Protokoll der Sitzung vom 01.02.2017

Meine Damen und Herren! Ja, ein Gesetzentwurf war notwendig. Ob die Änderungen aber auch zu Verbesserungen führen, wird sich zeigen. Die Hurra-Rufe halten sich bei mir jedenfalls in Grenzen. Das liegt nicht so sehr am Gesetzentwurf selbst, sondern vielmehr an dem europäischen Dirigenten, der Takt und Melodie für den Gesetzestext vorgibt. Ich sage Ihnen auch, was mir an der Inszenierung missfällt.

Die europäische Vereinheitlichung von Standards macht vieles einfacher, kompatibler, oftmals sogar transparenter. So weit, so gut. Leider werden diese Vorteile jedoch viel zu oft dadurch erreicht, dass Qualitäts- oder Ausbildungsstandards gesenkt werden und sich somit nicht das beste Produkt oder die beste Ausbildung durchsetzt, sondern das Prinzip „schnell und mittelmäßig“. Nicht ganz so gravierend, aber deutlich genug trifft diese Kritik auf das Zustandekommen des Gesetzentwurfes zu. Bezeichnend ist allein das Feilschen um den Anteil der MINT-Quote von 50 % über 70 % bis 80 %, die zum Tragen der Berufsbezeichnung ausreichen soll oder nicht. Hier wurde wieder gedealt, und das niedrigste Niveau hat gewonnen. Willkommen im Wirtschaftsraum Europa, kann ich da nur sagen. Deshalb werden wir uns hier enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Zuruf des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Auf Herrn Beger folgt jetzt Herr Kollege Lippmann für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Wir werden uns bei der Abstimmung zu diesem Gesetzentwurf ebenfalls enthalten. Das hat im Wesentlichen zwei maßgebliche Gründe, zum einen handwerkliche, die den Gesetzentwurf und vor allem seine Begründung betreffen. Man ist bei einem solchen Gesetzentwurf, der bereits in der Überschrift darauf hinweist, dass er zum Teil oder ganz auf der Umsetzung einer EU-Richtlinie 2005/36/EG beruht, leicht geneigt zu glauben, dass ein dringender Umsetzungsbedarf besteht. Wenn man sich dann allerdings über den konkreten Inhalt der Richtlinie informieren will, blickt man ratlos in die Begründung des Gesetzentwurfes.

Im wesentlichen Inhalt des Vorblattes beispielsweise taucht die besagte Richtlinie gar nicht mehr auf, sondern nur noch die Richtlinie mit Nummer 2013/55/EU. Im

allgemeinen Teil der Begründung wird das Rätsel schließlich aufgelöst. Die jüngere Richtlinie ändert die ältere. Warum es deshalb Anpassungsbedarf gibt, weiß man allerdings in der Folge immer noch nicht. Erst auf Seite 33 in den Spezialausführungen zum Architektengesetz findet man dann einen Überblick, weshalb es zur Anpassung an die geänderte Richtlinie kommen muss. Das zeigt, die gesamte Begründung erscheint nicht aus einem Guss und lässt durchaus Zweifel daran aufkommen, ob die getroffenen Regelungen tatsächlich bis zu Ende gedacht wurden.

Das allein ist aber sicherlich nicht das Hauptproblem des Gesetzentwurfes, sondern das sind andere. Die Gründe für die Neufassung des Gesetzentwurfes sind einleuchtend, zumal sie sich mit der Zusammenfassung des alten Ingenieurgesetzes und des Ingenieurkammergesetzes an der bereits 2014 geänderten Struktur des Architektengesetzes orientiert.

Gleichwohl sehen wir in einigen Regelungen durchaus Probleme. Der Hauptstreitpunkt – das wurde sowohl in der Sachverständigenanhörung ausgeführt als auch heute schon deutlich – ist die Frage, welche Voraussetzungen man braucht, um die Berufsbezeichnung Ingenieur zu führen.

Der Präsident des Ingenieurverbands führte in der Anhörung aus, dass sich Sachsen als Land der Ingenieure von den Voraussetzungen verabschiedet – einem sechssemestrigen Studium in technisch-naturwissenschaftlicher

Richtung, das überwiegend durch Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft oder Technik, die sogenannten MINT-Fächer, geprägt ist.

Derzeit liegt die europaweit fachlich anerkannte Mindeststufe bei einem MINT-Anteil von 70 %. Um die hohe Anerkennung, die sächsische Ingenieure derzeit genießen, zu erhalten, sollte sich der MINT-Anteil um diese Quote bewegen.

Demgegenüber steht die Vertretung der Hochschulen auf dem Standpunkt, dass die Regelung im Ingenieurgesetz die Hochschulautonomie nicht unangemessen einschränken darf. Die Forderung eines sehr hohen MINT-Anteils bewirke eine Einflussnahme des Gesetzgebers auf die Gestaltung der Studienpläne. Der Studienvertreter ging in der Anhörung sogar so weit, eine starre MINT-Quote gänzlich abzulehnen.

