Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

Nun das Schlusswort, bitte; Frau Abg. Nagel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank für die Debatte. Nur noch ein paar kurze Worte. Man könnte jetzt auf alle Einwände mit langen Ausführungen reagieren.

Ich habe in meinem Redebeitrag nicht behauptet, dass Deutschland keine große Verantwortung übernommen hätte, Herr Ulbig. Man muss aber konstatieren, dass die

Zahl von Geflüchteten im letzten Jahr im Vergleich zum Vorjahr rapide gesunken ist. Das hat auch etwas mit Abschottungsmaßnahmen zu tun. Das habe ich konstatiert.

Weiterhin habe ich dafür plädiert, dass – wir kennen die Staaten, die sich konsequent der Aufnahme von Geflüchteten verweigern – Deutschland nicht aufhört, für eine solidarische Verteilung, also eine Verteilung, die der wirtschaftlichen Stärke und der Einwohnerzahl angemessen ist, weiterhin zu werben. Das möchten wir mit dem Antrag noch einmal unterstreichen. Es geht überhaupt nicht darum, dass Deutschland alle Flüchtlinge aufnimmt.

Diesbezüglich möchte ich zu Zahlenspielen kommen. Kollege Ursu hat „Eurostat“ zitiert. Es kann viel aus Zahlen gelesen werden. Wenn man die absoluten Zahlen nimmt, dann hat Deutschland die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Wenn man das aber zum Beispiel in Relation zur Einwohnerzahl setzt, dann ergibt sich für das Jahr 2015– dem Jahr, in dem wir hier fast 900 000 Menschen aufgenommen haben – ein ganz anderes Bild. Da rutscht Deutschland wieder auf Platz 5, weil andere Staaten, die wesentlich kleiner sind, mehr Menschen aufgenommen haben. Aus meiner Sicht sind dabei Ungarn und Schweden weit vorn.

Um das abschließend zu unterstreichen: Wir wollen Energie hereinbringen. Wir wollen, dass dieses Relocation-Programm – – Anderthalb Jahre sind bereits verstrichen, seit das Relocation-Programm vereinbart wurde. Es soll nur noch ein halbes Jahr laufen. Wir wollen, dass endlich diese Zahlen auch nur annähernd erreicht werden, die vereinbart worden sind. Ich kann sie noch einmal nennen: Nicht einmal 2 000 Menschen sind in Deutschland angekommen. Es ist alles schön und gut, dass auch soundsoviele schon in Sachsen angekommen sind – aber Deutschland hat sich verpflichtet, mehr als 27 000 Menschen aufzunehmen. Da sind 2 000 Menschen ein Bruchteil. Wenn man es sehr genau nimmt, bleibt nur noch ein halbes Jahr, um 25 000 Menschen aufzunehmen. Ich bezweifle, dass die Bundesrepublik das aus eigener Kraft oder mit eigenem Willen bewerkstelligen wird.

Ein letztes Wort noch zur Verantwortung der Ebenen. Natürlich hat der Freistaat Sachsen eine Verantwortung und ist ein Player in der europäischen Asylpolitik. Das wollen wir mit unserem Antrag unterstreichen. Ich bitte Sie um Zustimmung.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich lasse jetzt über die Drucksache abstimmen und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Ich hätte gern die Gegenstimmen gesehen. – Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine Stimmenthaltungen. Bei einer Anzahl von Stimmen dafür ist dennoch der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt worden. Ich schließe den Tagesordnungspunkt.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 8

Pilotprojekt „Distanz-Elektroimpulsgerät und Körperkamera“

in der sächsischen Polizei durchführen

Drucksache 6/7142, Antrag der Fraktion AfD, mit Stellungnahme der Staatsregierung

Wir gehen wieder in die Debatte. Es beginnt die einreichende Fraktion, die AfD. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Herr Abg. Wippel, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Wir reden über das „Pilotprojekt Distanz-Elektroimpulsgeräte und Körperkamera“ in der sächsischen Polizei. Dieses Pilotprojekt möchte die AfD-Fraktion einführen. Um es einfach zu machen: Statt „Distanz-Elektroimpulsgerät“ werde ich im weiteren Verlauf den Begriff „Taser“ verwenden.

(Albrecht Pallas, SPD: Das ist doch gar nicht deutsch!)

Meine Damen und Herren! Am 27.09.2016 erschoss die Berliner Polizei den Vater eines achtjährigen Mädchens. Das geschah, weil dieser sich auf den mutmaßlichen Vergewaltiger seiner Tochter stürzte und ihm nach dem Leben trachtete. Vielleicht hätte man diese Tat verhindern können, wenn man als Polizei einen Taser gehabt hätte.

Die Beamten haben in dieser Situation keine Möglichkeit, Zeit verstreichen zu lassen. Sie müssen sofort die Situation erkennen, entscheiden und handeln. Das ist ihre Pflicht, und es ist auch ihr Selbstverständnis. Sie haben es gemacht: Der Mann ist tot.

