Protokoll der Sitzung vom 16.12.2016

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erst einmal vielen Dank für die doch sehr qualitätsvolle Debatte, die wir hier geführt haben. Insbesondere möchte ich eines anmerken, bevor ich auf Frau Pfau und Herrn Zschocke eingehe. Ich möchte hier für das Protokoll deutlich in den Raum stellen, dass die AfD es nicht nötig hat, zu diesem Tagesordnungspunkt zu sprechen.

(Beifall bei der CDU – Carsten Hütter, AfD: Schwachsinn! Weil wir keine Redezeit mehr haben!)

Ich sage das nur deshalb, dass nicht die AfD in einem halben Jahr wieder kommt und sagt, sie hätten Schulsozialarbeit erfunden und schon einmal die Verdoppelung gefordert.

Ich komme zu den Fraktionen, die hier mit Inhalten geglänzt haben. Herr Zschocke, genau das, was Sie angesprochen haben, steht eben zum Beispiel in der Fachempfehlung drin, etwa wie die Qualifikationsvoraussetzungen von Mitarbeitern zu sein haben. Genau deshalb sagen wir in unserem Punkt 1, es solle sichergestellt werden, dass bei der konzeptionellen Umsetzung des Landesprogrammes die Fachempfehlung zur Schulsozialarbeit umgesetzt wird. Genau zu dem, was Sie hier fordern, spricht sich die Fachempfehlung sehr deutlich aus. Im Übrigen gibt es in der Stellungnahme des Landesjugendhilfeausschusses dazu eine sehr eindeutige Aussage.

Grundsätzlich will ich einmal dazu sagen, dass wir hier sechs Jahre in der Diskussion gekämpft haben. Wir sind immer ein Stück weit daran gescheitert, dass der Finanzminister gesagt hat, Schulsozialarbeit gehe ihn nichts an, es sei eine kommunale Pflichtaufgabe und begründet im Sozialgesetzbuch VIII, § 13. Dazu muss man deutlich sagen, dass dies auch nach wie vor so ist. Grundlage für die Leistungsart Schulsozialarbeit ist das SGB VIII, der § 13. Dort ist es angedockt. Solange es keine andere

gesetzliche Grundlage – obwohl der Begriff selbst überhaupt nicht vorkommt – dafür gibt, ist es eben so.

Herr Zschocke, deshalb ist es auch etwas schwierig, eine gesetzliche Verankerung für irgendetwas zu finden, das es eigentlich überhaupt nicht gibt. Deshalb können Sie Ihren Kollegen, die als GRÜNE in anderen Ländern mitregieren, gerne anraten, dass sie möglicherweise über den Bundesrat so eine Gesetzesinitiative anschieben. Soweit ich weiß, ist das SGB VIII momentan in einer Überarbeitung, und wir sind sehr gespannt, was zum Thema Schulsozialarbeit dann dort drinsteht.

Ich will es deutlich sagen: Wir haben uns auf den Weg gemacht, diese Fachempfehlung zu überarbeiten. Ehrlicherweise muss man sagen, dass wir sie neu geschrieben haben. Das war ein Schock für manchen Schulsozialarbeiter – das gehört auch zur Wahrheit –, der gern alles weiter so gehabt hätte, wie es derzeit ist. Ich sage gern etwas ketzerisch: Schulsozialarbeit bedeutet nicht Vertretung von ausgefallenem Unterricht. Schulsozialarbeit bedeutet nicht, den Schulklub zu fegen. Schulsozialarbeit heißt auch nicht, in der Cafeteria die Würstchen zu verkaufen.

Herr Zschocke, ich kann Ihrem Gedankengang an der einen oder anderen Stelle nicht so ganz folgen. Es ist eben gerade nicht so, dass das Land, also der Freistaat Sachsen, wir als Landesjugendhilfeausschuss, als Sozialministerium, als Landtag in irgendeiner Art und Weise bestimmen, an welcher Stelle das Personal, das dadurch finanziert werden kann, eingesetzt wird. Das sollen die Kommunen vor Ort machen. Das ist ganz wichtig, weil die Kommunen vor Ort über die Jugendhilfeausschüsse, über die Vertretungen der Bildungsagentur in den Jugendhilfeausschüssen und über die Schulverwaltungsämter mit den Jugendämtern gemeinsam entscheiden sollen, an welcher Schule der Einsatz von einem oder möglicherweise zwei Schulsozialarbeitern am dringendsten nötig ist. Das wollen wir nicht entscheiden.

Wir geben – Sie können das analog zur Jugendpauschale Schulsozialarbeitspauschale nennen – eine Summe X in die Landkreise, in die kreisfreien Städte, und zwar entsprechend den Schülerzahlen im allgemeinbildenden Bereich. Die Kommunen vor Ort sollen dann entscheiden, was mit dem Geld an welcher Stelle gemacht wird.

