Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Bitte.

Bitte, Herr Kollege Zschocke.

Frau Dr. Stange, sind Sie der Auffassung, dass die in Ahaus zwischengelagerten Abfälle aus Sachsen in der Region Tscheljabinsk, konkret in der Anlage in Majak, sicher und ohne Gefährdungen für die Umwelt und die dort lebenden Menschen verbracht und entsorgt werden können?

(Alexander Krauß, CDU: Dort leben kaum Menschen!)

Ich bin deshalb sicher, da ich weiß, dass nicht wir das kontrollieren, schon gar nicht die Politik, sondern dass die Internationale Atomaufsichtsbehörde die Verbringung und Wiederverarbeitung der Kernbrennstäbe dort kontrolliert.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Das war bereits vor zehn Jahren ein Thema, als wir genau an diesen Ort verbracht haben und ebenfalls diese Besorgnis existierte. Wir haben uns das von der Internationalen Atomaufsichtsbehörde zeigen und erläutern lassen, und darauf vertraue ich, denn das sind die Einzigen, die dafür Sicherheit und Gewährleistung geben können.

Noch 28 Sekunden. Bitte nicht überschreiten!

Ich weiß. – Ganz kurz: Ich biete noch einmal allen Interessierten an, zum VKTA zu gehen und uns anzuschauen, was dort noch lagert, was möglich ist und was es für Sachsen bedeutet, wenn wir die Brennstäbe zurücknehmen müssen, und ich bitte dringend darum, die Unterstützung im Bundesrat und im Bundestag zu geben, damit das Exportverbot aus dem Gesetz herausgenommen wird, denn sonst haben wir in Sachsen ein ernsthaftes Problem.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Das war Frau Staatsministerin Dr. Stange. Sie hat zeitlich eine Punktlandung hingelegt. Genau die 10 Minuten der Staatsregierung waren optimal auf die Sekunde ausgenutzt.

Wir sind am Ende der Ersten Aktuellen Debatte angekommen und kommen nun zu

Zweite Aktuelle Debatte

Erneuerbare Energien in Sachsen endlich voranbringen – Zukunft

als Energiestandort sichern statt Braunkohlerisiken verschleiern

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Natürlich hat zunächst die Antragstellerin das Wort; Herr Dr. Lippold kommt schon. Danach geht es weiter mit CDU, DIE LINKE, SPD, AfD; Staatsregierung, wenn gewünscht. Bitte, Herr Dr. Lippold.

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich starte mit einem Zitat aus Punkt 1 des Koalitionsantrages, den wir heute unter Tagesordnungspunkt 3 behandeln werden: „Die Energiewende ist eine wichtige Aufgabe von bundesweiter Bedeutung, deren Umsetzung von gesamtstaatlichem Interesse ist.“

Die nunmehr vorliegenden aktuellen Zahlen zur Entwicklung der erneuerbaren Energien in Sachsen im abgelaufenen Jahr, die tatsächlich eine Stagnation ist, strafen diese Aussage allerdings Lügen; denn sie belegen in der Realität eine völlig andere Politik. Das stellt ein erhebliches Problem für die Entwicklung des Wirtschafts- und Ener

giestandortes Sachsen dar, das wir hier aktuell behandeln wollen und auch müssen.

Das Ergebnis dieser Politik im Freistaat ist: Sachsen wird abgehängt, meine Damen und Herren, abgehängt bei diesem wichtigen Thema von gesamtstaatlichem Interesse. So wie ein während der Fahrt abgekoppelter Waggon weiter an Fahrt verliert und zurückfällt, fällt auch Sachsen weiter zurück, nicht nur gegenüber den ostdeutschen Nachbarländern, sondern im Vergleich zu allen Flächenländern in der Bundesrepublik. Denn in Ihrem Koalitionsvertrag hatten Sie sich vorgenommen, das 28-%Ausbauziel bis 2023 aus dem alten Energie- und Klimaprogramm von 2012 an die gesetzlichen Bundesziele anzupassen. Diese liegen bei 40 bis 45 % bis 2025.

