Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man sich diesen Antrag durchsieht, stellt man fest, dass uns die Koalition hier ein Thema vorlegt, welches hier erst am Ende der letzten Legislaturperiode sehr ausführlich diskutiert wurde.
Kürzlich haben außerdem die Wirtschaftsminister der Länder, auch der Länder, in denen die GRÜNEN mitregieren – das sind inzwischen ja mehr als die CDUregierten Länder –, die Bundesregierung auf Initiative Schleswig-Holsteins genau dazu aufgefordert. Und konsequenterweise hat erst vor ein paar Wochen auch der Bundestag darüber gesprochen. Das stand dort auf der Tagesordnung.
Wenn man den Tee immer wieder aufgießt, dann wird das Produkt erfahrungsgemäß nicht stärker, meine Damen und Herren. Entsprechend ist auch der Neuigkeitswert des vorliegenden Antrags. Wir wiederholen hier wieder einmal alle gemeinsam unser Bekenntnis zum Meisterbrief, wir loben zu Recht das Handwerk und schauen argwöhnisch in Richtung EU, die uns so etwas Schönes vermeintlich wegnehmen möchte. Der Antrag ist auf Basis des Koalitionsvertrags dann wohl auch der kleinste gemeinsame Nenner, den Sie in der Kürze der Zeit finden konnten.
Zumindest die SPD war in der vergangenen Legislaturperiode schon einmal weiter. In ihrem Entschließungsantrag vom 10. April 2014 – Sie haben ihn schon erwähnt – gab
es immerhin 15 Punkte, aus denen sich die eine oder andere wirklich konkrete Maßnahme zur Unterstützung des sächsischen Handwerks ableiten ließe. Auch wenn die SPD diese Punkte sicherlich weiterhin für richtig hält, taucht im vorliegenden Antrag nichts davon auf. Offensichtlich dauert es eben etwas länger, wenn man das in einer Koalition umsetzen muss.
Meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition fordert mit Teil I des Antrags einen Bericht, in dem die Leistungen des Handwerks für Sachsen ein weiteres Mal aufgeschrieben werden. Mir fällt dazu ein Sprichwort von Karl Valentin ein: Es ist alles schon gesagt, nur noch nicht von allen.
In Teil III des Antrags wird die Staatsregierung dazu aufgefordert, sich auf Bundesebene für die Beibehaltung des Meisterzwangs einzusetzen. Das ist ja nun wirklich fast so schwierig, wie Stroh zu Gold zu spinnen, denn immerhin muss sich die Staatsregierung dort im Bund gegen die Interessen einer CDU/SPD-Koalition durchsetzen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass dieser Ansprechpartner kürzlich erst selbst einen solchen Antrag in den Bundestag eingebracht hat. Meine Damen und Herren, wir können Staatsminister Martin Dulig nur beglückwünschen; unser neuer Wirtschaftsminister dürfte bei einem solchen Antrag seinem ersten Erfolg kaum entkommen können.
Wenn man die Messlatte nur flach auf den Boden legt, kann man auch gut darüber spazieren und sie überschreiten.
Weil dieser Antrag jedoch auch aus unserer Sicht nichts Falsches enthält – auch die Wirtschaftsminister von grün regierten Ländern haben das bereits so gefordert –, gönnen wir Ihnen diesen ersten Erfolg vor Weihnachten von Herzen und werden für diesen Antrag stimmen.
Allerdings: Voraussetzung dafür, dass das im Bund dann auch gelingt, ist natürlich, meine Damen und Herren, dass Sigmar Gabriel und Co. die Sache mit den Freihandelsabkommen TTIP und CETA nicht noch vermasseln. Denn was passiert mit den wohlklingenden Bekenntnissen zum Meisterbrief, wenn Handwerksordnung und Meisterbrief als „Marktzugangsschranke“ für Amerikaner und Kanadier über die Klinge springen müssen? Das Thema ist längst nicht vom Tisch. Auch für TTIP soll, wie im aktuellen CETA-Entwurf, ein Rahmen geschaffen werden, um über die gegenseitige Anerkennung von Qualifizierungsnachweisen in reglementierten Berufen zu verhandeln.
