Protokoll der Sitzung vom 02.02.2017

Leute! Nehmen Sie sich selbst überhaupt ernst?

(Dr. Frauke Petry, AfD: Man sollte einen Qualitätscheck für Abgeordnete einführen! – Carsten Hütter, AfD: Was erzählen Sie für einen Unsinn?)

Lesen Sie doch nach!

(Carsten Hütter, AfD: Sorgen Sie für mehr Personal! Dann gibt es auch weniger Übungsstunden!)

Guck an! Sie machen den Weg aber andersherum: Wir machen erst einmal neue Technik und dies und jenes, haben aber gar nicht das Personal. Liebe Leute! Man

muss sich selbst ernst nehmen, ansonsten können wir an den Stammtisch gehen und richtig einen heben! Das macht dann wahrscheinlich auch noch mehr Spaß!

(Dr. Frauke Petry, AfD: Herr Stange, Sie sind hier nicht im Theaterworkshop, sondern im Landtag!)

Es ist also falsch, Elektroschockpistolen im Übrigen als nicht tödliche Waffen zu bezeichnen. Eine Studie von Amnesty International zeigt, dass in den Jahren 2001 bis 2008 334 Personen in den USA im Zusammenhang mit dem Einsatz von Tasern gestorben sind. Zwar gibt es von den Produktionsfirmen zahlreiche Gegengutachten, die dieses Ergebnis angeblich widerlegen. So scheint allerdings allein der Umstand, dass Firmen, die Elektroschockpistolen verkaufen bzw. herstellen, mittlerweile zu Schmerzensgeld für Hinterbliebene verurteilt wurden, der These von der nicht tödlichen Waffe zumindest im Ansatz zu widersprechen.

Selbst eine der Produktionsfirmen bezeichnet ihre Elektroschockpistolen mittlerweile nicht mehr als „nicht tödliche Waffe“, sondern – man höre und staune! – als „weniger tödliche Waffe“. Das ist in etwa wie „ein bisschen schwanger“. Es ist also ausgemachter Unsinn, was Sie von der AfD von sich gegeben haben.

Zu den Bodycams. Die beiden einzigen Ziele des Einsatzes von Bodycams, die mit dem Antrag – so haben Sie es hier auch ausgeführt – verfolgt werden sollen, sind Strafverfolgung und Gefahrenabwehr. Die antragstellende Fraktion blendet dabei eine Funktion aus – jetzt hören Sie genau hin, was ich sage! –, die auch aus unserer Sicht, aus der Sicht der LINKEN, die Bodycams durchaus interessant machen könnte. Ich meine die beiderseits disziplinierende Wirkung der Körperkameras – sowohl für das Gegenüber der Polizei als auch für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte. Damit könnten Angriffe auf Polizisten vermindert werden, und es könnte Polizeigewalt, polizeiliches Fehlverhalten verhindert werden.

Dass dies wirken kann, zeigen verschiedene Studien aus den USA und aus Großbritannien. So berichtete Thomas Feltes im Oktober 2016 bei einer Anhörung im Landtag von Nordrhein-Westfalen: „Dies ist die erste Studie, die die Einstellung der Führungsetagen in der Strafverfolgung zu Körperkameras misst. Die Haupterkenntnisse zeigen, dass nach der Wahrnehmung des Führungsstabs Körperkameras Beamtenentscheidungen über den Einsatz von Gewalt bei Zusammentreffen mit Bürgern beeinflussen werden und dass die Polizei zögerlicher beim Einsatz notwendiger Gewalt in Zusammentreffen mit der Öffentlichkeit sein wird. Die befragten Personen sind auch der Meinung, dass die Medien Körperkameradaten verwenden werden, um die Polizei bloßzustellen.“

Eine sehr gute Zusammenfassung zum bisherigen Forschungsstand findet sich in der Stellungnahme von Thomas Feltes zur Änderung des Polizeigesetzes von Nordrhein-Westfalen in der soeben genannten Anhörung.

In Deutschland gibt es keine wissenschaftliche Forschung über den Einsatz von Bodycams; auch das muss man zur

Kenntnis nehmen. Es wird noch viel Wasser die Elbe herunterfließen, ehe Sie die Hochschule der Sächsischen Polizei tatsächlich so weit haben werden, dass sie diese Forschung tatsächlich betreibt. Wir sollten noch viel Geld in die Hand nehmen, um sie auf diesen Stand zu bringen.

Daneben gibt es große datenschutzrechtliche Unklarheiten, die erst einmal beleuchtet und gelöst werden sollten, bevor der Einsatz von Bodycams in Erwägung gezogen werden könnte. Könnte?