Wenn Sie aber mit der Anpassung dieses Programms an die neuen Ausbauziele des Koalitionsvertrages warten, bis der aktuell laufende Regionalplanungsprozess hinreichend weit fortgeschritten und nicht mehr zu beeinflussen ist, wird an dieser Stelle mindestens eine ganze Legislaturpe

riode regelrecht durchtunnelt, der Status aus schwarzgelben Zeiten wird zementiert und die Festlegung des Koalitionsvertrages läuft einfach ins Leere.

Allerdings gehören zum erfolgreichen Boykott immer zwei: der, der boykottiert, und der, der sich boykottieren lässt. Letzterer muss sich fragen lassen, ob ihm das Thema wichtig genug ist, um den Boykott wirklich ernsthaft abzuwehren. Aber dazu später mehr. Erfolgreicher Boykott – auch das ist eine irrige Annahme. Ich habe hier schon mehrfach gesagt: Sachsen ist kein gallisches Dorf auf der Landkarte des europäischen Energiemarktes, völkerrechtlicher Verträge und nationaler Klimaschutz- und Ausbauziele.

Herr Kollege Kupfer, ich spreche Sie jetzt einmal an, da Sie sich kürzlich mit der CDU Brandenburg zur Energiepolitik und zur Entwicklung der Lausitz geäußert haben. In Bezug auf Entwicklungspotenziale gibt es im CDUPapier große Schnittmengen mit einem Lausitz-Beschluss, den der Landesverband der GRÜNEN vor zweieinhalb Jahren entwickelt hat. In Bezug auf die Energiepolitik aber wird wieder die Musik aus dem gallischen Dorf hörbar. Sie, Herr Kollege Kupfer, sind aber nicht Miraculix, und die Kohlefeuer in Boxberg und Lippendorf brennen nicht unter Kesseln mit Zaubertrank, mit dem Sie und Ihre Gallier am Ende den Sieg über die energiepolitischen Römer aus Berlin davontragen können.

(Beifall bei den GRÜNEN Leichte Heiterkeit bei der CDU)

Nein, das Ergebnis der Energiewende-Totalverweigerung wird nicht sein, dass Sie dieses nationale Generationenprojekt, das längst auch global zu einem sich selbst verstärkenden Megatrend des 21. Jahrhunderts geworden ist, aufhalten könnten. Das Ergebnis einer sächsischen Verweigerung wird nicht sein, dass Sie den nationalen Kohleausstieg auch nur um ein Jahr verzögern könnten; denn niemand sollte glauben, dass mit den Milliarden Tonnen CO2-trächtigen Schloten in der Lausitz und in Mitteldeutschland ein Verhandlungspotenzial bestünde, mit dem man die Drohung erheben könnte, man werde sie halt in einem landespolitisch definierten Rahmen irgendwie weiterbetreiben und damit nationale Klimaziele ruinieren und den Strommarkt demolieren, wenn man dafür nicht zufriedenstellend entschädigt werde.

Die ordnungspolitischen Instrumente, mit denen diese Geschäftsmodelle mit einem Federstrich uninteressant werden, liegen doch längst auf dem Tisch, und die Kommissionen, die über das rasche Wie statt über das Ob entscheiden, sind ebenfalls schon längst beschlossen. Sie haben das längst nicht mehr in der Hand. Sachsen steigt aus, oder es wird ausgestiegen. Sachsen nimmt an der Energiewende teil, oder es wird am Ende irgendwie an das Energiegeschäft der anderen angeschlossen.

Das Ergebnis einer fortgesetzten Energiewendeverweigerung wird sein, dass Sachsen im Zuge des bevorstehenden schrittweisen Kohleausstiegs einfach schrittweise seine seit 100 Jahren gewohnte Rolle als bedeutender Energie

produktionsstandort verliert. Andere werden weltweit die Geschäfte mit dem Know-how machen, und Sachsen wird nicht dabei sein, wenn die Standortfragen für die Energieversorgung der Zukunft im Wettbewerb der Regionen neu entschieden werden. Die Verantwortung dafür werden nicht jene tragen, die Kurs in Richtung Klimaschutz und Zukunftsfähigkeit genommen haben, sondern jene, die es vorgezogen haben, dies für Sachsen zu ignorieren. – Weiter in der nächsten Runde.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die erste Runde eröffnete die einbringende Fraktion durch Herrn Dr. Lippold. Nun spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Rohwer.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Lippold, ich glaube, Sie haben mal wieder einen alten Wahlkampfslogan der GRÜNEN herausgeholt und gedacht: Dazu muss man doch mal wieder eine Debatte bestreiten.

