Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

All dies muss aus unserer Sicht nicht nur im Einzelfall unabhängig bearbeitet und aufgeklärt werden, sondern auch einer systematischen Analyse unterzogen werden. Eine Beschwerdestelle, wie sie momentan existiert, kann ein solcher Baustein sein. Ein Berichtswesen und ein Leitbild können weitere Bausteine in die richtige Richtung sein. Sie können eine wirkliche Fehlerkultur aber nicht ersetzen, sondern nur auf ihr aufbauen. Andernfalls bleibt die Beschwerdestelle nicht nur ein zahnloser Tiger, sondern war schon von Anfang an als Bettvorleger konzipiert.

Eine Fehlerkultur muss gelebt und vor allem von der Führungsspitze durchgesetzt werden, Herr Minister. Dazu gehört auch, dass man vonseiten des Innenministeriums nicht nur zulässt, sondern auch befördert, wenn Polizisten offen eingestehen, einen Fehler gemacht zu haben. Vielfach geht es den Menschen, die sich an eine Beschwerdestelle richten, nämlich gar nicht darum, dass der Beamte sanktioniert wird; vielfach geht es ihnen einfach nur um die Erkenntnis, dass ein Fehler gemacht wurde. Ich wünsche mir, dass sich die Erkenntnis, das zu befördern, im Innenministerium einmal durchsetzt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Werte Kolleginnen und Kollegen! Mein Exkurs zur Fehlerkultur macht deutlich, in welches Umfeld die Beschwerdestelle eingebettet ist. Ich selbst habe eine Beschwerde wegen unterlassener Ermittlungen im Falle eines mutmaßlichen Angriffs auf ein linkes Wohnprojekt in Dresden eingereicht. Das Ergebnis: Was vonseiten der Beschwerdestelle dargelegt wurde, kann man als form-, frist- und zwecklos bezeichnen. Offensichtlich wurde die Beschwerde gelesen, gelocht und abgeheftet. Was als Antwort kam, war – das sage ich ganz deutlich – nicht geeignet, Bürgerinnen und Bürger zu motivieren, diesen Weg noch ein zweites Mal zu gehen, wenn sie eine solche Antwort bekommen haben.

Gleichwohl sehen wir die Chance, eine Beschwerdestelle weiterzuentwickeln und die Arbeit der Beschwerdestelle vor allem durch einen öffentlichen Bericht stärker in den Fokus zu stellen.

Herr Wippel – ach, jetzt sind Sie nicht mehr da; dann fürs Protokoll –, vielleicht sprechen Sie einmal mit Ihrem in Plenarsitzungen dauerabwesenden parlamentarischen

Geschäftsführer,

(Enrico Stange, DIE LINKE: Ja!)

wie das Innenministerium dennoch in der Lage sein könnte, die Ergebnisse der Beschwerdestelle und auch den Bericht in einer Innenausschusssitzung vorzustellen. Es gibt entweder die Möglichkeit, ihn dem Landtag zu übergeben – dann wird das als Unterrichtung in der Regel an den Innenausschuss überwiesen –, oder der Staatsminister des Innern macht von seinen umfassenden Möglichkeiten und der Information der Staatsregierung Gebrauch, wie er es auch in der Vergangenheit häufiger getan hat. Jetzt also Geschäftsordnungsbedenken gegen den Antrag ins Feld zu führen ist lächerlich.