Frau Pfau, es ist natürlich immer sehr einfach, mehr zu fordern. Das ist gar keine Frage. Sie kritisieren auf der einen Seite den Eigenanteil, aber wenn Sie richtig rechnen, dann sehen Sie, dass es uns mit dem Eigenanteil nicht nur gelingt, 15 Millionen Euro in das System zu geben, sondern dass es bei einem Eigenanteil von 20 % immerhin 18 Millionen Euro sind, die wir in das System Schulsozialarbeit geben. Ich glaube, das ist erstens einen Applaus wert und zweitens eine ganze Menge Holz, das an dieser Stelle ins System kommt.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Es klopft sich im Übrigen dafür niemand auf die Schulter. Ich muss ehrlich sagen, dass die Sprüche vom „auf die Schulter klopfen“ irgendwann nerven.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Das machen Sie doch!)

Nein, Herr Gebhardt, Sie nehmen für sich immer in Anspruch, als Opposition, was ja Ihr Auftrag ist, kritische Dinge vorzubringen und den Finger in die aus Ihrer Sicht vorhandene Wunde zu legen. Dann gestehen Sie uns zu, dass eine Regierungskoalition, die für sich einen Plan hat und diesen Plan dann auch umsetzt, dies deutlich nach außen postuliert.

(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU und der LINKEN)

Ich habe noch niemanden hier erlebt, der sich mit einem Sektglas, einer Tröte oder sonst irgendetwas hier hinsetzt und sagt, dass wir die Tollsten, die Besten, die Schönsten sind und wir uns dafür feiern müssen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Ich beende nur den Satz.

Wir sagen nur deutlich nach außen, was wir für die Menschen in diesem Land tun. Das ist unser gutes Recht.

(Beifall bei der CDU)

Herr Zschocke, bitte.

Sie dürfen sich gern auf die Schulter klopfen. Die Fachempfehlung ist fachlich richtig gut.

Deshalb hier dezidiert meine Frage, weil wir das dann im Protokoll wiederfinden: Sie möchten in Ihrem Punkt II.1 sicherstellen, dass die Fachempfehlung zur Schulsozialarbeit umgesetzt wird. Da möchte ich Sie jetzt fragen: Heißt das, dass sich die Formulierungen zu Qualifikationen und fachlichen Kompetenzen der Fachkräfte aus der Fachempfehlung dann ohne Ausnahme so in der Förderrichtlinie wiederfinden werden?

Herr Zschocke, das heißt zum einen, dass sich der Landesjugendhilfeausschuss als fachlich zuständiges Gremium inhaltlich dazu geäußert hat. Sie wissen, wie er sich zusammensetzt. Darin sitzen Vertreter des Landtags, gewählte Vertreter aus den Fraktionen, es sitzt darin aber auch eine ganze Menge von – so würde ich es selbstkritisch sagen – noch stärkerer Fachlichkeit mit am Tisch. Diese haben sich inhaltlich zu dem Thema geäußert.

Es ist nicht Sache des Landtags, des Parlaments, die Förderrichtlinie zu verabschieden oder zu schreiben. Das ist Sache der Verwaltung, des Ministeriums.

Der Landesjugendhilfeausschuss gibt seinen fachlichen Rat und sagt ganz deutlich, was er erwartet. Der Landtag

beschließt heute und hier diesen Antrag. Dennoch ändern wir nichts daran, dass das Schreiben und Verabschieden einer Förderrichtlinie Sache des Kabinetts ist. Wir sind sehr gespannt, was dann darin steht.

Ich gehe davon aus, dass sich das Sozialministerium natürlich in größtmöglichem Einklang zu dieser Fachempfehlung finden wird. Ich muss aber genauso akzeptieren, wenn es an der einen oder anderen Stelle zu einem anderen Schluss gekommen ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Von Frau Falken immer.

Frau Falken, von Ihnen immer. Bitte.

Danke schön, Herr Präsident!

Herr Schreiber, wir erkennen an, dass Sie das Programm gemacht haben. Ich weiß auch, dass Sie sich persönlich dafür nicht auf die Schulter klopfen.

Meine Frage ist: Was passiert mit den Schülerinnen und Schülern in einer Kommune, in der der Bedarf an Schulsozialarbeit sehr groß ist, die Kommune aber sagt, dass sie sich das wirklich nicht leisten kann? Diesen Fall haben wir in manchen Kommunen jetzt schon. Ist es aus pädagogischer Sicht wirklich vernünftig und sinnvoll – wir sind nun mal hier im Parlament für die Bildung im Land zuständig –, dann zu sagen: „Ätsch, Pech gehabt!“? Das passiert ja.

