An dieser Stelle, Herr Staatsminister, noch einmal ein ausdrücklicher Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an der Beantwortung einer nicht unbeträchtlichen Zahl Kleiner Anfragen beteiligt sind. Für diese recht umfangreiche Arbeit in der Beantwortung zur Drucksache 6/5204 sind die rechtlichen Grundlagen, das Selbstverständnis und die Zielrichtung der Arbeit der zentralen Beschwerdestelle dargestellt worden. Als inhaltliche Leitlinie dient – ich weiß nicht, warum man das jetzt noch zusätzlich braucht – eine Konzeption zu Zielen, Aufgaben, Organisation und Ausgestaltung. Zum Selbstverständnis und den Zielen wird der Herr Staatsminister dann sicherlich noch gemäß der Antwort ausführen, davon gehe ich aus.
Die personelle Ausstattung lag bis Dezember bei einem Polizeivollzugsbeamten, einem Verwaltungsbeamten und einem Tarifbeschäftigten, jeweils in Vollzeit, sowie einem Polizeivollzugsbeamten und einem Verwaltungsbeamten in Teilzeit – Daten aus der Kleinen Anfrage zu Drucksache 6/7715. Dort ist ebenso ausgeführt, dass im Jahr 2016 219 Beschwerden und 445 sonstige Anliegen an die Beschwerdestelle gerichtet wurden. Darunter war eine Beschwerde, die von 73 Beschwerdeführern geführt wurde. Auch zu den Ergebnissen können Sie ausführlich in den genannten Kleinen Anfragen nachlesen.
Viel wichtiger aber, meine Damen und Herren, ist die Frage, weshalb Sie mehr als ein Jahr nach der Einrichtung der Beschwerdestelle nunmehr Leitlinien erarbeiten lassen wollen – für Ihre unabhängige Beschwerdestelle. Die soll wohl das Innenministerium erarbeiten; davon gehe ich aus.
Lassen Sie mich auf den Fall des Journalisten Santos zurückkommen – übrigens innerhalb des letzten Jahres kein Einzelfall! Dieser Journalist führte über das Verhalten einer Polizeibeamtin Beschwerde, die nach seiner Aufforderung, ihm ihren Dienstausweis zu zeigen, diesen in kreisender Bewegung vor ihm herführte. Das veranlass
te ihn, Beschwerde zu führen – zu Recht, um das einmal klar zu sagen. Dann können Sie in der Beantwortung der Kleinen Anfrage zu Drucksache 6/7716 nachlesen: Die Beamtin bekam durch die Zusammenarbeit der Beschwerdestelle mit den Polizeidienststellen die Unterlagen in die Hände und auch den Namen des Beschwerdeführers in Erfahrung. Sie hat den Beschwerdeführer angezeigt wegen des Verdachts des Verstoßes gegen §§ 22 und 33 Kunsturheberrechtsgesetz. Zur Klärung: Es geht dabei um die sogenannte Verbreitung oder Veröffentlichung bzw. öffentliche Zurschaustellung dieser Bildnisse, also seines Videos.
Der Journalist hatte den Vorgang mit der Beamtin mit einem Smartphone mitgefilmt und dieses Video nicht verbreitet, veröffentlicht oder öffentlich zur Schau gestellt, sondern im verdeckten Bereich bei YouTube – Kenner wissen, was ich meine – eingestellt und nur der Beschwerdestelle diesen einzigartigen und nicht öffentlich zugänglichen Link zur Einsichtnahme in den Sachverhalt übermittelt. Diese hat den Link dann weiterverbreitet und so mittelbar auch der von der Beschwerde betroffenen Beamtin zur Verfügung gestellt.
Im Ergebnis wurde der Beschwerde wegen Fehlverhaltens der Beamtin nicht abgeholfen, obwohl die Beweise vorliegen. Gegen den Beschwerdeführer hat die von der Beschwerde betroffene Beamtin Anzeige erstattet, und es ist ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. – Insgesamt ist nach Auskunft der Staatsregierung in drei Fällen am Ende gegen den Beschwerdeführer ermittelt worden. Damit leistet die zentrale Beschwerdestelle freundliche Hilfe und Unterstützung zur Verfolgung von Beschwerdeführern und zur Einschüchterung sich gegen polizeiliches Fehlverhalten wehrender Bürgerinnen und Bürger.
