Dies sehen auch wir im Interesse des Ansehens der sächsischen Hochschulen, aber auch im Interesse der Absolventen aus folgenden Gründen weiterhin als erstrebenswert an: Sachsen war und soll auch künftig das Land der Ingenieure sein. Dies darf nicht nur quantitativ, sondern muss vor allem qualitativ gelten. Dass die Anforderungen an den Ingenieur vielfältig sind und seine Fähigkeiten aus Sicht der Arbeitgeber auch über seine ingenieurfachlichen Kompetenzen hinausgehen sollten, darf nicht dazu führen, im Ingenieurstudium bei den ingenieurfachlichen Kompetenzen signifikante Abstriche zu machen.
Dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, sind die Kernkompetenzen des Ingenieurs, die seinen Beruf auch in Zukunft fachlich prägen werden.
Absolventen müssen so ausgebildet werden, dass sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der Europäischen Union arbeiten können. Eine Reduzierung im Bereich ihrer ingenieurfachlichen Kernkompetenzen in bestimmten Studiengängen kann dazu führen, dass ihnen das Führen der geschützten Berufsbezeichnung oder eine Tätigkeit in anderen europäischen Staaten versagt wird bzw. sie gezwungen sind, Ausgleichsmaßnahmen zu absolvieren. Dies wäre nicht nur eine enorme Einschränkung für Absolventen, sondern würde auch nicht dazu beitragen, das Ansehen des deutschen Ingenieurs im Ausland weiter zu fördern.
Es wird abzuwarten sein, ob das nunmehr in allen Bundesländern in ähnlicher Weise gefundene Niveau zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ möglicherweise noch durch die Europäische Union durch die Möglichkeit, einen gemeinsamen Ausbildungsrahmen nach Artikel 49 a der Richtlinie festzulegen, verändert wird. Wir müssen also auch die Entwicklungen auf europäischer Ebene im Auge behalten. Es ist zu beobachten, dass dort erste Diskussionen über dieses Thema laufen.
Noch einmal zu dem Punkt, auf den ich zu Beginn hingewiesen hatte: Eine bundeseinheitliche Regelung existiert bisher leider nicht. Diese ist aber aus unserer Sicht unbedingt weiter anzustreben.
Abschließend möchte ich festhalten: Sachsen ist und bleibt das Land der Ingenieure. Die Qualität der sächsischen Ingenieure steht auch weiter im Mittelpunkt. Dazu leisten die sächsischen Hochschulen in der Ingenieurausbildung einen wesentlichen Beitrag. Auch die Sächsische Ingenieurkammer leistet als gesetzlich legitimierte und mit dem entsprechenden öffentlich-rechtlichen Auftrag versehene Institution einen zentralen Beitrag zur Qualitätssicherung, so durch ihre Kontrollfunktion im Bereich des Berufsausübungsrechts sowie in den Bereichen der
Herzlichen Dank für diesen Einsatz und Ihnen, meine sehr geehrten Damen und Herren, für Ihre Aufmerksamkeit.
Meine Damen und Herren! Es folgt die Fraktion DIE LINKE, Herr Abg. Stange. – Bitte sehr, Herr Stange, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Uns liegt der Gesetzentwurf der Staatsregierung mit dem Titel „Gesetz zur Neuregelung des Sächsischen Ingenieur- und Architektenrechts und zur Anpassung an die Richtlinie 2005/36/EG sowie zur Änderung des Gesetzes über Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Energieeinsparung“ in der Drucksache 6/6841 aufgrund der Beschlussempfehlung des Innenausschusses, Drucksache 6/8174, vor.
Es ist bereits einiges zum Inhalt des Gesetzentwurfs gesagt worden – Kollege Fritzsche hat das ausführlich dargestellt –, sodass ich mich im Wesentlichen darauf konzentrieren werde, Einwendungen und auch bedenkenswerte Diskussionsinhalte aus der Sachverständigenanhörung hier zu beleuchten.
Das vorliegende Mantelgesetz enthält erneut umfassende Änderungen, obwohl das letzte und ähnlich umfangreiche Ablösegesetz zu den Regelungsgegenständen des vorliegenden Gesetzentwurfs erst vom 2. April 2014 datiert. Zu diesem Zeitpunkt lag bereits die bis zum 18. Januar 2016 in nationales Recht umzusetzende Richtlinie 2013/55/EU vom 20. November 2013 vor. Es erschließt sich auf den ersten Blick nicht, wieso vieles, was heute verhandelt wird, nicht schon damals hätte erledigt werden können. Insgesamt ist festzustellen, dass der sächsische Gesetzgeber bei diesen berufsrechtlichen Regelungen einem unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit geradezu atemberaubenden Aktionismus verfallen ist.
