Wer sich dem dennoch zähneknirschend fügt, wird alles tun, um dem ungeliebten Arbeitsort – der er sein könnte –, möglichst schnell, spätestens nach ein paar Jahren, zu entfliehen. Auch das ist nicht gut für die Motivation und die Arbeit vor Ort.
Das alles sind Gründe, aus denen der Weg, den Bund und Länder seit zwei Jahren gehen, der einzig richtige ist. Gemeinsam wird dort nach Lösungen für die Mediziner
Das heißt aber nicht, dass Sachsen gar nichts tun könnte. Beispielsweise könnten die Stipendien für die Medizinstudierenden – auch das wurde schon ausgeführt –, die nach dem Studium bereit – bereit! – sind, auf dem Land zu arbeiten, ausgeweitet werden. Die Zahl der Studienplätze in der Medizin müsste erhöht werden. Es könnten innovative Konzepte – wie im Landkreis Aurich in Ostfriesland – aufgelegt werden. Dort werden geflüchtete Menschen mit abgeschlossenem Medizinstudium in einem Qualifizierungsprojekt dazu befähigt, als Ärzte zu arbeiten und so den Ärztemangel in der Region zu lindern. Davon steht in Ihrem Schnellschussantrag natürlich nichts. Wir werden ihn selbstverständlich ablehnen.
Mit Frau Dr. Maicher sind wir am Ende dieser Rederunde angekommen und könnten jetzt eine weitere eröffnen. Das wollen wir auch tun. Herr Kollege Wendt, Sie haben das Wort für die einbringende AfD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Natürlich ist unsere Forderung als Einzelmaßnahme im Strauß vieler Maßnahmen zu sehen. Auch die Staatsregierung hat einen großen Strauß von Maßnahmen angeboten. Wir haben auch mit der Ärzteschaft gesprochen. Und Sie werden es nicht glauben: Viele Ärzte stimmen mittlerweile dieser Quote zu, weil sie sagen, wir benötigen diese, weil absehbar ist, dass wir im ländlichen Bereich in den nächsten Jahren Schwierigkeiten bekommen werden. Was die Verträge und die Vertragsstrafen angeht, so sei gesagt, dass bereits jetzt Vertragsstrafen vereinbart werden im Rahmen dieser Stipendienprogramme und dass sich Bezug nehmend darauf Studenten schon vorab entscheiden müssen, ob sie später einmal im ländlichen Raum oder in irgendwelchen Fachbereichen praktizieren wollen.
Von daher möchte ich das entschärfen. Es ist nicht so, wie Sie es darstellen. Man sollte es schon etwas differenzierter zutage bringen bzw. auch entsprechend argumentieren.
Das war Herr Kollege Wendt, AfD-Fraktion. Gibt es in dieser zweiten Rederunde weiteren Redebedarf? – Das kann ich nicht erkennen. Wir haben auch noch das Schlusswort. Ich würde deshalb jetzt der Staatsregierung das Wort erteilen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nun um die Studienplätze oder den Ärztemangel geht, aber ich sehe es schon, Frau Staatsministerin. Frau Dr. Stange, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Wir haben uns natürlich miteinander abgestimmt, denn es ist ein gemeinsames Anliegen der beiden Ressorts, des Gesundheitsministeriums und des Wissenschaftsministeriums.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon von einigen Rednern sehr deutlich gemacht worden, welches Ziel dieser Antrag der AfD-Fraktion verfolgt. Es ist mitnichten eine Lösung des Problems, sondern eine Scheinlösung, die hier in die Öffentlichkeit getragen wird, die wir auf keinen Fall gebrauchen können. Lassen Sie mich einige Punkte nennen, die auch in den Redebeiträgen schon angedeutet worden sind. Ich bin mir absolut bewusst – und das ist die Wissenschaftsseite auf Bundesebene insgesamt –, dass die Herausforderungen im Gesundheitswesen gemeinsam gelöst werden müssen und die ärztliche Versorgung auch im ländlichen Raum oder in den sogenannten unterversorgten Bereichen zu sichern ist.
