eigene Praxis mit sich bringt, scheuen. Auch diese Entwicklung – so die Landesärztekammer – trifft negativ vor allem die medizinische Versorgung im ländlichen Raum.
Sehr geehrte Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat in den letzten Legislaturperioden immer wieder das Thema Ärztemangel auf die Tagesordnung des Landtags gebracht und vielfältige Anträge eingereicht. Es hat sich in den letzten Jahren in Sachsen auch einiges getan. So gibt es für die Praxisnachfolge in Problemregionen die Möglichkeit einer Anschubfinanzierung von 60 000 Euro. Ebenfalls ist es in solchen Fällen möglich, dass für eine Anlaufzeit von drei Jahren ein Mindestumsatz garantiert und finanziert wird. Es existiert – das wurde bereits angesprochen – ein Stipendienprogramm, mit dem Medizinstudierende, die sich verpflichten, danach im ländlichen Raum eine Praxis zu übernehmen, mit monatlich 1 000 Euro gefördert werden.
Aber trotzdem müssen wir feststellen, dass sich die eingangs beschriebene Situation des Hausärztemangels insbesondere im ländlichen Raum in den letzten Jahren nicht verbessert hat, sondern im Gegenteil: Die Situation hat sich noch verschlechtert. Wir als LINKE stellen die Forderung, dass ein neues Gesamtkonzept zur Bekämpfung des Ärztemangels, insbesondere bei den Allgemeinmedizinern, dringend nötig ist.
Es bedarf der Diskussion über Maßnahmen und Ideen, die über die bisherigen Maßnahmen hinausgehen; denn diese waren bisher offensichtlich nicht wirksam. Wir müssen über Dinge reden, die häufig schon diskutiert wurden: über den Abbau von bürokratischen Hürden bzw. den Abbau eines überdimensionierten Abrechnungs- und Berichtswesens; über die Förderung der Einrichtung von medizinischen Versorgungszentren für eine konzentrierte medizinische Versorgung und von Synergieeffekten; über den flächendeckenden Einsatz von Gemeindeschwestern; über die Angleichung der Honorare zwischen Ost und West, um eine Abwanderung gerade der jüngeren Fachkräfte in diesem Bereich zu verhindern; über die Stärkung von Krankenhäusern in der öffentlichen Hand, weil gerade auch medizinische Infrastruktur eine öffentliche Aufgabe ist.
Wir sollten außerdem über Dinge reden, sehr geehrte Damen und Herren, die neu oder aktuell in die Diskussion gelangt sind, zum Beispiel über mobile Dienste einer Hausarztversorgung in wirklich entlegenen Gegenden: Da, wo man den Weg zum Arzt mit den öffentlichen Verkehrsmitteln früh starten muss, um abends wieder zu Hause zu sein. Die Debatte über den schlechten Zustand der Mobilität mit öffentlichen Verkehrsmitteln im ländlichen Raum haben wir bereits gestern früh geführt.
Wir müssen darüber sprechen, ob wir nicht die Anzahl der Studienplätze für Medizin in Sachsen deutlich erhöhen. Die TU Dresden und die Uni Leipzig haben schon die weiße Fahne gehisst, dass ein Mehr an Ausbildung bei ihnen nicht möglich ist. Warum sollten wir nicht an der TU Chemnitz eine medizinische Fakultät einrichten und Medizinstudierende ausbilden?
Am Klinikum in Chemnitz besteht bereits die Möglichkeit, ein kostenpflichtiges internationales Medizinstudium in Kooperation mit der Medizinischen Fakultät der KarlsUniversität in Prag zu absolvieren. Einen Teil des klinischen Ausbildungsabschnittes können deutschsprachige Studierende ab dem 4. Studienjahr im Klinikum in Chemnitz absolvieren. Hier gibt es schon Grundlagen, um an der TU auch ein vollständiges Medizinstudium zu etablieren und Studienplätze zu schaffen. Das hat im Übrigen auch den Vorteil der regionalen Verankerung der Studierenden. Das heißt, es entsteht im besten Fall eine Bindung an die Region, die die Studierenden nach der Ausbildung zum Arzt in dieser Region hält.
Natürlich müssen wir auch darüber diskutieren, inwieweit wir gezielt Medizinstudienplätze an junge Leute vergeben, die sich verpflichten, nach ihrem Studium als Hausärzte im ländlichen Raum zu arbeiten – junge Leute, die möglicherweise nicht ein 1,0-er Abitur haben, aber für den Arztberuf brennen.
Studienplätze im Fach Medizin werden im Regelfall folgendermaßen verteilt: 20 % nach Abiturbestenquote, 20 % nach Wartesemestern und 60 % nach den Kriterien von Hochschulen.