Das ist eine interessante Wendung, die mich nicht ansatzweise im Sinne Ihres Antrags sanfter stimmt, sondern die mich, im Gegenteil, immer klarer sehen lässt, dass die Beschwerdestelle in der jetzigen Form – die Sie nicht ändern wollen; auch das muss man festhalten – und mit der rechtlichen Rahmensetzung – die Sie ebenfalls nicht ändern wollen – eine zynische und folgenschwere Täuschung der Öffentlichkeit ist.
Die Beschwerdestelle gereicht sogar dazu, das Anliegen zu unterstützen, besonders renitente Beschwerdeführer oder solche, deren Anliegen auch dienstrechtliche Konsequenzen für die Beamten haben könnten, mundtot zu machen. Oder will man sie mundtot machen? Geht so sächsisch?
Übrigens: Ihr Antrag ist auch eine blanke Täuschung; denn Sie wollen der Staatsregierung zur Erarbeitung einer Leitlinie nicht einmal eigene verfahrensleitende Gedanken mit auf den Weg geben, sondern ihr völlig freie Hand lassen.
Sie könnten sich ein Beispiel an unserem Gesetzentwurf zur Errichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, Drucksache 6/5439, nehmen; da handelt es sich wirklich um Transparenz. Wir fordern ein Gesetz, mit dem auf rechtlicher – nämlich gesetzlicher – Grundlage Beschwerderech
te und ein ordnungsgemäßes unabhängiges Verfahren konstituiert werden. Mit Rechtsansprüchen für die Beschwerdeführer! Das stünde uns als Gesetzgeber und vor dem Hintergrund der zuvor beschriebenen Fehlentwicklung der jetzigen Beschwerdestelle nicht nur gut zu Gesicht, sondern wäre ausdrücklich geboten.
Hinsichtlich Ihres Antrags fällt mir ein Grundsatz ein, dessen Urheberschaft Charles-Louis de Montesquieu zugeschrieben wird. Ich darf zitieren: „Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, ein Gesetz zu erlassen, dann ist es unbedingt notwendig, ein Gesetz nicht zu erlassen.“ Übertragen auf Ihren – im Grunde unnötigen – Antrag: Wenn es nicht unbedingt notwendig ist, einen Antrag zu stellen, ist es unbedingt notwendig, keinen Antrag zu stellen.
Der von uns eingebrachte Gesetzentwurf hingegen ist, das zeigt die Realität, dringend geboten, um die Beschwerdestelle aus dem jetzigen Zustand der Willkür zu befreien. Wir werden uns zu Ihrem Schaufensterantrag, der keine Verbesserung, sondern nur eine Festschreibung der nicht haltbaren Zustände zur Folge hat, der Stimme enthalten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Nun haben Sie in der Koalition also Ihr Herz für die „unabhängige Beschwerdestelle“ entdeckt. Die CDU sozialdemokratisiert immer weiter.
Dabei haben Sie einen Antrag geschrieben, der es eigentlich nicht wert ist, hier besprochen zu werden. Kommen Sie uns bitte nicht noch einmal damit, dass unsere Anträge zu kurz oder unnötig seien oder dass wir in das Regierungshandeln, vor allem in dessen Kernbereich, eingreifen wollten.
Kommen wir zum Inhalt. Unter I. wollen Sie sich zu drei Fragen berichten lassen – das ist in Ordnung –, nämlich zur organisatorischen und personellen Ausstattung der Beschwerdestelle, zu ihrer Arbeitsweise und dann noch zu einer dritten Frage; es lohnt sich nicht, das alles vorzulesen. Egal. Es sind drei Punkte, und alle diese Punkte könnten Sie mittels einer Kleinen Anfrage klären. Dafür brauchen Sie nicht noch eine extra Unterrichtung.
Es ist sogar schon geklärt. Richtig, Herr Kollege Stange. Sie haben viele Kleine Anfragen dazu gestellt. Das ist die Datengrundlage, auf die auch ich mich hier beziehe. Vielen Dank an dieser Stelle dafür.