Aber Tatsache ist auch – und das will ich noch einmal anhand von Zahlen deutlich machen –, dass es in Deutschland im Vergleich zu OECD-Ländern sehr viele Ärzte gibt. Die Ärztedichte liegt mit circa 3,8 praktizierenden Ärzten, also Allgemeinärzten und Fachärzten, pro 1 000 Einwohnern im oberen Drittel. Wir haben bei sinkender Bevölkerung heute 5 000 Ärzte mehr im Land als vor etwa zehn Jahren. Es gibt deshalb eine ausreichende Anzahl von Ärzten, um die medizinische Versorgung im ländlichen Raum und im Land insgesamt zu sichern, aber es gibt ein Verteilungsproblem innerhalb der ärztlichen Selbstverwaltung; denn an oberster Stelle sind die Ärzte- und Krankenkassenverbände zuständig und gefordert, die ärztliche Versorgung stärker als bisher am Bedarf auszurichten.
Nicht zuletzt regelt die Zulassungsverordnung der Vertragsärzte in § 12 Abs. 4 dies: „Die Kassenärztlichen Vereinigungen sollten darauf hinwirken, dass die Ärzte bei der Wahl ihres Vertragsarztsitzes auf die sich aus den Bedarfsplänen ergebenden Versorgungsbedürfnisse
Rücksicht nehmen. Gelingt dies nicht, erscheint es dem einen oder anderen offenbar ein probater Weg zu sein, einfach den Ruf an die Wissenschaftsseite zu richten, das Versorgungsproblem der ärztlichen Selbstverwaltung möglichst per Vorabquotenregelung für zukünftige Ärztinnen und Ärzte im ländlichen Raum zu lösen. Aber, und das haben die Rednerinnen und Redner der Fraktionen schon gezeigt, ganz so einfach ist das nicht. Das habe ich gestern schon einmal beim Hochschulzulassungsgesetz gesagt. In der Frage der Einführung einer Vorabquote rate ich dringend von übereiltem Regelungsaktionismus ab. Nichts anderes wäre dies. Es ist unbestritten eine wichtige Aufgabe, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum im Rahmen der Daseinsvorsorge zu sichern – und übrigens nicht nur dort.
Darüber hinaus besteht kein Zweifel an der Analyse des derzeitigen und zukünftigen Ärztebedarfs im ländlichen Raum. Allerdings steht hier der Freistaat Sachsen nicht
allein vor erheblichen Herausforderungen und deshalb haben sich die Wissenschafts- und die Gesundheitsseite sowie Bund und Länder zusammengesetzt. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Einführung einer Landarztquote ist seit Langem ein zentrales Thema, schon bevor die AfD ans Licht der Öffentlichkeit gekommen ist. Die Erörterung zum „Masterplan Medizinstudium 2020“ zwischen Bund und Ländern, der derzeit in der Endverhandlung ist, wobei sich die Kultusministerkonferenz sich diesen Monat noch endgültig zu diesem Masterplan bekennen wird, ist ein beredtes Beispiel dafür, dass es nicht um eine einzige Lösung geht, sondern um eine grundsätzliche Reform des Medizinstudiums.
Deswegen unterstützen wir diesen Masterplan 2020 und auch die vorgesehene Landarztquote. Das einzige strittige Thema, weswegen es heute in der Kultusministerkonferenz eine Vertagung gegeben hat, ist die Finanzierung dieses Masterplans. Deswegen setze ich ein Achtungszeichen bei all denen, Herr Neubert, die sagen, wir brauchen mehr Medizinstudienplätze. Das sind die teuersten Studienplätze, die wir haben, und wir müssen ganz genau hinsehen, was mit den ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen am Ende wird.
Es bedarf keines Antrags der AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag, da das Problem längst auf der Agenda ist. Ohne der anstehenden Beschlussfassung auf Bund/Länderebene zum Masterplan vorgreifen zu wollen, sind die Kultus- und die Gesundheitsministerkonferenz übereingekommen, in der Vergabeverordnung der Stiftung für Hochschulzulassung ausdrücklich die Möglichkeit zu eröffnen, Medizinstudienplätze vorab an Bewerberinnen und Bewerber zu vergeben, die sich verpflichten, nach Abschluss des Studiums und der fachärztlichen Weiterbildung in der Allgemeinmedizin für bis zu zehn Jahren in die hausärztliche Versorgung in den unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten ländlichen Regionen oder Planungsbereichen tätig zu sein.