Eine Vergabe von Studienplätzen, gebunden an eine Verabredung oder einen Vertrag, danach als Hausarzt in den ländlichen Raum zu gehen, ist aktuell nicht vorgesehen. In Sachsen gab es vor einigen Jahren diese Idee – sie wurde nicht umgesetzt. Dafür hat sich die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen im deutschsprachigen Medizinstudiengang in Pécs in Ungarn mit 20 Studienplätzen eingekauft und mit den von ihr dahin entsandten Studierenden einen Vertrag darüber abgeschlossen, dass sie anschließend mindestens fünf Jahre als Hausarzt im ländlichen Raum in Sachsen arbeiten – natürlich mit dem Ziel und der Vermutung, dass sie auch nach den fünf Jahren in dieser Region bleiben.
Aktuell gibt es in der Debatte zum „Masterplan Medizinstudium 2020“ auf Bundesebene abermals die Überlegung, im Zuge einer Vorabquote eine Art Landarztquote einzuführen. Und zwar existiert nach dem Hochschulzulassungsgesetz, welches wir gestern in der aktuellen Form beschlossen haben, die Möglichkeit, von der oben beschriebenen Verteilung der Studienplätze –
20 %/20 %/60 % – bereits maximal 20 % der Studienplätze an besondere Härtefälle bzw. besondere Statusgruppen zu vergeben. In diesem Gesetz gibt es auch den Passus, Studienplätze für – Zitat – „Bewerberinnen und Bewerber, die sich aufgrund entsprechender Vorschriften verpflichtet haben, ihren Beruf in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs auszuüben“ vergeben zu können, was eine Einflugschneise für eine solche lenkende Studienplatzvergabe wäre.
Dabei müssen selbstverständlich die verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Einschränkung der Berufswahlfreiheit nach dem Grundgesetz beachtet werden. Das ist auch in der Stellungnahme der Staatsregierung zum Antrag ausgeführt und letztendlich Aufgabe der Juristen.
Es gibt zu diesem Vorschlag Kritik der Ärztegewerkschaften und auch der Vertretung der Medizinstudierenden, da dieser angeblich die Berufsfreiheit einschränkt. Allerdings ist die Situation für einen Menschen mit dem Traumberufswunsch Arzt, aber einem Abitur mit einigem Abstand zum 1,0-er Durchschnitt aktuell jene, dass er seinen Traumberuf nie erlernen bzw. ausführen können wird.
Warum sollte man nicht mit einem solchen jungen Menschen einen Vertrag abschließen, dass er danach einige Zeit als Hausarzt im ländlichen Raum arbeitet? Das wäre für die Gesellschaft und für ihn eine Win-win-Situation; denn ohne einen solchen Vertrag hätte der junge Mensch nie die Chance, seinen Traumberuf zu ergreifen. Die Debatte werden wir aber sicher noch führen, wenn der „Masterplan Medizinstudium 2020“ fertig erarbeitet ist – genauso wie die im Masterplan aufgeworfene Debatte über die auch aus unserer Sicht nötige Veränderung der Ärzteausbildung und eine frühzeitige Arbeit am Patienten.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wir brauchen einen permanenten Diskussionsprozess und ein breit gefächertes modernes Konzept zur Bekämpfung des Ärztemangels in Sachsen. Sich dabei nur einen Punkt aus wiederum nur einem Teilbereich herauszugreifen ist uns für dieses brennende Problem zu kurz gesprungen. Daher lehnen wir den Antrag ab.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die AfD-Fraktion legt uns heute einen Antrag vor, der im Ansatz ohne Zweifel noch gut klingt: „Ärztliche Versorgung im ländlichen Raum sichern“ – dagegen kann kein Abgeordneter im Sächsischen Landtag etwas haben. Doch schon das Ende des Antragstitels – „Studienplatzvergabe reformieren!“ – mindert die Zustimmung. Demnach greift die AfD genau eine Maßnahme aus einem komplexen System heraus, um dem Ärztemangel im ländlichen Raum zu begegnen. Zudem ist dies ausgerechnet die eine Maßnahme – das kam hier schon zur Sprache –, welche unter Gesundheits- und Wissenschaftsexperten hoch umstritten ist.
Konkret fordert die AfD die Bildung einer Vorabquote für die Zulassung zum Humanmedizinstudium unter vertraglicher Bindung an ein späteres Tätigwerden im ländlichen Raum – gemeint ist sicherlich nicht der ländliche Raum allgemein, sondern die unterversorgten Gebiete Sachsens –, um dem Problem der Unterversorgung dort zu begegnen.