Nun ist es trotzdem interessant, wie in dieser Beschwerdestelle gearbeitet wird; denn dort sind immerhin vier Vollzeitkräfte tätig. Unter diesen sind sogar zwei Beamte des höheren Dienstes. Das ist sehr interessant. Wie wir mitbekommen haben, klingelt dort zwei bis drei Mal am Tag das Telefon. Oder es geht eine E-Mail ein. Natürlich ist es für uns im Parlament interessant zu erfahren, wie dort gearbeitet wird. Wie muss ich mir das vorstellen? Sitzen die zu viert um den Tisch herum und knobeln aus, wer heute ans Telefon gehen darf oder wer nicht? – Das sind wirklich wichtige Fragen, die wir hier besprechen müssen.
Natürlich sind die Anliegen, die die Bürger an die Beschwerdestelle herantragen, subjektiv. Sie sind dem einzelnen Bürger wichtig, und wenn es nur eine Bitte ist, das eigene Haus bestreifen zu lassen, oder die Meldung, dass jemand falsch parkt. Das alles ist wichtig, damit kann man sich an die Polizei wenden. Aber dafür brauchen wir keine unabhängige Beschwerdestelle. Das machen doch bitte schön die Dienststellen in der großen Fläche unseres Landes.
Beschwerdestelle für den Bürger zu polizeilichem Fehlverhalten – eigentlich müssten sich doch viele Bürger beschweren, und es müsste Disziplinarverfahren nur so hageln. Aber es ist keines dabei herumgekommen. Das zeigt doch, dass unsere Polizei vernünftig arbeitet und dass wir diese Beschwerdestelle gar nicht brauchen.
Unabhängig von dieser Beschwerdestelle gehen ja immer noch Anfragen und Beschwerden bei den Polizeidienststellen in der Fläche ein. Diese wurden in der Vergangenheit bearbeitet, und sie werden weiterhin bearbeitet. Gleiches gilt für Hinweise allgemeiner Natur oder die Meldung von Parkverstößen.
Kommen wir zu Punkt II. Sie wollen Leitlinien erarbeiten lassen. Eine Leitlinie ist schon vorhanden. Was wollen Sie jetzt mit einer zweiten?
Dann stellt sich natürlich die Frage: Was machen wir hier im Parlament eigentlich? Wir entscheiden über Gesetze, vielleicht noch über eine Verordnung, meinetwegen auch noch über eine Verwaltungsvorschrift. Irgendwann dahinter kommen die Leitlinien. Wenn wir einen solchen Antrag gestellt hätten, dann hätten Sie uns entgegnet, das sei aber der Kernbereich des Regierungshandelns. Damit müssten wir als Sächsischer Landtag uns nun wirklich nicht befassen. Das sollten wir bitte schön die Ministerien selbst machen lassen.
Unter Punkt III geht es um das Berichtswesen. Sie wollen also die Leitlinie und das, was damit passiert ist, sowie die eingangs erwähnten Fragen in einem Bericht geklärt wissen. Wie gesagt, das kann man machen. Man hätte aber auch eine Kleine Anfrage stellen können.
Jetzt soll allerdings die Staatsregierung aufgefordert werden, diesen Bericht im Innenausschuss vorzustellen. Das hat die Staatsregierung überhaupt nicht in der Hand. Nehmen Sie die Geschäftsordnung zur Hand. Darin lesen Sie, dass für die Festlegung der Tagesordnung der Aus
schussvorsitzende zuständig ist, nicht die Staatsregierung. Das wäre eine Forderung, die Sie uns, wenn wir einen solchen Antrag gestellt hätten, natürlich vorwerfen würden.