Dass die Staatsregierung mit dem vorliegenden Entwurf einen 50-%-Anteil im MINT-Bereich voraussetzt, obwohl sie im Referentenentwurf noch einen Anteil von 80 % vorgesehen hatte, zeigt, dass nach der schriftlichen Anhörung noch Bewegung in das Rechtsetzungsverfahren gekommen ist und ein Kompromiss gefunden wurde. Das ist grundsätzlich gut.

Wir haben es hier mit einem klassischen Fall unauflösbarer Widersprüche zu tun – zwischen zwei für mich durchaus verständlichen Grundsätzen, nämlich der Hochschulautonomie auf der einen Seite und andererseits dem

berechtigten Willen, dass dort, wo Ingenieur draufsteht, am Ende auch ein Ingenieur drin ist.

Fakt ist: Mit der Absenkung des Niveaus des MINTAnteils passt sich Sachsen zwar dem bundesweiten Trend an, verliert zugleich aber eines seiner Alleinstellungsmerkmale. Vor dem Hintergrund, dass sowohl das deutsche Musteringenieurgesetz als auch der erste Vorschlag der Europäischen Kommission für ein gemeinsames europäisches Berufsbild des Ingenieurs ein dreijähriges Studium mit 70 % MINT-Anteil vorsieht, scheint die gefundene Lösung von daher nicht ganz bis zum Ende gedacht.

Um diesen dauerhaften Konflikt aufzulösen, wäre es aus unserer Sicht sinnvoll und richtig, zukünftig stärker in Richtung anderer Qualitätssicherungsstandards im Studium zu lenken, beispielsweise über die Akkreditierung entsprechender Studiengänge.

Ein weiterer Kritikpunkt in der Anhörung war – das ist schon angeklungen – die mit dem Gesetz vorgesehene Überregulierung im Bereich der sanktionierten Weiterbildungsverpflichtung und der zu führenden Liste der Gesellschaften, was zu einem hohen Verwaltungsaufwand führt. Letzteres ist auch mit dem Gesetz über den unlauteren Wettbewerb sanktionierbar und daher nicht nötig; die Regelung ist somit überflüssig.

Zusammenfassend sehen wir durchaus die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung. Das Ergebnis überzeugt uns aufgrund einiger Schwächen am Ende nicht vollständig. Deswegen werden wir uns der Stimme enthalten.

Vielen Dank.

(Beifall des Abg. Dr. Gerd Lippold, GRÜNE)

Für die Fraktion GRÜNE sprach Herr Lippmann.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich – Unruhe)

Gibt es noch Gesprächsbedarf? – Wir sind am Ende der Aussprache angekommen. Jetzt hat noch die Staatsregierung das Wort. Der zuständige Minister, Herr Staatsminister Ulbig, nicht nur Innen-, sondern auch Bauminister, ergreift das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Auch ich möchte zu diesem Gesetzentwurf ein paar Worte aus Sicht der Staatsregierung sagen. Ich beginne mit einem Dank an alle, die sich an der Diskussion beteiligt und am Ende dazu beigetragen haben, dass wir diesen Entwurf, diesen Kompromiss heute vorliegen haben. Die Diskussionen darüber waren durchaus hart, aber immer zielgerichtet und konstruktiv. Ich denke, das, was hier jetzt als Kompromiss vorliegt, ist ein gutes Ergebnis und hat Zustimmung verdient.

Insbesondere mit der neuen Regelung zur Partnerschaft mit beschränkter Berufshaftung für beratende Ingenieure

konnten wir ein zentrales Anliegen dieser Berufsgruppe umsetzen.

Hauptkritikpunkt, Hauptdiskussionspunkt dieses Gesetzentwurfs war – wie von allen Vorrednern schon angesprochen – die Berufsbezeichnung Ingenieur. Die unterschiedlichen Positionen sind, wie Herr Lippmann schon sagte, eigentlich nicht auflösbar. Ich denke, dass es trotzdem ein guter Kompromiss ist.

An dieser Stelle möchte ich einen Punkt korrigieren, weil das teilweise durcheinandergebracht wurde. Die Hochschulen können die Studiengänge anbieten, die sie wollen. Es geht nur um den Teil, der am Ende bei der Ingenieurkammer anerkannt und entsprechend eingetragen wird.

Ich möchte auf einige andere, aus meiner Sicht aber wichtige Punkte eingehen. Das Erste ist die Fortentwicklung des Ingenieurrechts im Freistaat Sachsen. Wir haben uns die bestehenden Rechtsgrundlagen im Vorfeld noch einmal angeschaut und entsprechend angepasst. Herausgekommen ist eine Zusammenfassung des bisherigen Ingenieurgesetzes und des Sächsischen Ingenieurkammergesetzes zum neuen Sächsischen Ingenieurgesetz.

Ja, Herr Lippmann, die Regelungen sind alt. Sie stammen aus dem Jahr 1993. Wenngleich wir seitdem verschiedene Änderungen vorgenommen haben, insbesondere infolge der Rechtsetzung der Europäischen Union, war der Handlungsbedarf allen klar. Die Anforderungen besonders hinsichtlich des Kammerrechts sind heute schlicht andere als vor 24 Jahren.

