Protokoll der Sitzung vom 15.03.2017

Wir werden Ihren Antrag ablehnen, da er keine Notwendigkeit besitzt, wie Sie der Stellungnahme der Staatsregierung entnehmen konnten.

(Beifall bei der CDU)

Für die Linksfraktion Frau Abg. Buddeberg, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war ja abzusehen, dass es beim Thema Geschlechtergerechtigkeit wieder hoch hergehen und sehr emotional werden würde; das war nach der Presseberichterstattung schon abzusehen. Es ist auch nicht zu überhören – das hatten wir auch heute schon im Plenum –, dass Sie das Thema sehr ärgert und nervt. Aber ich möchte eines klarstellen: Das Problem ist nicht, dass wir dort überall Ungerechtigkeit sehen; das Problem ist, dass Sie dies nicht sehen.

(Beifall bei den LINKEN und der Abg. Katja Meier, GRÜNE)

Zehn Jahre ist es nun schon her – das hat Frau Meier gesagt –, dass unsere Fraktion die Staatsregierung aufgefordert hat, die Vergabepraxis bei den Verdienstorden gerechter zu gestalten. Damals forderten wir, dass mittelfristig, spätestens bis zum 27. Oktober 2017, erreicht wird, den Anteil von Frauen an den Trägerinnen und Trägern des sächsischen Verdienstordens gemäß ihrem Anteil an der Bevölkerung Sachsens zu erhöhen. Nun – zehn Jahre ist es her – ziehen wir also Bilanz. Was ist seither passiert? Anscheinend nicht viel; denn gerade einmal 16 % aller bisherigen 285 Trägerinnen und Träger des Sächsischen Verdienstordens sind Frauen. Wie das zustande kommt? Ganz einfach: Jahr für Jahr steht einer in der Regel zweistelligen Zahl an Männern eine verschwindend geringe Zahl an Frauen gegenüber, die für ihre außerordentlichen Verdienste geehrt werden. 16 % – das ist eine Klatsche für alle Frauen im Freistaat.

Zu Recht beantragt deswegen die GRÜNE-Fraktion, zukünftig den Verdienstorden verstärkt an Frauen zu vergeben, bis irgendwann eine geschlechterparitätische Verteilung erreicht ist.

Bei der Suche nach diesen Frauen sollten wir alle ruhig etwas mehr Vorstellungskraft an den Tag legen, –

(Patrick Schreiber, CDU, steht am Mikrofon.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein, tut mir leid.

, denn auch 2017 ist es leider immer noch nicht so, dass sächsische Frauen in der Öffentlichkeit besonders sichtbar sind. Sichtbar sind meist die, die führen und an der Spitze stehen.

(Zuruf der Abg. Daniela Kuge, CDU)

Solche Spitzenpositionen bekommen Frauen hierzulande aber höchst selten. Beispielsweise betrug der Anteil von Oberbürgermeisterinnen und Landrätinnen in Sachsen im Jahr 2015 magere 8 %. Zum Vergleich: In MecklenburgVorpommern schaffen es immerhin 38 % der Frauen an die Verwaltungsspitze.

Wenn Frauen in der Öffentlichkeit also nicht oder weniger sichtbar sind, bedeutet das dann, dass sie weniger leisten, dass sie für den Freistaat Sachsen nichts Ehrenvolles schaffen und dass sie deshalb den Verdienstorden nicht im gleichen Maße wie Männer bekommen sollen, weil sie ihn einfach nicht verdienen? Das, liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und AfD, können Sie ja gern Ihren Wählerinnen einmal persönlich ins Gesicht sagen, etwa den vielen ehrenamtlichen Frauen in den Hospizen und in den Gemeinden.

(Beifall der Abg. Petra Zais, GRÜNE)

Gehen Sie doch dort einmal hin und sagen Sie: Liebe Frau Müller, es ist ja ganz schön, dass Sie sich seit Jahrzehnten freiwillig um die alten Menschen in Ihrem Dorf kümmern oder dass Sie engagierte Vorlesepatin in einem Kindergarten Ihrer Stadt sind – aber einmal im Ernst, wie soll das dem Freistaat Sachsen nützen, Sie haben ja nicht einmal einen akademischen Titel?!