Wir stellen also fest, dass bei dieser Beschwerdestelle vier Leute, total überbezahlt, sitzen. Zwei bis drei Mal am Tag klingelt das Telefon, darunter ist ein sinnvolles Anliegen. Diese Beschwerdestelle ist unnütz. Wir haben sie von vornherein abgelehnt. Sparen Sie sich das Geld! Sparen Sie sich das Personal! Stecken Sie es in die Dienststellen! Dort wird es dringend gebraucht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ein schöner Antrag – er hätte von den GRÜNEN sein können. Nur, dann wäre er abgelehnt worden. Er hätte auch vom Kollegen Stange sein können,
der regelmäßig Kleine Anfragen zur Arbeit der polizeilichen Beschwerdestelle stellt und dem wir es verdanken, dass wir überhaupt die Infos haben, die Herr Pohle heute referieren konnte. Der Antrag wäre zwar umfangreicher gewesen, aber wahrscheinlich trotzdem abgelehnt worden.
Als die Beschwerdestelle vor gut einem Jahr eingerichtet wurde, haben wir das als Schritt in die richtige Richtung begrüßt. Es ist eine urgrüne Forderung, eine – unabhängige! – Anlaufstelle für durch Polizei begangene Grundrechtsverstöße einzurichten.
Dass diese Beschwerdestelle nicht unabhängig arbeiten kann, weil sie im Ministerium angesiedelt ist, ist allerdings ihr größter Geburtsfehler. Es helfen weder Bericht noch Leitbild, um diesen zu heilen.
Ein weiterer, höchst problematischer Punkt war und ist Ihre bisherige Haltung zu einer solchen Beschwerdestelle. Insoweit sind auch die Redebeiträge der einbringenden Fraktionen durchaus ambivalent. Es geht nämlich um die Frage, ob eine Beschwerdestelle Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Polizei ist oder nicht.
Als wir GRÜNEN in der vergangenen Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Einrichtung einer wirklich unabhängigen Polizeikommission einreichten, wurde das mit dem Argument abgelehnt – damals von der CDU –,
Dieser Logik folgend, ist auch Ihre Beschwerdestelle eigentlich ein Generalverdacht. Damit das offenbar nicht so auffällt, wird sie mit wenig Personal besetzt und abhängig dem Innenministerium angegliedert. Die eingerichtete Beschwerdestelle kann auch nicht bemänteln, dass es in der sächsischen Polizei nach wie vor keine Fehlerkultur gibt, die diesen Namen aus unserer Sicht wirklich verdienen würde. Allem Anschein nach ist es weitgehend egal, was sächsische Polizeibedienstete tun. Konsequenzen hat es eher selten.
Das fängt schon damit an, dass in der sächsischen Polizei offenbar nach wie vor ehemalige Stasimitarbeiter tätig sind und dass deren Vita kein Hinderungsgrund ist, sie als Revierleiter einzusetzen. Es geht weiter mit Polizisten, die gemeinsame Sache mit Neonazis machen, wie kürzlich der Fall Freital offenbarte. Es endet nicht mit Polizeiführern, für die das Eingestehen eines offensichtlichen Fehlers nach einer offenkundig schiefgelaufenen Einsatzlage ein Fremdwort ist. Es hört auch nicht bei den gestern diskutierten Versäumnissen auf, die die Expertenkommission im Fall al-Bakr aufgelistet hat.
Das Schöne ist: Aus Fehlern kann man lernen, auch aus Fehlern, die nie hätten passieren dürfen. Dazu müsste man Fehler sammeln und systematisch auswerten. Dazu gehören auch die Fehler, die Bürgerinnen und Bürgern auffallen, weil sie sich ungerecht behandelt fühlen oder weil sie eine Maßnahme der Polizei zu beanstanden haben. Dazu gehören Fehler, die Beamtinnen und Beamten tagtäglich im Dienst unterlaufen oder die sie bei Kolleginnen und Kollegen wahrnehmen oder bei denen sie Probleme sehen.
All dies muss aus unserer Sicht nicht nur im Einzelfall unabhängig bearbeitet und aufgeklärt werden, sondern auch einer systematischen Analyse unterzogen werden. Eine Beschwerdestelle, wie sie momentan existiert, kann ein solcher Baustein sein. Ein Berichtswesen und ein Leitbild können weitere Bausteine in die richtige Richtung sein. Sie können eine wirkliche Fehlerkultur aber nicht ersetzen, sondern nur auf ihr aufbauen. Andernfalls bleibt die Beschwerdestelle nicht nur ein zahnloser Tiger, sondern war schon von Anfang an als Bettvorleger konzipiert.