Konkret haben wir daher das Kammerrecht der Ingenieurkammer komplett überarbeitet und zum Beispiel den Abschnitt für Personen mit ausländischer Berufsqualifikation eingefügt.

Zur Konkretisierung der Befugnisse der Ingenieurkammer Sachsen im Bereich der Datenverarbeitung wurden, wo erforderlich, klare Formulierungen eingebracht, zum Beispiel bei der Eigenverantwortung des beratenden Ingenieurs.

Ebenso gab es, wo möglich, Deregulierung, zum Beispiel beim Haushaltsplan, bei dem künftig auf die Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde verzichtet werden soll. Darüber hinaus haben wir die Berufspflichten der Beratenden Ingenieure neu gefasst und vor allem die Weiterbildungsverpflichtung aufgenommen.

Meine Damen und Herren! Diese Punkte ergeben gute Arbeitsgrundlagen für die Ingenieurkammer und wurden – mit Ausnahme der Diskussion um die Berufsbezeichnung – positiv aufgenommen. Diese positive Resonanz ist in meinen Augen ganz entscheidend. Schließlich ist es die Ingenieurkammer Sachsen, die als zuständige Behörde die neuen Regelungen in die Praxis umsetzen soll.

Der zweite wichtige Punkt betrifft die ebenfalls diskutierte Umsetzung der Anforderungen an die geänderte Berufsanerkennungsrichtlinie der EU. Hier wurde fachlich korrekt gearbeitet und an zwingende Vorgaben angepasst. Dazu gehörten unter anderem die Akzeptanz des Quali

tätsniveaus ausländischer Berufsangehöriger mit der Möglichkeit, Defizite durch bestimmte Maßnahmen ausgleichen zu können, die Satzungsermächtigung für Architektenkammer und Ingenieurkammer, die Neuausrichtung der Regelung zum Führen von geschützten Berufsbezeichnungen und die Aufnahme von Regelungen zum Europäischen Berufsausweis, zum gemeinsamen Ausbildungsrahmen und zum Europäischen Vorwarnmechanismus.

Darüber hinaus haben wir mit dem vorliegenden Entwurf – drittens – nicht nur die Sächsische Bauordnung hinsichtlich der Bauvorlageberechtigung geändert. Wir haben weiterhin – viertens – auch Änderungen beim Gesetz über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Energieeinsparung vorgenommen und damit an das Bundesrecht angepasst. Die Voraussetzung für die Verordnungsermächtigung für Aussteller von Energiebedarfsausweisen, wie sie bei Neubauten gefordert werden, sind nun geschaffen.

Alles in allem kann man sagen: eine sehr runde Gesetzesnovellierung. Nochmals herzlichen Dank an alle, die mitgewirkt haben. Jetzt bitte ich um Zustimmung zu diesem Entwurf.

(Beifall bei der CDU und der SPD – Christian Piwarz, CDU: Machen wir!)

Die Staatsregierung hatte das Wort; es sprach Herr Staatsminister Ulbig. Jetzt könnte der Berichterstatter, Herr Stange, das Wort ergreifen. – Er möchte nicht. Wir kommen damit zur Abstimmung. Änderungsanträge liegen nicht vor, also können wir nicht über Änderungsanträge abstimmen.

Meine Damen und Herren! Entsprechend § 46 Abs. 5 der Geschäftsordnung schlage ich Ihnen vor, über den Gesetzentwurf artikelweise – in der Fassung, wie sie durch den Ausschuss vorgeschlagen wurde – zu beraten und abzustimmen. – Ich sehe keinen Widerspruch, also können wir so verfahren.

Aufgerufen ist das Gesetz zur Neuregelung des Sächsischen Ingenieur- und Architektenrechts und zur Anpassung an die Richtlinie 2005/36/EG sowie zur Änderung des Gesetzes über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Energieeinsparung, Drucksache 6/6841. Wir stimmen ab auf der Grundlage der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 6/8174.

Ich rufe zunächst die Überschrift auf. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Eine Anzahl Stimmenthaltungen. Damit ist die Überschrift angenommen.

Ich rufe auf: Inhaltsübersicht. Wer der Inhaltsübersicht seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Wiederum eine ganze Anzahl von Stimmenthaltungen, aber die Inhaltsübersicht ist mehrheitlich angenommen.

Ich rufe auf: Artikel 1, Sächsisches Ingenieurgesetz. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Damit ist auch dem Artikel 1 Sächsisches Ingenieurgesetz mit Mehrheit bei einigen Stimmenthaltungen zugestimmt.

Ich rufe auf: Artikel 2, Änderung des Sächsischen Architektengesetzes. Bei Zustimmung bitte ich um Ihr Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Eine ganze Anzahl. Damit ist Artikel 2 mehrheitlich zugestimmt.

Ich rufe auf: Artikel 3, Änderung der Sächsischen Bauordnung. Ich bitte bei Zustimmung um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Wieder eine ganze Anzahl von Stimmenthaltungen, trotzdem ist Artikel 3 mehrheitlich zugestimmt.