Es ist kaum erklärlich, dass beispielsweise das Sächsische Ingenieurgesetz Modifikationen durch acht Änderungsgesetze erfahren durfte, wovon die Hälfte allein in den vergangenen sechs Jahren beschlossen wurde.
Die Richtlinie 2013/55/EU erlegt den Mitgliedsstaaten nicht die Pflicht auf, fixe Untergrenzen für ECTSLeistungspunkte festzuschreiben. Dies wird allerdings mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vollzogen. Ohne eine solche Festschreibung von Leistungspunkten wie nach der bisherigen Rechtslage in Sachsen ist auch nicht unverantwortlich gearbeitet worden, und es kamen auch vernünftige Ingenieure heraus. Kollege Fritzsche hat ja den
Das Festlegen von Mindestanteilen von ECTS-Punkten aus dem MINT-Bereich für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge im Umfang von 144 Punkten stellt einen unnötigen und kontraproduktiven Eingriff in die Curriculum-Entwicklung autonomer Hochschulen dar und kann sich als Voraussetzung für die Bescheinigung der Berufsbezeichnung ebenfalls negativ auf die Zuwanderung von Ingenieurinnen und Ingenieuren aus anderen Bundesländern oder dem Ausland auswirken. Zugangshindernisse sind nicht geeignet, den Fachkräftemangel in Sachsen zu beheben. Diese Bedenken sind aufgrund der teils recht unterschiedlichen Betrachtungen aus der Sachverständigenanhörung, je nach eigener Interessenlage, auch nicht ausgeräumt.
Der Sachverständige Jan-Malte Jacobsen führte dazu aus – ich darf zitieren –: „Das Aufoktroyieren einer MINTQuote für ingenieurwissenschaftliche Studiengänge stellt einen nicht hinnehmbaren Eingriff in die Autonomie der Hochschulen und die Freiheit von Lehre dar.“ Weiter heißt es: „Eine starre MINT-Quote führt zu einem enormen Verlust der Lehrqualität in Sachsen.“ Jens Walther sagte in der Anhörung: „Aus meiner Sicht ist das eine Entmündigung der Hochschullehrer und Professoren.“
In der Anhörung ist moniert worden, dass die Weiterbildungsverpflichtung mit entsprechenden Sanktionen
verbunden ist. Das in § 9 angedachte Gesellschaftsverzeichnis, das auflisten soll, welche Berufsträger die Bezeichnung „Beratender Ingenieur“ führen dürfen, werde in der Praxis zu mehr Bürokratiekosten und Formalismus führen.
Leider blieb in der Sachverständigenanhörung eine Reihe von Fragen und Informationsbedarfen unsererseits unbeantwortet, was bis zur Stunde auch noch nicht behoben ist. So sagte die Ingenieurkammer zu, noch eine Auflistung der aus anderen EU-Staaten in Sachsen zugelassenen Ingenieure nachzureichen. Auch die Fragen nach den unterschiedlichen Regelungen in den EU-Staaten wurden nicht beantwortet.
Im Innenausschuss haben wir dem Änderungsantrag der Koalition zum Gesetzentwurf zugestimmt. Er befasste sich mit Änderungen, die der Juristische Dienst angemahnt hatte, bzw. klärende Ergänzungen aufgrund der hier beschriebenen Bedenken und Einwendungen. Jedoch werden wir dem vorliegenden Gesetzentwurf auf der Grundlage der Beschlussempfehlung nicht zustimmen und uns der Stimme enthalten.
hier und heute dieses Gesetz zur Neuregelung des Sächsischen Ingenieur- und Architektenrechts zum Abschluss bringen können. Damit werden wir auch die EUBerufsanerkennungsrichtlinie umsetzen, was ja längst überfällig war. Trotz der hierbei unzweifelhaft bestehenden Eilbedürftigkeit war es meines Erachtens wichtig, sich mit diesem Gesetzentwurf ausführlich und eben nicht im Schnelldurchlauf zu befassen; denn es galt insbesondere hinsichtlich der Zukunft der sächsischen Ingenieursausbildung eine Reihe vermeintlich widerstreitender Interessen abzuwägen und zum Ausgleich zu bringen. Dazu haben wir nicht nur die Sachverständigenanhörungen im Innenausschuss genutzt, sondern darüber hinaus viele Gespräche mit den beteiligten Verbänden, Gremien und Ministerien geführt. Ich meine, dass wir hier nun mit einem ausgewogenen Konzept stehen, das sich weder innerhalb Sachsens noch im bundesweiten Vergleich verstecken muss.