Der Grund für die fehlende Sichtbarkeit von Frauen ist jedoch nicht, dass sie weniger für die Gesellschaft leisten. Es ist die Struktur ihrer Lebensläufe, die Frauen immer noch ins Private drängt und Männer auf die Bühne. Haushalt, Kinder und Pflege – wer all das stemmen muss, ist froh über jede Stunde weniger Arbeitszeit. Sich darüber hinaus noch in Parteien, Vereinen oder Gewerkschaften zu engagieren stellt für viele Frauen eine Schwierigkeit dar. Deshalb begrüßen wir den Vorschlag der GRÜNEN, dass sie unser Anliegen von 2007 aufgreifen und nun konkretisieren; denn in ihrem Antrag fordern sie zu Recht, dass hervorragende Verdienste um den Freistaat Sachsen und seine Bevölkerung auch dann anerkannt werden, wenn diese im Rahmen bürgerschaftlichen Engagements in der örtlichen Gemeinschaft erbracht werden und so auf den Freistaat ausstrahlen.

Weiterhin soll zukünftig die spezifische Lebens- und Arbeitssituation von Frauen beim Vergabekriterium längerer Zeitraum berücksichtigt werden. Wie ich bereits dargelegt habe, ist dieser Blickwinkel auch dringend

nötig, um die erbrachten Leistungen von Frauen im Freistaat endlich gebührend zu würdigen.

Doch das ist nicht alles. Wir unterstützen ebenfalls die Forderung, durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit die Zahl der vorgeschlagenen Frauen langfristig zu erhöhen. Dadurch sollen Parteien, Vereine, Gewerkschaften, Verbände, Arbeitgebervertretungen, Kommunen und

kommunale Gleichstellungsbeauftragte ermutigt werden, zukünftig im gleichen Maße Frauen wie Männer für sämtliche Auszeichnungen und Ehrungen vorzuschlagen. Sie werden sehen, dass dann auch eine der Kernforderungen des Antrags kein Problem mehr darstellen wird. Ich zitiere nochmals aus der Stellungnahme der Staatsregierung: Es wird keiner verdienstvollen männlichen Person ein Unrecht im Sinne der Gleichstellung zugemutet; keine Sorge.

Der Ministerpräsident wird vielleicht mehr Frauen den Verdienstorden in der Damenausführung übergeben, als er für möglich gehalten hat. Dann müssen wir dazu übergehen – und das fordern die GRÜNEN zu Recht –, in den kommenden zehn Jahren vermehrt Frauen mit dem Sächsischen Verdienstorden zu würdigen, und so wird auf lange Sicht eine geschlechterparitätische Verteilung unter den 500 möglichen Ordensträgern ermöglicht.

Was hier klingt wie eine Frauenquote, ist natürlich auch eine. Aber – und das ist wohl kaum zu übersehen – die bisherige Verteilung der Verdienstorden unterlag doch auch einer ganz klaren Geschlechterquote, nämlich einer überproportionalen Männerquote.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Denn nicht wir, die Fraktion DIE LINKE, und auch nicht die GRÜNEN machen aus Frauen Menschen zweiter Klasse, sehr geehrte Frau Kuge – nein, Sie machen es, indem Sie die Leistungen der Frauen in Sachsen einfach übersehen, sie mit den Lebensläufen und Karrieren von Männern vergleichen und dann zu dem Schluss kommen, dass sich darunter wohl wenige verdienstvolle Personen befinden. Das ist doch die eigentliche Einteilung in zwei Klassen, sehr geehrte Damen und Herren der CDU.

Um also endlich eine gerechte Verteilung der Auszeichnung zu ermöglichen, muss ab jetzt die Quote zugunsten von Frauen und ihren gesellschaftlichen Verdiensten wirken. Wenn die 500 Namen der Ausgezeichneten irgendwann die Wirklichkeit im Freistaat abbilden – nämlich, dass Frauen hier Tag für Tag in allen Bereichen der Gesellschaft Verdienstvolles für Sachsen leisten –, dann müssen wir dazu übergehen, Frauen und Männer im gleichen Maße bei der Verleihung des Sächsischen Verdienstordens zu berücksichtigen. Auf zwei Männer kommen dann eben auch zwei Frauen, ganz einfach. So und nicht anders wird es in Zukunft endlich so sein, dass die Ehrungen des Ministerpräsidenten gerecht und geschlechterparitätisch verteilt werden. Das passiert nicht von selbst, also müssen wir weiter nerven.