Meine Damen und Herren! Das Projekt, um das es hierbei geht, stellen wir uns folgendermaßen vor: Der polizeiliche Streifendienst in der Polizeidirektion Leipzig soll mit einem Kombipaket ausgestattet werden: mit der Bodycam und dem Taser. Warum Leipzig? Leipzig ist ein Kriminalitätsschwerpunkt in Sachsen. Allein im vergangenen Jahr sind in Leipzig fast 1 000 Straftaten mit Hieb- und Stichwaffen verübt worden. Das ist fast ein Viertel aller Straftaten, die in Sachsen überhaupt verübt worden sind.

Die Polizeibeamten sollen eine gründliche Einweisung in beide Geräte erhalten. Natürlich sollen auch in diesem Zusammenhang noch einmal Hinweise in Bezug auf Erste Hilfe aufgefrischt werden. Es müssen Hinweise gegeben werden. Eine Fortbildung zur Beobachtung von Personen, die dann betroffen worden sind von der Maßnahme, muss stattfinden; analog der Einweisungen für das bereits vorhandene Pfefferspray. Auch da ist klar, dass es bestimmte Maßnahmen gibt, die man treffen sollte: Kann derjenige frei atmen? Wie ist sein körperliches Befinden über die nächste bis halbe Stunde? Auch diese Informationen werden nach einem Taser-Einsatz gebraucht. Dazu müssen wir die Beamten auf ihre neue Aufgabe und die

möglichen Folgen dieses Einsatzmittels entsprechend vorbereiten.

Der Einsatz – sollte er denn stattgefunden haben – soll an das Führungs- und Lagezentrum gemeldet werden und dort an den Polizeiführer vom Dienst. Auch das ist keine Seltenheit. Besondere Vorkommnisse müssen sowieso dorthin gemeldet werden. Aber im Zuge dieses Pilotprojektes, damit uns wirklich kein Einsatz durch die Lappen geht, ist das notwendig.

Sodann soll ein halbjählicher Bericht abgefasst werden, der dem Sächsischen Landtag zugehen soll. In diesem Bericht soll uns dann die Staatsregierung darlegen, wie oft der Taser eingesetzt worden ist, welche Folgen dies hatte und ob die Geräte, die wir beschafft haben, zuverlässig sind usw. usf.

All das, was für uns wichtig ist. Wenn wir feststellen sollten, dass dieses Gerät doch nicht so „harmlos“ ist, wie wir es uns vielleicht gedacht haben, dann haben wir als Landtag die Möglichkeit, halbjährlich auch politisch die Notbremse zu ziehen.

Wie das mit Pilotprojekten so ist, müssen diese natürlich auch wissenschaftlich begleitet werden. Wir haben eine hervorragende Fachhochschule der sächsischen Polizei in Rothenburg, die uns an dieser Stelle unterstützen soll. Das macht sich gerade auch ganz gut; denn man munkelt, die Fachhochschule ist schon dabei, auch ein Pilotprojekt für den Einsatz von Körperkameras in Dresden zum Beispiel vorzubereiten. Insofern würde sich das wunderbar ergänzen.

Wenn die zwei Jahre des Pilotprojekts herum sind, dann wollen wir gern eine Abschlussempfehlung, einen Abschlussbericht haben, ob wir den Taser dauerhaft in der sächsischen Polizei für den Streifendienst beibehalten wollen oder nicht.

Kommen wir jetzt zu der Gerätschaft. Es geht hier nicht nur um den Taser, sondern auch um die Bodycam, aber die ist weit weniger umstritten als der Taser. Der Taser selbst ist ein effektives Hilfsmittel unterhalb des Schusswaffengebrauchs, und im Gegensatz zur Schusswaffe ist er nicht tödlich.

Schauen wir uns einmal ein Beispiel an, was ich in meiner eigenen Ausbildung noch gelernt habe; diesen Beamten habe ich noch kennengelernt. Ein Mann mit einer Axt greift an, er greift die Polizeibeamten an, die Polizeibeamten schießen mehrere Magazine auf diesen Mann, fast ein ganzes Magazin aus der damaligen Schusswaffe hat ihn getroffen. Er hat den Angriff mit der Axt fortgesetzt. Wir

haben uns gefragt, wie kann das sein? Er ist tatsächlich getroffen worden. Er stand aber so unter Strom, dass er zwar eigentlich schon fast tot war, aber immer noch weiter kämpfen konnte. Das wäre mit dem Taser nicht passiert.

Auch mit Pfefferspray, das kann ich Ihnen sagen, habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass es nicht immer so gut wirkt. Ich habe es selbst im Gesicht gehabt, ich habe es nur weggewischt und gefragt, was ist das für ein Zeug? Natürlich funktioniert es oft, aber es gibt eben auch Bedingungen, unter denen es nicht funktioniert. In meinem Fall könnte es an den kalten Außentemperaturen gelegen haben; denn im Dienst bin ich nicht alkoholisiert und stehe in der Regel auch nicht unter Drogen.

(Staatsminister Markus Ulbig: Da ist das Dienstverhältnis anzusprechen! – Weitere Zurufe)

Natürlich nie, Herr Minister, das war ein Frotzeln.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Aber natürlich.