Feltes dazu in der besagten Anhörung: „Auch aus Datenschutzgründen können Kameras nicht dauernd eingeschaltet sein. Das bedeutet aber, dass die Entscheidung, ob die Kamera eingeschaltet wird, in das Ermessen des/der Beamten gestellt wird. Es bedarf also klarer Regeln, wann die Kamera eingeschaltet werden muss und nicht nur, wann sie eingeschaltet werden darf, und wie dies dokumentiert wird …“ Und weiter: „Wenn staatliche Behörden Beweise sichern, dann haben sie eine andere Sicherungspflicht (und Objektivität) als Privatpersonen, auch, weil ihre Beweise vor Gericht gegebenenfalls anders bewertet werden. Hinzu kommt, dass die Aufnahmen in dem geplanten Projekt vor allem auch im häuslichen Bereich stattfinden sollen.“

Das dort zur Rede stand! „Dort ist nahezu sicher, dass auch Bild- und Tonaufnahmen von unbeteiligten Dritten (zum Beispiel Kindern) erfolgen. Dies ist datenschutzrechtlich überaus bedenklich. Konkret bedeutet dies, dass die Tatsache der Aufnahme nachweisbar dokumentiert wird (mit Anfang und Ende der Aufzeichnung einschließ- lich Begründung, warum begonnen und beendet wurde) und die Aufzeichnungen vollständig allen Beteiligten verwertbar zur Verfügung stehen müssen. Weiterhin sind feste Löschfristen festzulegen. Zudem ist eine (unabhän- gige) Institution einzurichten, die die Löschungen prüft und legitimiert (ähnlich der G10-Kommission). Weiterhin müssen konkrete Richtlinien erlassen werden, wann der Einsatz als erforderlich angesehen wird. Dabei kann es nicht nur um Aspekte der Eigensicherung gehen.“

Fazit: Der Antrag ist einseitig, ohne die Polizeigewalt reduzierende Komponenten auch nur zu nennen. Er geht in keiner Weise auf die Forschung zu dem Thema ein. Das verwundert auch nicht. Die einzige nachgewiesene Wirkung ist die Reduktion von Polizeigewalt und dass Polizeibeamte mit Bodycams weniger Durchsuchungen und Verhaftungen durchführen und dafür ihr Verhalten häufiger erklären und mehr mit Bürgern kommunizieren. Auch das stammt von Feltes aus der zitierten Anhörung. Offenbar gibt es auch Studien, die sogar einen Anstieg von Gewalt gegen Polizisten feststellen.

Unsere grundlegenden, vor allem datenschutzrechtlichen Bedenken bleiben bestehen. Wirkliche Vorteile im Sinne des Antrags sind nicht nachgewiesen. Wir werden Ihren Antrag infolgedessen ablehnen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die SPDFraktion Herr Pallas, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben einen Antrag zu zwei nicht unumstrittenen Ausrüstungsgegenständen der Polizei vorliegen. Es geht um Bodycams – oder: Körperkameras – und Distanz-Elektroimpulsgeräte. Letztere würde ich als „Taser“ bezeichnen; damit habe ich kein Problem.

Taser waren bereits Gegenstand einer Antragsdebatte in diesem Haus, weshalb ich etwas verwundert war und bin, dass die antragstellende Fraktion das Thema nach so kurzer Zeit erneut einbringt.

Es gibt mehrere Gründe, aus denen ich mit dem Antrag Probleme habe. Ein Grund ist noch nicht zur Sprache gekommen: Mit Ihrem Antrag verkennen Sie den Unterschied zwischen exekutiver und legislativer Gewalt. Wir als Landtag sind der Gesetzgeber und als solcher die Gewalt, die eine entsprechende Rechtsgrundlage überhaupt schaffen kann. Das ist nicht die Staatsregierung. Diese will die einbringende Fraktion aber damit beauftragen, die Rechtsgrundlage zu schaffen. Gemeinschaftsunterricht Klasse 9! Insofern ist es verquer, wenn der Antrag einen entsprechenden Appell an die Staatsregierung richtet, zumindest in der Formulierung, die Sie verwendet haben.

Abgesehen davon lehnen wir als SPD-Fraktion den Antrag auch deswegen ab, weil wir der Meinung sind, dass Taser den Spezialkräften der Polizei vorbehalten bleiben sollten. Ich könnte es jetzt kurz machen und einfach auf die Plenardebatte von vor weniger als einem Jahr, nämlich vom 17. März 2016, verweisen. Bereits damals habe ich klar erläutert, was unserer Ansicht nach gegen die Ausweitung auf andere Bereiche der Polizei spricht. Falls Sie, Herr Wippel, sich nicht mehr an die Debatte erinnern können, will ich es gern wiederholen; ich glaube, das ist der Vollständigkeit halber nicht schlecht.