Weil wir das grundsätzliche Anliegen teilen, die Beschwerdestelle zumindest stärker in den Fokus zu rücken und ihr ein Leitbild zu geben, werden wir dem Antrag selbstverständlich zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und vereinzelt bei der SPD – Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, das war die erste Runde. Gibt es Redebedarf für eine weitere Runde? – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Abg. Pohle. Bitte sehr, Herr Pohle, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, recht vielen Dank. Ich danke auch den meisten meiner Vorredner für ihr Engagement in der Sache, auch in der kritischen Befassung. Allerdings möchte ich kurz auf den Vorredner Herrn Wippel eingehen, der mit einem Gespinst von zweifelhafter Lyrik

(Heiterkeit des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

versucht hat, diesen Antrag von uns in einer ganz merkwürdigen Form zu qualifizieren. In eigener Sache: Ich meine, immerhin handelt es sich bei ihm um einen teilaktiven Beamten. Ich weiß nicht, wie er vor seinen Kollegen stehen möchte, nachdem er einen fluchtartigen Abgang aus dem Plenarsaal vollführt hat und nicht einmal die Achtung vor den weiteren Rednern und dem Fortgang der Debatte aufbringt.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Insofern möchte ich diesen Redner jetzt einmal komplett ausgrenzen.

Natürlich nehmen wir die Kritik ernst. Ich freue mich auch, Herr Lippmann, dass Sie diesem Antrag zustimmen, weil Sie die Sache betrachten und das gut finden.

Was ich nicht teilen kann: Sie sprechen immer wieder von einer Fehlerkultur. Wir schreiben in unserer Begründung von einem offensiven Fehlermanagement. Das ist ein wesentlicher Unterschied. Wenn sich Fehler kultivieren, spricht man von einer Fehlerkultur.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Nein!)

Man kann allenfalls von einer Anti-Fehlerkultur sprechen, denn unser Ansatz ist, dass sich Fehler eben nicht kultivieren, nicht verselbstständigen und in diesem Bereich nicht weiter verhaftet bleiben. Wir wollen mit einem offensiven Fehlermanagement genau dem begegnen.

Herr Stange, mit Ihren Kleinen Anfragen haben Sie natürlich sehr stark zur Belebung des Sachverhalts beigetragen, deswegen noch einmal offiziell mein Lob dafür.

(Enrico Stange, DIE LINKE: Das spornt mich an!)

Nein, keine Frage; das ist unbesehen so. Aber wenn Sie das als Ansporn nehmen, müssen Sie aus vielen dieser kritischen Punkte, bei allem Lob und aller Kritik, auch sehen, dass daraus Herausforderungen erwachsen, Herausforderungen auch für unsere Polizei. Wir brauchen Regelungen, die den Datenschutz und andere Bereiche betreffen.

Auch wurde kritisiert, dass dies ein Jahr lang gedauert habe. Alles, was man neu einrichtet, bedarf nach vielleicht zwölf Monaten einer Evaluierung, um nachzuschauen, wie sich das entwickelt und in welche Richtung man es eigentlich entwickeln will. Insofern müssen wir auch schauen, wie zum Beispiel die Ausrüstung unserer Polizei weiterentwickelt wird. Ich spreche jetzt zum Beispiel von Bodycams etc., damit wir auch dort ein rechtssicheres Verfahren für unsere Polizei hinbekommen.

Herr Pohle, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Von Herrn Stange jederzeit.

Gerne.

Vielen Dank, Kollege Pohle. – Nur damit wir jetzt nicht in der Annahme fehlgehen, worüber wir sprechen: Stimmen Sie mir zu, dass wir über die zentrale Beschwerdestelle bei der Polizei sprechen, nicht über eine Fachkommission zur Evaluierung der Polizei und ihrer Ausstattung?

Nein, unbesehen.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Man weiß ja nie!)

Ich wollte damit nur sagen: Bei allem Engagement, das man dem entgegenbringt, muss man auch die Grenzen sehen und dann eventuell bei der Evaluierung dazu beitragen, dass wir zu einem offensiven Fehlermanagement kommen, damit wir für alle am Verfahren Beteiligten eine gütliche und zustimmungswürdige Entwicklung der ganzen Angelegenheit hinbekommen.

Insofern bedanke ich mich bei Ihnen für das Engagement und für die Zustimmung zum Antrag. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren gibt es weitere Wortmeldungen aus den Reihen der Fraktionen? – Das sehe ich nicht. Ich frage die Staatsregierung. – Herr Staatsminister Ulbig, das ist heute Ihr Tag. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe das Gefühl, nicht nur heute ist mein Tag, aber das nur nebenbei.