Ich erinnere mich, dass es einmal eine Plakatkampagne gab, die hieß: „GRÜN wirkt“. Ich habe mir das heute auch einmal herausgesucht, nachdem Sie wahrscheinlich bei Ihren Freunden vom Verband Erneuerbarer Energien am Freitag wieder emotional aufmunitioniert worden sind, können wir heute die Diskussion auch ein wenig emotional führen.

Schauen wir doch einmal nach Nordrhein-Westfalen. In Nordrhein-Westfalen sind die GRÜNEN gerade im Wahlkampf. Nach alledem, was ich mitbekomme, werden sie ordentlich Federn lassen. Ich kann mir das gut vorstellen, und ich kann es auch erklären.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wenn ich über den Tellerrand und nach NordrheinWestfalen hinausschaue, dann sehe ich, dass der Energiekonzern E.ON, der in NRW sitzt, seit Beginn der Energiewende mehr als jeden dritten Arbeitsplatz gestrichen hat. Gerade hat er ein Rekordminus für das vergangene Jahr bekannt geben müssen. Das werden sich die Menschen merken und den GRÜNEN bei der Wahl in NRW zeigen. Sie werden zeigen, dass „GRÜN wirkt“, indem sie ihre Arbeitsplätze verlieren.

(Zuruf des Abg. Marco Böhme, DIE LINKE)

Wenn Sie so weitermachen, als wenn nichts gewesen wäre, dann werden Sie es auch in den Parlamenten spüren.

Jetzt sage ich nicht – das wissen Sie auch –, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Wir werden die Energiewende weiter vorantreiben und weiterhin gestalten, aber mit Augenmaß.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Schauen wir uns doch einmal die gefährliche Entwicklung an, die Sie jetzt vorantreiben wollen. Der Januar 2017 ist

noch nicht so lange her, an den können Sie sich bestens erinnern. Im Januar 2017 gab es keinen Wind, es gab keine Sonne. Und weil wir noch nicht genügend Energiespeicher haben, die diese Flaute abfangen können, war es die sächsische Braunkohle, die insbesondere in unserer Region dafür gesorgt hat, dass die Energie, die wir brauchten, vorhanden war.

(Beifall der Abg. Georg-Ludwig von Breitenbuch, CDU, und Volkmar Winkler, SPD)

Solange es keine leistungsfähigen alltagstauglichen Speicher gibt, werden wir bei unserem Energiemix bleiben. Deswegen hilft auch diese ganze Chefsachenrhetorik, die Sie in Ihrer Pressemitteilung zur Vorbereitung auf die heutige Debatte angeführt haben, wenig weiter. Wir diskutieren nicht nur auf Chefebene intensiv in der Koalition, sondern wir handeln auch – das sage ich ganz unumwunden – mit einem gehörigen Maß und einem klaren Blick auf die Realität.

Deshalb sind wir als Union froh, dass wir mit der SPD einen Koalitionspartner haben, der ein verlässlicher Koalitionspartner in der Energiepolitik ist, und deswegen werden wir mit ihm weiter zusammenarbeiten.

Sie haben bei Ihrer Einführung den Eindruck erweckt, in Sachsen werde keine Windkraftanlage ausgebaut, es werde nicht zugebaut, aber in Baden-Württemberg, wo es einen grünen Ministerpräsidenten gibt, werde das massiv getan. Ich stelle jetzt die These in den Raum – ich bin gespannt, ob Sie das mit Zahlen untersetzen können –, dass wir im Verhältnis zur Bevölkerung und zur Fläche des Bundeslandes Baden-Württemberg prozentual nicht schlechter sind.

(Frank Kupfer, CDU: So ist es nämlich!)

Ich glaube, dass wir genauso gut unterwegs sind wie das Land Baden-Württemberg. Baden-Württemberg ist nur größer, und es wohnen mehr Menschen dort. Insofern bin ich gespannt, ob Sie das in Ihrem zweiten Redebeitrag mit Zahlen untersetzen können.