Es besteht deshalb auch Einigkeit darin, dass hierbei die fachliche Eignung und die Motivation zur hausärztlichen Tätigkeit im besonderen Auswahlverfahren zu überprüfen sind und die eingegangenen Verpflichtungen – und da ist der Haken, zu dem die AfD-Fraktion nichts gesagt hat – mit wirksamen Sanktionen abgesichert werden müssen. Aber die Umsetzung der Vorabquoten in den Ländern kommt meines Erachtens erst dann in Betracht – und so wird es auch drinstehen –, wenn alle anderen Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigungen, der Ärztekammern, der Kommunen und der Programme nachweislich die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der unterversorgten oder von Unterversorgung bedrohten ländlichen Regionen oder Planungsbereiche nicht gewährleisten können.
Vor diesem Hintergrund ist der Antrag in den Punkten 1 a und 1 b abzulehnen. Es ist nicht nur der Bedarf nachzuweisen, der zweifelsfrei besteht, sondern auch der Nachweis zu führen, dass keine anderen Mittel als die Einführung einer Vorabquote zur Verfügung stehen, um diesen
Bedarf zu decken. Dieser Nachweis ist von der Gesundheitsseite, den von mir genannten Stellen, zu führen. Umfangreiche Abstimmungen zwischen den Ressorts sind zwingend geboten, da dieser Nachweis der Erforderlichkeit für die Einführung einer Vorabquote die verfassungsrechtliche Vorgabe widerspiegelt, denn wir bewegen uns hier im Schutzbereich der Berufsfreiheit des Artikels 12 des Grundgesetzes und des Artikels 28 der Sächsischen Verfassung. Das kann ich nicht oft genug betonen. Das ist keine Willkür von Politikern, sondern unsere Grundnorm, die wir uns selbst gegeben haben.
Die Einführung einer Vorabquote greift in die Berufswahlfreiheit derjenigen ein, die aufgrund der Vorabquote trotz besserer Geeignetheit für das Medizinstudium gerade keinen Medizinstudienplatz mehr erhalten werden. Diese verfassungsrechtlich komplexe Rechtsmaterie
bedarf insbesondere zur Vermeidung von zusätzlichen Studienplatzklagen – im Medizinbereich gibt es aufgrund des Verfassungsgrundsatzes die meisten Klagen – nach Einführung einer derartigen Quote einer besonders sorgfältigen rechtlichen Prüfung. Das betrifft nicht nur das Ob, sondern das Wie einer Vorabquote unter Beachtung der verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeit auf
Deswegen wird im Masterplan 2020 dieser Prozess auf die Landesebene und die landesrechtliche Prüfung hinauslaufen. Dies gilt insbesondere für etwaige sanktionsrechtliche Konsequenzen für den Fall der Nichteinhaltung des unter Punkt 1 d des Antrags Geforderten.
Als Wissenschaftsministerin möchte ich anmerken, dass hervorragende Medizinerinnen und Mediziner in Sachsen auch in der Forschung benötigt werden. Herr Mann hat vorhin schon auf einiges hingewiesen. Wollen wir junge Menschen, die ihren Studienplatz über eine Quotenregelung erhalten, später dafür sanktionieren, wenn während des Studiums ihr Interesse beispielsweise für die Krebs-, Alzheimer- oder Diabetesforschung entfacht ist? Und wie sanktionieren wir sie dann?
Die Einführung einer Vorabquote darf auch – und ich hoffe, Sie stimmen mir in diesem Punkt zu – nicht dazu führen, dass sich weniger geeignete, aus gut betuchtem Elternhaus stammende Bewerber einen Medizinstudiumplatz erkaufen bzw. sich später wieder freikaufen können. Eines steht fest: Die Erteilung der ärztlichen Approbation kann nicht von einer vertraglichen Verpflichtung zur zukünftigen Tätigkeit im ländlichen Raum abhängig gemacht werden und kommt daher auch als Sanktionsmittel nicht infrage.
