Zum Thema Bundesländerkompetenzen. Unser Antrag ist ganz klar mit dem geltenden Recht und Gesetz vereinbar. Wir stützen uns dabei auf einen geltenden Passus des Aufenthaltsgesetzes, § 60 a, und wir wollen noch einmal stimulieren, dass andere Paragrafen des Aufenthaltsgesetzes, wie § 25 a und b, stärker genutzt werden, weil die Ausländerbehörden aus unserer Sicht und nach unserer Erfahrung sehr unterschiedlich mit der Vergabe der Aufenthaltstitel umgehen. Eine Wegweisung von der Landesebene könnte hierbei verändernd wirken.
Rot-Rot-Grün hat im Bundesrat die Mehrheit, Kollege Pallas. Verstehen Sie unseren Antrag doch als Fahrtwind, dort Mehrheiten zu suchen. Die Debatte zu den MaghrebStaaten hat gerade gezeigt, dass dies möglich ist, dass Gesetzesvorhaben aus Menschenrechtserwägungen heraus gestoppt werden können.
Nehmen Sie das mit und stimmen auch Sie als SPD dem Antrag zu. Gehen Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus den anderen Bundesländern mit, um ein starkes
Signal aus Sachsen zu setzen. Ich kann den Satz der Kollegin Zais nur wiederholen: Wir wollen nicht den Abschiebestopp allein, sondern wir wollen ihn in Verbindung mit einer Offensive aus Sachsen für eine Neubewertung der Situation in Afghanistan.
Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 6/8768 zur Abstimmung. Wer seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei keinen Enthaltungen und zahlreichen Stimmen dafür hat der Antrag dennoch nicht die erforderliche Mehrheit gefunden. Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.
Die Fraktionen nehmen wie folgt Stellung: AfD, danach die CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn das Wort gewünscht wird. Wir beginnen mit der Aussprache. Für die AfDFraktion spricht Herr Abg. Wendt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit unserem Antrag wollen wir die ärztliche Versorgung im Freistaat Sachsen sichern und zukunftsfest machen. Wir möchten dies tun, weil durch das „Gutachten zur Entwicklung des Versorgungs- und Ärztebedarfs im Freistaat Sachsen 2030“ klar geworden ist, dass ein drohender Ärztemangel, beispielsweise bei den HNO-Ärzten, Radiologen, Neurologen, Urologen und Dermatologen, existent ist. Bereits heute sind in 13 von 47 Mittelbereichen über die Hälfte der Ärzte 59 Jahre oder älter. Erstmals wurde 2016 durch die Kassenärztliche Vereinigung festgestellt, dass in 25 Planungsbereichen eine Unterversorgung mit Hausärzten droht. Seither unternahm die Staatsregierung diesbezüglich noch nichts, um dieses Problems Herr zu werden.
Das Medizinstudium umfasst eine Regelstudienzeit von zwölf Semestern, also sechs Jahren. Hinzu kommt die Facharztweiterbildung, die im Falle der Allgemeinmedizin nochmals fünf Jahre dauert. Angesichts dieser Zahlen ist es bereits 5 nach 12 und zügiges Handeln zwingend notwendig.
Nun werden Sie fragen, wie wir als AfD-Fraktion dieses Problem entschärfen wollen. Das möchte ich Ihnen kurz erklären. Ich möchte dies etwas vereinfacht darstellen, um es verständlicher zu machen. In der Begründung unseres Antrages, den Sie sicher alle gelesen haben, ist dies natürlich detaillierter beschrieben.
Im Staatsvertrag Hochschulzulassung gibt es sogenannte Vorabquoten. Diese sind beispielsweise für Bewerber vorgesehen, die bereits ein Studium in einem anderen Studiengang abgeschlossen haben, oder für beruflich Qualifizierte, aber auch – ich zitiere – „für Bewerberinnen und Bewerber, die sich aufgrund entsprechender Vor
schriften verpflichtet haben, ihren Beruf in Bereichen besonderen öffentlichen Bedarfs auszuüben“. Darunter fallen beispielsweise auch Sanitätsoffiziere der Bundeswehr. „Ein besonderer öffentlicher Bedarf kann ebenso für Landärzte angenommen werden, wenn eine Unterversorgung droht oder existent ist“ – so die Begründung des Gesetzentwurfes zum Hochschulrahmengesetz vom
Für diese Vorabquoten sind bis zu 20 % aller Studienplätze vorgesehen. Derzeit sind 12,4 % fest verteilt. Das eröffnet uns im ersten Schritt die Möglichkeit, eine Quote für Studenten des Bereiches Humanmedizin einzufordern, die nach dem Studium im ländlichen Raum praktizieren wollen. Mit einem solchen Schritt können – wenn wir eine Quote von 7,5 % pro Studienjahr ansetzen – etwa 40 Studenten und damit spätere Ärzte für den ländlichen Raum gewonnen werden.
Hierbei soll die Abiturnote, die für viele Bewerber lange Wartezeiten oder eine Ablehnung bedeutet, nicht im Vordergrund stehen. Wir möchten, dass in diesen Fällen das Schwergewicht auf die persönliche und die soziale Kompetenz, die Motivation sowie die Bereitschaft, sich nach dem Studium im ländlichen Raum dauerhaft niederzulassen, gelegt wird.
