Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die personelle Situation in den sächsischen Gefängnissen ist seit geraumer Zeit äußerst angespannt. Die jahrelange unverantwortliche Personalabbaupolitik der CDU hat die Bediensteten an den Rand der Handlungsfähigkeit gebracht.
Ich will einige wenige Zahlen nennen: Bis zum 30. September 2016 sind in den sächsischen Gefängnissen über 73 000 Mehrarbeits- und Überstunden angehäuft worden. Im vergangenen Jahr war jeder Bedienstete im Justizvollzug des Freistaates Sachsen an durchschnittlich 34,7 Tagen im Krankenstand. Das muss man sich einmal vor Augen führen, das ist mehr als ein Monat je Bedienstetem.
Wir befinden uns in diesem Bereich inzwischen in einem Teufelskreis. Zunächst einmal gibt es einen deutlichen Mangel an Personal. Die vorhandenen Bediensteten häufen jede Menge Mehrarbeits- und Überstunden an und sind im Ergebnis völlig überarbeitet. Daraus resultierend werden sie krank, und weil es einen hohen Krankenstand gibt, müssen die vorhandenen Bediensteten dann in den Justizvollzugsanstalten noch mehr leisten. Das wiederum führt zu Überarbeitung usw. usf.
Meine Damen und Herren! Diese Situation, dieser Scherbenhaufen ist das Ergebnis von einem Vierteljahrhundert CDU-Regierung im Freistaat Sachsen.
Vor diesem Hintergrund teilen wir das Anliegen des vorliegenden Antrages, der eine berechtigte Schlussfolgerung aus der Sachverständigenanhörung des Verfassungs- und Rechtsausschusses zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Thematik Personal- und Arbeitssituation in den sächsischen Justizvollzugsanstalten zieht.
In dieser Anhörung hat ein Sachverständiger – das war der Vorsitzende der Vereinigung der Leiterinnen und Leiter der Einrichtungen der Justizvollzugsanstalten des Landes Niedersachsen, Herr Weßels – von den Erfahrungen im niedersächsischen Justizvollzug berichtet, der vor einigen Jahren mit ähnlichen Problemen konfrontiert war wie heute der Justizvollzug im Freistaat Sachsen, nämlich mit einer aus dem Ruder gelaufenen Belastung an Arbeitsstunden im Vollzug mit massiven Krankenständen, mit einer zu geringen Personalausstattung. Das Land Niedersachsen hat damals in dieser Situation eine Kommission eingesetzt, die jede Justizvollzugsanstalt des Landes mehrmals besucht und jeweils den anstaltspezifischen Personalbedarf berechnet hat. Die Ergebnisse der Arbeit dieser Kommission sind dann in die weiteren Entscheidungen des Landtages eingeflossen.
Von der Staatsregierung wird nun die Einsetzung einer solchen Kommission – wie aus ihrer Stellungnahme zum vorliegenden Antrag hervorgeht – als nicht zielführend erachtet, weil sie angeblich die Dynamik des sächsischen Justizvollzugs nicht berücksichtigen würde. Die Staatsregierung beruft sich dabei auf stattfindende Baumaßnahmen, etwa den Neubau einer und die daraus folgende Schließung zweier JVA sowie die Binsenweisheit, dass der Gefangenenbestand über die Jahre variiert. Angemessener erscheint der Staatsregierung deshalb, den Personalbedarf abstrakt aus der Anzahl der vorgehaltenen Haftplätze abzuleiten. Sie wiederholt damit das altbekannte Mantra ihrer jahrelangen Personalabbaupolitik, der Justizvollzug in Sachsen müsse sich an der Personalausstattung anderer westdeutscher Flächenländer messen lassen.
Dem möchte ich doch eines ganz klar entgegenhalten, meine Damen und Herren: Der Justizvollzug in den verschiedenen Ländern kann hinsichtlich des Personalbedarfs aufgrund unterschiedlicher Aufgaben nur schwer verglichen werden. In Bayern findet beispielsweise der personalintensive Gefangenentransport durch die Landespolizei statt, in Sachsen hingegen durch die JVABediensteten.
Im statistischen Vergleich zu den westdeutschen Flächenländern weist Sachsen nichtsdestotrotz bereits jetzt eine unterdurchschnittliche Personalausstattung auf. Die
Staatsregierung gibt in ihrer Stellungnahme sogar zu, dass es, bezogen auf die Mitarbeiter des allgemeinen Vollzugsdienstes, also diejenigen, die die Hauptlasten in den Anstalten tragen, in Sachsen lediglich 0,34 Bedienstete je
vorgehaltenem Haftplatz gibt. In Niedersachsen liegt dieses Verhältnis bei 0,47 Bediensteten je Haftplatz.
