abzustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Mir liegt jetzt von der CDU-Fraktion noch die Wortmeldung von Herrn Schreiber vor. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank für die doch sehr qualitätsvolle Debatte, die wir hier geführt haben. Insbesondere möchte ich eines anmerken, bevor ich auf Frau Pfau und Herrn Zschocke eingehe. Ich möchte hier für das Protokoll deutlich in den Raum stellen, dass die AfD es nicht nötig hat, zu diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen.