Protokoll der Sitzung vom 16.03.2017

Umso richtiger erscheint es uns, dass fast 60 Jahre nach Inbetriebnahme des ersten deutschen Atomreaktors endlich die Endlagerfrage für Atommüll in Angriff genommen wird, und zwar ernsthaft. Die SPD

Landtagsfraktion unterstützt daher die fraktionsübergreifende Initiative des Deutschen Bundestages, diesen Prozess mit dem Standortauswahlgesetz voranzutreiben. Das Bekenntnis zur gesamtdeutschen Verantwortung für das strahlende Erbe der Atomenergieerzeugung ist wichtig. Wir unterstützen ebenso einen wissenschaftsgeleiteten

Kompromiss zur zukünftigen Standortsuche und damit auch die Weiße Karte.

Aus unserer Sicht sollte sich niemand leichtfertig aus der Verantwortung stehlen wollen, weder im Gewand interessengeleiteter Kriterienkritik und schon gar nicht über die Entfesselung einer Angstkampagne. Gerade die, die den Atomkraftgegnern in der Vergangenheit wiederholt Populismus oder Technologiefeindlichkeit vorgeworfen haben, sollten sich hüten, heute eine Endlagerdebatte nach dem Sankt-Florians-Prinzip – „Schon‘ mein Haus, zünd‘ andere an“ – zu führen.

Dass der Bundestag durch seine bisherigen Beschlüsse dokumentiert hat, die fraktionsübergreifend waren, die gemeinsame Verantwortung für das Erbe der Energieerzeugung aus Atomkraft zu übernehmen, gibt uns Hoffnung. Das muss aus unserer Überzeugung der gemeinsame Ansatz sein, sonst werden wir dringende Fragen nicht lösen können.

Nichtsdestotrotz, auch die SPD-Landtagsfraktion sieht Nachbesserungsbedarf am Gesetzentwurf, insbesondere in Artikel 2 des vorliegenden Standortauswahlgesetzes. Darin wird das generelle Exportverbot für Kernmaterial auch aus Forschungsreaktoren festgeschrieben. Wir Sachsen würden damit als einziges Bundesland allein für das hoch angereicherte Kernmaterial der ehemaligen UdSSR in Rossendorf haften. Ich will hier keinen historischen Exkurs über Rossendorf machen. Es ist eine Besonderheit, dass die Verbringung dieses Materials eigentlich schon vertraglich geregelt und vorbereitet war. Auch der Verein VKTA Rossendorf, der in Sachsen frühzeitig beauftragt war, Atommaterial zu entsorgen, ist inzwischen so weit, dass sämtliche Anlagen des Forschungsreaktors nahezu zurückgebaut wurden. Weil diese Frage aber offen ist, tickt eine Uhr. Die Situation, in die Sachsen aus unserer Sicht leider durch letzte Änderungen des Gesetzentwurfes gebracht wird, dass wir bis 2030 benennen müssen, wohin die 751 Brennstäbe verbracht werden können, ist keine optimale.

Aus unserer Sicht bestehen drei Optionen: der Rücktransport nach Russland oder an eine andere Atommacht zur Wiederaufbereitung oder Verbringung, die Lagerung in einem Zwischenlager, bis ein Endlager gefunden wird, was frühestens 2031 festgelegt wird, oder – und das ist die schlechteste Option für Sachsen – die Rücknahme durch Sachsen mit einer ungewissen Lageroption. Wir gemeinsam haben kein Interesse daran, so ein Zwischenlager einzurichten. Deswegen geht unser Appell an den Bund, dass wir an dieser zentralen Stelle des Gesetzentwurfes einen Kompromiss finden.

Ihre Redezeit ist abgelaufen, Herr Kollege.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU)

Die Aktuelle Debatte ist eröffnet. Jetzt spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Dr. Pinka.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute eine spannende Aktuelle Debatte. Ich möchte es einmal so sagen: Im Grundsatz müssen wir alle daran interessiert sein, in Deutschland einen Standort für den erzeugten Atommüll zu finden, der nach derzeitigem Stand des Wissens als sicher für eine Langzeitverwahrung hoch radioaktiven Abfalls gelten kann.

Minister Schmidt hat bei seiner Pressekonferenz am Dienstag keinen Hehl daraus gemacht, dass er den Müll am liebsten ganz weit weg in ein internationales Sammellager verschicken will, aber daraus wird in den nächsten Jahrzehnten wohl nichts werden. Niemand will ein Endlager vor seiner Tür haben und trotzdem muss es irgendwo errichtet werden. Meines Erachtens, Herr Minister Schmidt, agieren Sie äußerst populistisch. Mein Kollege Herr Mann hat es gerade angesprochen: Durch Ihr Handeln werden im Moment vielleicht sämtliche Geothermiebohrungen in Sachsen und längerfristig sämtliche Erkundungsbohrungen im Bergbau zum Erliegen kommen, soweit sie als Bohrungen auf Kristallin geplant sind.

(Alexander Krauß, CDU: Sie bringen da was durcheinander! – Frank Kupfer, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Frau Kollegin?

Aber gerne.

Bitte, Herr Kollege Kupfer.

Frau Kollegin, können Sie mir erklären, warum niemand ein Endlager vor seiner Haustür haben möchte?

Ich würde mal die Frage so beantworten: Wir haben bei anderen Baumaßnahmen, wie zum Beispiel Windkraftanlagen, dasselbe Phänomen. Auch niemand will eine Windkraftanlage vor seinem Haus haben.

(Lachen bei der AfD)

Das begründe ich immer mit dem ein wenig technologiefeindlichen Verhalten in der Gesellschaft. Da haben wir einfach Nachholbedarf, auch im Bildungsprozess.

Können Sie mir auch sagen, wer dafür verantwortlich ist?

Für die fehlende Bildung in der Gesellschaft?

(Heiterkeit und Beifall bei den LINKEN)

Ich kann Ihnen beantworten, wer dafür verantwortlich ist.

(Beifall bei den LINKEN)

Ich würde gern weitermachen.

Bitte.

Ich würde gern auf die Punkte zurückkommen, die Herr Schmidt in seiner Pressekonferenz genannt hat. Diese zentralen Punkte möchte ich für die Öffentlichkeit gern umreißen. Erstens hat er gesagt, dass der Bund verhindern wird, dass Sachsen seinen Atommüll nach Majak ausfliegen kann und nun die armen Sachsen auf den Kosten und dem Atommüll sitzen bleiben werden. Zweitens hat er gesagt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz missachtet würde. Im Kristallingestein wären die Sicherheitsvorkehrungen

andere als an anderen Standorten. Wenn man dies immer ansetzen würde, könnte man überall in Deutschland ein Atommüllendlager bauen. Drittens hat er gesagt: Die Voraussetzungen, nämlich die große Mächtigkeit und die hohe Klüftigkeit der in Sachsen befindlichen Kristalline würden dazu führen, dass ohnehin kein Standort in Sachsen geeignet wäre. Viertens hat er gesagt, durch die Veränderungssperre würde der Bergbau in Sachsen durch den Bund behindert werden. Ich lüge nicht, mein Kollege war in der Pressekonferenz, lieber Herr Minister Schmidt.

Ich möchte zunächst auf diesen zweiten Teil des Debattentitels eingehen. Herr Mann hat gerade den Atommüll angesprochen, den wir im Zwischenlager Ahaus liegen haben. Dazu haben wir schon intensive Debatten in der vormaligen Legislaturperiode geführt. Da war Kollege Lichdi noch im Hause, der intensiv dazu beigetragen hat, dass die Diskussion um die Rückführung des Atommülls von Ahaus nach Majak verhindert wird. Ich sage Ihnen, es ist gut, dass es so ist. Wenn man die Gegebenheiten in Majak kennt, dann weiß man, dass dies kein Ort für eine ordentliche und sichere Verbringung von Atommüll ist.

Insoweit gebe ich Ihnen recht, dass man zu § 2 des Endlagergesetzes eventuell noch einmal verhandeln müsste. Das wäre ein Spielraum, den wir hätten. Wir dürfen nicht auf den Kosten einer Gesetzesentwicklung sitzen bleiben, wohl wissend, dass keine riesigen Beträge sind, die da anfallen. Wenn ich an die Kleine Anfrage von Herrn Zschocke erinnern darf, Drucksache 6/305, in der auf die Kosten der Zwischenlagerung in Ahaus eingegangen wird. Da sind wir bei ungefähr 5 Millionen Euro bis 2036. Ich persönlich gehe davon aus, dass genügend Handlungsspielraum existiert, weil ich glaube, dass keiner ein Interesse daran haben kann, dass Sachsen tatsächlich hier ein Zwischenlager errichtet und die Rückstände zurücknehmen wird. Das wäre noch ein Verhandlungsspielraum. Es wäre natürlich schön gewesen, Frau Wissenschaftsministerin und Herr Umweltminister, wenn Sie sich darüber unterhalten hätten. In der Kommunikation nach außen höre ich immer nur, dass es um die Standorte geht, aber nicht um das Problem der Brennelemente.