In Europa hat sich übrigens länderübergreifend die Erkenntnis durchgesetzt, dass es in Deutschland auch Dank der dualen Ausbildung vergleichsweise wenige junge Arbeitslose gibt. Das hat auch die EU-Kommission erkannt. Um den Deutschen die Angst zu nehmen, hat sie am 21. Februar 2014 deutlich klargestellt, dass sie nicht die Absicht hat, die deutsche Handwerksordnung abzuschaffen.
Vor diesem Hintergrund: Genießen Sie Ihren dünnen Tee aus dem dritten Aufguss in dieser Vorweihnachtszeit, meine Damen und Herren. Im neuen Jahr sollte der Landtag in Sachen Wirtschaftspolitik Substanzielles zu tun bekommen.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum brauchen wir den Meisterbrief? Diese Fragestellung ist hier im Raum deutlich zu machen. Vieles ist schon gesagt worden, etwa, dass es für die wirtschaftliche Entwicklung Deutschlands und unseres Freistaates Sachsen von existenzieller Bedeutung ist, den Meisterbrief zu haben.
Einen ganz wichtigen Punkt haben wir in dieser Debatte aus meiner Sicht überhaupt noch nicht betrachtet, das ist der Gesichtspunkt Ausbildung. Wenn Sie, Herr
Dr. Lippold, meinen, dass der Aufgussbeutel für den Tee hier zum dritten Mal verwendet werde, muss ich Ihnen sagen, das ist ein starkes Stück, was Sie meinen hier vortragen zu können. Aber ich glaube, es ist auch Aufgabe dieses Hohen Hauses, sich genau dafür einzusetzen. Wir brauchen den Meisterbrief.
Warum brauchen wir ihn? Weil wir den jungen Leuten Chancen geben wollen. Die Ausbildung wird nachweislich in den deutschen Handwerksbetrieben geregelt, von den Handwerkskammern unterstützt, von Handwerkskammern geführt und geleitet. Wir brauchen diesen Ansatz, um den jungen Leuten mit ihren Ausbildungsberufen in der Wirtschaft deutliche Chancen einzuräumen. Der deutsche Meisterbrief ist die Basis für den Erfolg der dualen Ausbildung im Handwerk. Erst die Kenntnisse, die dem Handwerker in der Meisterschule vermittelt werden, befähigen ihn gleichzeitig zum erfolgreichen Unternehmer und zum Ausbilder.
In über 130 Gewerken bilden Handwerksbetriebe rund 400 000 junge Menschen aus. Die Ausbildungsleistung des deutschen Handwerks ist gemessen an der Gesamtbeschäftigenzahl – auch das ist wichtig – mit 8 % mehr als doppelt so hoch wie in der Gesamtwirtschaft. Besonders die Meisterbetriebe – das ist schon genannt worden – leisten damit einen großen Beitrag zur Fachkräftesicherung in unserem Land. Das trägt auch zu der beachtlich geringen Jugendarbeitslosenquote bei, die sich in ganz Europa sehen lassen kann und die nach meinem Kenntnisstand die geringste ist. Das ist der Erfolg unseres dualen Ausbildungssystems.
Für den Erfolg der dualen Ausbildung im Handwerk ist der Erwerb der Meisterqualifikation als Zugangsvoraus
setzung zu den 41 nach der Handwerksordnung reglementierten Berufen ein bestimmender Faktor. Das zulassungspflichtige Handwerk bildet im Vergleich zum zulassungsfreien Handwerk überproportional stark aus.