Bereits im Jahr 2010 wurde auf Bundesebene über derartige Landarztquoten diskutiert. Bisher scheiterten diese Vorhaben unter anderem an verfassungsrechtlichen Bedenken, an den zugrunde liegenden Verpflichtungserklärungen.
Die verfassungsrechtlichen Bedenken sind unseres Erachtens nun mit einem vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenen Gutachten aus dem Jahr 2015 aus dem Weg geräumt worden. Wir haben hierzu einen Vorschlag gemacht und sollten diesen Schritt auch gehen, der für den Freistaat Sachsen wichtig wäre.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die zukünftige Entwicklung der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum ist ein Schwerpunktthema für viele Kolleginnen und Kollegen im Sächsischen Landtag. Auch in meinem Wahlkreis, im Dreiländereck, ist das ein vordringliches Thema. Von daher ist über den Antrag sachlich zu diskutieren. Er greift ein wichtiges Thema der Daseinsvorsorge auf.
Wie in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge stellt uns auch hier der demografische Wandel vor besondere Herausforderungen, insbesondere wenn es um eine wohnortnahe Absicherung und um eine qualitativ hochwertige Versorgung mit medizinischen Leistungen im Hausarzt- und im Facharztbereich geht.
Es ist aber auch absehbar, dass dieses Problem in nächster Zeit noch deutlich herausfordernder wird, um es zu lösen, weil wir vorhandene Strukturen und personelle Kapazitäten dafür nutzen müssen und sprichwörtlich – das passt dazu – pflegen müssen. Wenn man jetzt den Antrag der AfD hernimmt, dann ist dazu zu sagen – Herr Wendt ist schon darauf eingegangen –, dass es so einfach, wie es formuliert ist, nicht ist, und er letztlich bestehende verfassungsrechtliche Strukturen auseinandernimmt und am Thema vorbeigeht.
Es ist auch nicht so, dass sich dort noch nichts getan hat. Seit dem Jahr 2015 gibt es eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die an einem „Masterplan Medizinstudium 2020“ arbeitet. Zu den erklärten Zielen dieser Gruppe gehört eine Reformierung der Studienzulassung. Diese kann ich aber nicht durch irgendwelche Quotenmodelle oder Auswahlverfahren regeln, sondern es gibt gewisse Dinge verfassungsrechtlicher Art zu berücksichtigen. Ich denke dabei auch an die Eckpunkte des Wissenschaftsrates, der im Jahr 2014 die internationale Kompetenzorientierung in der medinischen Ausbildung beschrieben hat. Das alles sind Punkte, die dort einfließen müssen.
Ausgehend von den im Grundgesetz verbrieften Sozialstaatsprinzip sind Bund und Länder in der Verantwortung. Das ist auch weiterhin so. Wir tun im Freistaat Sachsen dahin gehend unser Mögliches. Wir haben auch im Haushalt und im Zukunftssicherungsfonds die Krankenhausinvestitionen, die Krankenhausleistungen, als
Schwerpunkte mit aufgestellt. Wir müssen dafür sorgen, dass über die Krankenhäuser die medizinische Versorgung mit Fachärzten im ländlichen Raum gesichert wird. Es gibt diesbezüglich intensive Gespräche, auch mit der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung. Es soll an der Stelle auch gesagt werden, dass die Politik nicht immer alles regeln kann, sondern wir – „leider“ sage ich jetzt bewusst – auch auf die Selbstverwaltung der Ärzte setzen und es politisch abbekommen. Wir können aber teilweise überhaupt nicht entscheiden, weil die Kassenärztliche Vereinigung diese Regelungen unter sich trifft.
Wir müssen gemeinsam mit den Partnern, den Ärzten, dafür werben, dass es zu mehr Anreizen kommt, damit sich junge Menschen nach ihrem Studium entscheiden, auch in ein strukturell anders aufgestelltes, unterversorgtes Gebiet zu gehen.
Sie fordern diese Vorabquote. Diese ist aber mit der Freiheit der Berufswahl in der Verfassung nicht vereinbar, die ein sehr hohes Gut ist. Das ist etwas, was wir nicht im Sächsischen Landtag ändern können, sondern dafür bedarf es einer Verfassungsänderung.
Das sächsische Sozialministerium setzt bereits jetzt gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung, mit der Landesärztekammer und den sächsischen Kommunen die Maßnahmen um, die zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung führen sollen. Als Beispiel möchte ich das Stipendienprogramm, die sogenannte Ausbildungsbeihilfe, nennen, mit dem angehenden Medizinern ab dem ersten Semester monatlich 1 000 Euro zur Verfügung gestellt werden, wenn sie sich verpflichten, in den ländlichen Raum zu gehen, um sich dort als Hausarzt außerhalb der Großstädte – allerdings ohne Ortsvorgabe – niederzulassen. Das ist eine Maßnahme.