Dafür ist der Antrag der GRÜNEN absolut notwendig und richtig – vielen Dank dafür. Wir werden selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Für die SPDFraktion Frau Raether-Lordieck, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! In Ihrem Antrag 6/4955 fordern Sie, liebe Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auszeichnungen und Ehrungen von Frauen fördern. Frauen in ihrem facettenreichen Wirken öffentlich sichtbar zu machen und für außergewöhnliches Engagement zu ehren ist dringend geboten und geschieht in der Tat noch viel zu selten.

Genau aus diesem Grund lobt unsere Staatsministerin für Gleichstellung, Petra Köpping, alljährlich unter reger öffentlicher Anteilnahme einen Gründerinnenpreis aus.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Das ist aber nicht dasselbe wie der Verdienstorden!)

Gründeten Frauen in den vergangenen Jahren besonders in den Bereichen Handel, Dienstleistungen und Gastgewerbe, geht der Trend immer mehr hin zu digitalen Technologien. – So der Bundesverband Deutsche Startups. Auch der Sächsische Gründerinnenpreis spürt diesen Trend auf und macht weibliche Gründungsbiografien sichtbar, als Vorbild für bislang noch Unentschlossene.

In diesen Kontext passt auch, dass Existenzgründungen von Frauen im ländlichen Raum wieder mit Landesmitteln gefördert werden. Wir haben uns als SPD-Fraktion erfolgreich für die Wiederaufnahme in den Landeshaushalt eingesetzt.

Neben der erfolgreichen beruflichen Entwicklung von Frauen liegt uns ebenso das ehrenamtliche Engagement am Herzen. Wie bunt und vielfältig es daherkommt, erstaunt uns immer wieder neu, wenn wir als Jury die Bewerbungen zum Sächsischen Frauenpreis – ja, Frau Buddeberg, es ist nicht vergleichbar; darin gebe ich Ihnen recht – der SPD-Landtagsfraktion auf dem Tisch liegen haben.

Anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März konnten wir wieder ehrenamtlich engagierte Frauenteams für ihr zivilgesellschaftliches Wirken auszeichnen und damit öffentlich sichtbar machen.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Hätten Sie auch für den Verdienstorden vorschlagen können!)

Es gibt großartige Frauen, die sich engagieren. Vielleicht reicht dies nicht immer für einen Verdienstorden, ganz sicher wären aber potenzielle Kandidatinnen darunter. Es steht aber zu vermuten, dass nicht gerade sie den Weg in die Vorschlagslisten für den Sächsischen Verdienstorden finden.

(Patrick Schreiber, CDU: Wer schlägt denn da vor!)

Dies gilt es zu intensivieren. Hierbei sind wir alle gefragt, Herr Schreiber. Sie können gern einmal eine Frau vorschlagen. Unbenommen.

(Patrick Schreiber, CDU: Haben Sie schon einmal eine vorgeschlagen?)

Gehen Sie ans Mikro, wenn Sie eine Zwischenfrage haben!

(Patrick Schreiber, CDU: Sie haben es schon verstanden!)

Dies gilt es zu intensivieren. Hierbei sind wir alle gefragt, entsprechende Vorschläge zu unterbreiten.

Der Bundesverdienstorden geht momentan zu ca. 30 % an Frauen.

(Sarah Buddeberg, DIE LINKE: Immerhin!)

Dies sollte unser nächstes Etappenziel sein.

(Ministerpräsident Stanislaw Tillich: Das ist aber auch nicht wirklich vergleichbar!)

Aber wir reden über die Vergabepraxis des Sächsischen Verdienstordens, „das Allerheiligste“ selbst, wie ihn die „Sächsische Zeitung“ am vergangenen Samstag titulierte.