Der Meisterbrief, auch großer Befähigungsnachweis genannt, bescheinigt dem Handwerker nach dem Erwerb eine hohe Fachkompetenz. Gleichzeitig wird er zum erfolgreichen Ausbilder, zum Unternehmer und zur Führungsperson qualifiziert. In der Meisterschule werden neben fachlichen auch betriebswirtschaftliche, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse vermittelt, die in der Meisterprüfung nachzuweisen sind. Sie bilden eine solide Basis für die erfolgreiche Unternehmensführung. Nachweislich ist genau diese Ausbildung wichtig, um das Insolvenzrisiko für neu gegründete Betriebe zu senken.
Der Meisterbrief ist darüber hinaus also Garant für die hohe Ausbildungsqualität im Handwerk, denn zukünftigen Führungskräften werden in der Meisterschule nicht nur die fachliche Kompetenz vermittelt, sondern auch umfangreiche berufs- und arbeitspädagogische Grundlagen. Erst hierdurch wird der Meister zu einer erfolgreichen Weitergabe seines Fachwissens an die Nachwuchskräfte befähigt, meine Damen und Herren.
Ich hatte es eingangs schon erwähnt: Insbesondere den Handwerkskammern obliegt es im Rahmen ihrer hoheitlichen Aufgabenwahrnehmung, die Organisation, Qualitätssicherung und Prüfung der Ausbildung zu übernehmen.
Wie wichtig das ist, zeigen insbesondere die Erfahrungen vieler EU-Mitgliedsstaaten in den letzten Jahren beim Auf- und Ausbau von Ausbildungen. Vor diesem Hintergrund stehen die aktuellen Transparenzrichtlinien der EUKommission, wie das so schön genannt wurde, wonach alle reglementierten Berufe überprüft werden sollen. Das ist kritisch zu begleiten.
Es ist nicht nachvollziehbar, dass die Kommission auf der einen Seite unser duales System als Best-Practice-Beispiel lobt und es anderen Mitgliedsstaaten im Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit empfiehlt, aber gleichzeitig unseren Meisterbrief als Hemmnis für den Binnenmarkt scharf angreift. Wer den Meisterbrief infrage stellt, legt gleichzeitig Axt an unser erfolgreiches Ausbildungssystem und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes, meine Damen und Herren.
Ich möchte an dieser Stelle – jetzt ist er leider nicht hier, Herr Lippmann, er wird es sicher über die Mikrofone im Haus hören – sagen, wenn Sie hier mit TTIP und CETA kommen, das sind Freihandelsabkommen. Das kann uns nicht daran hindern, für unseren Meisterbrief zu kämpfen. Das ist nicht mit einem Freihandelsabkommen zu verwechseln. Hier unnötige Angst zu schüren und das in Verbindung zu bringen halte ich nicht für sachgerecht, meine Damen und Herren.
Es muss klar sein, dass wir ohne ausgebildete Fachkräfte den Fachkräftemangel nicht in den Griff bekommen werden. Nicht nur im Handwerk, sondern auch in den
übrigen Wirtschaftszweigen wird sich in den nächsten Jahren die Fachkräftesituation noch verschärfen. Ohne die Fachkräfte werden wir allerdings unsere großen Zukunftsprojekte wie die Energiewende oder die Digitalisierung schlicht nicht meistern können. Die duale Ausbildung und der Meisterbrief gehören deshalb in Deutschland zusammen, meine Damen und Herren.
Wichtig ist, dass wir die berufliche Bildung stärker fördern. Die Gleichwertigkeit von Meister und Bachelor muss gesellschaftliche Anerkennung finden. Die duale Ausbildung darf nicht zweite Wahl sein. Das Handwerk hat bereits auf einige Argumente, die eine Liberalisierung fordert, reagiert und gezeigt, dass wir ohne den Meisterbrief in Europa nicht auskommen. Das ist der Sinn dieses Antrages. In diesem Antrag sind Sinn und Zweck formuliert, um das in diesem Hause noch einmal deutlich zu machen.