Ich möchte in der ersten Rederunde auch darauf hinweisen, dass wir für Rossendorf auch relativ viele Bundesmittel erhalten. Das darf man nicht vergessen, dass wir für

die Forschungsleistung – also nicht nur beim VKTA, sondern auch beim Helmholtz-Zentrum Rossendorf – sehr viel Geld erhalten und jetzt im Umkehrschluss diese vielleicht fünf Millionen Euro im Vergleich natürlich hinken. Also, finanziell ist das nicht wirklich von Bedeutung.

Ich bin mir auch nicht sicher, inwieweit der Umweltminister mit der Wissenschaftsministerin wirklich gesprochen hat, inwieweit man im Bundesrat in die Diskussion geht. Das wird sich vielleicht in einer weiteren Rederunde noch einmal erschließen.

Die Redezeit ist zu Ende, Frau Dr. Pinka.

Ich würde dann später weitermachen.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Dr. Pinka für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt spricht Herr Kollege Urban für die AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Aktuell wird der Gesetzentwurf zur Fortentwicklung des Standortauswahlgesetzes für Atomendlager auf Bundesebene diskutiert. Für uns hier in Sachsen sollten interessante Hauptinhalte sein:

Erstens. In welchen Gesteinsformationen wird gesucht? Wie ist der zukünftige Umgang mit den Brennstäben aus Dresden-Rossendorf? Über welche Zeithorizonte sprechen wir eigentlich?

Da der Gesetzentwurf nun neben Salz- und Tonlagerstätten auch Endlager im kristallinen Gestein für zulässig hält, kommen auch die sächsischen Granitlagerstätten in Betracht. Kristallines Gestein enthält – das wurde schon gesagt – eben auch Klüfte und Brüche, die Wasser führen oder auch in Zukunft Wasser führen können. Hier muss die Sächsische Staatsregierung tatsächlich zeigen, wie sie es mit dem Schutz unserer sächsischen Umwelt und Natur hält. Unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe für Salz, Ton und kristallines Gestein dürfen nicht akzeptiert werden.

Zweitens. Durch den Betrieb des Forschungsreaktors in Dresden-Rossendorf sind auch in Sachsen Brennelemente angefallen, die sicher gelagert werden sollen. Im Gegensatz zu allen anderen Bundesländern muss Sachsen für diese Kosten aber selbst aufkommen, da nach Artikel 38 des Einigungsvertrages die vollständige Verantwortung für DDR-Forschungsinstitute auf die Länder übertragen wurde, also auch der Forschungsreaktor in DresdenRossendorf. Diese Schlechterstellung von Sachsen gegenüber anderen Bundesländern bezüglich der Kosten der Entsorgung von Brennelementen aus Forschungsreaktoren wurde durch ein Exportverbot des Bundes zusätzlich verschärft. Die Brennelemente aus der ehemaligen Sowjetunion wollte und durfte Sachsen wieder an Russland zurückliefern. Die Bundesregierung verbot die Rückliefe

rung an Russland, weil das Bundesumweltministerium Zweifel an den Sicherheitsstandards im russischen Wiederaufarbeitungswerk Majak hat. Wegen dieser Intervention des Bundes bezahlt Sachsen heute die teure Zwischenlagerung in Ahaus und soll auch, Frau Dr. Pinka, die zukünftige Endlagerung dieser Brennstäbe bezahlen. Der Bund verbietet, und Sachsen bezahlt. Wir dürfen gespannt sein, wie unsere Staatsregierung diesen Widerspruch verhandeln wird.

Ein weiterer Punkt, der auch für die sächsischen Bürger von Interesse sein dürfte, sind die Sicherheit und die Rückholbarkeit der angeblich endgelagerten Brennelemente. Für eine Million Jahre wird ein Endlager gesucht. Vor einer Million Jahren gab es den Homo sapiens noch nicht auf der Erde; der entwickelte sich erst vor 200 000 Jahren.

(Beifall bei der AfD)

Der Bericht widerspricht sich auch selbst, wenn er auf der einen Seite ein Lager für eine Million Jahre sucht und auf der anderen Seite im Falle möglicher Havarien aber nur Bergungsoptionen für 500 Jahre vorsieht. Was ist denn das für eine Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Gernerationen?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Sie wollen doch weiter Atomkraftwerke!)

Was ist denn, wenn in tausend Jahren die Behälter undicht werden, oder wenn in tausend Jahren Wasser in das Lager sickert?

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Atomkraftwerke – ja oder nein? Sie wollen doch Atomkraftwerke!)

Wie sollen die Behälter dann geborgen werden, und wer soll das bezahlen?