Es gibt eine Vielzahl von Maßnahmen, die aus meiner Sicht vor allem auf kommunaler Ebene angesiedelt sein müssen, weil dort die Nähe zu den entsprechenden Punkten gegeben ist. Deswegen ist eine intensive Zusammenarbeit mit den Haus- und Fachärzten vor Ort wichtig, aber auch mit den Krankenhausgesellschaften. Es ist notwendig, dass man dezentral akademische Lehrkrankenhäuser bzw. akademische Lehrpraxen einrichtet und forciert. Wir haben das beispielsweise in Zittau, wo die Technische Universität Dresden ein akademisches Lehrkrankenhaus unterhält. Wenn man diese Personen in der Facharztausbildung schon in den ländlichen Raum bringt, ist die Chance, sie danach dort zu halten, viel größer.
Wir brauchen eine hausarztzentrierte, integrierte Versorgung. Letztlich müssen die Kliniken in die Lage versetzt werden, ein qualitativ hochwertiges Angebot zu unterbreiten, weil ein Facharzt natürlich auch als Facharzt arbeiten möchte. Dafür braucht er eine Infrastruktur und dafür braucht er auch entsprechende Fälle, ansonsten ist es nicht attraktiv, in den ländliche Raum zu gehen. Deswegen ist das Thema Investitionen ein wichtiges Thema.
Die Krankenhäuser in der Fläche müssen aus meiner Sicht intensiver miteinander arbeiten. Man kann nicht in jedem kleineren Krankenhaus alles anbieten, sondern man muss Schwerpunkte setzen. Auch die Digitalisierung mit Telemedizin bietet Möglichkeiten, die vor einigen Jahren noch nicht zur Verfügung gestanden haben. Wir müssen dafür sorgen, dass niedergelassene Vertragsärzte auch ambulante Leistungen in Absprache mit den Krankenhäusern erbringen und Patenschaften entwickeln, bei denen Ärzte mit angehenden Medizinern, also Medizinstudenten, als Mentoren dafür werben, dass es im ländlichen Raum auch Spaß macht, für die Menschen da zu sein.
Das alles sind Punkte, die der Freistaat Sachsen nicht von oben herab organisieren kann, sondern diese sind in
Abstimmung mit den Kommunen zu entwickeln. Das geht bis hin zu Wohnraum, Kita-Plätzen, also allem, was das Familiäre angeht, wo man sich vor Ort kümmern muss und sich die Bürgermeister auch drehen. Es ist ja nicht so, dass das nicht passiert.
Ich will damit nur sagen, dass Vorabquoten das eine sein können, diese aber verfassungsrechtlich nicht so einfach umsetzbar sind. Sie lösen keinesfalls das Problem an sich, sondern es bedarf eines Straußes an Maßnahmen.
Der Prozess der medizinischen Versorgung braucht eine ständige Begleitung und es braucht ein gutes Zusammenspiel von Ärzten, von politischen Institutionen, aber vor allem auch vor Ort. Von daher, muss ich sagen, greift der Antrag zwar ein wichtiges Thema auf, aber er ist an der Stelle ein Schaufensterantrag, weil Sie genau wissen, dass der Sächsische Landtag überhaupt nicht die Kompetenz hat, das Grundgesetz zu ändern. Dass dies nur eine Facette ist, habe ich, glaube ich, deutlich gemacht. Von daher werden wir dem Antrag nicht zustimmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die dramatische Situation des Ärztemangels und insbesondere des Mangels an Hausärzten im ländlichen Raum wird uns auch in Sachsen immer wieder vor Augen geführt. In mehreren Regionen Sachsens besteht im Bereich der Allgemeinmedizin, also bei den Hausärzten, eine drohende Unterversorgung.
Nach den Zahlen der Agentur für Arbeit sind in Sachsen 14 % der Beschäftigten in medizinischen und nicht medizinischen Gesundheitsberufen derzeit älter als 55 Jahre, das heißt: Jeder siebente Beschäftigte geht in den nächsten zehn Jahren in Rente.
Die Wissenschafts- und Gesundheitsminister haben 2015 einen Bericht vorgelegt, wonach bis 2025 deutschlandweit 20 000 Hausärzte fehlen. Sie sprachen zudem von einer doppelten Fehlverteilung: zum einen im Verhältnis zwischen Hausärzten und Fachärzten und zum anderen regional. Ausgebildete Ärzte gehen lieber in die Städte – also auch hier noch eine besondere Verschärfung der Situation im ländlichen Raum.
Die Bundesärztekammer fordert eine Erhöhung der Studienplätze für Medizin um 10 %, also um insgesamt 1 000 Studienplätze in Deutschland. Die aktuellste Wortmeldung kam diese Woche von der Landesärztekammer Sachsen mit dem Hinweis, dass immer weniger Ärzte eine eigene Praxis übernehmen, sondern lieber als Angestellte in einer Praxis arbeiten. Aus guten Gründen übrigens: zum einen, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu ermöglichen, und zum anderen, weil viele den immer höheren bürokratischen Aufwand, den eine
eigene Praxis mit sich bringt, scheuen. Auch diese Entwicklung – so die Landesärztekammer – trifft negativ vor allem die medizinische Versorgung im ländlichen Raum.