Bereits seit längerer Zeit ist weltweit bei verschiedenen Polizeien die Einführung von Tasern im Gespräch oder die Einführung wurde realisiert – so auch in Deutschland. Von Anfang an waren – und sind – diese Geräte nicht ohne Grund unter Fachleuten hoch umstritten. Hauptgründe sind die Unsicherheit im Einsatz, nach wie vor bestehende Einschränkungen der Wirkung – insoweit gab es Verbesserungen; aber noch sind sie nicht sicher – und die daraus resultierende Notwendigkeit regelmäßiger Fortbildungen bzw. Schulungen an dem Gerät. Vor allem sind diese Distanz-Elektroimpulsgeräte eben nicht harmlos, wie Sie es hier dargestellt haben, nur weil sie bei sachgemäßer Anwendung „weniger tödlich als Schusswaffen“ sind. Auf die Absurdität dieser Begrifflichkeit hat Kollege Stange schon hingewiesen.

Deshalb ist es nachvollziehbar und völlig richtig gewesen, dass die Innenministerkonferenz im Jahr 2006 die Einführung der Taser nur für Spezialeinheiten, also Spezialein

satzkommandos und Mobile Einsatzkommandos, empfohlen hat. Aus gutem Grund ist diese Empfehlung bis heute nicht auf andere Dienstzweige der Polizei ausgeweitet worden.

Das Thema hat schon an anderer Stelle im Sächsischen Landtag eine Rolle gespielt, nämlich in der Anhörung zum Wachpolizeidienstgesetz vor etwas mehr als einem Jahr. Dort hat ein Sachverständiger, der viele Jahre als Leiter des Spezialeinsatzkommandos in Sachsen tätig war, mit vielen guten Gründen dafür plädiert, dass der Einsatz des Tasers nicht ausgeweitet werden, sondern den Spezialeinheiten vorbehalten bleiben sollte.

Dort sind sie gut aufgehoben. Denn die zusätzliche Option des Einsatzes eines Tasers macht die Lagebewältigung gerade für die Polizei im Streifen- und Einzeldienst keinesfalls leichter, eher komplizierter, gerade weil es sich um ein technisch anspruchsvolles Gerät handelt, dessen Einsatz auch fehlgehen kann: Stimmt die Entfernung? Wie sicher ist es, dass mit einem Auslösen ein Treffer erzielt wird? Wie ist gesichert, dass nur ein Beamter aus einem Team schießt? Etc. pp.

Dazu kommt ein weiterer Punkt: 90 % der Gewaltsituationen – auch gegen Polizisten – entstehen aus Augenblickssituationen in alltäglichen Einsätzen. Das bedeutet, innerhalb von Bruchteilen von Sekunden entscheiden zu müssen, welches Einsatzmittel das richtige ist, über die Tiefe des Grundrechtseingriffs zu entscheiden, das Ermessen eben richtig auszuüben. Ein weiteres Gerät macht die Situation für die Beamten noch komplizierter. Es verlängert vielleicht sogar den Abwägungsprozess, was im Zweifel ein höheres Risiko für die Beamten bedeutet. Gerade Sie als Polizeibeamter, Herr Wippel, sollten das eigentlich wissen.

Wir sehen deshalb auch für einen entsprechenden Pilotversuch in Sachsen keinen Bedarf. Allerdings verfolgen wir natürlich mit Interesse die Pilotversuche in anderen Bundesländern. Man lernt nie aus, deswegen werden wir die Ergebnisse bei unserer Meinungsbildung einbeziehen, wenn es so weit ist.

Zum zweiten Ausrüstungsgegenstand, der Bodycam. Hier können wir als SPD uns durchaus vorstellen, dass diese in Zukunft unter bestimmten Umständen von der sächsischen Polizei eingesetzt werden könnte, wobei wir im Gegensatz zu Ihnen oder zur Begründung Ihres Antrags nicht nur auf die erhofften repressiven Effekte des Einsatzes von Bodycams eingehen wollen. Auch die Auswirkungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger halten wir für ein wichtiges Argument. Wir haben das von Herrn Kollegen Stange gerade schon ansatzweise gehört.