Bei den Schlussfolgerungen, die die Staatsregierung daraus zieht, wird es gänzlich absurd. Da wird der Vorsitzende der Vereinigung der Leiterinnen und Leiter der Einrichtungen der Justizvollzugsanstalten des Landes Niedersachsen mit folgender Aussage zitiert: „Man muss mindestens eine gewisse Basis haben, die es zu verteilen gibt. Wenn Sie deutlich unter 0,37 Bedienstete je Haftplatz bleiben, brauchen Sie auch keine Personalfindungskommission.“
Meine Damen und Herren! Dieses aus dem Kontext gerissene Zitat wird dann als Argument für die Ablehnung einer Personalbedarfskommission angeführt. Das ist wirklich ein sehr kreativer Umgang mit der Wahrheit. Das erreicht fast Trump‘sche Dimensionen. Damit wir hier nicht auf einer postfaktischen Grundlage diskutieren müssen, gestatten Sie mir, das Zitat zu vervollständigen. „Wenn Sie deutlich unter 0,37 Bedienstete je Haftplatz bleiben, brauchen Sie auch keine Personalfindungskommission. Dann haben Sie nichts zu verteilen. Dann verteilen Sie den Mangel.“
Meine Damen und Herren! Wenn die Arbeit der Personalbedarfskommission in Niedersachsen nicht zu einer Stellenmehrung, sondern nur zu einer Stellenumverteilung geführt hat, dann ist das deshalb so, weil Niedersachsen im Gegensatz zum Freistaat Sachsen überhaupt noch einen Grundsockel an Personal hatte, der besser verteilt werden konnte. Ebendiesen Grundsockel haben Sie, meine Damen und Herren von der CDU, in den Jahren von 2003 bis 2015, in denen Sie den allgemeinen Vollzugsdienst deutlich reduzierten, durch Ihre blinde Personalabbaupolitik an den Rand der Handlungsfähigkeit gebracht.
Gestatten Sie mir noch eine Anmerkung, meine Damen und Herren. Der Vollzug hat eine Aufgabe, ein zentrales Ziel, nämlich das zentrale Ziel der Resozialisierung der Gefangenen. Wenn aber dort viele 23 Stunden am Tag auf ihrer Zelle eingeschlossen sind und sich nicht in der JVA bewegen und dort keiner sinnvollen Aufgabe nachgehen können, weil das Personal nicht da ist,
um die Gefangenen zu überwachen, dann fragt man sich, was dabei herauskommen soll. Da ist es doch ein Wunder, wenn diese Leute resozialisiert aus der Haftanstalt entlassen werden.
Ich sage: Das ist ein Sicherheitsrisiko, das wir hier mit der Situation in den Haftanstalten produzieren. Deshalb muss dort dringend und grundlegend etwas geändert werden. Das beginnt erstens mit ausreichendem Platz, das heißt, mit genügend Plätzen in den Justizvollzugsanstalten. Es gibt mehrere, die inzwischen seit Jahren überbelegt sind. Das erfordert zweitens natürlich ausreichend Personal. Wir haben ausführlich debattiert, dass es seit Jahren ein
Meine Damen und Herren! Ich möchte daher für Zustimmung zum vorliegenden Antrag werben. Es bedarf der Fachkommission, um die entstandene Situation genau zu analysieren, um dann eine Konzeption zu erarbeiten, wie der hervorgebrachte Scherbenhaufen wieder in Ordnung gebracht werden kann.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal Dank an alle sagen, die bisher in dieser Debatte gesprochen haben, weil ich glaube, dass es für einen deutschen Landtag nicht selbstverständlich ist, dass wir uns alle für die Schwächsten der Gesellschaft einsetzen, die dem Strafvollzug unterliegen, und für diejenigen, die sie beaufsichtigen und zu ihrer Resozialisierung beizutragen haben. Ich meine, das ist schon ein erheblicher Fortschritt. Es ehrt diesen Landtag, dass er sich so mit dieser Problematik auseinandersetzt.