Gerade das Handwerk bietet viele individuelle Karrieremöglichkeiten, von der Ausbildung bis zum Studium oder die Selbstständigkeit. Diese Möglichkeiten haben wir eben in unserer Debatte beschrieben. Die hohe Abbrecherquote, insbesondere in den technischen Studiengängen, meine Damen und Herren, beweist, dass ein Studium nicht immer der Königsweg ist. Deutschland braucht mehr Meister anstatt mehr Master.
stirbt unsere duale Ausbildung. Ich darf meine Rede mit dem Zitat von Friedrich Nietzsche beenden: „Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens.“ Ich wünsche jedem, der dieses Rückgrat hat, alles Gute.
Meine Damen und Herren! Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vonseiten der Fraktionen vor. Gibt es dennoch einen Abgeordneten oder eine Abgeordnete, die sprechen möchte? – Das ist nicht der Fall. Dann bitte ich jetzt die Staatsregierung. Herr Minister Dulig, bitte.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Staatsregierung spricht sich für den Erhalt des Meisterbriefes aus. Wir sehen die Gefahr, dass ohne die Handwerksmeister die Ausbildungsqualität und -quantität nachlässt. Statistiken zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in den zulassungsfreien Handwerken, zum Beispiel bei den Fliesen-, Platten- und Mosaiklegern, weisen darauf hin.
Wir wissen, dass die Berufsanerkennungsrichtlinie alle Mitgliedsstaaten der EU, also auch Deutschland, dazu verpflichtet, bestehende Reglementierungen des Berufs
ganges zu überprüfen. Aus dieser Verpflichtung kommen wir nicht heraus. Aber es ist an uns, Europa davon zu überzeugen, dass der Meisterzwang in den Handwerksberufen sehr wohl seine Berechtigung hat. Dafür werde ich mich als Wirtschaftsminister auf europäischer Ebene einsetzen. Nicht umsonst schaut Europa bewundernd auf unser System der dualen Berufsausbildung und unsere niedrige Jugendarbeitslosigkeit.
Es ist mir wichtig, dass wir unsere hohen Qualitäts- und Sicherheitsstandards im Handwerk erhalten. Das kommt den Verbrauchern zugute, die sich auf Sicherheit und Qualität handwerklicher Erzeugnisse verlassen können. Das kommt den jungen Leuten zugute, die eine hochwertige Berufsausbildung erhalten und denen mit einer dualen Ausbildung vielfältige Berufs- und Karrierewege offenstehen. Es kommt unserem Handwerk zugute; denn stabile Handwerksbetriebe mit gut ausgebildeten Fachkräften bringen Sachsens Wirtschaft voran. Auch deshalb werde ich mich auf Bundesebene und im Bundesrat dafür einsetzen und dafür werben, dass das hohe Anforderungsniveau an die Meisterqualifikation beibehalten wird. Gemeinsam mit den Arbeitsministerinnen und -ministern und den Wirtschaftsministerinnen und -ministern aller Bundesländer haben wir in den letzten Wochen einen Beschluss gefasst, in dem wir uns mit Nachdruck für den Erhalt der dualen Ausbildung und des Meisterbriefs im Handwerk einsetzen.
Die Staatsregierung wird die bewährte Unterstützung der Meisterausbildung fortführen, zum Beispiel nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz, dem sogenannten Meister-BAföG. Daneben unterstützen wir die Handwerkskammern und Innungen bei der Modernisierung ihrer Bildungsinfrastruktur. Gefördert werden die Investitionen in die überbetrieblichen Berufsbildungsstätten, in denen Lehrlinge und Meister qualifiziert werden.
Im Koalitionsvertrag ist die Förderung durch einen neuen Meisterbonus verankert. Über die Einzelheiten sind mit den Handwerkskammern noch Gespräche zu führen. Dem dualen System der Berufsausbildung verdanken wir in Deutschland die niedrige Jugendarbeitslosigkeit, um die uns andere europäische Länder beneiden. Die Meister sind Garanten dafür, dass bedarfsgerecht und in hoher Qualität ausgebildet wird. So kann im Handwerk langfristig und dauerhaft der Fachkräftebedarf gesichert werden.