Es sollte also nicht ausschließlich um Argumente gehen wie: zu steigernde Kooperationsbereitschaft, Deeskalationswirkung, Verringerung von Solidarisierungseffekten oder Reduzierung des Aggressionspotenzials. Das ist nur die eine Seite der Medaille. Sie ist unzweifelhaft richtig, aber dazu gehört eben auch, dass Bodycams zusätzlich dazu beitragen können, das polizeiliche Handeln rechtssicher und transparent zu dokumentieren. Sie müssen

gleichermaßen der Wahrung der Bürger- und Menschenrechte des polizeilichen Gegenübers dienen.

Ich möchte an dieser Stelle auf die Ereignisse in der amerikanischen Stadt Ferguson verweisen, wo es über Monate hinweg sehr konflikthafte Situationen zwischen der Bevölkerung und der Polizei gegeben hat. Es ging um mutmaßlich rassistisch motivierte Übergriffe der Polizei gegenüber Schwarzen oder einem Teil der schwarzen Bevölkerung bzw. um die Befürchtung solcher Übergriffe.

(Sebastian Wippel, AfD: Afroamerikaner heißt das, nicht „Schwarze“!)

Seinerzeit hat man auf dem Höhepunkt dieser Konfliktsituation Bodycams eingesetzt – gerade um den Bürgerrechtsaspekt zu stärken –, und das mit einigem Erfolg. Sie sehen also, dass es wichtig ist, nicht nur die eine, sondern auch die andere Seite der Medaille zu beachten.

Das führt automatisch zu der Reflexion, welche Regeln zum Umgang mit Bodycams damit verbunden sein müssen. Ich bin gespannt auf die Ergebnisse der Modellversuche, die bundesweit laufen. Es geht auch um die Frage: Wie gewährleiste ich, dass eben nicht nur ein Teil der Szenerie aufgenommen wird, dass beidseitige Kommunikation zwischen Polizei und Bürger dokumentiert wird? Es muss gewährleistet sein, dass nicht nur Bild, sondern auch Ton aufgezeichnet wird. Natürlich geht es auch darum, wer eine Aufnahme anhalten darf und wer nicht. Das alles muss noch geklärt werden.

Jedenfalls sehen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Zum anderen prüft das Innenministerium derzeit bereits, wie in der Stellungnahme zum Antrag ausgeführt, ein Pilotprojekt zur Erprobung der Bodycams im Rahmen der bestehenden Befugnisse zur Videografie auf Basis des Sächsischen Polizeigesetzes. Zudem, ich sagte es bereits, laufen Pilotversuche in anderen Ländern – mit verschiedenen Modellen: Auch das ist spannend, weil man danach unterschiedliche Ausführungen in die Auswertung einbeziehen kann.

Diese Kombination macht Ihren Antrag aus unserer Perspektive auch in Bezug auf die Bodycams überflüssig. Daher werden wir den Antrag ablehnen. Ich freue mich bereits auf die nächste Taser-Debatte in zehn Monaten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der CDU – Beifall des Staatsministers Markus Ulbig)

Als Nächster spricht Herr Kollege Lippmann für die Fraktion GRÜNE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! So richtig erschließt sich mir nicht, warum keine elf Monate nach dem letzten Antrag der AfD zu Distanz-Elektroimpulsgeräten heute das Thema erneut behandelt wird. Nun, es ist Sache der AfD-Fraktion, mit welchen parlamentarischen Meisterleistungen sie uns hier beglückt. Allerdings

darf ich zu Beginn schon einmal feststellen, dass dieser Antrag wahrlich keine Meisterleistung ist und dass Sie zudem das eigene Thema offenbar nicht ernst nehmen.

Zum einen fordern Sie in Teil I Buchstabe a Ihres Antrags – Kollege Pallas hat es schon angesprochen – die Staatsregierung auf, die gesetzlichen Grundlagen für Taser und Bodycams zu schaffen. Nun ist mir ja klar, dass es bei einer Partei, die unser demokratisch-parlamentarisches System kontinuierlich aushöhlen will, mit der Gewaltenteilung nicht so weit her ist.

(Beifall der Abg. Petra Zais, GRÜNE – Dr. Frauke Petry, AfD: Sie waren auch schon mal besser, Herr Lippmann!)

Aber die Staatsregierung zum Erlass von Gesetzen aufzufordern ist schon ein starkes Stück. Eigentlich könnte ich an dieser Stelle meine Ausführungen beenden und den Antrag ablehnen, denn Sie können weder von mir noch von irgendeinem anderen Abgeordneten, der sein Mandat ernst nimmt, ernsthaft erwarten, dass er die Hand dafür hebt, die Staatsregierung zum offenen Verfassungsbruch aufzufordern.

(Beifall bei den GRÜNEN)