Es war uns als SPD-Fraktion sehr wichtig, die bundesweit anerkannte hohe Qualität der sächsischen Ingenieursausbildung zu erhalten und diese gleichzeitig zukunftsfähig zu machen. Dabei galt es auch, die Entwicklungen in den anderen Bundesländern im Blick zu behalten; denn selbst wenn es, wie wir eben gehört haben, keine bundeseinheitlichen oder EU-weiten Vorgaben bezüglich dieser Anforderungen an die Ingenieursausbildung gibt, ist es mehr als sinnvoll, Zersplitterungen nach Möglichkeit zu vermeiden.
Besonders intensiv und kontrovers wurde die Frage diskutiert und abgewogen, wie hoch der sogenannte MINT-Anteil im Ingenieurstudium angesetzt werden sollte. Die Vorschläge insbesondere in der Anhörung reichten hierbei von einem 70- oder 80-prozentigen Anteil bis hin zu einer völligen Freigabe mit Verweis auf die Autonomie der Hochschulen. Bedeutsam erschien mir auch an der Szenerie dieser Anhörung, dass die Ingenieurschaft insgesamt nicht mit sozusagen ein und derselben Stimme sprach. So war es eben die Ingenieurkammer, die sich für einen sehr hohen Anteil, für 80 % MINT-Anteil, ausgesprochen hatte, während sich der VDI – wir hörten es bereits – mit dem Gesetzentwurf und den damit verbundenen Regelungen von 50 % plus sehr zufrieden zeigte.
Letztendlich sind wir nach vielen Gesprächen und Recherchen zu der Überzeugung gelangt, dass weder die eine noch die andere Extremposition sinnvoll ist. Die Lösung liegt wie immer in der Mitte. Im federführenden Innenausschuss sind wir deshalb zu der Überzeugung gekommen, dass die Regelung des Gesetzentwurfs die beste ist, und zwar die eines überwiegenden MINTAnteils, also mehr als 50 %.
Lassen Sie mich vielleicht noch kurz erläutern, wie wir zu diesem Ergebnis gekommen sind. Unsere sächsischen Hochschulen bilden auch heute schon Ingenieure in Studiengängen mit teilweise sehr hohem MINT-Anteil aus, und zwar ganz ohne dass hierfür bislang verbindliche gesetzliche Vorgaben bestehen. Die Hochschulen haben
doch selbst ein ureigenes Interesse daran, eine qualitativ hochwertige Ausbildung mit den richtigen Schwerpunkten zu gewährleisten; denn der Ruf einer Hochschule und die Qualität ihrer Studiengänge sind sehr relevant für ihren Erfolg bei Anmeldezahlen und Abschlüssen.
Hiervon hängen auch stark die späteren Berufschancen ab. Auch möchte ich der Meinung entgegentreten, dass der vorliegende Entwurf zu einer Aufweichung, zu Qualitätseinbußen führen würde, denn das Gegenteil ist der Fall. Der Gesetzentwurf stellt deutlich klare und höhere Anforderungen an die Ingenieurstudiengänge als bislang. Es muss sich um ein mindestens sechssemestriges Vollzeitstudium oder äquivalentes Teilzeitstudium mit überwiegendem MINT-Anteil handeln. Zudem werden sich künftig reine Naturwissenschaftler ohne Studienleistung im technischen Bereich nicht mehr Ingenieur nennen dürfen. Auch werden künftig bereits im grundständigen Studium Mindestanteile verlangt.
Die neuen sächsischen Regelungen sind damit im bundesweiten Vergleich eher anspruchsvoll. So gibt es nach wie vor Bundesländer, in denen der Titel „Ingenieur“ auch von reinen Naturwissenschaftlern geführt werden darf oder allein ein Masterstudium ausreichend ist. Dagegen hat kein einziges Bundesland einen 70-%-MINT-Anteil oder mehr in seinen Ingenieurgesetzen festgeschrieben; zum Beispiel auch nicht Baden-Württemberg oder Bayern, deren Hochschulen ebenfalls einen exzellenten Ruf haben. Sachsen kann zu Recht stolz auf seine Tradition als Land der Ingenieure und die Qualität seiner Hochschulen sein. Viele Studierende aus anderen Bundesländern entscheiden sich bewusst dafür, für ihre Ausbildung nach Sachsen zu kommen, weil sie wissen, dass sie hier beste Studienbedingungen vorfinden und mit ihrem Abschluss bundesweit Chancen haben.