Meine Damen und Herren! Wenn sich unter anderem der Medizinische Fakultätentag, der Verband der Universitätsklinika, die Bundesvertretung der Medizinstudierenden, der Deutsche Ärztetag, die Sächsische Landesärztekammer, der Marburger Bund und der Hartmannbund –
also sieben wichtige Verbände – ablehnend gegenüber einer Vorabquote äußern, dann sollten wir hier im Hohen Haus nicht im Vorbeigehen über die Einführung einer solchen entscheiden. Im Übrigen kenne ich derzeit keine einzige Krankenkasse, die eine solche Maßnahme fordert oder befürwortet.
Gern erläutere ich Ihnen auch, warum nicht. Ein Grund kam schon zur Sprache: Mit Einführung einer Vorabquote bei der Hochschulzulassung würde ein Eingriff in die Berufswahlfreiheit des Artikels 12 des Grundgesetzes vorgenommen. Dies ist nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofes wie auch des Bundesverfassungsgerichts nur in sehr engen Schranken möglich, da so leistungsstärkere Bewerberinnen und Bewerber verdrängt würden. Es bedarf zunächst konkreter Untersuchungen zur Geeignetheit und zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen und einer konkreten Abschätzung ihrer Wirksamkeit.
Zu der genauen Ausgestaltung einer solchen Vorabquote fehlen in dem Antrag Angaben. Insbesondere bleibt unklar, was denn die Folgen möglicher Studienabbrüche oder von Änderungen der eingeschlagenen Facharztausbildung wären. Vertragsstrafen? In welcher Höhe?
Zum Dritten: Wir sind der Meinung, Sie gehen den letzten Schritt vor dem ersten. Eine Vorabquote könnte aus der Sicht der SPD-Fraktion nur die Ultima Ratio sein, nachdem alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft sind.
Sehr geehrte Damen und Herren! Das Thema und die damit verbundenen Herausforderungen sind nicht neu. Das belegen unterschiedliche Initiativen der Staatsregierung; ich sehe dort drüben die Sozialministerin. Das in Auftrag gegebene Gutachten zur Entwicklung des ambulanten Versorgungs- und Ärztebedarfs in Sachsen bis zum Jahr 2030 zeigt künftige Leistungsbedarfe auf.
In ihrem 20-Punkte-Plan – dieser kam schon zur Sprache – hat die Staatsregierung bereits verschiedene Maßnahmen unterbreitet, um künftige Bedarfe zu decken. Aus hochschulpolitischer Sicht sei zumindest das erfolgreich angelaufene Stipendiatenprogramm benannt. Im laufenden Doppelhaushalt 2017/2018 stehen für 20 Stipendien pro Jahrgang insgesamt 2,25 Millionen Euro zur Verfügung.
Aber auch die aktuelle Hochschulentwicklungsplanung hat reagiert und Verantwortung im Bereich der Daseinsvorsorge übernommen. An den Medizinischen Fakultäten in Leipzig und Dresden wurden die Studienplätze im Medizinbereich nochmals – um 20 auf 540 – erhöht. Damit bildet Sachsen deutlich mehr Mediziner aus, als es nach seinem Anteil an der Gesamtbevölkerung ausbilden müsste. Im Übrigen haben gerade in der vergangenen Woche die Medien vermeldet, dass die Anzahl der Ärzte in Sachsen im vergangenen Jahr um 373 gestiegen sei, seit 2006 sogar um 5 000 Ärzte. Allein am Angebot an Medizinabsolventen scheint es also nicht zu liegen.
Wie in jedem anderen Bereich gilt nichtsdestotrotz: Auch wir müssen uns darum bemühen, dass die Studienbewerber zu einem erfolgreichen Abschluss kommen und
danach möglichst im Freistaat gehalten werden. Genau hier setzen auch Maßnahmen der Kassenärztlichen Vereinigung und des Sozialministeriums an.
Ein letzter Hinweis noch zu möglichen Maßnahmen – auch dieser Hinweis wurde schon gegeben –: Während wir heute debattieren, wird bei der Kultusministerkonferenz über den „Masterplan Medizinstudium 2020“ beraten. Sicherlich enthält auch dieser eine Position zu der heute debattierten Vorabquote sowie weitere Änderungen und Maßnahmen. Aus unseres Sicht gilt es daher, diese Veröffentlichung abzuwarten, um dann zwischen Hochschulpolitik, Sozialpolitik und Gesundheitspolitik abgestimmte Maßnahmen zu ergreifen.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Das Thema ist komplex. Es hat auch eine verfassungsrechtliche Dimension. Das Problem kann nicht mit einer einzigen Maßnahme gelöst werden. Aus diesem Grund wird die SPDFraktion diesen Antrag ablehnen.