Bei den weiteren Ausführungen zur Einsetzung einer solchen Kommission möchte ich mich, um die Debatte nicht unnötig zu verlängern, den Aussagen von Herrn Modschiedler anschließen. Ich meine auch, dass wir zumindest zum aktuellen Zeitpunkt die Kommission nicht benötigen, weil ich aus dem, was ich aus dem Justizministerium erfahren und der Stellungnahme entnommen habe, den Eindruck gewonnen habe, dass das Justizministerium um den Mangel weiß und auch weiß, wo es gern mehr Personal einsetzen möchte. Ich nehme an, dass der Staatsminister dazu nachher noch ausführen wird.
Zutreffend ist natürlich, dass wir auch nach der Feststellung des Doppelhaushaltes 2017/2018 weiterhin zu wenig Personal haben und auch in Zukunft mehr Personal brauchen werden. Die aktuell sehr problematischen Zustände haben sich noch nicht gebessert, werden sich aber bessern, sobald die Anstalten die Stellen, die sie jetzt bekommen haben, auch besetzen können.
Das wird aber – so ehrlich müssen wir bleiben – nicht von heute auf morgen der Fall sein, denn das qualifizierte Fachpersonal, das dafür benötigt wird, ist auf dem Arbeitsmarkt nicht ohne Weiteres in den entsprechenden Größenordnungen verfügbar.
Wichtig wird es sein, die Ziele im Auge zu behalten und die Kapazitäten für die Ausbildung möglichst zu verstärken, auch im Hinblick darauf, dass wir im nächsten
Haushalt möglicherweise weitere Stellen einstellen werden, die dann auch wieder besetzt werden müssen. Welches Personal für welchen Zweck in welcher Anstalt benötigt wird, scheint mir nach dem Ergebnis der Evaluierung ziemlich deutlich zu sein. Wenn das Ministerium zum Abgleich dieses Bedarfs auch Zahlen anderer Bundesländer heranzieht, vermag ich daran zunächst nichts Verwerfliches erkennen; schließlich verfügt das Ministerium auch über Informationen des eigenen Bedarfs. Im Moment geht es im Wesentlichen darum, die aktuell bestehende Not so schnell wie möglich zu beseitigen und die Stellen, die jetzt geschaffen worden sind, so schnell wie möglich zu besetzen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe GRÜNE, ich muss gestehen, dass Sie eine Fraktion sind, die unheimlich fleißig ist. Die Ideologie ist zwar nicht die unsere, aber ich muss sagen: Der Antrag, den Sie hier eingebracht haben, ist ein Scheinantrag, ganz klar und deutlich, und er kommt zu spät, er kommt wesentlich zu spät.
Wenn wir ganz ehrlich sind, muss man auch sagen: Die AfD-Fraktion hat bereits vor anderthalb Jahren das erste Mal deutlich darauf hingewiesen, dass es in den Gefängnissen in Sachsen personelle Probleme gibt. Diese Anträge sind immer abgebügelt worden. Es ist darüber gelacht worden. Die Ministerin hat sich beim letzten Mal sogar lustig darüber gemacht. Alles gut.
Wir haben in den Haushaltsverhandlungen deutlich mehr Stellen für den Justizvollzug gefordert. Sie haben alle Anträge abgelehnt. Es ist niemand auf die Idee gekommen, dass das möglicherweise sinnvoll ist. Ich muss gestehen, dass mit dem letzten Haushaltsplan reagiert worden ist und deutlich mehr Stellen verabschiedet worden sind, aber das reicht nicht.
Wenn Sie sich jetzt hinstellen, liebe LINKE, lieber Herr Schollbach, und sich hier erklären, wie wichtig das alles ist, dann – –
(André Schollbach, DIE LINKE: Ich bin nicht Ihr „lieber Herr Schollbach“! – Franziska Schubert, GRÜNE, steht am Mikrofon.)
auf welchen Haushaltsantrag Ihrer Fraktion Sie sich beziehen, in dem Sie mehr Stellen für den Justizvollzug gefordert haben?
Ich kann Ihnen jetzt nicht genau die Nummer sagen, aber ich lasse Ihnen das gern heraussuchen. Das ist kein Problem. Wir hatten über 40 Stellen mehr gefordert. Das können Sie gern nachschauen. Das ist unproblematisch.
Mich wundert es nur an der Stelle, dass es abgelehnt wird. Wir haben die ganze Zeit darüber gesprochen. Wir haben immer gesagt, dass hier teilweise Spitz auf Knopf genäht worden ist und dass es so lange funktioniert, bis es eine Katastrophe gibt.