Wenn wir uns in Sachsen für einen Alleingang entschieden und den MINT-Pflichtanteil als deutschlandweit einziges Bundesland auf 70 % erhöhen würden, käme es sogar zu einer massiven Benachteiligung sächsischer Studierender und der sächsischen Hochschulen; denn der Ingenieurtitel aus anderen Bundesländern – also auch aus denen mit geringeren Standards – muss hier trotzdem anerkannt werden. Ich hielte es für ein fatales Signal, wenn sich Studieninteressenten bei ihrer Hochschulauswahl künftig Sorgen machen müssten, ob sie mit einem Abschluss aus Sachsen wegen der 70-%-Klausel Nachteile gegenüber Absolventen aus anderen Bundesländern hätten. Dies könnte dazu führen, dass die sächsischen Hochschulen trotz einer guten Ingenieursausbildung zukünftig Studierende verlieren, nur weil wir die allerhöchsten Maßstäbe für ihre zukünftige Berufspraxis anwenden.
So schaden wir nicht nur den sächsischen Hochschulen. Nein, wir würden damit auch der sächsischen Wirtschaft massiven Schaden zufügen. Im Gegensatz zu den Vorgaben bezüglich des Anteils technischer Fächer oder des MINT-Anteils im Grundstudium sehe ich auch nicht,
Meine Damen und Herren! All diese Erwägungen haben uns als SPD-Fraktion dazu geführt, dass wir den heute vorliegenden Gesetzentwurf in der Fassung der Beschlussempfehlung des Innenausschusses als tragfähige Lösung und guten Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen ansehen. Wir stellen einen Ausgleich zwischen den Belangen der Studierenden, der Hochschulen, den Interessen der Kammern und Verbände sowie denen der Wirtschaft her. Insofern bleibt mir nur, bei Ihnen um eine Zustimmung zum Gesetzentwurf zu werben, und ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die mir hier zur Verfügung stehende Redezeit ist allein aufgrund der limitierten Dauer gänzlich ungeeignet, um dem vorliegenden Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Neuregelung des Sächsischen Ingenieur- und Architektenrechts in der Breite oder der Tiefe vollständig gerecht zu werden. Ein umfassendes Bild zum gesetzlichen Rahmen ergibt sich jedoch aus den jeweiligen Gesetzentwürfen sowie den zahlreichen gutachterlichen Stellungnahmen der Hochschulen, der Kammern und der Verbände. Ich möchte daher nur auf einige wesentliche Punkte eingehen.
Verfassungsrechtlich war eine Änderung der sächsischen Landesgesetzgebung geboten. Die Umsetzungsfrist der Europäischen Richtlinie 2013/55 ist bereits vor mehr als einem Jahr – im Januar 2016 – abgelaufen. Die nicht bzw. nicht vollständige Umsetzung der Richtlinie kann zu einem Vertragsverletzungsverfahren und entsprechenden Schadensersatzforderungen führen. Sie wissen das!
Die verspätete Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie 2005/36 hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen Deutschland nach sich gezogen. Zudem schwebt der Anwendungsvorrang des europäischen Rechts wie ein Damoklesschwert über den nationalen Rechtsvorschriften. Im Interesse der Rechtssicherheit war die Gesetzesinitiative daher notwendig. – So weit zum europarechtlichen Ausgangspunkt.
Über die Qualität der handwerklichen Umsetzung des Gesetzes kann man nun vortrefflich diskutieren. Kammern, Verbände und Hochschulen haben dies auch sehr kontrovers getan. Für- und Widerpositionen stellten dabei entweder auf die Argumente Transparenz und Deregulierung durch Zusammenfassung von Sächsischem Ingenieur- und Sächsischem Ingenieurkammergesetz ab oder rückten die Beschneidung der Hochschulautonomie durch die MINT-Quotierung in den Vordergrund.
Welchen Einfluss der Gesetzentwurf bzw. das entsprechende Gesetz auf die Hochschulausbildung, die Weiter
bildung bzw. auf die künftige Berufsbezeichnung haben wird, bleibt nun abzuwarten. Insbesondere nach der Bologna-Reform ist jedoch zu wünschen, dass auf die Hochschulen keine weiteren negativen Folgen zukommen und nach den stetigen Reformationstreiben der letzten Jahre endlich wieder Stabilität in die Ausbildung einkehrt. Das Letzte, was Studenten und Hochschullehrer brauchen, ist eine quartalsweise wechselnde Prüfungsordnung mit immer neuen Übergangsvorschriften und abweichenden Prüfungsvoraussetzungen.