Zu guter Letzt noch ein kleiner Hinweis: Selbst wenn wir uns hier und heute darauf verständigen würden, dem Ärztemangel mit einer solchen Vorabquote zu begegnen, wäre das keine Lösung unserer kurz- und mittelfristigen Probleme. Darauf möchte ich insbesondere im Vorfeld der Wahlkampfmonate verweisen. Das Medizinstudium
dauert mindestens sechs, die Facharztausbildung mindestens fünf Jahre. Kurzum, frühestens im Jahr 2028 könnten die ersten Ärzte aus einem solchen Modell in den Regionen gebunden werden. Allein daraus ergibt sich: Wir brauchen auch kurz- und mittelfristig wirksame Maßnahmen.
Ganz persönlich eine Frage an Sie: Wer von Ihnen wusste vor elf Jahren, dass er sich heute hier im Hohen Haus befinden würde? Es gibt also ein ganz persönliches Motiv, weshalb wir davon abraten, eine solche Vorabquote festzulegen. Wieso sollten wir heute schon Menschen vor Studienaufnahme an eine Fachrichtung binden? Wieso sollten wir elf Jahre vorher entscheiden, wo genau ihre Stärken liegen? Vielleicht würden wir damit verhindern, dass ein begnadeter Herzchirurg ausgebildet wird. Vielleicht würde der potenzielle nächste Forschungspreisträger zum niedergelassenen Arzt gemacht. Das kann nicht einziger Sinn und Zweck einer wissenschaftlichen Ausbildung sein.
Aus unserer Sicht wirft der vorliegende Antrag mehr Fragen auf, als dass er Antworten gibt. Aus den genannten Gründen werden wir ihn ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Über die Auswirkungen des Fehlens von Ärzten auf dem Land ist schon viel gesagt worden; deswegen kann ich mich
Dieser Antrag ist wieder ein treffendes Beispiel dafür, wie Sie von der AfD Politik betreiben. Sie nehmen ein allgemein bekanntes Problem – konkret: den Ärztemangel, die bedrohte Versorgung mit Ärzten auf dem Land – und liefern eine scheinbar einfache Lösung, obwohl das System höchst komplex ist. In diesem Fall fordern sie, bei der Vergabe von Medizinstudienplätzen eine Quote zu bilden für diejenigen Studienbewerber, die sich vertraglich verpflichten, nach ihrem Studium als Mediziner auf dem Land zu arbeiten. Das verkaufen Sie als die Lösung des Problems. Dann beklagen Sie sich öffentlich über „ideologische Schranken“, die dazu geführt hätten, dass wir hier im Hohen Hause die Zustimmung verweigert haben.
Das ist aber nicht so. Man kann zwar über weitere Quoten bei der Studienplatzvergabe nachdenken. Aber mit dem vorliegenden Antrag wollen Sie die Berufsfreiheit mit einem Federstrich zu den Akten legen. Ich weiß, mit Freiheit haben Sie es nicht so.
Nach Ihren Vorstellungen sollen Menschen am Anfang ihres Erwachsenenlebens einen Knebelvertrag unterschreiben.
Nein. – Mit einem solchen Vertrag wollen Sie die jungen Menschen um jeden Preis, auch mit Drohungen – in Ihrer Antragsbegründung ist von „Vertragsstrafen“ und „Schadensersatz“ die Rede –, nach dem Studium aufs Land führen. Auch mit der Willkommenskultur haben Sie es ja nicht so; das liest man aus Ihren Formulierungen heraus. Einen solchen Vertrag unterschreiben Studierende dann vielleicht nur, damit sie einen der begehrten Studienplätze in der Medizin bekommen.
Holger Mann hat es schon gesagt: Ein Medizinstudium dauert mindestens sechs Jahre. Prioritäten ändern sich aber. Vielleicht wird sogar eine Familie gegründet. Dann müssen die jungen Menschen aber ohne die Möglichkeit der freien Berufswahl den Pakt erfüllen, egal ob das Kind in der Kita ist, egal ob die Bezugs- und Unterstützungspersonen dort wohnen. Wie stellen Sie sich das denn vor? Besonders familienfreundlich ist das nicht.
Wer sich dem dennoch zähneknirschend fügt, wird alles tun, um dem ungeliebten Arbeitsort – der er sein könnte –, möglichst schnell, spätestens nach ein paar Jahren, zu entfliehen. Auch das ist nicht gut für die Motivation und die Arbeit vor Ort.