Nicht zuletzt sollte die Forderung nach der Einführung einer Vorabquote auch im Hinblick auf das Gebot der Qualitätssicherung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum und der Vermeidung einer ZweiKlassen-Ärzteschaft einer kritischen Betrachtung unterzogen werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich versichere Ihnen: Das sächsische Wissenschaftsministerium wird hier die weitere Entwicklung in Abstimmung mit dem
Sozialministerium sehr aufmerksam begleiten und auch – wo notwendig – nachsteuern. Unabhängig davon sollten alle Potenziale einer Stärkung der ambulanten Versorgungsstrukturen durch Maßnahmen wie die Ausweitung des bereits bestehenden Stipendienprogramms, den Ausbau und die Förderung ambulanter Weiterbildungsangebote im Haus und vor allen Dingen im fachärztlichen Versorgungsbereich, die Fördermöglichkeiten der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 105 SGB V durch die Selbstverwaltung sowie die Eigeneinrichtung der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen oder medizinischer Versorgungszentren der Kommunen zunächst ausgeschöpft werden.
Ich würde es begrüßen, auch das ist ein Desiderat, wenn, wie mehrfach schon gefordert, die sächsische Landesärztekammer endlich eine Absolventenstudie anstoßen könnte, mit der wir mehr über den Verbleib der ausgebildeten Medizinerinnen und Mediziner und ihre Motive erfahren könnten.
Insoweit sollten alle Potenziale einer Stärkung der ambulanten Versorgungsstrukturen durch Maßnahmen – hier sind unter anderem die Ausweitung des bereits bestehenden Stipendiumprogramms oder der Aus- und Aufbau von telemedizinischen Angeboten zu nennen – ausgeschöpft werden. Erst dann kann die Karte der Vorabquote gezogen werden.
Frau Staatsministerin Dr. Stange sprach für die Staatsregierung. Jetzt hat die AfD die Möglichkeit für ein dreiminütiges Schlusswort. – Herr Kollege Wendt, bitte.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte mich zunächst für die sachliche Debatte bedanken.
Ich möchte in meinem Schlusswort ganz kurz auf die Stellungnahme der Staatsregierung eingehen. Sie haben vorgeschlagen, den Antrag deshalb anzulehnen, weil sich die Länder – ich zitiere – „bereits seit Längerem“ in einem Erörterungsprozess befinden.
Des Weiteren schreiben Sie, dass dazu Anfang des Jahres 2015 eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe der Gesundheits- und Wissenschaftsminister ins Leben gerufen worden ist, die sich der Erstellung eines Masterplanes widmen und die Empfehlungen des Wissenschaftsrates dazu aus dem Jahr 2014 aufgreifen soll. Des Weiteren haben Sie erwähnt, dass es sich hierbei um eine komplexe Rechtsmaterie handelt und dass es einer sorgfältigen Prüfung dahin gehend bedarf, ob und wie die Einführung einer Vorabquote auf Landesebene unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
Es sind mittlerweile jedoch schon wieder zwei bis drei Jahre vergangen, und es hat sich bis dato leider noch nichts getan. Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind – wie bereits erwähnt – unseres Erachtens ausgeräumt worden. Wir schlagen deshalb vor, dass wir den Antrag zurücküberweisen an den federführenden Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien sowie an den mitberatenden Ausschuss für Soziales und Verbraucherschutz. Diese Anhörung sollte auch im Interesse der Staatsregierung liegen. Wir sollten diese Anhörung durchführen, damit Bewegung in den Prozess kommt und wir endlich einen großen Schritt nach vorn tun.
Vielen Dank. Meine Damen und Herren! Es ist vorgeschlagen, den in der Drucksache 6/8490 vorliegenden Antrag an den Ausschuss für Wissenschaft und Hochschule, Kultur und Medien zurück zu überweisen. Wer dem seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenenthaltungen? – Viele.
Damit ist der in der Drucksache 6/8490 vorliegende Antrag an besagten Ausschuss überwiesen worden und der Tagesordnungspunkt ist damit beendet.