Ich weiß nicht, wo das passiert, in welchem Traumzauberland Sie das wahrnehmen. Fakt ist, dass wir keine einzige Kommune haben, die ein analoges Vorgehen, wie Sie es jetzt beschreiben, beispielsweise bei der Jugendpauschale an den Tag legt. Jede Kommune, jeder Landkreis, jede kreisfreie Stadt ruft die Jugendpauschale vollständig ab, weil sie natürlich das Geld braucht, um ihre eigene Jugendarbeit zu finanzieren.

Jetzt kommt der große Unterschied zwischen diesem Förderprogramm Schulsozialarbeit, das ein Landesprogramm ist, und beispielsweise der Jugendpauschale. Bei der Jugendpauschale wird erwartet und ist Abrufbedingung, dass der Landkreis das gleiche Geld, das er vom Freistaat abruft, also die 12,40 Euro pro Kind oder Jugendlichen, obendrauf legt, also den gleichen Anteil noch einmal hinzugibt. Wenn ich mir das hier anschaue, ist das doch fast das Paradies auf Erden. Ich bekomme 80 % vom Land gefördert und muss nur noch 20 % kofinanzieren.

Sie stellen sich immer nur hin und sagen: „Die Kommunen sind klamm, sind klamm, sind klamm!“ Also, wenn ich allein meine Kommune Dresden nehme und sehe, wofür Herr Schollbach und seine rot-rot-grüne Umgestaltungsmehrheit im Dresdner Stadtrat Geld aus dem Fenster wirft, dann sage ich Ihnen ehrlich, wäre es an dieser Stelle

wesentlich besser eingesetzt. Ich glaube, dass es in jedem Landkreis möglich ist, dieses Geld abzurufen.

Wir haben mit den Landräten eine Runde gemacht. Dort ist uns deutlich gesagt worden, dass sie selbstverständlich ein großes Interesse daran haben, dieses Geld abzurufen. Das bedeutet auch – das gehört zur Ehrlichkeit einfach dazu –, dass man seine Jugendhilfeplanungen in den Kommunen, in den Landkreisen und in den kreisfreien Städten ein Stück weit am Horizont weiten muss.

Jugendarbeit bedeutet heute eben nicht mehr nur Abenteuerspielplatz oder Jugendhaus, wo keiner mehr hingeht – aus welchen Gründen auch immer –, sondern Jugendhilfeplanung und Jugendhilfelandschaft heißt auch, dass ich schauen muss, dass ich die Jugendlichen dort abhole, wo sie sind. Dafür ist Schulsozialarbeit ein wichtiger, großer Baustein.

(Cornelia Falken, DIE LINKE: Das heißt, für die Schüler haben Sie aber nichts vorrätig?)

Was heißt denn „für die Schüler“? Frau Falken, wir haben für die Schülerinnen und Schüler künftig 18 Millionen Euro vorrätig, und das jedes Jahr. Entschuldigung, ich mache kein Landesprogramm Schulsozialarbeit für Sozialarbeiter oder für Lehrer. Ich mache das für die Schülerinnen und Schüler in diesem Freistaat.

(Beifall bei der CDU – Zuruf von der CDU: Sehr gut! – Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Ich weiß nicht, woher Ihre Sozialromantik immer kommt, das ist ja finster.

Das ist für die Schülerinnen und Schüler, Frau Falken, und nicht für die Sozialarbeiter.

(Zuruf der Abg. Cornelia Falken, DIE LINKE)

Keine Dialoge, keinen Dialog! Es gibt das Instrument der Zwischenfrage und der Kurzintervention. Bitte weiter, Herr Schreiber.

18 Millionen Euro, Frau Falken!

Zu Herrn Zschocke und der Projektsteuerung. Auch aus der Erfahrung heraus, dass es einfacher wäre, das Geld in die Kommunen zu werfen und zu sagen: Macht mal!, ist es uns ist wichtig, dass das, was wir jetzt für den Freistaat Sachsen als Schulsozialarbeit – ich nenne es einmal „normiert“ – haben, über die Fachempfehlung normiert haben, fachlich begleitet in den Kommunen umgesetzt wird.

Deshalb haben wir gesagt, wir wollen für die nächsten zwei Jahre zur Implementierung, zur Einführung dieses Landesprogramms eine Institution haben, die den Kommunen sozusagen fachliche Hilfestellung an dieser Stelle leistet. Dafür haben wir im Übrigen im Haushalt nicht mehr nur 15 Millionen Euro stehen, sondern 15,25 Millionen Euro. Wir haben also 250 000 Euro draufgelegt, um letzten Endes dieses Geld nicht noch großartig abziehen