(Vereinzelt Beifall bei der CDU – Heiterkeit und Beifall des Abg. Enrico Stange, DIE LINKE)

Der Ursprung der Beschwerdestelle ist angesprochen worden. Sie ist ein wichtiger Punkt im Koalitionsvertrag. Wie das von mir bekannt ist: Punkte, die im Koalitionsvertrag geregelt sind, werden zügig umgesetzt.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Aha!)

Deshalb haben wir uns ans Werk gemacht und dafür gesorgt, dass die Beschwerdestelle bereits am 4. Januar 2016 ihre Arbeit aufnehmen konnte und dass die Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung standen. Sie sind seitdem erste Ansprechpartner sowohl für die Bürgerinnen und Bürger als auch für die Beschäftigten der Polizei. Sie nehmen genauso Beschwerden entgegen wie Bitten, Hinweise und Anregungen.

Schon jetzt kann man sagen: Die Arbeit der Beschwerdestelle hat einen positiven Einfluss auf die Akzeptanz und das Vertrauen in die polizeiliche Arbeit. Kritik am polizeilichen Handeln kann auf diese Weise unvoreingenommen überprüft, Fehler können erkannt und das Handeln der Polizei kann nachvollziehbar erläutert werden.

Anders als Sie, Herr Lippmann, der Sie das aus eigener Perspektive beschrieben haben – das kann ich Ihnen nicht wegnehmen –, bekomme ich sogar Rückmeldungen von Menschen, die sich bedankt haben und die sagen, sie

hätten gar nicht erwartet, in einer so intensiven und auch ausführlichen Form Antworten zu bekommen und damit jetzt eine Beurteilungsgrundlage für polizeiliches Handeln zu haben.

(Beifall des Abg. Albrecht Pallas, SPD)

Wie gut die zentrale Beschwerdestelle der Polizei angenommen wird, zeigen die Zahlen. Herr Stange hat seinen Beitrag dazu geleistet. Deswegen kann ich mich auf wenige Zahlen beschränken, nämlich die Zahlen von 219 Beschwerden im Jahr 2016 sowie von 445 weiteren Anliegen, die eingegangen sind. Nach eingehender Prüfung haben sich davon bislang 20 Beschwerden als begründet sowie 35 weitere Beschwerden als zumindest teilweise begründet erwiesen.

Das ist für mich ein klares Zeichen, dass wir es mit dem Begriff von Fehlern, die auch im polizeilichen Handeln gemacht werden können, und dem Umgang mit Fehlern ernst meinen. Begangene Fehler oder Unzulänglichkeiten – solche sind es ja auch – sollen erkannt und abgestellt werden. An dieser Stelle möchte ich aber nicht weiter ins Detail gehen, weil ich sonst schon dem Jahresbericht in seiner Gänze vorgreifen würde.

Der Antrag wird uns motivieren, die Arbeiten, die wir derzeit schon verrichten, noch zu intensivieren und voraussichtlich in diesem Monat mit weitaus detaillierteren Informationen in Form eines Berichtes dann die Öffentlichkeit und natürlich gern auch den Fachausschuss und das Hohe Haus zu unterrichten. Insofern begrüße ich die im Antrag vorgesehene jährliche Berichterstattung und die Veröffentlichung des Berichtes. Natürlich soll es nicht nur ans Hohe Haus, sondern auch an die Bürgerinnen und Bürger eine Information geben, nicht nur, weil sie polizeiliches Handeln noch transparenter macht, sondern weil dies kontinuierlich den Menschen im Lande deutlich machen soll, dass sie sich mit Kritik, Beschwerden, aber auch Wünschen und Anregungen an die sächsische Polizei wenden können.

Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der SPD)

Herr Abg. Stange, Sie wünschen?