Herr Pohle.

Ich habe nur noch einmal eine kleine fachliche Frage, Sie sind da als Beamter und sprachen davon, dass Sie „Selbstversuche“ mit Pfefferspray schon hinter sich haben: Kennen Sie unter anderem die alternative Möglichkeit des JPX, das sogenannte Tierabwehrgerät, das mittlerweile auch zur Standardausrüstung gehört – als Alternative?

Wessen Standardausrüstung soll das sein?

Auch beim LKA und BKA. Kennen Sie das?

Nein, ist mir nicht bekannt an der Stelle.

Wir wissen also, dass das Pfefferspray nicht unbedingt wirken muss. Auch eine Pistole muss nicht sofort wirken – deswegen haben wir hier den Taser, der auf die Oberflächenmuskulatur wirkt. Da spielt es auch keine Rolle, ob eine Person unter dem Einfluss von Drogen steht oder nicht.

Der Taser ist damit für die Beamten das einzige nicht tödliche Distanzmittel; auch das müssen wir sehen. Das Distanzmittel Pfefferspray hat einen Wirkungsbereich von 3 bis 4 Metern, mehr kann man da nicht machen. Mit dem Taser kann man immerhin bis auf 10 Meter arbeiten. Wer einmal 10 Meter Abstand gesehen hat, das ist sehr viel. Solche großen Distanzen hat man in der polizeilichen Praxis wohl eher selten.

Der Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt war in Australien und hat sich angesehen und hinterfragt, ob dieses Gerät funktioniert oder nicht. Er hat die Erfahrung mitge

bracht als Information, dass in über tausend Einsätzen keine Komplikationen beim Taser-Einsatz aufgetreten sind. Das finde ich bemerkenswert und ich denke, das spricht für unseren Antrag.

Generell können wir sagen, wir haben verhältnismäßig geringe Ausbildungskosten, wir brauchen auch nicht so viel Zeit und nicht so viel Geld. Ich möchte hier keine Werbung machen und auch nicht unbedingt den Einzelpreis nennen, wenn man diese Bodycam und Taser zusammen mieten würde – auf Nachfrage kann ich diese Daten gern bekannt geben. Wir wissen, dass das SEK 4 Stunden pro Beamten pro Jahr mit dem Taser trainiert. Das bedeutet im Grunde eine Schießtrainingseinheit, die dafür abgestellt wird. Das ist durchaus zu realisieren. Im Moment schaffen wir es ja auch bei der Einführung der neuen Dienstwaffe der sächsischen Polizei, einen höheren Stundensatz anzusetzen, um die Beamten damit vertraut zu machen.

Das Pilotprojekt sollte mit den Schießtrainern des Spezialeinsatzkommandos durchgeführt werden. Passenderweise sind diese in Leipzig ansässig, insofern gibt es kurze Fahrwege. Die Schießtrainer der Polizeidirektion können auch Multiplikatoren fortbilden, sodass wir zügig damit einsteigen können.

Wir haben mit dem Taser ein hochmodernes Gerät. Es ist nicht missbrauchbar, was ich sehr gut finde. Wir haben in dem Gerät einen Computer, der aufzeichnet, was damit gemacht worden ist: Ist der Einsatz angedroht worden, ist das Gerät tatsächlich eingesetzt worden? Diese Daten können natürlich bei Dienstende vom Dienstvorgesetzten ausgelesen werden, und das soll auch so sein, denn wir brauchen die Meldung über den Einsatz. Es soll uns ja nichts durch die Lappen gehen für unser Pilotprojekt. Aber auch ohne das Pilotprojekt haben wir diese Aufzeichnungspflichten.

Wenn der Taser eingesetzt wird, wird eine Art Konfetti geworfen, und auf diesem Konfetti steht die Geräte-ID, sodass wir sehen können, dass etwas eingesetzt worden ist. Das macht man nicht einfach so nebenbei, wenn man irgendjemanden piesacken oder gar foltern möchte. Nein, meine Damen und Herren, der Missbrauch ist ausgeschlossen und auch der leichtfertige Einsatz ist durchaus unwahrscheinlich. Sie sehen, es spricht eigentlich nichts gegen den Taser-Einsatz.

Schauen wir noch einmal kurz zum Bereich der Bodycam. Sie hat sich selbstredend bewährt. Die Deutsche Bahn hat mit der DB-Sicherheit die Bodycams eingesetzt. Auch sie hatte große Angriffe auf ihre Mitarbeiter auf den Bahnhöfen. Dabei hat man festgestellt, dass in dieser Phase die Angriffe tatsächlich um fast 100 % zurückgegangen sind. Woran liegt das? Das ist ganz einfach: Es wirkt psychologisch auf den Täter, denn derjenige, der mir gegenübersteht, ist plötzlich nicht mehr anonym, und wenn die rote Lampe leuchtet, dann heißt das Aufnahme und es ist ganz klar, dass alles das, was er in den nächsten paar Minuten mit dem Beamten veranstalten möchte, aufgezeichnet

wird. Das allein schreckt die Täter vom Versuch eines Angriffs ab.